Dr. PAF
Vintage Inspired Pickups
Was ist interessanter als ein Vergleich mehrerer Generationen von Gibson Les Paul aus der sagenumwobenen Historic Collection? Richtig, ein direkter 1:1 Vergleich einer ausgewählt guten Historic Collection und einem der ultra-raren Originale. Warum? Ganz einfach weil bei ca. 1500 gefertigten Sunburst Les Paul Modellen (oder auch liebevoll von Sammlern Bursts) von 1958 bis 1960 wohl die wenigsten Fans und Liebhaber dieser Gitarre in solch einen Genuss kommen können. Denn wer hat schon einen Bekannten, der mal eben eins, zwei Bursts im Wohnzimmer stehen hat und dann auch noch jeden (oder überhaupt irgendwen) hemmungslos darauf spielen lassen lässt? Richtig. Kaum jemand. Und mal so eben 150k bis 250k Euro auf der hohen Kante hat ja auch nicht jeder. Und selbst wenn, die wenigsten von uns würden dieses Vermögen für eine simple Gitarre ausgeben bei der ja noch nicht mal garantiert ist, dass es wirklich die beste, tollste, sahnigste, etc. Gitarre überhaupt ist (denn auch unter den 1500 Stück sollen sich durchaus Gurken befunden haben). Also gibt es also für den Otto-Normal-Verbraucher nur die Option, auf ein Wunder zu hoffen oder aber euphorischen Berichten einiger weniger Glauben zu schenken (schon mal 2 Tage mit Tom Wittrock dauergechattet?).
Hier kommt also einer dieser Berichte. Geschrieben in einem dieser Momente, in dem ich denke, dass es das Leben wirklich gut mit mir meint ich sitze auf der Veranda meines Hauses in Seattle und die Sonne scheint (das alleine ist schon einen Asbach Uralt wert). Vor mir glitzert ein Glas mit eiskaltem Ginger Ale, aus dem Radio tönt Mike Bloomfield und vor mir liegen Fotos und Notizen des Ereignisses, von dem es nun zu berichten gilt.
Nach meinem Musiker-Board Artikel https://www.musiker-board.de/modifikation-technik-gitarrenbau-e-git/460405-upgrading-les-paul.html wurde mir von mehreren Seiten zugetragen, doch noch einen Artikel zum Thema Les Paul zu schreiben. Der erste Gedanke war oben genannter: Ein Vergleich mehrerer Gibson Historic Collection Generationen. Anscheinend scheint es da wohl die ein oder andere Glaubensfrage in der weiten Welt der Foren zu geben. Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass für mich dieses Thema nicht unbedingt spannend ist denn eine gute Les Paul ist eine gute Les Paul, egal was für eine Farbe die Potiknöpfe haben oder ob die Halsglocke jetzt nun wirklich und endgültig wie die von 1959 aussieht. Anders sieht es bei der Konstruktion aus. Und da hat sich nun seit ca. 2000 bei den Historic Collection Les Pauls nicht besonders viel verändert. Es ist mittlerweile zu einem Sport geworden, so ziemlich alles an der Les Paul zu optimieren (Pickups, Potis, Caps, ...), von daher würde ein Vergleich verschiedener Historics ja nur Sinn machen, wenn ich für den Test mehrere unmodifizierte Paulas aus den unterschiedlichen Baureihen zur Verfügung gehabt hätte. Und dem war nicht so. Lange Rede, kurzer Sinn: Neues Thema!
Da fiel mir mein Freund Jay von http://www.emeraldcityguitars.com/home/ in Seattle ein. Schon vor 2.5 Jahren, als ich als Neu-Seattler zum ersten mal in Jays Laden (und damit auch den ersten puren Vintage Gitarren Laden in meinem Leben überhaupt) getorkelt bin, wusste ich, dass ich irgendwann mal seine beiden Originale (eine 1959, one owner in beinahe mint-Zustand und eine extrem gerockte, mit Spielspuren überzogene 1960 Burst) in schriftlicher Form festhalten wollte. Gibt es für einen Les Paul Enthusiasten wie mich etwas besseres, als mehr oder weniger neben zwei Bursts zu wohnen? Dazu kam, dass ich gerade erst vor einigen Monaten die wohl bis dato beste Historic Les Paul gekauft hatte, die ich bisher jemals in den Fingern hatte und das waren einige! Bei ihr ihr Name ist Naomi - konnte ich einfach nicht widerstehen und habe den Kreditrahmen meiner Karte doch arg ausgereizt. Es handelt sich um eine leichte 1958 Reissue von 2002 mit einem fantastischem Flametop. Wie es sich für jemanden gehört, der Artikel und Kolumnen über das Upgraden von Les Pauls schreibt, wurde auch die R8 noch etwas optimiert, indem sie einen neuen Sattel und Wolfetone Pickups (einen Marshallhead MkII an der Brücke und einen Dr. Vintage am Hals) mit historisch korrektem 57er Wiring und Cornell-Dublier PIO Caps sowie einen Satz TonePros Kluson Mechaniken spendiert bekommen hat. Diese Gitarre hat etwas, sie inspiriert, nimmt einen ganz ein und spuckt einen erst wieder aus, wenn man nicht mehr kann. Die war der perfekte Player für meinen Plan einem Vergleich Original gegen optimierte Reissue. Nicht optisch (was für viele Paulaner ja fast genauso wichtig ist), sondern ausschließlich was den Ton, das Spielgefühl angeht.
Naomi, eine 2002 R8 Flametop.
Und damit Vorhang auf für die 1960 von Emerald City Guitars! Und damit eine Gitarre, die schon einiges auf dem Buckel hat. Diese Gitarre wurde nicht vor 50 Jahren einmal gespielt und dann unter dem Bett vergessen. Nein, diese Gitarre wurde gespielt, gewürgt, malträtiert ... was ja meistens ein Zeichen für die herausragende Qualität eines Instruments ist. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass alleine die Tatsache, dass vor mir schon Player wie Joe Bonamassa, Rev. Billy G., John Mayer, Santana und andere auf genau dieser Les Paul gespielt haben, meinen Puls spürbar hat steigen lassen. Zur Geschichte der Paula: Sie war jahrelang im Besitz von einem East Coast Musiker mit dem klanghaften Namen Flamin' Harry Mc Gonigal. Eine kleine Google Suche lohnt sich hier um mehr über diesen laut George Thorogood most underrated guitar player in North America Typen herauszufinden. Wie SRV hat auch Flamin Harry eine Vorliebe für kräftige Ringe an der linken Hand. Eine weitere Vorliebe von Harry muss Blues in A gewesen sein, denn in der 5. Lage ist der Hals anscheinend von den Ringen an der Hand regelrecht ausgefräst. Das sind keine Dellen, das sind richtige Kuhlen! So war auch Joe Bonamassas erste Reaktion auf Alberta (so nannte Harry die Paula), dass er ja wohl zuerst mal diese Kuhlen wieder auffüllen lassen würde Joe halt! Ansonsten hatte Alberta kurzzeitig ein Bigsby montiert, das jetzt aber wieder dem originalen Tailpiece gewichen ist. Die Brücke ist an der Stelle, an der der Handballen aufliegt regelrecht bis fast auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Dicke vom vielen Gebrauch nach und nach abgeschliffen.
Famin' Harry mit Alberta in Action
Einige Teile der Gitarre sind nicht original: Das Pickguard stammt von einer späteren Standard, mindestens ein Poti Knopf ist nicht original (wobei ich eher glaube, dass alle vier nicht mehr original sind, Harry hatte Knöpfe in der Form von Würfeln installiert), zwei der Potis wurden im Laufe der Jahre ersetzt und am Kopf werkeln Grover Mechaniken. Der Bridge Humbucker war mal ausgetauscht worden, jetzt werkelt wieder ein originaler PAF in der 4.1 kg schweren Alberta. Apropos PAF: beide Tonabnehmer sorgten auf meinem (digitalem ich weiß, ein Frevel!) Multimeter für einen Ausschlag bis 8.6 am Hals und 8.7 kOhm an der Brücke und damit zählen sie sicherlich zu den lauteren Modellen aus dieser Zeit.
Jay war so nett und gestatte mir, eines Tages mit Messequipment, Aufnahmegerät und meiner R8 die Hälfte des Ladens in Beschlag zu nehmen um Alberta sowie meine Lieblingspaula ausführlich an einem originalen Blackface Fender Vibrolux Reverb Amp miteinander zu vergleichen.
So, und da sind wir schon bei dem Limitationen, mit denen man zu kämpfen hat, um einen 1:1 Vergleich auf die Beine zu stellen Alberta hatte 10er DAddario Saiten aufgezogen, meine Naomi war auf 11er Pyramid Pure Nickel Saiten eingestellt ein nicht zu unterschätzender Unterschied. Die Pickup Abstände habe ich bei meiner R8 versucht, mit den Abständen bei der 60er möglichst exakt abzugleichen. Zur Versärkung habe ich noch Wolfe MacLeod, den Gründer und Mastermind von Wolfetone Pickups, eingeladen. Vier Ohren hören besser als zwei. Also, dann ran an den 175k Dollar Braten ...
Alberta in ihrer ganzen Schönheit ...
Was sofort auffiel, war dass Alberta sofort und ohne Eingewöhnungszeit (die ich normalerweise bei vielen Gitarren brauche, um mich auf sie einzustellen) fast wie ein Handschuh gepasst hat. Kuhlen auf der Rückseite? Klar, merkt man aber kaum! Das war schon sehr verwunderlich. Das Halsprofil war deutlich anders als bei R0 Gibsons. Es hatte mehr von einem soften V-Profil, das sehr angenehm in der Hand liegt. Die Saitenlage war perfekt eingestellt und die Tatsache, dass die Gitarre (wahrscheinlich schon mehrfach) neu bundiert worden ist, war für die Spielbarkeit sehr förderlich. Die Gitarre ist perfekt ausbalanciert, weder Kopf- noch Body-lastig. Kurz und knapp: Ich hatte das Gefühl, auf meiner (!) Gitarre zu spielen. Beeindruckend! Hier kurz zum Thema Optik: Von den exzessiven Lackplatzern, die gerne auf neuen, geaged-ten Paulas vorzufinden sind, war hier kaum etwas zu sehen. Der Lack war etwas stumpfer als bei Naomi, hier und da ein Checking, aber eine Splitterorgie war hier nicht vorzufinden (im übrigen auch bei Jays 59er nicht). Was uns aber auffiel, war ein akustisch eher schwachbrüstiger Ton und nur mittelmäßiges Sustain. Die R8 tönte deutlich voller, runder und hat bedeutend mehr Sustain und Lautstärke. Rein akustisch angespielt würde sich wohl jeder im Blindtest für Naomi entscheiden. Das war schon etwas frustrierend. Also schnell an den Amp ... und hier galt der Augenmerk hauptsächlich den cleanen Tönen. Marshall Full-Stack Bratzeln war aufgrund des Setups im Laden mit Kundenverkehr - leider nicht möglich. Aber bitte gibt es einen besseren Clean Amp als den von uns verwendeten Vibrolux? Wohl kaum. Also, high-end Kabel rein und los gings. Schlagartig war tatsächlich alles da, von dem so oft berichtet wird, wenn es um den alten PAF-Klang geht: Der Ton ist eher mitten- als basslastig, die Höhen sind nicht schrill, aber doch deutlich präsent. Untenrum sahs eher mau aus, dafür hat man eine Transparenz, die von keinen der modernen PAF-Repliken erreicht wird. Der oft zitierte Vergleich mit einer guten Telecaster drängt sich sofort auf. Trotz der Messwerte überladen beide Pickups den Eingang des Fenders keinesfalls. Diese Feinheiten (Jay nennt sie die teureren 5%) sind einzigartig! Kabel raus, R8 rein und dann erst mal ... Kinnlade wieder hoch klappen. Klar, da war ein Unterschied zu hören, aber wie klein war der denn bitte? Okay, schlagartig sind wir wieder bei den teuren 5%. Obwohl die Messwerte der Wolfetone Humbucker deutlich geringer waren (7.5 am Hals, 8.3 an der Brücke) klang die R8 doch klar lauter. Außerdem kann man sagen, dass die Pickups die Charakteristika der Holzbasis 1:1 übertragen. Der Verstärkte Klang war wie der akustische Klang etwas mächtiger als der der 60er, mehr Bässe, mehr Mitten, ein bisschen weniger Präsenzen, nicht ganz so klar aufgelöst wie bei der 60er, dafür mit etwas mehr Punch als bei der 60er. Die Anschlagsdynamik war bei beiden Gitarren extrem feinfühlig und auch im Spiel mit den Potis waren kaum Unterschiede im Regelweg festzustellen wieder einmal zeigt sich hier, dass das Wiring eine große Rolle spielt! Wolfe und ich waren jedenfalls beide extrem erstaunt, wie nah die Reissue dem Original am Amp gekommen ist. Beim Anhören des Mitschnitts musste ich mehrfach genau hinhören um die beiden Gitarren auseinander halten zu können.
Links das Original von 1960, rechts meine R8 von 2002.
Da man Ton nur schwer beschreiben kann, habe ich mal zwei Beispiele hochgeladen. Ich bin gespannt, wer den Unterschied hört und wer sagen kann, welcher Part von welcher Gitarre stammt.
https://soundcloud.com/drchevchelios/r8-60-test
Abschließendbleibt zu sagen, dass Jay vollkommen Recht hat. Der Unterschied beträgt wohl und wenn überhaupt 5% ... und die wollen bei einem Preisunterschied von 170k in Worten: einhundertsiebzigtausend! - Dollars teuer bezahlt werden. Ich bin mir nicht sicher, wie viele Player sich in einem Blindtest für die 1960er anstelle der R8 entschieden hätten ... Ich für meinen Teil würde wohl die R8 vorziehen. Aber da eine Gitarre ja mehr als NUR der Ton ist, sondern gerade bei vintage Gitarren auch die Aura, die Patina und Einzigartigkeit eine große Rolle spielen, ist ein Vergleich der Dollar-Werte eigentlich nicht möglich. Und eins ist klar Alberta ist eine traumhafte Gitarre, die geradezu danach schreit, wieder so rangenommen zu werden wie vor Jahren von dem flambierten Harald!
Ich danke Jay und seinen Jungs bei Emerald City Guitars jedenfalls sehr dafür, dass sie mir für dieses kleine Experiment einen ihrer Schätze überlassen haben. Auch Wolfe sei gedankt für seinen Input und für diese unglaublich guten Humbucker, die so nah ans Original herankommen. Für Fragen, Hinweise und Kommentare von Euch stehe ich natürlich zur Verfügung.
Hier kommt also einer dieser Berichte. Geschrieben in einem dieser Momente, in dem ich denke, dass es das Leben wirklich gut mit mir meint ich sitze auf der Veranda meines Hauses in Seattle und die Sonne scheint (das alleine ist schon einen Asbach Uralt wert). Vor mir glitzert ein Glas mit eiskaltem Ginger Ale, aus dem Radio tönt Mike Bloomfield und vor mir liegen Fotos und Notizen des Ereignisses, von dem es nun zu berichten gilt.
Nach meinem Musiker-Board Artikel https://www.musiker-board.de/modifikation-technik-gitarrenbau-e-git/460405-upgrading-les-paul.html wurde mir von mehreren Seiten zugetragen, doch noch einen Artikel zum Thema Les Paul zu schreiben. Der erste Gedanke war oben genannter: Ein Vergleich mehrerer Gibson Historic Collection Generationen. Anscheinend scheint es da wohl die ein oder andere Glaubensfrage in der weiten Welt der Foren zu geben. Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass für mich dieses Thema nicht unbedingt spannend ist denn eine gute Les Paul ist eine gute Les Paul, egal was für eine Farbe die Potiknöpfe haben oder ob die Halsglocke jetzt nun wirklich und endgültig wie die von 1959 aussieht. Anders sieht es bei der Konstruktion aus. Und da hat sich nun seit ca. 2000 bei den Historic Collection Les Pauls nicht besonders viel verändert. Es ist mittlerweile zu einem Sport geworden, so ziemlich alles an der Les Paul zu optimieren (Pickups, Potis, Caps, ...), von daher würde ein Vergleich verschiedener Historics ja nur Sinn machen, wenn ich für den Test mehrere unmodifizierte Paulas aus den unterschiedlichen Baureihen zur Verfügung gehabt hätte. Und dem war nicht so. Lange Rede, kurzer Sinn: Neues Thema!
Da fiel mir mein Freund Jay von http://www.emeraldcityguitars.com/home/ in Seattle ein. Schon vor 2.5 Jahren, als ich als Neu-Seattler zum ersten mal in Jays Laden (und damit auch den ersten puren Vintage Gitarren Laden in meinem Leben überhaupt) getorkelt bin, wusste ich, dass ich irgendwann mal seine beiden Originale (eine 1959, one owner in beinahe mint-Zustand und eine extrem gerockte, mit Spielspuren überzogene 1960 Burst) in schriftlicher Form festhalten wollte. Gibt es für einen Les Paul Enthusiasten wie mich etwas besseres, als mehr oder weniger neben zwei Bursts zu wohnen? Dazu kam, dass ich gerade erst vor einigen Monaten die wohl bis dato beste Historic Les Paul gekauft hatte, die ich bisher jemals in den Fingern hatte und das waren einige! Bei ihr ihr Name ist Naomi - konnte ich einfach nicht widerstehen und habe den Kreditrahmen meiner Karte doch arg ausgereizt. Es handelt sich um eine leichte 1958 Reissue von 2002 mit einem fantastischem Flametop. Wie es sich für jemanden gehört, der Artikel und Kolumnen über das Upgraden von Les Pauls schreibt, wurde auch die R8 noch etwas optimiert, indem sie einen neuen Sattel und Wolfetone Pickups (einen Marshallhead MkII an der Brücke und einen Dr. Vintage am Hals) mit historisch korrektem 57er Wiring und Cornell-Dublier PIO Caps sowie einen Satz TonePros Kluson Mechaniken spendiert bekommen hat. Diese Gitarre hat etwas, sie inspiriert, nimmt einen ganz ein und spuckt einen erst wieder aus, wenn man nicht mehr kann. Die war der perfekte Player für meinen Plan einem Vergleich Original gegen optimierte Reissue. Nicht optisch (was für viele Paulaner ja fast genauso wichtig ist), sondern ausschließlich was den Ton, das Spielgefühl angeht.
Naomi, eine 2002 R8 Flametop.
Und damit Vorhang auf für die 1960 von Emerald City Guitars! Und damit eine Gitarre, die schon einiges auf dem Buckel hat. Diese Gitarre wurde nicht vor 50 Jahren einmal gespielt und dann unter dem Bett vergessen. Nein, diese Gitarre wurde gespielt, gewürgt, malträtiert ... was ja meistens ein Zeichen für die herausragende Qualität eines Instruments ist. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass alleine die Tatsache, dass vor mir schon Player wie Joe Bonamassa, Rev. Billy G., John Mayer, Santana und andere auf genau dieser Les Paul gespielt haben, meinen Puls spürbar hat steigen lassen. Zur Geschichte der Paula: Sie war jahrelang im Besitz von einem East Coast Musiker mit dem klanghaften Namen Flamin' Harry Mc Gonigal. Eine kleine Google Suche lohnt sich hier um mehr über diesen laut George Thorogood most underrated guitar player in North America Typen herauszufinden. Wie SRV hat auch Flamin Harry eine Vorliebe für kräftige Ringe an der linken Hand. Eine weitere Vorliebe von Harry muss Blues in A gewesen sein, denn in der 5. Lage ist der Hals anscheinend von den Ringen an der Hand regelrecht ausgefräst. Das sind keine Dellen, das sind richtige Kuhlen! So war auch Joe Bonamassas erste Reaktion auf Alberta (so nannte Harry die Paula), dass er ja wohl zuerst mal diese Kuhlen wieder auffüllen lassen würde Joe halt! Ansonsten hatte Alberta kurzzeitig ein Bigsby montiert, das jetzt aber wieder dem originalen Tailpiece gewichen ist. Die Brücke ist an der Stelle, an der der Handballen aufliegt regelrecht bis fast auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Dicke vom vielen Gebrauch nach und nach abgeschliffen.
Famin' Harry mit Alberta in Action
Einige Teile der Gitarre sind nicht original: Das Pickguard stammt von einer späteren Standard, mindestens ein Poti Knopf ist nicht original (wobei ich eher glaube, dass alle vier nicht mehr original sind, Harry hatte Knöpfe in der Form von Würfeln installiert), zwei der Potis wurden im Laufe der Jahre ersetzt und am Kopf werkeln Grover Mechaniken. Der Bridge Humbucker war mal ausgetauscht worden, jetzt werkelt wieder ein originaler PAF in der 4.1 kg schweren Alberta. Apropos PAF: beide Tonabnehmer sorgten auf meinem (digitalem ich weiß, ein Frevel!) Multimeter für einen Ausschlag bis 8.6 am Hals und 8.7 kOhm an der Brücke und damit zählen sie sicherlich zu den lauteren Modellen aus dieser Zeit.
Jay war so nett und gestatte mir, eines Tages mit Messequipment, Aufnahmegerät und meiner R8 die Hälfte des Ladens in Beschlag zu nehmen um Alberta sowie meine Lieblingspaula ausführlich an einem originalen Blackface Fender Vibrolux Reverb Amp miteinander zu vergleichen.
So, und da sind wir schon bei dem Limitationen, mit denen man zu kämpfen hat, um einen 1:1 Vergleich auf die Beine zu stellen Alberta hatte 10er DAddario Saiten aufgezogen, meine Naomi war auf 11er Pyramid Pure Nickel Saiten eingestellt ein nicht zu unterschätzender Unterschied. Die Pickup Abstände habe ich bei meiner R8 versucht, mit den Abständen bei der 60er möglichst exakt abzugleichen. Zur Versärkung habe ich noch Wolfe MacLeod, den Gründer und Mastermind von Wolfetone Pickups, eingeladen. Vier Ohren hören besser als zwei. Also, dann ran an den 175k Dollar Braten ...
Alberta in ihrer ganzen Schönheit ...
Was sofort auffiel, war dass Alberta sofort und ohne Eingewöhnungszeit (die ich normalerweise bei vielen Gitarren brauche, um mich auf sie einzustellen) fast wie ein Handschuh gepasst hat. Kuhlen auf der Rückseite? Klar, merkt man aber kaum! Das war schon sehr verwunderlich. Das Halsprofil war deutlich anders als bei R0 Gibsons. Es hatte mehr von einem soften V-Profil, das sehr angenehm in der Hand liegt. Die Saitenlage war perfekt eingestellt und die Tatsache, dass die Gitarre (wahrscheinlich schon mehrfach) neu bundiert worden ist, war für die Spielbarkeit sehr förderlich. Die Gitarre ist perfekt ausbalanciert, weder Kopf- noch Body-lastig. Kurz und knapp: Ich hatte das Gefühl, auf meiner (!) Gitarre zu spielen. Beeindruckend! Hier kurz zum Thema Optik: Von den exzessiven Lackplatzern, die gerne auf neuen, geaged-ten Paulas vorzufinden sind, war hier kaum etwas zu sehen. Der Lack war etwas stumpfer als bei Naomi, hier und da ein Checking, aber eine Splitterorgie war hier nicht vorzufinden (im übrigen auch bei Jays 59er nicht). Was uns aber auffiel, war ein akustisch eher schwachbrüstiger Ton und nur mittelmäßiges Sustain. Die R8 tönte deutlich voller, runder und hat bedeutend mehr Sustain und Lautstärke. Rein akustisch angespielt würde sich wohl jeder im Blindtest für Naomi entscheiden. Das war schon etwas frustrierend. Also schnell an den Amp ... und hier galt der Augenmerk hauptsächlich den cleanen Tönen. Marshall Full-Stack Bratzeln war aufgrund des Setups im Laden mit Kundenverkehr - leider nicht möglich. Aber bitte gibt es einen besseren Clean Amp als den von uns verwendeten Vibrolux? Wohl kaum. Also, high-end Kabel rein und los gings. Schlagartig war tatsächlich alles da, von dem so oft berichtet wird, wenn es um den alten PAF-Klang geht: Der Ton ist eher mitten- als basslastig, die Höhen sind nicht schrill, aber doch deutlich präsent. Untenrum sahs eher mau aus, dafür hat man eine Transparenz, die von keinen der modernen PAF-Repliken erreicht wird. Der oft zitierte Vergleich mit einer guten Telecaster drängt sich sofort auf. Trotz der Messwerte überladen beide Pickups den Eingang des Fenders keinesfalls. Diese Feinheiten (Jay nennt sie die teureren 5%) sind einzigartig! Kabel raus, R8 rein und dann erst mal ... Kinnlade wieder hoch klappen. Klar, da war ein Unterschied zu hören, aber wie klein war der denn bitte? Okay, schlagartig sind wir wieder bei den teuren 5%. Obwohl die Messwerte der Wolfetone Humbucker deutlich geringer waren (7.5 am Hals, 8.3 an der Brücke) klang die R8 doch klar lauter. Außerdem kann man sagen, dass die Pickups die Charakteristika der Holzbasis 1:1 übertragen. Der Verstärkte Klang war wie der akustische Klang etwas mächtiger als der der 60er, mehr Bässe, mehr Mitten, ein bisschen weniger Präsenzen, nicht ganz so klar aufgelöst wie bei der 60er, dafür mit etwas mehr Punch als bei der 60er. Die Anschlagsdynamik war bei beiden Gitarren extrem feinfühlig und auch im Spiel mit den Potis waren kaum Unterschiede im Regelweg festzustellen wieder einmal zeigt sich hier, dass das Wiring eine große Rolle spielt! Wolfe und ich waren jedenfalls beide extrem erstaunt, wie nah die Reissue dem Original am Amp gekommen ist. Beim Anhören des Mitschnitts musste ich mehrfach genau hinhören um die beiden Gitarren auseinander halten zu können.
Links das Original von 1960, rechts meine R8 von 2002.
Da man Ton nur schwer beschreiben kann, habe ich mal zwei Beispiele hochgeladen. Ich bin gespannt, wer den Unterschied hört und wer sagen kann, welcher Part von welcher Gitarre stammt.
https://soundcloud.com/drchevchelios/r8-60-test
Abschließendbleibt zu sagen, dass Jay vollkommen Recht hat. Der Unterschied beträgt wohl und wenn überhaupt 5% ... und die wollen bei einem Preisunterschied von 170k in Worten: einhundertsiebzigtausend! - Dollars teuer bezahlt werden. Ich bin mir nicht sicher, wie viele Player sich in einem Blindtest für die 1960er anstelle der R8 entschieden hätten ... Ich für meinen Teil würde wohl die R8 vorziehen. Aber da eine Gitarre ja mehr als NUR der Ton ist, sondern gerade bei vintage Gitarren auch die Aura, die Patina und Einzigartigkeit eine große Rolle spielen, ist ein Vergleich der Dollar-Werte eigentlich nicht möglich. Und eins ist klar Alberta ist eine traumhafte Gitarre, die geradezu danach schreit, wieder so rangenommen zu werden wie vor Jahren von dem flambierten Harald!
Ich danke Jay und seinen Jungs bei Emerald City Guitars jedenfalls sehr dafür, dass sie mir für dieses kleine Experiment einen ihrer Schätze überlassen haben. Auch Wolfe sei gedankt für seinen Input und für diese unglaublich guten Humbucker, die so nah ans Original herankommen. Für Fragen, Hinweise und Kommentare von Euch stehe ich natürlich zur Verfügung.
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