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Bachs Gola
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Liebe Akkordeon-Enthusiasten,
nachdem ich gerade auf einige Threads, die das Thema Akkordeonkauf und Unterricht für Kinder behandeln, gestossen bin, nehme ich dies zum Anlass, vorzuschlagen, ein wenig über den instrumentalen Anfängerunterricht im Fach Akkordeon zu diskutieren.
Um dem ganzen ein wenig Leben einzuhauchen, erlaube ich mir, kurz meinen eigenen Unterricht und die Gründe dafür zu skizzieren.
Bitte:
Diese Skizzierung soll nicht dazu dienen, ausschliesslich über meine Art zu Unterrichten zu diskutieren. Eine Diskussion ist m.E. erst möglich, wenn andere Modelle auch vorgestellt sind. Daher möchte ich Euch bitten, auch Eure Modelle/Konzepte/Ideen, hier vorzubringen, um den Horizont zu erweitern!
Gerade im künstlerischen Bereich ist Respekt vor Andersdenkenden (in diesem Falle besser: Andersarbeitenden) ein enorm hohes Gut. Daher möchte ich bitten, allen skizzierten Konzepten ein hohes Mass an Respekt entgegen zu bringen: Die meisten meiner Kollegen betreiben ihre Tätigkeit mit enormem Herzblut; es soll um Diskussion über Konzepte gehen, nicht um Urteile. Es scheint mir bisweilen eine etwas "deutsche" Angewohnheit zu sein, in inhaltlichen Diskussionen davon auszugehen, es gäbe eine Lösung, und zwar nur die "eine", und die sei richtig, und das meist auch "bis in alle Ewigkeit".
In solch einem Geiste befürchte ich, dass solch eine Diskussion mehr schadet als Nutzen zu bringen vermag: Gerade Akkordeonisten haben sich in den letzten rund 40 Jahren so manchen "Grabenkampf" geliefert, oft nicht unbedingt zum Wohle des Instruments.
Ich finde: Diese Zeit der Lagerkämpfe ist vorbei, und das ist auch gut so. Als Beispiel: Kein Pianist, der auf Beethoven und Brahms spezialisiert ist, urteilt Jazz-Pianisten als "nur halbe Musiker" ab. Das Urteil wird anderen überlassen. Ich fände es bewundernswert und wegweisend, wenn auch wir uns in der Lage zeigen könnten, einen "neuen", anderen Ton anzuschlagen.
Genug der Vorrede. Hier meine Arbeit, einigermassen skizziert:
Lehrplan:
Es gibt, wie auch für allgemeinbildende Schulen, Lehrpläne für Musikschulen. Diese sind nicht verpflichtend, sondern als ernst zu nehmende Empfehlungen gedacht: Gremien sehr erfahrener Musiker und Pädagogen haben sich lange die Köpfe zerbrochen bzw. heissdiskutiert, um diese Empfehlungen zu erarbeiten.
Die Frage, ob Anfänger zunächst Stadndardbass oder Melodiebass (MIII oder Einzeltonakkordeon, das ist alles das selbe) lernen sollen, wrd hier eindeutig zu Gunsten des MIII-Instruments beantwortet.
Meine persönlche Begründung, mich an diese Empfehlung zu halten (und ich arbeite im Übrigen nicht an einer Musikschule, müsste mich also weniger angesprochen fühlen), ist folgende:
Wer erst Melodiebass lernt, hat später wenig Schwierigkeiten, den Standardbass dazu zu lernen, wenn er das wünscht. Anders herum wird die Sache erheblich komplizierter. Dies nicht zu beachten, hiesse in meinen Augen, die Gefahr in Kauf zu nehmen, dass Schüler sich im Laufe ihrer Entwicklung zwar gerne auch anderer Musik (Neue Musik, Bach,...) zuwenden wollen, es aber entweder nicht mehr oder nur unter großen Mühen schaffen würden. Daher gebe ich jedem Kind, das bei mir anfängt, zunächst ein MIII-Akkordeon.
Die Überlegung zwischen Taste und Knopf im Diskant wird hier ja an anderer Stelle ausgiebig diskutiert, daher versuche ich zunächst mal, diesen Punkt hier nicht weiter zu behandeln.
Einstiegsalter:
Das hängt in meinen Augen sehr von der Vorbildung (Musikalische Früherziehung), dem Entwicklungsstand des Kindes sowie seinen naturgegebenen Anlagen ab, aus meiner Erfahrung ist ein ideales Durchschnittsalter rund um die Einschulung zu finden (und es gibt schon seit den Siebziger Jahren beeindruckende Beispiele für deutlich früheren Instrumentalunterricht, ich möchte dem nicht widersprechen!).
Einzelunterricht - Gruppenunterricht:
Die angesprochenen Erfahrungen aus den Siebzigern (Peter Heilbut) beziehen sich auf sehr erfolgreichen Gruppenunterricht. zu bedenken gilt aber: Dieser Gruppenunterricht war kein ausschliesslicher, je nach Bedarf konnten Einzelstunden angesetzt werden. Ferner wurde nur in Gruppen unterrichtet (meist Zweier), wenn die beiden Schüler wirklich eine jeweils gute Ergänzung waren usw...
Gründe FÜR diesen Gruppenunterricht waren die kammermusikalische Erfahrung, dadurch eine bessere rhythmische Schulung, Sozialisationsaspekte usw.
Heute findet man an Musikschulen häufig ausschliesslich Gruppenunterricht, als Argumente hierfür werden die oben aufgezählten genannt. Die Möglichkeit, einzeln unterrichtet zu werden, wenn sich keine Gruppe findet bzw. es auch aus der Gruppe heraus ergeben sollte, besteht fast nie. Auch sind die Gruppen meist dem Sachzwang angepasst: Wenn es zwei Anmeldungen zweier gleichaltriger Schüler gibt, kommen die eben in eine Gruppe, ungeachtet, ob es für sie gut ist oder nicht (als fiktives Beispiel). Es drängt sich der Gedanke auf, dass die wahren Gründe hierfür finanzieller Natur sein dürften...
Davon halte ich persönlich nichts. Musikunterricht ist Kunstunterricht. Und Kunst ist individuell. Da muss Einzelunterricht möglich sein. All die wunderbaren Dinge, die man nur im Zusammenspiel erleben, erfahren und lernen kann, dürfen dadurch aber nicht ausgeblendet werden. Das heisst: Ich achte darauf, dass meine Schüler, je nach Bedarf oder Notwendigkeit, auch mit anderen Kindern zusammen spielen, sei es mit Akkordeonisten oder - mir viel wichtiger - mit anderen Instrumenten.
Unterrichtsdauer:
Meine Unterrichtsstunden betragen i.d.R. 45 Minuten, auch bei sehr jungen Schülern. Erklärung: Meine Schüler sollen lernen, möglichst eigenständig zu arbeiten, und das sowohl in "handwerklicher" Sicht (wie übt man?) als auch in künstlerischer. Also müssen sie auch zu Hause lernen, allein zu arbeiten. Wenn sie in der Lage sind, sich 45 Minuten im Unterricht zu konzentrieren (selbstverständlich mit kleinen "Pausen", je nach Bedarf), kommen sie leichter in die Lage, auch zu Hause eigenständig zu arbeiten.
Im Übrigen käme ich, wenn ein Schüler die Woche über regelmässig gespielt hat, mit beispielsweise 30 Minuten Unterrichtszeit nie zu allem, was ich mit dem Schüler/der Schülerin besprechen möchte.
Ziel:
Die Kinder sollen zu (selbst)kritischen, eigenständigen Musikern heranreifen (ich bezeichne jeden, der ein Musikinstrument spielt, als Musiker), sie sollen spätestens zu Beginn der Pubertät in der Lage sein, sich ohne fremde Hilfe a) Stücke auszusuchen, b) diese zu erarbeiten und c) eine eigene Haltung zu dieser Interpretation o.ä. zu erlangen.
Im Übrigen: Solche Musiker sind kritische und oft dankbare Konzertbesucher oder, wenn man so will: verstehende Musikkonsumenten; für viele besteht das Ziel einer Instrumentalausbildung vordergründig genau hierein - mit Hilfe des jeweiligen Instruments Musik "verstehen" lernen.
Hintergrund: Ich konnte sehr häufig folgendes beobachten:
Ein Kind lernt vom Lehrer sein Instrument spielen, und zwar nach einer Art "Löffelchen-Methode": Der Lehrer gibt vor (Fingersätze, Interpretation, manchmal Übetechniken), das Kind macht nach. Folge (das wäre jedenfalls oft zu befürchten): Das Kind kopiert nur, handelt nicht aus eigenem Antrieb, aus eigenem Interesse und erlebter Notwendigkeit heraus. Meist klingen die so erarbeiteten Stücke auch der Interpretation des Lehrers nicht wirklich unähnlich (von spieltechnisch bedingten Unterschieden natürlich abgesehen).
Irgendwann hört dieses Kind auf, das Instrument zu spielen (meist im Alter von 13 bis 16). Als Erwachsener (sagen wir, Ende 20) kommt evtl. irgendwann wieder die Lust auf, das Instrument "hervorzukramen", mit dem Ergebnis: Von all dem "Gelernten" ist so gut wie nichts mehr da.
Dies möchte ich helfen, zu vermeiden. Das geht aber m.E. nur, wenn das Kind von Anfang an versucht, die "Rätsel", natürlich unter moderierender Anleitung des Lehrers, Stück für Stück selbst zu lösen. Ich denke und hoffe: Nur, was man so intensiv erlernt, bleibt einem auch ein Leben lang erhalten. Dieser Weg ist für Lehrer wie Schüler nicht immer bequem, aber er ist lohnend, finde ich.
Auswahl der Stücke:
Am Anfang nehme ich selbst diese Auswahl vor: Bestimmte Grundfertigkeiten mus jeder Instrumentalist beherrschen, es liegt in meiner alleinigen Verantwortung, dieses "Fundament" sicher zu stellen (damit meine ich nicht nur spieltechnische Fähigkeiten, sondern auch einen sicheren Umgang mit Rhythmik, Tempo, Dynamik und Agogik).
Im weiteren Verlauf gibt es auch eine Leitlinie, von der meine Schüler nicht abweichen sollten, um ihnen technisch wie musikalisch alle Möglichkeiten zu eröffnen bzw. zu bewahren. Darüber hinaus ist es aber elementar wichtig, dass Schüler versuchen, eigene Wege zu gehen (heiss ersehnte Stücke zu üben, die man von anderen kennt, ganz andere musikalische Richtungen ausprobieren, die man interessant findet,...).
Um an diesem Punkt nicht missverstanden zu werden: Stilvielfalt ist mir selbstverständlich essentiell wichtig, ich würde nur nicht von mir aus einer Schülerin vorschlagen, ein Stück von meinetwegen Florian Silbereisen zu spielen (Anm.: Ich kenne nichts von ihm, ich hoffe, dass ungefähr klar ist, welche Art von objektiver musikalischer Qualität ich meine). Wenn sie es aber von sich aus unbedingt machen will, dann muss sie auch die Möglichkeit dazu haben, sofern wir nicht von der roten Linie abkommen.
An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass ich es für sehr gut halte, wenn sich Schüler ausserhalb des Unterrichts mit weiteren Stücken, Stilrichtungen, Instrumenten beschäftigen, so fern es ihre Zeit erlaubt.
Üben:
Ohne Fleiss kein Preis. Meinen Schülern ist vom ersten Moment an klar, dass all das nur erreicht werden kann, wenn man sich genug Zeit nimmt und entsprechend Mühe gibt. Hier ist einvernehmliches Vorgehen mit den Eltern ungemein wichtig. Zeitvorgaben (also: wie lange man täglich üben soll) mache ich so gut es geht keine (und ich muss dies auch nur in sehr seltenen Fällen tun): Die Freude am Musizieren kommt - fast 'selbstverständlich' - durch den erreichten "Erfolg", das beflügelt! Und doch sind es Kinder: man sollte nicht glauben, dass sie jahrelang, jeden Tag die gleiche glühende Begeisterung verspüren. Hier braucht es Unterstützung von Lehrer und Eltern.
Vorspiele:
Musik ist (auch) eine Form der Kommunikation: zum einen zu sich selbst, aber auch eben zu anderen Menschen. Wenn Kinder dies ganz selbstverständlich von Anfang an lernen, haben sie i.d.R. keine großen Schwierigkeiten mit Auftrittsängsten o.ä., es sei denn, sie machen bei einem Vorspiel wirklich mal schlechte Erfahrungen. Mit schlechten Erfahrungen meine ich aber nicht Momente des Scheiterns: das gehört zum Prozess dazu, es muss sogar sein. Ich meine "schlechtes Feedback". Ganz egal, wie man gespielt hat: es verdient höchsten Respekt, es überhaupt gaten zu haben. Wenn der Vortrag darüber hinaus auch noch wunderschön war - umso besser!
Vorspiele geben Struktur: Kinder üben "automatisch" zielstrebiger (damit erfolgreicher, und mit dem Erfolgserlebnis kommt die Freude...), wenn sie klare Ziele haben. Ohne Vorspiele geht das in meinen Augen nicht. Umso besser, wenn solche Termine in angenehmer Athmosphäre stattfinden...!
Ich hoffe, diese Erläuterungen geben einen halbwegs runden Eindruck meiner Haltung und Arbeitsweise wieder.
Ich würde mich freuen, hier bald weitere Unterrichtskonzepte, vielleicht auch nur Ideen o.ä. lesen zu dürfen.
Das war ohnehin schon ein die Zeit des Lesers ordentlich strapazierender Beitrag. ich hoffe, Ihr könnt damit etwas anfangen!
Alles Gute!
M
nachdem ich gerade auf einige Threads, die das Thema Akkordeonkauf und Unterricht für Kinder behandeln, gestossen bin, nehme ich dies zum Anlass, vorzuschlagen, ein wenig über den instrumentalen Anfängerunterricht im Fach Akkordeon zu diskutieren.
Um dem ganzen ein wenig Leben einzuhauchen, erlaube ich mir, kurz meinen eigenen Unterricht und die Gründe dafür zu skizzieren.
Bitte:
Diese Skizzierung soll nicht dazu dienen, ausschliesslich über meine Art zu Unterrichten zu diskutieren. Eine Diskussion ist m.E. erst möglich, wenn andere Modelle auch vorgestellt sind. Daher möchte ich Euch bitten, auch Eure Modelle/Konzepte/Ideen, hier vorzubringen, um den Horizont zu erweitern!
Gerade im künstlerischen Bereich ist Respekt vor Andersdenkenden (in diesem Falle besser: Andersarbeitenden) ein enorm hohes Gut. Daher möchte ich bitten, allen skizzierten Konzepten ein hohes Mass an Respekt entgegen zu bringen: Die meisten meiner Kollegen betreiben ihre Tätigkeit mit enormem Herzblut; es soll um Diskussion über Konzepte gehen, nicht um Urteile. Es scheint mir bisweilen eine etwas "deutsche" Angewohnheit zu sein, in inhaltlichen Diskussionen davon auszugehen, es gäbe eine Lösung, und zwar nur die "eine", und die sei richtig, und das meist auch "bis in alle Ewigkeit".
In solch einem Geiste befürchte ich, dass solch eine Diskussion mehr schadet als Nutzen zu bringen vermag: Gerade Akkordeonisten haben sich in den letzten rund 40 Jahren so manchen "Grabenkampf" geliefert, oft nicht unbedingt zum Wohle des Instruments.
Ich finde: Diese Zeit der Lagerkämpfe ist vorbei, und das ist auch gut so. Als Beispiel: Kein Pianist, der auf Beethoven und Brahms spezialisiert ist, urteilt Jazz-Pianisten als "nur halbe Musiker" ab. Das Urteil wird anderen überlassen. Ich fände es bewundernswert und wegweisend, wenn auch wir uns in der Lage zeigen könnten, einen "neuen", anderen Ton anzuschlagen.
Genug der Vorrede. Hier meine Arbeit, einigermassen skizziert:
Lehrplan:
Es gibt, wie auch für allgemeinbildende Schulen, Lehrpläne für Musikschulen. Diese sind nicht verpflichtend, sondern als ernst zu nehmende Empfehlungen gedacht: Gremien sehr erfahrener Musiker und Pädagogen haben sich lange die Köpfe zerbrochen bzw. heissdiskutiert, um diese Empfehlungen zu erarbeiten.
Die Frage, ob Anfänger zunächst Stadndardbass oder Melodiebass (MIII oder Einzeltonakkordeon, das ist alles das selbe) lernen sollen, wrd hier eindeutig zu Gunsten des MIII-Instruments beantwortet.
Meine persönlche Begründung, mich an diese Empfehlung zu halten (und ich arbeite im Übrigen nicht an einer Musikschule, müsste mich also weniger angesprochen fühlen), ist folgende:
Wer erst Melodiebass lernt, hat später wenig Schwierigkeiten, den Standardbass dazu zu lernen, wenn er das wünscht. Anders herum wird die Sache erheblich komplizierter. Dies nicht zu beachten, hiesse in meinen Augen, die Gefahr in Kauf zu nehmen, dass Schüler sich im Laufe ihrer Entwicklung zwar gerne auch anderer Musik (Neue Musik, Bach,...) zuwenden wollen, es aber entweder nicht mehr oder nur unter großen Mühen schaffen würden. Daher gebe ich jedem Kind, das bei mir anfängt, zunächst ein MIII-Akkordeon.
Die Überlegung zwischen Taste und Knopf im Diskant wird hier ja an anderer Stelle ausgiebig diskutiert, daher versuche ich zunächst mal, diesen Punkt hier nicht weiter zu behandeln.
Einstiegsalter:
Das hängt in meinen Augen sehr von der Vorbildung (Musikalische Früherziehung), dem Entwicklungsstand des Kindes sowie seinen naturgegebenen Anlagen ab, aus meiner Erfahrung ist ein ideales Durchschnittsalter rund um die Einschulung zu finden (und es gibt schon seit den Siebziger Jahren beeindruckende Beispiele für deutlich früheren Instrumentalunterricht, ich möchte dem nicht widersprechen!).
Einzelunterricht - Gruppenunterricht:
Die angesprochenen Erfahrungen aus den Siebzigern (Peter Heilbut) beziehen sich auf sehr erfolgreichen Gruppenunterricht. zu bedenken gilt aber: Dieser Gruppenunterricht war kein ausschliesslicher, je nach Bedarf konnten Einzelstunden angesetzt werden. Ferner wurde nur in Gruppen unterrichtet (meist Zweier), wenn die beiden Schüler wirklich eine jeweils gute Ergänzung waren usw...
Gründe FÜR diesen Gruppenunterricht waren die kammermusikalische Erfahrung, dadurch eine bessere rhythmische Schulung, Sozialisationsaspekte usw.
Heute findet man an Musikschulen häufig ausschliesslich Gruppenunterricht, als Argumente hierfür werden die oben aufgezählten genannt. Die Möglichkeit, einzeln unterrichtet zu werden, wenn sich keine Gruppe findet bzw. es auch aus der Gruppe heraus ergeben sollte, besteht fast nie. Auch sind die Gruppen meist dem Sachzwang angepasst: Wenn es zwei Anmeldungen zweier gleichaltriger Schüler gibt, kommen die eben in eine Gruppe, ungeachtet, ob es für sie gut ist oder nicht (als fiktives Beispiel). Es drängt sich der Gedanke auf, dass die wahren Gründe hierfür finanzieller Natur sein dürften...
Davon halte ich persönlich nichts. Musikunterricht ist Kunstunterricht. Und Kunst ist individuell. Da muss Einzelunterricht möglich sein. All die wunderbaren Dinge, die man nur im Zusammenspiel erleben, erfahren und lernen kann, dürfen dadurch aber nicht ausgeblendet werden. Das heisst: Ich achte darauf, dass meine Schüler, je nach Bedarf oder Notwendigkeit, auch mit anderen Kindern zusammen spielen, sei es mit Akkordeonisten oder - mir viel wichtiger - mit anderen Instrumenten.
Unterrichtsdauer:
Meine Unterrichtsstunden betragen i.d.R. 45 Minuten, auch bei sehr jungen Schülern. Erklärung: Meine Schüler sollen lernen, möglichst eigenständig zu arbeiten, und das sowohl in "handwerklicher" Sicht (wie übt man?) als auch in künstlerischer. Also müssen sie auch zu Hause lernen, allein zu arbeiten. Wenn sie in der Lage sind, sich 45 Minuten im Unterricht zu konzentrieren (selbstverständlich mit kleinen "Pausen", je nach Bedarf), kommen sie leichter in die Lage, auch zu Hause eigenständig zu arbeiten.
Im Übrigen käme ich, wenn ein Schüler die Woche über regelmässig gespielt hat, mit beispielsweise 30 Minuten Unterrichtszeit nie zu allem, was ich mit dem Schüler/der Schülerin besprechen möchte.
Ziel:
Die Kinder sollen zu (selbst)kritischen, eigenständigen Musikern heranreifen (ich bezeichne jeden, der ein Musikinstrument spielt, als Musiker), sie sollen spätestens zu Beginn der Pubertät in der Lage sein, sich ohne fremde Hilfe a) Stücke auszusuchen, b) diese zu erarbeiten und c) eine eigene Haltung zu dieser Interpretation o.ä. zu erlangen.
Im Übrigen: Solche Musiker sind kritische und oft dankbare Konzertbesucher oder, wenn man so will: verstehende Musikkonsumenten; für viele besteht das Ziel einer Instrumentalausbildung vordergründig genau hierein - mit Hilfe des jeweiligen Instruments Musik "verstehen" lernen.
Hintergrund: Ich konnte sehr häufig folgendes beobachten:
Ein Kind lernt vom Lehrer sein Instrument spielen, und zwar nach einer Art "Löffelchen-Methode": Der Lehrer gibt vor (Fingersätze, Interpretation, manchmal Übetechniken), das Kind macht nach. Folge (das wäre jedenfalls oft zu befürchten): Das Kind kopiert nur, handelt nicht aus eigenem Antrieb, aus eigenem Interesse und erlebter Notwendigkeit heraus. Meist klingen die so erarbeiteten Stücke auch der Interpretation des Lehrers nicht wirklich unähnlich (von spieltechnisch bedingten Unterschieden natürlich abgesehen).
Irgendwann hört dieses Kind auf, das Instrument zu spielen (meist im Alter von 13 bis 16). Als Erwachsener (sagen wir, Ende 20) kommt evtl. irgendwann wieder die Lust auf, das Instrument "hervorzukramen", mit dem Ergebnis: Von all dem "Gelernten" ist so gut wie nichts mehr da.
Dies möchte ich helfen, zu vermeiden. Das geht aber m.E. nur, wenn das Kind von Anfang an versucht, die "Rätsel", natürlich unter moderierender Anleitung des Lehrers, Stück für Stück selbst zu lösen. Ich denke und hoffe: Nur, was man so intensiv erlernt, bleibt einem auch ein Leben lang erhalten. Dieser Weg ist für Lehrer wie Schüler nicht immer bequem, aber er ist lohnend, finde ich.
Auswahl der Stücke:
Am Anfang nehme ich selbst diese Auswahl vor: Bestimmte Grundfertigkeiten mus jeder Instrumentalist beherrschen, es liegt in meiner alleinigen Verantwortung, dieses "Fundament" sicher zu stellen (damit meine ich nicht nur spieltechnische Fähigkeiten, sondern auch einen sicheren Umgang mit Rhythmik, Tempo, Dynamik und Agogik).
Im weiteren Verlauf gibt es auch eine Leitlinie, von der meine Schüler nicht abweichen sollten, um ihnen technisch wie musikalisch alle Möglichkeiten zu eröffnen bzw. zu bewahren. Darüber hinaus ist es aber elementar wichtig, dass Schüler versuchen, eigene Wege zu gehen (heiss ersehnte Stücke zu üben, die man von anderen kennt, ganz andere musikalische Richtungen ausprobieren, die man interessant findet,...).
Um an diesem Punkt nicht missverstanden zu werden: Stilvielfalt ist mir selbstverständlich essentiell wichtig, ich würde nur nicht von mir aus einer Schülerin vorschlagen, ein Stück von meinetwegen Florian Silbereisen zu spielen (Anm.: Ich kenne nichts von ihm, ich hoffe, dass ungefähr klar ist, welche Art von objektiver musikalischer Qualität ich meine). Wenn sie es aber von sich aus unbedingt machen will, dann muss sie auch die Möglichkeit dazu haben, sofern wir nicht von der roten Linie abkommen.
An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass ich es für sehr gut halte, wenn sich Schüler ausserhalb des Unterrichts mit weiteren Stücken, Stilrichtungen, Instrumenten beschäftigen, so fern es ihre Zeit erlaubt.
Üben:
Ohne Fleiss kein Preis. Meinen Schülern ist vom ersten Moment an klar, dass all das nur erreicht werden kann, wenn man sich genug Zeit nimmt und entsprechend Mühe gibt. Hier ist einvernehmliches Vorgehen mit den Eltern ungemein wichtig. Zeitvorgaben (also: wie lange man täglich üben soll) mache ich so gut es geht keine (und ich muss dies auch nur in sehr seltenen Fällen tun): Die Freude am Musizieren kommt - fast 'selbstverständlich' - durch den erreichten "Erfolg", das beflügelt! Und doch sind es Kinder: man sollte nicht glauben, dass sie jahrelang, jeden Tag die gleiche glühende Begeisterung verspüren. Hier braucht es Unterstützung von Lehrer und Eltern.
Vorspiele:
Musik ist (auch) eine Form der Kommunikation: zum einen zu sich selbst, aber auch eben zu anderen Menschen. Wenn Kinder dies ganz selbstverständlich von Anfang an lernen, haben sie i.d.R. keine großen Schwierigkeiten mit Auftrittsängsten o.ä., es sei denn, sie machen bei einem Vorspiel wirklich mal schlechte Erfahrungen. Mit schlechten Erfahrungen meine ich aber nicht Momente des Scheiterns: das gehört zum Prozess dazu, es muss sogar sein. Ich meine "schlechtes Feedback". Ganz egal, wie man gespielt hat: es verdient höchsten Respekt, es überhaupt gaten zu haben. Wenn der Vortrag darüber hinaus auch noch wunderschön war - umso besser!
Vorspiele geben Struktur: Kinder üben "automatisch" zielstrebiger (damit erfolgreicher, und mit dem Erfolgserlebnis kommt die Freude...), wenn sie klare Ziele haben. Ohne Vorspiele geht das in meinen Augen nicht. Umso besser, wenn solche Termine in angenehmer Athmosphäre stattfinden...!
Ich hoffe, diese Erläuterungen geben einen halbwegs runden Eindruck meiner Haltung und Arbeitsweise wieder.
Ich würde mich freuen, hier bald weitere Unterrichtskonzepte, vielleicht auch nur Ideen o.ä. lesen zu dürfen.
Das war ohnehin schon ein die Zeit des Lesers ordentlich strapazierender Beitrag. ich hoffe, Ihr könnt damit etwas anfangen!
Alles Gute!
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