@ lil: wenn Du vom Blatt spielst ... fühlst Du Dich dann quasi wie ein "Abspielautomat"?
Hast Du nicht das Bedürfnis (wenn Dir die Musik gefällt) ein bischen zu üben, damit Du sie Dir aneignest?
Wie sah Deine Entwicklung aus, die diese Fähigkeit so bevorzugt trainiert hat? Hat Dein Lehrer oder Du selbst von Dir verlangt, in jeder Stunde massig viele Noten zu bewältigen?
Abspielautomat? Eindeutig nein. Auch beim Nach-Noten-Spielen lassen sich Emotionen ausdrücken.
Da würde mich auch mal die Meinung derer interessieren, die mich am letzten Wochenende gehört haben bzw. mir zuhören mussten. Ich hoffe, es hat sich nicht nach Abspielautomat angehört.
Nicht Üben müssen? Eindeutig jein.
Wo mir diese Fähigkeit deutlich entgegenkommt und wirklich Üben erspart ist beim Orchesterspiel.
Wo mir diese Fähigkeit deutlich entgegenkommt und Üben eh nicht ginge, ist beim spontanen Nach-Noten-Zusammenspiel z.B. bei Treffen wie am vergangenen Wochenende. Jemand hat seine Noten dabei und ich kann mich dazusetzen und mitspielen. Wo ich dagegen aufgeschmissen bin, ist, wenn jemand ohne Noten spielt. Da kann ich mich nur zurücklehnen, zuhören und genießen.
Wo ich Üben muss und es auch gerne tu, sind die Stücke, die ich im Unterricht oder auch sonst für mich erarbeite. Ich schrieb ja oben, dass das Vom-Blatt-Spiel nur funktioniert, wenn ich mich innerhalb meiner spielerischen Grenzen bewege, quasi auf sicherem Terrain. Und mit diesen Stücken bewege ich mich am Rand meines Könnens, versuche, die Grenzen zu verschieben. Und das geht nicht ohne Üben. Und auch bei den leichteren Stücken, die ich vom Blatt spielen kann, muss ich durchaus üben, um eben die Emotionen hineinzubringen, um Feinheiten auszuarbeiten. Und Vom-Blatt-spielen heißt ja nicht, dass ich das auf Anhieb fehlerfrei mache. Meine Finger wissen zwar eigentlich, wo sie hinsollten, treffen aber durchaus nicht immer
Dann fragst Du noch, wie ich mir diese Fähigkeit erarbeitet habe. Ich denke, ein großer Teil ist Veranlagung, ich konnte es eigentlich "schon immer", auch als Kind (also als Anfänger). Ich lese auch sehr schnell - sehe einen Text und weiß, was drinsteht (na ja, nicht ganz so, aber meine Augen "scannen" die Zeilen ab und ich verstehe es); auch dies konnte ich schon als Kind und Jugendliche (hat meine Mutter zur Verzweiflung gebracht: "Kind, so schnell wie du deine Bücher verschlingst, kannst du doch hinterher nicht wissen, was drinsteht" - konnte ich aber doch (hat sie getestet!)).
Ich habe diese Fähigkeit nie bewusst trainiert, es hat nie jemand von mir verlangt (weder ein Lehrer noch ich selbst), "in jeder Stunde massig viele Noten zu bewältigen". Allerdings muss ein gewisser Teil doch Trainingssache sein, was ich daran merke, das ich im Bassschlüssel notierte Noten lange nicht so fließend spielen kann wie die im Violinschlüssel. Ich habe als Kind nicht gelernt, nach Bassnoten zu spielen, sondern nur nach Buchstaben. Ich konnte zwar die Notennamen durch "abzählen" ermitteln, sie aber eben nicht direkt lesen. Erst vor ca. 5 oder 6 Jahren übernahm ich, um dem abzuhelfen, im Orchester für 2 Jahre den Bass; dort radierte und tipp-exte ich anfangs konsequent alle reingeschriebenen Buchstaben raus, um mich zu zwingen, nach den Noten zu spielen. Seither kann ich nach Bassnoten spielen, aber eben noch lange nicht so fließend und anstrengungslos wie in der rechten Hand. Die Finger wissen eben noch nicht so genau, wo sie hinwollen. Also mindestens zum Teil doch auch Trainingssache ...
Ist jetzt ziemlich viel Text geworden, aber kürzer konnte ich auf diese Frage nicht antworten.
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ja, das scheint eine "Orchesterspieler-Krankheit" zu sein, in den Laien-Akkordeon-Orchestern ist dieser Typus häufiger vertreten (...)
Schon gut möglich, daß das in der (früheren) Ausbildung in den Vereinen begründet liegt, oft wurden nur die Belange gefördert, die Musiker an ein Orchester binden, so war nicht selten auch die Baßbegleitung wenig bis gar nicht gelehrt worden...
Darauf kann ich es nicht schieben: ich habe meine Ausbildung nicht in einem Verein erhalten, sondern bei einer Jugendmusikschule ohne Orchester oder auch nur Akkordeonspielgruppe. Auch mein Lehrer war kein Orchesterspieler. Ich habe zwar nach der Ausbildung begonnen, in einem Orchester zu spielen und seither fast immer in dem einen oder anderen gespielt und tue es auch heute noch. Dabei kommt mir die Vom-Blatt-Spiel-Fähigkeit entgegen, hat sich aber eindeutig nicht dadurch entwickelt, sondern war vorher schon da.
Gruß,
INge