So, ich konnte nicht widerstehen und habe mir den Gainiac 2 zum Antesten ins Haus geholt. Ich war wirklich fest entschlossen, ihn zu mögen, aber, na ja ... lest selbst.
Ich habe ihn kurz in den Amp-Input (Marshall JCM 2000 TSL 122-Combo) gestöpselt gehabt, dies aber schnell wieder gelassen, da der Sound sehr dünn war. Im Manual sind auch nur Anschlussbeispiele an Poweramps angegeben, also gehe ich mal davon aus, dass er direkt an eine Endstufen oder in den Return eines Gitarren-Amps gehört. So habe ich ihn dann auch getestet.
Das Gehäuse macht einen sehr stabilen Eindruck, ist halt so eine 19"-Standard-Stahlblechverkleidung. Aber die Front ist wirklich ein Witz. Die Beschriftungen, Logos und sonstigen grafischen Elemente sind auf PAPIER, jawohl, PAPIER gedruckt (und das ziemlich unprofessionell, es sieht aus wie mit einem billigen Tintenstrahldrucker fabriziert) und auf das Frontblech AUFGEKLEBT. Man kann an der Ecke mit dem Fingernagel druntergehen und es problemlos ablösen. So etwas habe überhaupt noch nicht gesehen! Davor ist nur so eine wabbelige, durchsichtige Plexiglasblende geschraubt. Wehe, wenn da mal Feuchtigkeit dazwischen gerät, dass sollte dann schnell ziemlich lustig aussehen ... Ach ja, einen An-/Aus-Schalter gibt es immer noch nicht!
Die Potis machen einen ausgesprochen billigen Eindruck: sehr leicht, sehr dünnes Plastik. Da sind die Behringer-Potis noch höherwertig.
Mit rückseitigen Anschlüssen ist der Gainiac recht mager bestückt: Anschluss für das Netzteil, Anschluss für einen (optionalen) Fussschalter und natürlich ein Output. Das war's. Kein Loop, kein Midi etc.
Der Sound des Cleankanals ist erstaunlich weich, cruncht aber leider auch sehr schnell. Für diejenigen, für die Clean nur Clean ist, wenn Clean auch wirklich Clean ist (und bleibt) (klingt jetzt wie 'ne Waschmittelwerbung), ist der Kanal praktisch unbrauchbar.
Der Grundsound des Distortionkanals ist eigentlich richtig gut. Ich finde, er geht klar in die amerikanische Richtung, ziemlich rund und fett und tatsächlich Gain bis zum Abwinken, da macht er seinem Namen alle Ehre, aber es schwingt immer so ein leichtes Flirren in den Obertönen mit, so, als wäre bei den hohen Frequenzen eine Art Flanger im Einsatz. Das hat mich doch ziemlich gestört. Das größte Problem aber ist, dass die Gainstärke kaum beeinflussbar ist. Man kann das Gain-Poti munter vom totalen Links- an den totalen Rechtsanschlag kurbeln, ich jedenfalls höre nur wenig Änderung. Bis kurz vor Linksanschlag ist eigentlich immer volle Dröhnung. Wie Rocktron das Gerät mit "auch Sounds der 60er/70er Jahre sind möglich" bewerben kann, ist mir schleierhaft. Die EQ-Regler hingegen greifen herzhaft zu, besonders der Scoop-Regler verändert den Groundsound enorm. Bei Linksanschlag hört es sich sehr röhrig an, Richtung Rechtsanschlag wird es immer trockener und transiger.
Unterm Strich hat mich der Preamp aber weder vom Grundsound noch von der Flexibilität her überzeugt, von der geradezu erbärmlichen Lieblosigkeit der Frontplattengestaltung mal ganz abgesehen. Man bekommt halt, wofür man bezahlt hat, denn günstig ist das Gerät ja nun allemal. Wer also damit leben kann, dass der Gainiac 2 ein One-Trick-Pony ist, für den wäre es vielleicht eine Überlegung wert. Ich persönlich werde ihn gleich eintüten und zurückbringen. Schade.