...timur°°°
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Moin Moin!
Nachdem in ein paar Threads, vor allem hier, entsprechende Diskussionen aufgetreten sind, also Interesse besteht, folgt hier nun mein erster Artikel über das Prinzip von Tonabnehmern aus der Sicht des Physikers. Es soll bewußt nicht allzu gitarrenspezifisch sein, ich lege hier also weder los mit irgendwelchen Schaltbildern, noch mit Klangeigenschaften von verschiedenen Hölzern etc. - denn da gibt es einfach User, die viele Dinge weitaus besser wissen und erklären könnten als ich - sondern es soll hier wirklich mal um die physikalischen Grundlagen gehen, die eigentlich hinter dem Ganzen stecken - vielleicht interessieren die ja jemanden Ich werde versuchen, die Erklärungen so einfach wie möglich zu gestalten. Wenn physikalische Grundbegriffe auftauchen, verzichte ich an dieser Stelle auf eine vollständige Erklärung, weil der Artikel sonst viel zu lang wird, und verweise hiermit auf die wikipedia, Google und Physikbücher.
Also, es geht los!
1. Wie funktioniert ein ganz normaler Pickup?
Wir schauen uns zunächst einen Singlecoil an, da dies der einfachste Tonabnehmer ist. Ein Singlecoil ist im Prinzip nichts weiter, als eine Spule, die um einen Permanentmagneten gewickelt ist. Dieser Permanentmagnet erzeugt um sich herum ein Magnetfeld B, welchem durch einzelne Polepieces eine bestimmte Form gegeben werden kann. Wenn wir die sogenannten Feldlinien dieses Feldes einzeichnen, sieht das so aus:
Feldlinien sind praktisch, da man mit ihnen das Magnetfeld gut darstellen kann - wenn z.B. die Feldlinien dichter zusammen sind, ist das Magnetfeld an dieser Stelle stärker. Feldlinien laufen immer vom Nord- zum Südpol eines Magneten und zeigen an jeder Stelle an, in welche Richtung ein magnetisierbarer Körper vom Magnetfeld angezogen würde. Man kann sie auch sichtbar machen, das hatten wir in diesem Thread mal.
Wenn wir jetzt eine sogenannte Leiterschleife in das Magnetfeld bringen, also z.B. einen Drahtring, wird dieser vom Magnetfeld durchflossen. Man kann dafür den "magnetischen Fluß" Φ definieren - das ist die Gesamtintensität der Magnetfeldlinien, die durch die Querschnittsfläche dieses Drahtrings fließen - einfacher ausgedrückt: wieviel von dem Magnetfeld durch den Ring hindurchtritt. Diesen Fluß kann man enorm vergrößern, wenn man statt eines Ringes eine Spule benutzt, denn dort sind gleich ganz viele Leiterschleifen spiralförmig übereinandergelegt. Ein Bildchen:
Jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Wenn dieser magnetische Fluß durch den Ring sich ändert, also bewegt, dann übt er eine Kraft (Lorentz-Kraft) auf elektrische Ladungsträger aus - man könnte sagen, das sich bewegende Magnetfeld schiebt die Ladungen zur Seite. (Stichwort: Dreifingerregel) Für einen Draht aus Metall bedeutet das, daß dort die Elektronen zur Seite gedrückt werden - es wird eine elektrische Spannung induziert, und es fließt ein elektrischer Strom. Das nennt man Induktionsgesetz:
Induzierte Spannung = zeitliche Änderung des magnetischen Flusses, als Formel: U = dΦ/dt
Das passiert immer, wenn der Fluß sich ändert, egal ob das Magnetfeld sich durch die Leiterschleife bewegt oder die Leiterschleife im Magnetfeld bewegt wird. Die induzierte Spannung kann man messen oder auch eine Glühbirne damit zum Leuchten bringen - damit wären wir beim Fahrraddynamo.
Zurück zur Gitarre. Dort sind nämlich über dem Pickup die Saiten gespannt. Bei einer E-Gitarre sind die Saiten aus einem ferromagnetischen Material, sie müssen also immer eines der drei ferromagnetischen Elemente Metalle Eisen, Kobalt oder Nickel enthalten. Warum? Ein ferromagnetischer Stoff ist selbst magnetisierbar und verformt das magnetische Feld viel stärker als andere Materialien. Wenn wir nämlich jetzt die Saite anschlagen, dann passiert mit dem magnetischen Feld des Pickups (von oben gesehen) folgendes:
Ich gebe zu, die Zeichnung ist nicht ganz so doll, aber ich hoffe, daß klar wird was gemeint ist. Die ausschwingende Saite "verbiegt" die Feldlinien. Und wenn wir sie anschlagen und sie hin- und herschwingt, dann passiert dieses "verbiegen" ziemlich schnell - das ganze Magnetfeld schwingt, und zwar genau mit den Frequenzen, aus denen sich der angeschlagene Ton zusammensetzt.
Nun ist aber unten eine Spule. Dort unten, wo die Spule ist, sind die Feldschwingungen vielleicht nicht mehr ganz so stark, aber doch immer noch spürbar. Und wenn das Magnetfeld auf diese Art und Weise schwingt, ändert sich natürlich ständig der magnetische Fluß durch die Spule - eine elektrische Spannung wird induziert! Schließen wir diese Spule an einen Stromkreis an, fließt also ein Strom, nämlich ein Wechselstrom - genau mit den Frequenzen, die auch die Saitenschwingung hat! Verstärken wir diesen und schließen einen Lautsprecher an, hören wir den Klang unserer E-Gitarre.
2. Und warum klingen dann verschiedene Pickups unterschiedlich?
Die Gitarrenfreaks werden sagen, daß das von sehr vielen Dingen abhängt... ich will nur ein paar davon anreißen. Am leichtesten verständlich ist nun, warum man Pickups in der Höhe verstellen kann - je nachdem, wo der Pickup sitzt, ist die Feldschwingung unten bei der Spule mehr oder weniger stark und verändert sich auch in ihrer Art. Der Fluß durch die Spule hängt natürlich auch von ihrer Form und Windungszahl ab. Die Schwingungen, die der Pickup abtastet, sind an jeder Stelle der Saite unterschiedlich. Die empfangbraren Frequenzen hängen auch davon ab, wie breit das Magnetfeld ist (das "magnetische Fenster") und welche Form es hat (Polepieces). Und schließlich bildet das System aus Pickups, Elektronik und Kabeln einen elektrischen Schwingkreis, deren Eigenschaften das Frequenzbild verändern und den Klang färben. Jede Menge Möglichkeiten also für Pickup-Bauer, unterschiedliche Klänge zu produzieren! Und wenn wir uns dann noch die Gitarre selbst anschauen, die Konstruktion, die Hölzer, die Saiten.... naja, das lassen wir mal lieber bleiben dazu gibt es ja hier genug informative Threads.
3. Einstreuungen, Brummen, Abschirmung
Es gibt in der Physik ein Gesetz, nämlich daß beschleunigte Ladungen elektromagnetische Wellen abstrahlen. Dies führt dazu, daß eine Menge Geräte, die auf Wechselspannung arbeiten (Monitore, Trafos, Dimmer...), elektromagnetische Wellen abstrahlen - meist mit der Frequenz unseres Steckdosen-Wechselstroms, 50 Hz - die dann überall durch den Raum fliegen. Das Problem ist, daß alle möglichen metallischen Gegenstände für diese Wellen wie eine Antenne wirken - die Wellen führen also zu Strömen in diesen Gegenständen (physikalisches Stichwort: Hertzscher Dipol, Antenne). Bei unserer Gitarre ist das natürlich besonders doof, denn die ganzen Kabel, Lötstellen und vor allem natürlich die Spulen im Pickup verwandeln diese Wellen wie ein Radioempfänger zu Strom, der dann (meistens als 50-Hz-Brummen, aber manchmal auch z.B. als polnische Radio-Show ) im Verstärker ankommt.
Bei der Elektronik und den Saiten kann man diese Einstreuungen zum größten Teil abschirmen - man pinselt das E-Fach mit Leitlack aus, der die Wellen abfängt (Stichwort: Faradayscher Käfig) und legt die Saiten, Potigehäuse, den Leitlack und alles andere, außer dem Tonsignal, an Masse - wodurch die störenden Ströme über den Massenanschluß und den Amp zum Erdpotential fließen - außer unserem Tonsignal!
Bei den Pickups wird es schwieriger, denn wenn man den abschirmen würde, hätten wir auch kein Tonsignal mehr. Da hat sich ein gewisser Herr Seth Lover bei Gibson in den 50ern was ganz feines ausgedacht, nämlich...
4. Der Humbucker
Das Problem: Wie unterdrücken wir die elektromagnetischen Einstreuungen und bewahren uns unser Tonsignal?
Die Lösung:
Wir schalten zwei Singlecoils in Serie. Dadurch wird zunächst alles, was der eine empfängt, zu allem, was der andere empfängt, hinzuaddiert und landet beim Amp. Nun gibt es zwei Tricks:
Die Spulen fangen also erstmal alle möglichen Einstreuungen auf und verwandeln sie in Wechselstrom. Wenn wir aber die eine Spule umdrehen ("out of phase" schalten), dann haben die Einstreuungsströme von der einen Spule genau die entgegengesetzte Phase wie die von der anderen! Wenn die Spannung also bei der einen gerade negativ ist, ist sie bei der anderen positiv. Im Idealfall heben sich diese beiden Spannungen also genau weg!
Ein Bildchen:
Das Problem ist natürlich, daß sich das Tonsignal auch weghebt. Der zweite und wahrhaft geniale Trick besteht nun darin, von der einen Spule auch noch die Polung des Magneten umzudrehen! Alles, was von diesem Magneten über Induktion in die Spule kommt, wird dadurch nochmals in der Phase umgedreht. Die induzierten Signale von beiden Spulen - also unser Tonsignal von der Saite! - sind jetzt also wieder richtig herum ("in Phase") und verstärken sich gegenseitig, wogegen die eingestreuten Signale immer noch gegenphasig sind (für die störenden Wellen spielt die Polung des Magneten ja keine Rolle) und sich wegheben.
Das größere magnetische Fenster eines solchen aus zwei nebeneinander liegenden Pickups bestehenden Humbuckers schafft in Verbindung mit der anderen Spulenform (zwei statt einer, doppelt so viele Windungen) natürlich einen völlig anderen Klang als den des Singlecoils, aber ihr seid ja Gitarristen, euch brauche ich das nicht zu erzählen
Was weitere Spielereien wie Stacked Humbucker, aktive Pickups etc. angeht, verweise ich an dieser Stelle erstmal auf die Suchfunktion, denn es gibt noch ein sehr interessantes Problem, welches man jetzt besprechen könnte:
Was macht man, wenn die Saiten nicht aus einem ferromagnetischen Material bestehen, so wie die Nylonsaiten der Klassikgitarre? Das ganze Prinzip mit Magnetfeldschwingungen und Induktion haut ja dann nicht mehr hin. Damit kommen wir zu den sogenannten Piezo-Pickups, die auch eine praktische Lösung sind, wenn wir zwar ferromagnetische Saiten haben, aber keinen Platz für einen magnetischen Tonabnehmer - wie bei der Westerngitarre.
5. Der Piezo-Pickup
Es gibt bestimmte Kristalle mit einer interessanten Eigenschaft: Wenn man sie zusammendrückt, dann erzeugen sie eine elektrische Spannung. Der Grund liegt darin, daß die einzelnen Atome des Kristalls in einer geometrischen Anordnung liegen, in welcher der Kristall zwar als Ganzes elektrisch neutral ist, sich aber beim Zusammendrücken so verändert, daß ein sogenanntes Dipolmoment entsteht (Ladungssschwerpunkte der positiven und negativen Ladungsträger im Kristall fallen nicht mehr zusammen). Dieses Dipolmoment erzeugt beim Verschieben eine elektrische Spannung, die abgegriffen werden kann, wenn man das Ding in einen Stromkreis integriert. Die Erklärung des Piezo-Effektes ist an sich noch viel komplizierter, aber wichtig ist nur eins: Wenn man auf einen Piezo-Kristall drückt, gibt er eine elektrische Spannung ab (am besten zu sehen in Feuerzeugen, wo der Piezo-Kristall sogar einen Funken erzeugen kann).
Das Prinzip ist nun ganz einfach: Wir bauen in unseren Gitarrensteg - auf den ja die Saiten drücken - ein solches Piezoelement ein. Und immer wenn die Saiten angeschlagen werden, verändert sich dieser Druck mit der Frequenz der Saitenschwingung, woraufhin das darunterliegende Piezoelement kräftig durchgeschüttelt wird und eine entsprechende Wechselspannung abgibt, die wir wieder verstärken können.
Natürlich klingt das wieder total anders, als ein magnetischer Pickup, da die durch den Piezo abgegriffenen Schwingungen, die über die Saiten und den Steg zum Korpus wandern, einen ganz anderen Klangcharakter haben als die Teilschwingung über einem Pickup-Magneten. Hier sei wieder auf die SuFu verwiesen...
So, das war mein kleiner Physikkurs für interessierte Gitarristen. Es gibt natürlich noch viel mehr gitarrentechnische Dinge, für die jede Menge Physik ins Spiel kommt, aber dies ist schon mal ein Anfang. Bei Interesse können weitere Artikel folgen!
Falls ihr Fragen habt oder etwas genauer erklärt haben wollt - oder wenn irgendwas von meinen Ausführungen schlichtweg falsch sein sollte - ich freue mich auf eine rege Diskussion in diesem Thread! Wenn ihr die Bilderchen doof findet und stattdessen geil auf die dahinterstehenden mathematischen Formeln seid, ist auch dies kein Problem
Ach ja, und die Mods können das natürlich gern zu den Workshops oder in die Plauderecke verschieben, je nachdem wo ihr es haben wollt. Ich denke, Technikforum ist erstmal OK.
stay tuned
timur
Nachdem in ein paar Threads, vor allem hier, entsprechende Diskussionen aufgetreten sind, also Interesse besteht, folgt hier nun mein erster Artikel über das Prinzip von Tonabnehmern aus der Sicht des Physikers. Es soll bewußt nicht allzu gitarrenspezifisch sein, ich lege hier also weder los mit irgendwelchen Schaltbildern, noch mit Klangeigenschaften von verschiedenen Hölzern etc. - denn da gibt es einfach User, die viele Dinge weitaus besser wissen und erklären könnten als ich - sondern es soll hier wirklich mal um die physikalischen Grundlagen gehen, die eigentlich hinter dem Ganzen stecken - vielleicht interessieren die ja jemanden Ich werde versuchen, die Erklärungen so einfach wie möglich zu gestalten. Wenn physikalische Grundbegriffe auftauchen, verzichte ich an dieser Stelle auf eine vollständige Erklärung, weil der Artikel sonst viel zu lang wird, und verweise hiermit auf die wikipedia, Google und Physikbücher.
Also, es geht los!
1. Wie funktioniert ein ganz normaler Pickup?
Wir schauen uns zunächst einen Singlecoil an, da dies der einfachste Tonabnehmer ist. Ein Singlecoil ist im Prinzip nichts weiter, als eine Spule, die um einen Permanentmagneten gewickelt ist. Dieser Permanentmagnet erzeugt um sich herum ein Magnetfeld B, welchem durch einzelne Polepieces eine bestimmte Form gegeben werden kann. Wenn wir die sogenannten Feldlinien dieses Feldes einzeichnen, sieht das so aus:
Feldlinien sind praktisch, da man mit ihnen das Magnetfeld gut darstellen kann - wenn z.B. die Feldlinien dichter zusammen sind, ist das Magnetfeld an dieser Stelle stärker. Feldlinien laufen immer vom Nord- zum Südpol eines Magneten und zeigen an jeder Stelle an, in welche Richtung ein magnetisierbarer Körper vom Magnetfeld angezogen würde. Man kann sie auch sichtbar machen, das hatten wir in diesem Thread mal.
Wenn wir jetzt eine sogenannte Leiterschleife in das Magnetfeld bringen, also z.B. einen Drahtring, wird dieser vom Magnetfeld durchflossen. Man kann dafür den "magnetischen Fluß" Φ definieren - das ist die Gesamtintensität der Magnetfeldlinien, die durch die Querschnittsfläche dieses Drahtrings fließen - einfacher ausgedrückt: wieviel von dem Magnetfeld durch den Ring hindurchtritt. Diesen Fluß kann man enorm vergrößern, wenn man statt eines Ringes eine Spule benutzt, denn dort sind gleich ganz viele Leiterschleifen spiralförmig übereinandergelegt. Ein Bildchen:
Jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Wenn dieser magnetische Fluß durch den Ring sich ändert, also bewegt, dann übt er eine Kraft (Lorentz-Kraft) auf elektrische Ladungsträger aus - man könnte sagen, das sich bewegende Magnetfeld schiebt die Ladungen zur Seite. (Stichwort: Dreifingerregel) Für einen Draht aus Metall bedeutet das, daß dort die Elektronen zur Seite gedrückt werden - es wird eine elektrische Spannung induziert, und es fließt ein elektrischer Strom. Das nennt man Induktionsgesetz:
Induzierte Spannung = zeitliche Änderung des magnetischen Flusses, als Formel: U = dΦ/dt
Das passiert immer, wenn der Fluß sich ändert, egal ob das Magnetfeld sich durch die Leiterschleife bewegt oder die Leiterschleife im Magnetfeld bewegt wird. Die induzierte Spannung kann man messen oder auch eine Glühbirne damit zum Leuchten bringen - damit wären wir beim Fahrraddynamo.
Zurück zur Gitarre. Dort sind nämlich über dem Pickup die Saiten gespannt. Bei einer E-Gitarre sind die Saiten aus einem ferromagnetischen Material, sie müssen also immer eines der drei ferromagnetischen Elemente Metalle Eisen, Kobalt oder Nickel enthalten. Warum? Ein ferromagnetischer Stoff ist selbst magnetisierbar und verformt das magnetische Feld viel stärker als andere Materialien. Wenn wir nämlich jetzt die Saite anschlagen, dann passiert mit dem magnetischen Feld des Pickups (von oben gesehen) folgendes:
Ich gebe zu, die Zeichnung ist nicht ganz so doll, aber ich hoffe, daß klar wird was gemeint ist. Die ausschwingende Saite "verbiegt" die Feldlinien. Und wenn wir sie anschlagen und sie hin- und herschwingt, dann passiert dieses "verbiegen" ziemlich schnell - das ganze Magnetfeld schwingt, und zwar genau mit den Frequenzen, aus denen sich der angeschlagene Ton zusammensetzt.
Nun ist aber unten eine Spule. Dort unten, wo die Spule ist, sind die Feldschwingungen vielleicht nicht mehr ganz so stark, aber doch immer noch spürbar. Und wenn das Magnetfeld auf diese Art und Weise schwingt, ändert sich natürlich ständig der magnetische Fluß durch die Spule - eine elektrische Spannung wird induziert! Schließen wir diese Spule an einen Stromkreis an, fließt also ein Strom, nämlich ein Wechselstrom - genau mit den Frequenzen, die auch die Saitenschwingung hat! Verstärken wir diesen und schließen einen Lautsprecher an, hören wir den Klang unserer E-Gitarre.
2. Und warum klingen dann verschiedene Pickups unterschiedlich?
Die Gitarrenfreaks werden sagen, daß das von sehr vielen Dingen abhängt... ich will nur ein paar davon anreißen. Am leichtesten verständlich ist nun, warum man Pickups in der Höhe verstellen kann - je nachdem, wo der Pickup sitzt, ist die Feldschwingung unten bei der Spule mehr oder weniger stark und verändert sich auch in ihrer Art. Der Fluß durch die Spule hängt natürlich auch von ihrer Form und Windungszahl ab. Die Schwingungen, die der Pickup abtastet, sind an jeder Stelle der Saite unterschiedlich. Die empfangbraren Frequenzen hängen auch davon ab, wie breit das Magnetfeld ist (das "magnetische Fenster") und welche Form es hat (Polepieces). Und schließlich bildet das System aus Pickups, Elektronik und Kabeln einen elektrischen Schwingkreis, deren Eigenschaften das Frequenzbild verändern und den Klang färben. Jede Menge Möglichkeiten also für Pickup-Bauer, unterschiedliche Klänge zu produzieren! Und wenn wir uns dann noch die Gitarre selbst anschauen, die Konstruktion, die Hölzer, die Saiten.... naja, das lassen wir mal lieber bleiben dazu gibt es ja hier genug informative Threads.
3. Einstreuungen, Brummen, Abschirmung
Es gibt in der Physik ein Gesetz, nämlich daß beschleunigte Ladungen elektromagnetische Wellen abstrahlen. Dies führt dazu, daß eine Menge Geräte, die auf Wechselspannung arbeiten (Monitore, Trafos, Dimmer...), elektromagnetische Wellen abstrahlen - meist mit der Frequenz unseres Steckdosen-Wechselstroms, 50 Hz - die dann überall durch den Raum fliegen. Das Problem ist, daß alle möglichen metallischen Gegenstände für diese Wellen wie eine Antenne wirken - die Wellen führen also zu Strömen in diesen Gegenständen (physikalisches Stichwort: Hertzscher Dipol, Antenne). Bei unserer Gitarre ist das natürlich besonders doof, denn die ganzen Kabel, Lötstellen und vor allem natürlich die Spulen im Pickup verwandeln diese Wellen wie ein Radioempfänger zu Strom, der dann (meistens als 50-Hz-Brummen, aber manchmal auch z.B. als polnische Radio-Show ) im Verstärker ankommt.
Bei der Elektronik und den Saiten kann man diese Einstreuungen zum größten Teil abschirmen - man pinselt das E-Fach mit Leitlack aus, der die Wellen abfängt (Stichwort: Faradayscher Käfig) und legt die Saiten, Potigehäuse, den Leitlack und alles andere, außer dem Tonsignal, an Masse - wodurch die störenden Ströme über den Massenanschluß und den Amp zum Erdpotential fließen - außer unserem Tonsignal!
Bei den Pickups wird es schwieriger, denn wenn man den abschirmen würde, hätten wir auch kein Tonsignal mehr. Da hat sich ein gewisser Herr Seth Lover bei Gibson in den 50ern was ganz feines ausgedacht, nämlich...
4. Der Humbucker
Das Problem: Wie unterdrücken wir die elektromagnetischen Einstreuungen und bewahren uns unser Tonsignal?
Die Lösung:
Wir schalten zwei Singlecoils in Serie. Dadurch wird zunächst alles, was der eine empfängt, zu allem, was der andere empfängt, hinzuaddiert und landet beim Amp. Nun gibt es zwei Tricks:
Die Spulen fangen also erstmal alle möglichen Einstreuungen auf und verwandeln sie in Wechselstrom. Wenn wir aber die eine Spule umdrehen ("out of phase" schalten), dann haben die Einstreuungsströme von der einen Spule genau die entgegengesetzte Phase wie die von der anderen! Wenn die Spannung also bei der einen gerade negativ ist, ist sie bei der anderen positiv. Im Idealfall heben sich diese beiden Spannungen also genau weg!
Ein Bildchen:
Das Problem ist natürlich, daß sich das Tonsignal auch weghebt. Der zweite und wahrhaft geniale Trick besteht nun darin, von der einen Spule auch noch die Polung des Magneten umzudrehen! Alles, was von diesem Magneten über Induktion in die Spule kommt, wird dadurch nochmals in der Phase umgedreht. Die induzierten Signale von beiden Spulen - also unser Tonsignal von der Saite! - sind jetzt also wieder richtig herum ("in Phase") und verstärken sich gegenseitig, wogegen die eingestreuten Signale immer noch gegenphasig sind (für die störenden Wellen spielt die Polung des Magneten ja keine Rolle) und sich wegheben.
Das größere magnetische Fenster eines solchen aus zwei nebeneinander liegenden Pickups bestehenden Humbuckers schafft in Verbindung mit der anderen Spulenform (zwei statt einer, doppelt so viele Windungen) natürlich einen völlig anderen Klang als den des Singlecoils, aber ihr seid ja Gitarristen, euch brauche ich das nicht zu erzählen
Was weitere Spielereien wie Stacked Humbucker, aktive Pickups etc. angeht, verweise ich an dieser Stelle erstmal auf die Suchfunktion, denn es gibt noch ein sehr interessantes Problem, welches man jetzt besprechen könnte:
Was macht man, wenn die Saiten nicht aus einem ferromagnetischen Material bestehen, so wie die Nylonsaiten der Klassikgitarre? Das ganze Prinzip mit Magnetfeldschwingungen und Induktion haut ja dann nicht mehr hin. Damit kommen wir zu den sogenannten Piezo-Pickups, die auch eine praktische Lösung sind, wenn wir zwar ferromagnetische Saiten haben, aber keinen Platz für einen magnetischen Tonabnehmer - wie bei der Westerngitarre.
5. Der Piezo-Pickup
Es gibt bestimmte Kristalle mit einer interessanten Eigenschaft: Wenn man sie zusammendrückt, dann erzeugen sie eine elektrische Spannung. Der Grund liegt darin, daß die einzelnen Atome des Kristalls in einer geometrischen Anordnung liegen, in welcher der Kristall zwar als Ganzes elektrisch neutral ist, sich aber beim Zusammendrücken so verändert, daß ein sogenanntes Dipolmoment entsteht (Ladungssschwerpunkte der positiven und negativen Ladungsträger im Kristall fallen nicht mehr zusammen). Dieses Dipolmoment erzeugt beim Verschieben eine elektrische Spannung, die abgegriffen werden kann, wenn man das Ding in einen Stromkreis integriert. Die Erklärung des Piezo-Effektes ist an sich noch viel komplizierter, aber wichtig ist nur eins: Wenn man auf einen Piezo-Kristall drückt, gibt er eine elektrische Spannung ab (am besten zu sehen in Feuerzeugen, wo der Piezo-Kristall sogar einen Funken erzeugen kann).
Das Prinzip ist nun ganz einfach: Wir bauen in unseren Gitarrensteg - auf den ja die Saiten drücken - ein solches Piezoelement ein. Und immer wenn die Saiten angeschlagen werden, verändert sich dieser Druck mit der Frequenz der Saitenschwingung, woraufhin das darunterliegende Piezoelement kräftig durchgeschüttelt wird und eine entsprechende Wechselspannung abgibt, die wir wieder verstärken können.
Natürlich klingt das wieder total anders, als ein magnetischer Pickup, da die durch den Piezo abgegriffenen Schwingungen, die über die Saiten und den Steg zum Korpus wandern, einen ganz anderen Klangcharakter haben als die Teilschwingung über einem Pickup-Magneten. Hier sei wieder auf die SuFu verwiesen...
schmoemi® schrieb:Der größte Unterschied zum magnetischen Tonabnehmer besteht hier natürlich darin, dass ich mit so einem Piezo keinen L-C-Schwingkreis baue. Damit gibt es auch keine Renonanzspitzen, die Übertragungscharakteristik ist brav und linear, und auch Kabellängen wirken sich nicht mehr auf den Sound aus.
So, das war mein kleiner Physikkurs für interessierte Gitarristen. Es gibt natürlich noch viel mehr gitarrentechnische Dinge, für die jede Menge Physik ins Spiel kommt, aber dies ist schon mal ein Anfang. Bei Interesse können weitere Artikel folgen!
Falls ihr Fragen habt oder etwas genauer erklärt haben wollt - oder wenn irgendwas von meinen Ausführungen schlichtweg falsch sein sollte - ich freue mich auf eine rege Diskussion in diesem Thread! Wenn ihr die Bilderchen doof findet und stattdessen geil auf die dahinterstehenden mathematischen Formeln seid, ist auch dies kein Problem
Ach ja, und die Mods können das natürlich gern zu den Workshops oder in die Plauderecke verschieben, je nachdem wo ihr es haben wollt. Ich denke, Technikforum ist erstmal OK.
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