
IcePrincess
Vocals
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Growl - Shout - Scream - ein kurzer Workshop
~~~ Einleitung ~~~
Oft genug begegnet mir in diesem Forum die Frage "Wie lerne ich eigentlich am besten Shouten?" Auch wenn die konservative Ecke gerne bestreitet, dass es sich bei den gutturalen Stilen um Gesang handelt ist das nicht richtig, denn gerade für die härteren Gesangsstile muss eine saubere Grundlage vorhanden sein, insbesondere eine gute Atemstütze.
Oft genug entfacht sich die Debatte, wie man denn nun den Gesang eines bestimmten Sängers in einem bestimmten Lied einordnen soll. Ich möchte hier einfach nach dem hauptsächlich genutzten Gesangsregister unterscheiden.
Growl: Klar in der Bruststimme (hierzu auch Bruststimme - Mischstimme )
Shout: Im Rufmodus in der hohe Bruststimme, oft in der Mittellage
Scream: In der hohen Mittel- oder Kopfstimme, teilweise auch im Falsett, aber auch im Rufmodus
Vorneweg sei gesagt, dass man Growlen und Shouten genau wie cleanen, normalen Gesang üben muss. Es braucht seine Zeit bis man die Technik beherrscht. Bitte glaubt nicht, dass man sich mal eben so an ein Mikrofon stellen kann und dann schon alles klappen wird.
Ganz wichtig und auch noch vorneweg: Ganz gleich was ihr hier ausprobiert, es darf nie Schmerzen verursachen oder gar einen blutigen Geschmack im Mund auslösen. Seid vorsichtig! Ihr habt nur zwei Stimmbänder und die kann man nicht wechseln wie Saiten.
Wenn es doch soweit gekommen ist, daß ihr nach Proben richtig heiser seid, oder Schmerzen im Kehlkopfbereich habt: macht eine lange Pause. Nicht nur, bis Heiserkeit und Schmerzen weg sind. Das Ausheilen braucht länger.
~~~ Nach all den Ermahnungen gehen wir jetzt aber in die Vollen ~~~
Die Atemtechnik von normalem Singen und Shouten oder Growlen unterscheidet sich nicht. Bei allen Gesangsstilen ist es die erste Priorität den Kehlkopf unten zu lassen. Das funktioniert bei Growls noch recht einfach, da sie tief angesetzt sind und bei tiefen Tönen der Kehlkopf an sich unten ist. Da geht es dann nur noch darum den richtigen Druck zu finden und die Töne so zu formen, dass es sich auch schön 'gurgelnd' anhört. Bitte übt diesen Druck nicht durch das Zurücklegen des Kopfes oder durch Finger von außen aus! Das kann auf Dauer nur schaden. Der Druck sollte aus dem Zwerchfell, dem tiefen Bauch kommen.
~~~ Übung ~~~
Nimm einen schönen, tiefen Ton (Du musst ihn noch singen können, nicht nur brummeln) und forme ein schönes, rundes, offenes "o". Es ist wichtig, dass Du daran denkst, auch den Kiefer zu senken, denn ein Vokal braucht Raum im Mund um schön und laut zu klingen. Wenn das so weit klappt, probierst Du, aus dem tiefen Zwerchfell leicht Druck auszuüben bis der Ton gurgelt. Wichtig ist, dass Du vor dem Spiegel kontrollierst, dass der Kehlkopf tief bleibt und dass die Sehnen und Muskeln im Hals nicht zu deutlich hervortreten.
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Natürlich gibt es verschiedene Vorlieben, wie Growls denn nun klingen sollen. Wichtig sind beim Growlen vor allem die Vokale o und u, in Maßen auch a, denn diese kann man relativ einfach und gut rollen lassen.
Ich sehe das so ähnlich wie bei den extremen Opern-Koloraturen. Versucht über die entscheidenden Vokale, den Klang hinzubekommen, den ihr wollt, die Textverständlichkeit darf dahinter ruhig etwas zurückbleiben.
Beim Shouten neigt man dazu durch die Härte die man in den Klang bringen will zu sehr zu pressen, was zur Folge hat, dass man mit dem Kehlkopf die Stimme abschnürt. Weil nun kein vernünftiger Ton mehr kommt, presst man weiter, was mit der Zeit einfach die Stimme ruiniert. Ich selbst betrachte das Shouting als Sonderform des Beltens, deshalb hier ein kurzer Ausflug dorthin.
~~~ Was ist eigentlich "Belting"? Und wie mache ich das? ~~~
Belting ist so etwas wie ein Urklang, den es bei den sogenannten "Naturvölkern" schon immer gegeben hat.
Generell kann man sagen: Belting ist eine Technik, um laut singen zu können und dabei trotzdem die Stimme zu entlasten. Mit unkontrolliertem Schreien ist das Belting genausowenig gleichzusetzen wie der Shout. Es geht auch nicht darum, die Bruststimme in die hohen Lagen hochzuziehen. Belting wird im sogenannten Rufmodus gesungen und benötigt unbedingt eine gute Atemverankerung. Beim Rufen wird automatisch die Stütze bzw. der Atemimpuls aktiviert.
~~~ Übung ~~~
Ihr könnt das einmal ausprobieren: stellt Euch vor, Ihr schaut gerade aus dem Fenster und seht, dass jemand sich auf der Straße an Eurem Fahrrad zu schaffen macht. Um den vermeintlichen Dieb zu verscheuchen, ruft Ihr: "Hey!" Achtet darauf, wier sich das physisch anfühlt: der Ruf sollte ziemlich laut werden, und wenn Ihr es richtig macht, spürt Ihr, wie die Atemstütze aktiv wird.
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Beim Belting gibt es zwischen Männern und Frauen einen gravierenden Unterschied: Männer belten eigentlich automatisch, während Frauen das meistens erst lernen müssen. Das heisst: bedingt durch die tiefere Lage der Männerstimme ist die Kopfstimme bei den meisten Männern eher unterentwickelt, bzw. sie singen vollstimmiger (d.h. mit mehr Bruststimmen-Anteil). Die Bruststimme kann aber auch ein Mann nicht grenzenlos hinaufziehen.
Der Trick in der Höhe besteht also auch hier darin, mehr Oberklang hinzuzunehmen, den Ton nicht so mächtig anzusetzen. Anders ausgedrückt: mehr Kopfstimmenanteil hineinzumischen und diese Resonanzen nutzen !
Zurück noch mal zum Shouten - die Verwandschaft zum Belting sollte ja schon durch die Übung aufgefallen sein.
Es ist beim Shouten wirklich sehr wichtig, den Kehlkopf tief hängen zu lassen. Zudem ist ein tief gehängter Kehlkopf die klare Voraussetzung dafür, dass die Shouts aus dem Bauch kommen können, was ihnen noch mehr Fülle verleiht.
Die Black-Metal-Screams sind ja eher hohe Töne die in der Kopfstimme angesetzt werden.
Versuch also erst einmal sauber hoch in der Kopfstimme zu singen, dann langsam ein wenig (die Betonung ist auf "ein wenig") Druck bringen. Wenn der Druck zu hoch wird quetscht man sich wieder den Ton ab. Deshalb fangt immer langsam und sanft an, steigert den Druck sehr langsam bis ihr merkt, dass die Stimme 'zu macht'.
Zieht auch bei diesen Tönen ruhig die Oberlippe so hoch, dass man die Zähne sieht, grinst oder rümpft die Nase. Gerade über Mimik kann man da viel holen.
~~~ Übung ~~~
Zum Tonsitz: Faucht wie eine Katze. Ihr solltet dann ein Kitzeln hinter den vorderen Schneidezähnen spüren. Genau da hin wollt ihr den Ton fokussieren.
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Wichtig ist auch noch, dass Du Dir darüber klar bist, dass der Ton gar nicht einmal so laut sein muss. Die Lautstärke bringen dann nachher Mikrofon und P.A. Ihr "simuliert" eben nur die Färbung des Tones.
Diese ganzen hier beschriebenen Extremen sind - ich betone es noch einmal - nur mit der richtigen Gesanstechnik machbar. Diese Gesangstechnik ist nun einmal die ganz normale, "klassische", die genaugenommen jeder Sänger ganz gleich in welcher Sparte nutzt.
Vielleicht noch ein Nachsatz: So lange Du noch im Stimmbruch bist - und der dauert normalerweise länger als die Zeit der kieksenden Stimmen - solltest ihr mit Deiner Stimme sehr vorsichtig umgehen. Das bedeutet auch, auf "Gewalttouren" wie sie eben in der Dark/Heavy/Death/Black/Metal-Musik üblich sind erst einmal zu verzichten.
Gerade im Stimmbruch musst Du erst einmal lernen, mit Deinen neuen, längeren Stimmbändern umzugehen. Natürlich lässt sich die Dauer des Stimmbruches nicht absolut angeben, aber er dauert im Schnitt vom 14. bis zum 16. Lebensjahr an.
~~~ Informative Links zu Gutturalem Gesang ~~~
Wikipedia Artikel zu Gutturalem Gesang
Wikipedia Audioartikel zu Gutturalem Gesang
Youtube Video - Laryngiscopy - Good Scream Bad Scream
Vielen Dank an Dimebag1984 für das fleißige Spicken dieses Workshops mit Links, und vielen Dank an Bell* für den Teil über das Belting.
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