Zungenakrobatik

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vanitas
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Hallo liebe Sänger und Sängerinnen da draußen,
in letzter Zeit beschäftige ich mich mit der Zunge, weil ich mir da unbewusst eine schlechte Angewohnheit antrainiert habe. Ich schiebe die Masse meiner Zunge nach vorne und dabei verkrampft der hintere Teil.
Nun habe ich mir viele verschieden Aufnahmen angeschaut, um an meinem Problem zu feilen und von den Großen zu lernen :D

Dabei habe ich dieses Video endeckt:


Eine Opernsängerin singt "Tonight" aus dem Musical Westside Story. Und diese Frau ist anscheinend ganz schön berühmt in der Klassikszene.

Was zur Hölle tut diese Frau mit ihrer ZUNGE? Schaut euch am besten ab 1.30 min an. Sie verrenkt ihre Zunge und schiebt sie in die unmöglichsten Ecken. Mir wurde gesagt, dass solche Akrobatiknummern ungesund sind. Und wenn ich diese Stellungen nachahme, fühle ich Anspannung im Kehlkopfbereich.

Nun meine Frage: Wieso ist diese Frau berühmt? Oder ist das eine besondere Technik (aus der Klassik?), die gar nicht so schädlich ist? Weil sonst müsste diese Frau ja ständig heiser sein.
 
Eigenschaft
 
Letzten Endes ist bei klassischen Sängern, genau wie bei allen anderen, das Resultat wichtig, nicht die Technik. Soll heißen, wenn das Talent reicht, dann muss die Technik nicht genau wie aus dem Lehrbuch sein. Wenn es toll klingt, dann kann der Sänger machen, was sie will. Und Anna Netrebko ist ein Superstar in der Opernwelt.

Eine ganz andere Frage ist, ob wir normal sterblichen ihr das nachmachen sollten!

Mir fehlt das technische Wissen, ob man verspanntheit aus den Bildern anleiten kann, ich ändere meine Zungenstellung eigentich nur, wenn mein (klassischer) Lehrer das anregt, und denke ansonsten nicht weiter drüber nach. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sie auch deshalb so singt, weil die Anforderungen an verständlichkeit im Musical höher sind als in der Oper, und sie vielleicht deshalb viel 'nachbessert', um Opernklang mit Musical aussprache irgendwie zusammen zu bringen.

Insofern würde ich das jetzt nicht unbedingt als Vorbild nehmen...
 
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@Tigana
Ich habe mal nachgeschaut, bei klassischen Auftritten ist die Zungenakrobatik auch oft zu beobachten.
 
Manche machen mit ihrer Zunge auch nur Show. Auch Klassiker ...

Mir fällt an der Stelle nichts auf. Sie singt dort offenen Mundes hauptsächlich offene Vokale und da kann die Zunge eigentlich machen, was sie will.
 
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Ok, dann ist meine Spekulation müßig - soweit ich das im Unterricht kennengelernt habe, ist sehr starkes einsetzen der Zunge keine klassische Technik (und wir arbeiten auch daran, die Zunge nötigensfalls zu entspannen). Deswegen ist Anna Netrebko aber nicht unbedingt heiser - sie kann es halt. Entweder weil oder trotzdem...

Ich halte mich jetzt auch wieder raus, weil damit mein technisches Wissen aufgebraucht ist, und warte auf Experten :)
 
Das ist beim Lernen auch okay und wahrscheinlich richtig. Das starke einsetzen der Zunge ist mit Sicherheit keine Technik.

Das ist wie beim Autofahren seinen Lidstrich nachziehen oder eine Dose Fanta trinken. Das lernt man ja nicht in der Fahrschule. Aber wenn man erstmal fahren kann, geht es trotzdem.
 
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Dass der Zungenrücken weit hinten oben steht ist normal und sogar gute Technik. Dafür gibt es mit dem Summen auf NG (wie im Wort Gong) sogar eine spezielle Übung. Das Zurückziehen der Zungenspitze und gleichzeitige Anspannen des Zungengrundes bewirkt eine Abdunklung des Klangs, die in der Klassik durchaus gewünscht sein kann. Wichtig ist, dass man den Zungengrund dabei anspannt, sonst bewirkt das Zurückziehen der Zungenspitze, dass man knödelt. Das ist aber lediglich ein klanglicher Effekt und technisch nicht zwingend erforderlich.
 
Keine Ahnung, dann sehe ich es nicht gut genug, ab 1:30 sehe ich nur wie sie die Zungenspitze nach hinten zieht.

Jedenfalls ist der technisch relevante Teil der Zunge der hintere Teil. Der vordere kann im Grunde machen, was er will und wirkt sich nur auf die Klangfarbe aus.
 
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Dass der Zungenrücken weit hinten oben steht ist normal und sogar gute Technik.
Das ich höchst umstritten! Die "compressed tongue" ist eine Technik, die in einigen klassischen Schulen gelehrt, von anderen aber auch vehement abgelehnt wird und immer wieder im Verdacht steht, sehr wohl schädliche Spannungen auszulösen.
 
In klassischer Technik sollte in der Grundposition die Zungenspitze locker an den unteren Schneidezähnen anliegen, der Zungenrücken ist wie von broeschies schon beschrieben etwas erhöht, so dass sich die ng-Position ergibt. Die Bildung derjenigen Konsonanten die Zungenbeteiligung erfordern, erfolgt dann durch sehr beweglichen Einsatz der Zungenspitze mit möglichst wenig Unterkiefermitbeteiligung; dh. möglichst nur die Zungenspitze bildet die Konsonanten, das ermöglicht der Kehle durchgehend in locker-tiefer Position zu bleiben. Ich habe es bei mir grad mal im Spiegel überprüft: die Zungenspitze geht schnell in die entsprechende Konsonanten-Position und kehrt dann wieder in die Grundposition zurück. Also viel schnellere / zeitlich kürzere Bewegungen als bei Anna Netrebko. Was besser ist, weiss ich nicht, bleibt doch die unumstössliche Tatsache, dass Anna Netrebko ein ganz kleines bisschen besser singen kann als ich :D :D

Es muss allerdings erwähnt werden, dass auch die grössten Superstars nicht alles lehrbuchmässig machen. Wenn man sieht wie sie zT. singen (Grimassen, Kieferwackeln, hörbar nach Luft schnappen, usw.) und dann hört, dass trotzdem so fantastische Klänge dabei rauskommen: schon sehr erstaunlich! Man kann aber wohl davon ausgehen, dass sie es alle mal korrekt gelernt hatten. Aber wenn man dann singen kann, dann kann man es halt und darf sich dabei auch Abweichungen von der "Normallinie" erlauben :)

Dass die etwas spezielle Art der Zungenbewegung in diesem Fall negative Auswirkungen auf die Stimmgesundheit haben, glaube ich übrigens eher nicht. Gerade auch der Link auf die (absolut geniale) Salzburger Traviata zeigt das: wenn ein schwerer Sopran wie die Netrebko die Violetta (eine Rolle für dramatischen Koloratursopran!) so super gut singt, geht das eigentlich nur wenn die Stimme noch tiptop in Schuss ist!
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Das ich höchst umstritten!

Für mich heisst es einfach: Zungenrücken nicht mit Gewalt nach unten drücken, aber natürlich auch nicht mit Gewalt nach oben! Die Lockerheit des hinteren Zungenbereich ist für mich dabei das Hauptkriterium und wenn sich dabei Abweichungen von der ng-Position ergeben: egal. Schlecht finde ich auf jeden Fall immer ein zu starkes Manipulieren am Zungenrücken, egal in welche Richtung.
 
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Es hat mich nur stark verwundert, dass man genau bei 1:35 min sieht, wie die Sängerin mit ihrer Zunge so ein rouladenartiges Ding im Mund formt :D und dieses Ding sieht von außen ganz und gar nicht entspannt aus.
 
Das ich höchst umstritten! Die "compressed tongue" ist eine Technik, die in einigen klassischen Schulen gelehrt, von anderen aber auch vehement abgelehnt wird und immer wieder im Verdacht steht, sehr wohl schädliche Spannungen auszulösen.
Ich meine die Position hinten oben, nicht die "compressed tongue". Wie Tonja schon geschrieben hat, ist die Zunge dabei erstmal entspannt, aber der Zungenrücken geht in die NG-Position. Das Anspannen des Zungengrundes hingegen ist in der Tat umstritten.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass das Anspannen des Zungengrundes erstmal unproblematisch ist. Es besteht aber in der Tat eine erhöhte Gefahr zugleich schädliche Muskeln mit anzuspannen, z.B. unter dem Kinn. Zudem darf der Zungengrund dabei nicht nach unten bewegt werden, weil er sonst auf den Kehlkopf drückt. Deshalb kann ich durchaus nachvollziehen, warum das kritisch gesehen wird.

Auf der anderen Seite ist es so ziemlich das einzige Mittel das man hat, um aus der twang-lastigen und damit mitten-betonten NG-Position heraus einen besonders dunklen Klang zu erzeugen. Wenn man den Klang aus der NG-Position heraus in den dunkleren Kuppelsitz bringt, fängt man in aller Regel an zu knödeln.

Eine damit verwandte Technik, die man auch bei vielen Sängern sieht, ist die "Furche" in der Zunge. Dabei sind nur die Zungenränder wie in der NG-Position nach oben geformt, die Mitte der Zunge bleibt aber flach. Auch diese Position entsteht meistens dann, wenn der Kehlkopf bei starkem Twang gesenkt wird, ohne dabei das Gaumensegel zu heben (also tiefer Kehlkopf ohne Kuppelklang). Auch diese Position ist manchmal umstritten. Aber auch hier gilt, dass es ansonsten nur schwer möglich ist einen dunklen Klang im Twang-Modus zu erzeugen.

Nur mal so am Rande: Aus meiner Erfahrung ist bei sehr vielen Verkrampfungen, für die die Zunge verantwortlich gemacht wird, der eigentliche Bösewicht das Gaumensegel bzw. der Versuch Twang (NG-Klang, tiefes Gaumensegel) und Kuppelklang (tiefer Zungenrücken, hohes Gaumensegel) unter einen Hut zu bringen. Dabei gibt man der Zunge dann quasi genau zwei gegensätzliche Signale, was sie machen soll und die fängt an in alle Richtungen zu "drücken".
 
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Broeschies, das was die Netrebko da oben in dem Video macht, ist aber gerade nicht das, was Tonja beschreibt - die Zunge wird da aktiv nach hinten gezogen, locker an den unteren Schneidezähnen liegt da nix mehr. In diesem Kontext finde ich die Aussage, sowas sei gute Technik, eben diskussionswürdig.

Was nicht heißt, dass ich der Netrebko hier irgendwas unterstellen will. Ich finde nur, es sollte eben Erwähnung finden, dass diese Technik durchaus auch Kritiker hat.
 
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Ja, wie gesagt, kann ich auch durchaus nachvollziehen. Eine erhöhte Gefahr besteht dabei auf jeden Fall. Der Teil, der gute Technik ist, ist dass der Zungenrücken hinten oben steht, nicht dass sie zusätzlich die Zungenspitze nach hinten zieht und die Zunge dadurch komprimiert. Wie Tonja schon sagte, ist in der Grundstellung auch der vordere Teil der Zunge entspannt. Je nach Anatomie der Zunge kann es allerdings sein, dass in einer entspannten NG-Stellung die Zunge nicht an den unteren Schneidezähnen anliegt sondern sogar darunter oder etwas zurückgezogen im Mundraum.

Ich persönlich verwende eine komprimierte Zunge ungern, weil es zusätzliche Spannung und damit zusätzlichen Aufwand bedeutet und das ist mir ein potenziell etwas dunklerer Klang nicht wirklich wert, zumal es auch noch Geschmacksfrage ist, ob das überhaupt als besser klingend empfunden wird.
 
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