Ich halte es nicht für möglich den Unterschied zwischen Dur und Moll rein physikalisch zu erklären Die Obertonreihe ist keine plausible Begründung - die kleine Terz ist ja nur einen weiteren Schritt entfernt.
Was heißt schon "rein physikalisch"? Es geht ja in der Musik immer auch darum, wie wir das empfinden, was da akustisch-physikalisch in unseren Gehörgang gerät und dann weiterverarbeitet wird.
Der "kleine weitere Schritt" hat deutliche Konsequenzen. Obertöne sind oft bemerkenswert laut. Nicht selten sogar lauter als der Grundton (u.a. bei der Trompete). Wir hören sie jedoch nicht getrennt. Bereits vor der Geburt lernten wir, daß harmonische Obertöne zusammengehören und nehmen sie als Klang wahr.
Der "kleine Schritt" macht bei den entsprechenden Obertönen dann den Unterschied zwischen Prim und kleiner Sekund, sprich aus einer Konsonanz wird eine scharfe Dissonanz.
Der Dur-Dreiklang enthält ja bereits beide Intervalle - das Kuckuck-Motiv ist eine kleine Terz und klingt trotzdem nicht traurig.
Das Kuckuck-Motiv wird ja normalerweise eher als Dur empfunden, also als Quint - Dur-Terz-Ruf. Eine solche Einordnung wäre im Einklang mit der Obertonreihe.
Dur- und Moll-Akkord enthalten beide die große und die kleine Terz. Nur bei Moll sind die beiden Terzen eben vertauscht gegenüber unserer Hör-Erfahrung mit harmonischen Obertönen. Wir sind uns dieser Tatsache normalerweise nicht bewußt, aber wir merken den dissonanteren Unterschied, praktisch instinktiv, wenn die Töne gleichzeitig erklingen. Bei einstimmigen Melodien spielt er m.E. eine geringere Rolle.
Die Assoziationen Dur/fröhlich und Moll/traurig sind eigentlich schon sehr suggestiv - es wird gleich positiv und negativ bewertet. Dabei kann ich durchaus den Spieß gleich umdrehen und Moll im positiven Sinne mit weich und Warm, Dur gleichermaßen auch negativ mit hart und kalt in Verbindung bringen.
Vorsicht bei den wörtlichen Übersetzungen von Dur und Moll:
Die Ausdrücke Dur und Moll entstammen dem Erscheinungsbild der verschiedenen Zeichen, die einst zur Unterscheidung der benachbarten Töne B und H vor die Notenköpfe gesetzt wurden.
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Die Assoziation der Tongeschlechter mit Charakteristika wie "hart" (= Dur) und "weich" (= Moll) kam erst sehr viel später mit dem Verschwinden der Kirchentonarten und der Manifestation des Dur-Moll-Systems auf, hat sich aber in der Musiklehre verfestigt und wird selbst in etymologischen Wörterbüchern immer noch vertreten.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Dur
Die Assoziationen Dur/fröhlich und Moll/traurig stellen m.E. lediglich eine erste Näherung dar, jedoch mit quasi "genetischem" Hintergrund.
Ein Vergleich: Es gibt auch viele körperlich kräftige Frauen und schwache Männer. Dennoch gilt als erste Näherung, daß ein Mann körperlich kräftiger ist.
Ähnlich bestimmen bei Dur und Moll auch noch weitere Faktoren (e.g. Tempo, Melodieführung), ob das Ergebnis dann traurig oder fröhlich klingt. Doch für "fröhlich" hat Dur eben die besseren Karten.
Moll sehe ich aber keineswegs als negativ an (wie auch nicht die Frauen
). Es ist eben anders und oft viel interessanter.
Das Dur-Moll-Problem ist sehr alt und es gibt viele Ansichten hierzu. Für mich ist die soeben geschilderte am plausibelsten. Wobei ich den Moll-Akkord nicht einfach als einen künstlich erzeugten Variantklang sehe, sondern die kleine Terz ist eben auch ein konsonanteres Intervall als z.B. eine um 50 Cent verstimmte kleine Terz.
Schaut man sich die Obertonreihen an, so stellt man fest, daß es auch hierfür wieder eine Erklärung gibt:
Töne im Abstand einer (reinen) kleinen Terz, z.B. 220 Hz (a) und 264 Hz (cis'), haben bei folgenden Obertönen eine Übereinstimmung:
1320 Hz, 2640 Hz, 3960 Hz usw.. Es stimmt jeder 6. Oberton von a mit jedem 5. Oberton von cis' überein.
Man kann in der Musik insgesamt nur wenig rational erklären, doch ein paar Dinge haben eine bemerkenswerte Plausibität.
Nicht umsonst faßten die alten Griechen die Fächer Arithmetik, Geometrie, Musik (Musiktheorie) und Astronomie als
Quadrivium zusammen.
Sie waren nicht allerdings nicht "
trivial", wie die drei Fächer Grammatik, Rhetorik und Dialektik.
Viele Grüße
Klaus