Hallo Sterntanz
Um es gleich vorweg zu nehmen, meine Antwort bezieht sich - surprise surprise! - nur auf den klassischen (Amateur-)Gesang.
Und hier, denke ich, kommts drauf an, was du mit deinem Gesang machen willst:
Bist du z.B. ChorsängerIn in einem nur mässig ambitionierten Laienchor, wo das soziale ebenso wichtig ist wie das Singen selbst, brauchts nicht besonders viel Ehrgeiz. Solche Chöre sind i.d.R. so ausgerichtet, dass (unausgebildete) Hobbysänger die ganze Literatur innerhalb der Chorproben lernen können. Würdest du zuhause fleissig die Stücke üben, GU nehmen und an deiner Stimme arbeiten, wird das nicht selten in einer frustrierenden Situation enden. Du bist sehr bald deutlich besser als der Rest des Chores, langweilst dich in den Proben, regst dich auf, wenn im Chor was nicht klappt, was für dich selbstverständlich ist usw. Zuviel Ehrgeiz kann da zu einer regelrechten Spassbremse werden!
Anders ist es in einem Chor (egal ob Konzertchor, Kirchenchor, Vokalensemble etc.) wo höhere Ansprüche ans Musikalische gestellt werden. Hier brauchts schon einen gewissen Ehrgeiz um mithalten zu können: es wird z.B. verlangt, dass man die Literatur selbstständig erarbeitet, dass man an der Stimmbildung des Ensembles teilnimmt und zuhause regelmässig die entsprechenden Übungen macht, ev. ist es sogar obligatorisch, dass man zusätzlich privaten GU nimmt.
Und absolut unerlässlich ist Ehrgeiz, wenn man ernsthaft solistisch singen will. Wenn man nicht zu den ganz ganz wenigen Ausnahmetalenten gehört, fliegt einem die klassische Technik nicht einfach mal so zu. Ein solides solistisches Niveau erreichen, bedeutet deshalb immer viel Arbeit. Das heisst neben dem GU auch regelmässig und diszipliniert zuhause an sich und seiner Stimme arbeiten. Den Ehrgeiz haben, sängerische Tiefs, die immer mal auftreten können, zu überwinden und an der Sache dran zu bleiben! Auch dann zu üben, wenns wie jetzt sehr heiss ist, wenn man sich nach einem langen Arbeitstag eigentlich lieber faul auf der Couch ausstrecken möchte, wenn man gerade etwas Kopfschmerzen hat, usw. usw.
Um ein wirklich gutes solistisches Niveau zu erreichen, kann meiner Ansicht nach der Ehrgeiz eigentlich fast nie zu viel sein
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Aber, ganz wichtig: dieser Ehrgeiz sollte immer von einer total positiven Grundstimmung geprägt sein! Es darf nie in ein frustriertes "ich muss ich muss ich muss" ausarten, das wäre äusserst kontraproduktiv! Sollte der Spass am Singen gesamthaft verloren gehen, brauchts eine längere Gesangs-Pause oder ein neues Hobby
Und am besten ist es wohl, wenn man, so wie ich, so sehr vom Virus "klassischer Gesang" infiziert ist, dass Ehrgeiz als Antrieb gar nicht mehr notwendig ist, sondern dass man das Singen so absolut zum Überleben braucht, wie Sauerstoff und Wasser
, ganz nach dem Motto: "Ein Tag ohne Singen ist ein schlechter Tag!"