Hi Romeo,
Zunächst interessiert mich natürlich, woran es bei der Fertigstellung hapert: Text oder Musik?
So, und hier ohne Wertung einige eigene Erfahrungen:
a) Es hängt ab vom
psychologischen Grundnaturell.
Mal grob gesagt: bist du der ins Freie drängende Abenteurer oder der Detail versessene Perfektionist. Hinter dieser harmlos klingende Formulierung lauert wahrscheinlich das Grundmotiv, warum du eigentlich Kunst machst. Willst Du über Deine Songs vorrangig kommunizieren oder dich in aller Stille neu erfinden?
Also die
Kommunikatoren und
Abenteurer kommen ihren Ziel am schnellsten näher, indem sie möglichst schnell möglichst viele Songs schreiben. Das spricht für paralleles Arbeiten.
Die
Tüftler und
Originalschreiber brauchen viel Zeit, um sich auf IHR Thema zu focussieren. Sie ringen ihrem Thema viele Facetten ab, bis sie ihr Unikat erkennen und fabrizieren können. Ein paralleles Arbeiten wäre nur hinderlich beim speziellen Tiefgang oder Höhenflug.
b) Viele Songideen heißt natürlich auch:
unklarer Umgang mit Blockaden.
Du gibst vermutlich oft in schwierigen Momenten der Versuchung nach, die Lösung auf später zu verschieben. Das ist in der Kunst natürlich ein riesiges Problem, weil man ja äußerst selten reibungslos an die Gefühle von Gestern anschließen kann. Die Folge: man verläßt sich darauf, dass man zufällig irgendwann mal wieder in eine ähnliche Stimmung kommt Was mMn niemals eintritt
Das spricht unbedingt dafür, mal eine konzentrierte Schreib-Phase einzulegen, allein schon, um die Gründe der Blockaden heraus zu bekommen.
c) Viele halbfertige Songs verweisen auf
fehlendes Handwerk.
Ok, da fallen einem zunächst
simple Situationen ein. Das geistige Ohr des Komponisten hört Harmonien, Rhythmen oder Soli, die die Ratio nicht entschlüsseln oder bewältigen kann
. Der Texter sieht Bilder, die er nicht auf die Enge einer Melodiephrase projezieren kann. Das spricht ganz klar für, einen Song konzentriert zu Ende zu bringen. Sonst schiebt man seine Handwrekslücken ewig vor sich her.
Aber es gibt auch
komplexere Probleme: Es fehlt die Strategie. Kein Feind weit und breit, auf den man sich einschießen kann. Auch da können handwerkliche Studien helfen. Als Texter beschäftige ich mich gerade mit einer mir bis dato unbekannten Theorie des Drehbuchschreibens: Die HELDENREISEN oder die ODYSSEE. Hat mir bereits einige für mich neue Songtexte "eingebracht"
d)
kein Auftrag!!!!
Aus meiner Sicht das wichtigste Problem. Ich habe schon häufig Aufträge angenommen oder mir organisiert, um das Hin und Her mit den vielen angefangenen Ideen zu beenden. Zwar hat man auch in diesem Falle noch ein wenig Spielraum, an einem oder mehreren Songs zu arbeiten, aber je enger die
Termine werden, um so klarer wird der eigene Weg!!!!!
Und dann kommt die ultimative Wahrheit: Deine Frage erübrigt sich. Vom Vollprofi erwartet man in kürzester Zeit viele fertige Songs
Gott sei Dank wird allerdings oft nicht so heiß gegessen...
e) Als Singersongwriter will ich mal extra das Kapitel
Songsprache erwähnen.
Nachdem ich in verschiedenen Bands bemerkte, dass das deutsche Publikum englische Texte live nicht checkt, fiel es mir echt leicht, englischsprachige Songs zu verfassen.
Für deutsche Texte brauche ich bedeutend längere Anlaufzeit. Dass man sie abschließend in wenigen Stunden schreibt, sollte nicht über die lange Anlaufzeit hinweg täuschen.