Wie schwer ist mehrstimmiges Gestalten, Kantional-, Choralsatz u. ä. im Vergleich zu einfachen Akkordbegleitungen?

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Gast293421
Guest
Guten Abend,

mir ist unklar, ob die Frage ins Forum „Klavierspielen“ oder „Kompositionslehre“ soll - wenn die Antwort eindeutig ist, kann sie ja entsprechend verschoben werden.

Gegeben sei eine einstimmige Melodie, z. B. ein Volks- oder Kirchenlied, hierzu soll eine Begleitung bzw. weitere Stimmen gefunden werden.

Wenn es ein harmonisch nicht so kompliziertes Lied in einer Dur- oder Molltonart ist und es eine einfache Begleitung sein soll, die z. B. immer abwechselnd aus einem tiefen Ton und einem darüberliegenden Akkord besteht, dann kriege ich es hin... Da reicht es dann auch, ein Liederbuch irgendwo aufzuschlagen, die Melodie kurz durchzulesen und zu überlegen, welche Akkorde passen, dann kann ich es spielen und das klingt dann auch gleich nach einer fürs erste passenden Version, an der man dann noch Einzelheiten verbessern kann.

Dafür scheint keine hohe Begabung nötig zu sein. Wie schwierig ist im Vergleich dazu das Erstellen von Choralsätzen, Kantionalsätzen oder anderen vielschichtigeren Begleitungen? Ich kenne ein paar Grundregeln und mit Zettel und Stift und sehr viel Zeit kriege ich das eine oder andere hin. Ist es hier auch realistisch, nach ausreichend viel Übung soweit zu kommen, daß man eine Melodie sieht, kurz im Kopf überlegt und dann einen halbwegs ansprechenden Satz spielt? Oder bleibt das für Otto-Normalverbraucher immer eine Sache, die Zettel, Stift und mehr Zeit braucht?

Mit freundlichem Gruß
H.
 
Eine typische Regel lautet (außer Rock Pop Gospel) : keine Oktav- und Quintparalellen.

Ich mach für Gospel viel nach Gehör, spiele links die Akkorde und rechts Melodie und dann zwei Ober bzw Unterstimmen.

Die Melodie packe ich mal in den Sopran, Alt oder Tenor.

Wenn Bass, gibt es den bei mir nur als oktavierten Sopran oder vor allem Auf Grundtonbasis.

Einfach ausprobieren.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Die zweite und dritte Stimme machen bei mir nicht immer jede Melodiebewegung mit ("Schweineterzeffekt"), sondern wenn es auch so zur Harmonie passt verlaufen die oft "ruhiger").

In F kann man mustergültig am Klavier durch Umkehrspiel sehr schnell (wenn einmal begriffen) gospeltypische Chorsätze erstellen.
 
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Dafür scheint keine hohe Begabung nötig zu sein. Wie schwierig ist im Vergleich dazu das Erstellen von Choralsätzen, Kantionalsätzen oder anderen vielschichtigeren Begleitungen?
Im Grunde ist es genau das gleiche. Du hast deine vier Stimmen also Bass, Alt, Tenor, Sopran und diese singen dann die Töne entsprechend. Im Grunde gibt es ja in der einfachen Form keinen Unterschied. Natürlich kann die Gestaltung auch entsprechend eine Motette, Kantate oder sonst etwas sein. Da gibt es unzählige Variationen und Regeln.
 
Ich habe in meiner aktiven Chorsänger-Zeit insgesamt ca. 50 Vokalarrangements geschrieben.
  • Mit der Übung wird man besser
  • Ich orientiere mich an den Akkorden, dann wird das verfügbare Notenmaterial an einer Stelle ja schon stark fokussiert
  • Bässe haben oft den Grundton, freuen sich aber auch, wenn sie mal eine Melodielinie singen dürfen
  • wenn alle Stimmen gesetzt sind, dann auch mal die Einzelstimmen ansehen. Es kann sein, dass durch andere Zuordnung zu den Stimmen besser singbare und logischere "Melodien" für die Einzelstimmen herauskommen. Das hilft nachher für den Gesamtklang, auch wenn es dabei vorkommen kann, dass z.B. der Tenor einen höheren Ton singt als der Alt an der gleichen Stelle.
  • Bei den meisten Notensatzprogrammen kann man sich das Arrangement anhören, um einen ersten Eindruck zu bekommen.
Es sind nicht aller meine Werke absolute Meisterstücke geworden, aber die meisten mindestens OK. Es sind auch Arrangements dabei, die sich vor käuflichen nicht verstecken müssen (und ich habe auch viele schrottige käufliche Arrangements gesehen).

Also drauf los arrangieren und bei jedem dazu lernen. Am besten mit einfacheren Stücken beginnen, damit es nicht frustig wird.

Ich habe auch durchaus Arrangements abgebrochen, weil ich gemerkt habe, dass die nicht werden wollten.
 
Gegeben sei eine einstimmige Melodie, z. B. ein Volks- oder Kirchenlied, hierzu soll eine Begleitung bzw. weitere Stimmen gefunden werden.
Begleitung will ich in diesem Zusammenhang als - ggf. gebrochene - Akkorde auffassen, das sehe ich als die einfachere Grundübung.
Als erstes würde dazu der harmonische Ablauf festgestellt, oft mit den den Stufenakkorden I, IV, V(7) und gelegentlich kadentiell erweitert, manchmal ist ein Stück auch modal.
Dann würde ich die Melodie mit Blockakkorden begleiten und wenn der Klang passt, die Umkehrungen für eine schönere Stimmführung festlegen.

Etwas anderes ist der vierstimmige Satz, dazu müsstest Du zumindest eine allg. Musiklehre durcharbeiten, ansonsten eine Harmonielehre usw., das kann durchaus anspruchsvoll werden.
Kurz und bündig sowie für deinen Zweck ein praktikabler Einstieg wäre ein Taschenbuch, mit dem ich selbst vor Jahrzehnten angefangen habe:
Lisl Hammaleser, Übungsprogramm Musiklehre compact

Wenn Du magst, kannst Du eine Melodie benennen, die dich interessiert, dann können wir konkret auf die Arbeitsschritte eingehen.

Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie schwierig ist im Vergleich dazu das Erstellen von Choralsätzen, Kantionalsätzen oder anderen vielschichtigeren Begleitungen?
Etwas schwieriger schon ...
Denn man muß alles machen, was Du schon am Klavier mit Deiner geschilderten Wechselbass-Begleitung gemacht hast, also erst einmal den harmonischen Ablauf bestimmen. Und da spreche ich noch gar nicht von so etwas wie Polyphonie ...

Hinzu kommt dann noch, daß man tunlichst die gute Singbarkeit der einzelnen Stimmen im Auge behalten sollte, sowie
den Rhythmus: Während es am Klavier leicht ist, einen mäßig schweren Rhythmus als Begleitung zu realisieren, ist das in einem Chorsatz höllisch knifflig (wenn es denn überhaupt erwünscht sein sollte), insbesondere wenn man die gute Singbarkeit der einzelnen Stimmen dabei auch nicht aus den Augen verliert ...

LG
Thomas
 
Guten Morgen,

vielen Dank. Es geht nicht ums Singen, nur ums Spielen (auf dem Klavier oder auch der Zither). Trotzdem ist das, was Turko sagt, die Hauptschwierigkeit, die gegenüber einfacheren Begleitungen dazukommt: daß die einzelnen Stimmen sinnvoll gestaltet sein sollten und nicht nur zufällige Folgen von Tönen aus dem Tonvorrat der passenden Akkorde. Vertikale und horizontale Struktur sagt man ja wohl.

Die harmonischen Grundlagen wie in dem empfohlenen Buch sind nicht das Problem. Es geht mir nur darum, inwieweit man es schaffen kann, daß man eine Melodie nur kurz durchzugehen muß und dann gleich eine ungefähr passende mehrstimmige Begleitung dazu spielen kann.

Der erste Schritt, den ich hierfür versuche, ist, zu einer einfachen Melodie nur einen einstimmigen Baß zu spielen, der im großen und ganzen gegenläufig zu ihr ist, der gleichmäßige Notenwerte hat und nur dort, wo die Melodie ruht, mal etwas anderes macht, der hauptsächlich Intervalle verwendet, die sich später noch zu Akkorden ergänzen lassen, und am Ende von Abschnitten auf einen passenden Ton zusteuert. Das spontan umzusetzen kommt mir etwas schwieriger vor als eine Wechselbaßbegleitung, aber machbar.

Als nächstes könnte man weitere Töne dazuspielen, die zwischen Melodie und Baß liegen und nur dahingehend gewählt sind, daß sie diese zu passenden Akkorden ergänzen. Wohl auch machbar, aber dann bilden diese Zwischenstimmen für sich betrachtet ziemlich unstrukturierte Tonfolgen. Diesen Stimmen müßte man mehr Aufmerksamkeit schenken, aber dann hat man sehr, sehr viel auf einmal zu tun. Hinzu kommt: Wenn man es mit Zettel und Stift macht, wird man auch mal beim Schreiben einer mittleren Stimme eine gute Möglichkeit finden, zu der aber der bereits fertige Baß nicht paßt, diesen dann wieder ändern usw. Deshalb ist mir unklar, inwieweit "man" lernen kann, so etwas aus dem Stand heraus zu spielen, und wie man das am besten macht.

Mit freundlichem Gruß
H.
 
Deshalb ist mir unklar, inwieweit "man" lernen kann, so etwas aus dem Stand heraus zu spielen, und wie man das am besten macht.
Man lernt es einfach, indem man es tut, und indem man dabei aus seinen eigenen Fehlern lernt.
Die wachsende Erfahrung und Routine wird Dich dann von vorne herein manche Irrtümer gar nicht mehr begehen lassen.

Thomas
 
Wie schwierig ist im Vergleich dazu das Erstellen von Choralsätzen, Kantionalsätzen oder anderen vielschichtigeren Begleitungen?

Wenn du vom schlichten Volksliedsatz ausgehst, kommt als nächste Stufe der Kantionalsatz, dann der Choralsatz, und erst zuletzt alles, was als "vielschichtigere Begleitungen" verstanden werden kann.
Kantionalsatz und Choralsatz unterscheiden sich weniger in der Arbeitstechnik (zuerst Zeilenschlüsse mit Klauseln bzw. Kadenzen aussetzen, dann den Rest), als vielmehr in der Stimmführung (homophoner Blocksatz im Kantionalstil, melodische Bass- und Mittelstimmenführung im Choralsatz).
Eine gute und kurze Übersicht über die drei Grundformen Lied-, Kantional- und Choralsatz mit praktischen Übungen und weiterführendem Material findest du auf musikanalyse.net.
 
also, wenn du eine einfache Begleitung mit Bass und Akkorden hinkriegst, würde ich mal sagen, dass es bei dir nicht an der Begabung scheitert. Ja, es ist realistisch und es ist Übungssache.
Bis du das "frei" hinbringst, gerne doch mit Zettel und Stift üben oder alternativ aufnehmen und anhören, d.h. einfach ausprobieren & hinterher kontrollieren, ob was für dich seltsam klingt, und dann nachjustieren.
Mir persönlich hat auch die Transskription von mehrstimmigen Stücken viel geholfen. Mit der Zeit und etwas Gespür schafft man das schon :)

Nicht zu verkopft drangehen, einfach ausprobieren - selber ausprobieren, andere Stücke anhören, mit der Zeit kommst du dann von selbst auf komplexere Sätze.
 
H. - ich habe die verschiedenen Satztechniken intuitiv erlernt, indem ich Posaunenchorliteratur ziemlich exzessiv auf dem Klavier gespielt habe. Kann ich sehr empfehlen. Da kommen z.B. Kantionalsätze vor, aber auch freiere Choralsatztechniken bis hin zum Bach-Choralsatz. Darüber hinaus Blasmusik, Popsongs, .... . Man kommt recht schnell dahin, dass man das intuitive Lernen durch rationales Lernen ergänzt, was auch unbedingt anzuraten ist. Posaunenchorliteratur ist relativ einfach und billig zu bekommen, hat mittlerweile eine große Bandbreite an Stilistiken, Transpositionen spielen keine Rolle und die Tonsätze sind gute Modelle, wie man allgemein auch Tonsätze für andere Instrumente schreiben kann.
 
Gibt es einen speziellen Grund, warum gerade Posaune und nicht z. B. Klavier- oder Orgelnoten?

Ja, Klavier- und Orgelnoten sind weniger streng im Einhalten von Tonumfängen ähnlicher der menschlichen Stimme, genauem Einhalten einer gegebenen Stimmenzahl und dem organischen Einhalten bzw. Setzen von Atempausen. Das alles ist in der Posaunenchorliteratur (nicht „Posaune“) strenger eingehalten und trägt zu einer guten Schulung beim Schreiben von Tonsätzen bei.
 
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