Wie entstehen "Fehlstimmungen" beim Akkordeon?

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coraline
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Hallo, guten Tag, nachdem ich nun schon seit Monaten hier im Forum eifrig Beiträge lese, hab ich jetzt auch mal eine Frage, zu der ich bisher konkret nichts gefunden habe...

Ich darf mich kurz vorstellen: ich bin Caro und habe vor ca. 1 Jahr angefangen, auf einer kleinen Hohner Arietta autodidaktisch herumzuorgeln - das klingt nicht schön, entspannt aber ungemein;)

Ich wollte dann relativ schnell wissen, wie so ein Akkordeon funktioniert und habe mir zu diesem Zweck ein uraltes, extrem schrottiges Hohner Tango zugelegt, an dem man nichts mehr schlimmer machen konnte (komplett löchrig, Stimmplatten flogen lose im Inneren herum etc..) Ja, und eigentlich wollte ich es nur zerlegen und hab dann aber irgendwie angefangen, es zu reparieren:redface: Mittlerweile kann man es fast schon wieder spielen und ich habe viel dazugelernt...

Und jetzt meine Frage: Ich habe ziemlich lange an dem Ding herumgestimmt und für mein laienhaftes Gehör klingt es jetzt ok, auch wenn es keiner professionellen Begutachtung standhalten wird.
Ich habe jetzt aber sehr oft gelesen: "Wenn nachgestimmt wird, ist das meist nicht von Dauer."

Warum?

Eigentlich können sich die Stimmzungen doch nicht einfach "von selbst" verstimmen?

Wenn ich die folgenden Dinge erledigt habe:
- Instrument gereinigt und abgedichtet
- Registerdrücker und -schieber gereinigt und eingestellt
- Stimmplatte runtergemacht (so nicht schon lose), gereinigt, neu ventiliert und wieder mit Wachs befestigt
- Stimmstöcke gereinigt und repariert
- Alles gestimmt, (soweit im Home-Office möglich)
- vieles mehr...

dann kann die Stimmung sich doch nicht einfach so ändern? Oder hab ich was falsch verstanden oder übersehen:gruebel:? Ich hoffe, die Frage ist nicht zu albern.

Würde mich über Antworten freuen,

Gruß coraline

Oh, PS: Ich mache das Ganze nicht, um Geld zu sparen oder um ein spielbares Instrument zu kriegen. Die ganze Bastelaktion ist nur aus Interesse entstanden und ich kanns mir zum Glück leisten:cool:
 
Eigenschaft
 
Hallo Caro,

betrachte bitte zwei Dinge:

Durch Änderung der Spannungsverhältnisse der Stimmstöcke kann die Stimmung verändert werden, v.a. wenn dann Kriechluft entsteht.

Stimmzungen verlieren durch äußere Einflüsse wie Staub, Rost, etc. ihre saubere Stimmung. Ebenso kann die Zunge auch nach dem Tieferstimmen in ihrer Frequenz wieder ein wenig höher wandern. Durch das Altern des Wachses hat man ebenfalls Spannungsveränderungen.

Entscheidend ist aber der Niet. Mit dem (nicht) richtigen Nietdruck steht und fällt die Frequenzstabilität der Stimmzunge. Ist der Nietdruck zu schwach, hält die Stimmung keine Jahre, sondern nur Wochen, Tage oder Minuten.

Viele Grüße

Ippenstein
 
Hallo Ippenstein,

danke für die schnelle Antwort. Ok, die äusseren Einflüsse kann ich ja dann kurzfristig mal vernachlässigen (ist ja größtenteils neu) aber woran kann ich denn das mit dem Nietdruck erkennen/messen? Kann ich da überhaupt Einfluss nehmen?

Danke schonmal und Gruß

Caro
 
Guten Morgen,

ein Indiz dafür ist das unterschiedliche Aussehen der Nieten (unterschiedlich platt als Beispiel). Man kann versuchen, nachzunieten, was mal funktioniert, mal nicht, denn der Nietdruck darf nicht zu schwach und nicht zu stark sein...

Viele Grüße

Ippenstein
 
Zuletzt bearbeitet:
dann kann die Stimmung sich doch nicht einfach so ändern?

Oh doch, das kann sein!... denn die Stimmplatten sind klein fies und gemein und von niederträchtigem Charakter!:evil:

nee, im Ernst - das kann schon pasieren.

Wie Ippestein schon beschrieb sind das viele Faktoren, die dazu führen können, dass sich ein an sich so stabil aussehendes Teil wie die Stimmplatte verstimmen kann - z.B. :


  • - Ganz klar mal durch Rost. Rost ist schwerer als blanker Stahl. Somit verändert Rost (auch schon ganz wenig) dei masse der schwingenden Zungen und somit die Frequenz.
  • - Nicht richtig feste Nietung. Ganz gemein, da äußerlich überhaupt nicht erkennbar. Denn die Frequenz hängt auch davon ab, wie stabil die Anbindung der Stimmzungen an den Rest ist.
  • - Innere Spannungen der Stimmzunge. Vom herstellungsprozess sind im Stahl Spannungen "eingesperrt" die sich im Laufe der Zeit teilweise wieder lösen , oder wenn mechanisch dran rumgemacht wird, also beim Stimmen. Leider geht das nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit.
  • - Befestigung des Stimmstocks. Wenn sich der Befestgungsdruck des Stimmstocks auf der Planfüllung ändert, dann ändert sich die "Steifigkeit" des gesamten Schwingungsaufbaus und somit hat das dann wieder einen Einfluss auf die Stimmzungen Frequenz.
  • - Durch Haarrisse in der Stimmzunge. Der Federstahl der Stimmzunge ist nicht so, dass da Atom an Atom sitzt, sondern durch die Herstellung gibt es da immer wieder Lücken, die, wenn sie größer sind einen Haarriss darstellen ( im tausendstel Millimeterbereich - nicht sichtbar!) Wenn sich diese Risse durch Beanspruchung etwas vergrößeren, verändert sich das Schwingungsverhalten und die Frequenz.
  • - Wenn der Haarriss richtig groß ist und schon als Anriss bezeichnet wird, dann wird die Stimmzunge nicht mehr stabil in der Frequnz (und meist kurz darauf auch gar nicht mehr stabil, sondern brechen)
  • - Die Ventile können das beeinflussen. Im Grunde stellt ein Ventil eine Behinderung des Luftstroms dar, wenn auch nur eine kleine. Aber dadurch werden die Druck und Strömungsverhältnisse geändert. Und das kann die Stimmung beeinflussen. Eine Stimmplatte hat z.B. eine andere Frequenz, wenn die mit oder ohne Ventil gemessen wird.

.....

Du siehst, es gibt also Tausend und eine Möglichkeit für eine Stimmzunge, warum die sich in der Frequenz ändert.

Wenn es dich interessiert - hier gings schon vor längerer Zeit auch schon mal um das Thema:

https://www.musiker-board.de/funktion-reparatur-akk/314119-stimmzungenreaktion-2.html
https://www.musiker-board.de/funktion-reparatur-akk/358469-einzelne-toene-verstimmt.html
https://www.musiker-board.de/funkti...hoeher-gestimmt-ton-wird-mit-zeit-tiefer.html

und wenn du Lust hast, dann such dich mal durch den Unterbereich hier durch - über das Thema gibts noch mehr.

Gruß, maxito
 
Zuletzt bearbeitet:
Ah, ok, vielen Dank - ich sehe, das ist ein weites Feld:eek: Ist ja der Wahnsinn, ich schlucke da gerade etwas, weil mir das so klingt, als könnte man hier nicht wirklich kontrolliert eingreifen. Die kleinen Atome machen wohl, was sie wollen...

Wie dem auch sei, es bedeutet in jedem Fall, daß ich nochmal nachstimmen muss - mir ist jetzt auch völlig klar, warum eine professionelle Stimmung leicht über 1000€ kostet.
Wie lange muss ich denn warten, bis ich nochmal rangehe: eher 2 Wochen oder doch 1 Jahr? Gibts da Erfahrungswerte? Oder warte ich einfach, bis es schief klingt?

Gruß Caro
 
Hallo,

bei den genannten Instrumenten (Arietta und alte Tango) sollte man das Thema "Genauigkeit der Stimmung" meines Erachtens nicht übertreiben.

Wenn das Wachs passt, die Stimmplatten und Zungen sauber und ordentlich ventiliert sind, der Löseabstand auch passt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein längerfristig brauchbares Stimmungsresultat erreicht. Einen zweiten Stimmvorgang (z. B. nach einigen Tagen) setze ich bei dieser Kategorie nicht mehr drauf. Die Veränderungen die sich da ergeben sind so gering, dass der zusätzliche Aufwand in dieser Qualitätsstufe nicht gerechtfertigt und auch nicht erforderlich ist. Bis sich da hörbare Veränderungen ergeben dauert das meist Jahre.
(Diverse Neuinstrumente in den unteren Preisklassen haben da bereits werksmäßig teils größere Toleranzen).

Das ist natürlich ganz was anderes, wenn ein Instrument der Oberklasse gestimmt wird. Da darf und muss man andere Qualitätsanforderungen stellen.

Gruß HLW
 
Hallo Caro,
ich habe auch eine Nachkriegs-Tango VM wieder hergerichtet (siehe Avatar-Bild) mit dem gleichen Problem wie du.

Trotz mehrfachem, peniblen Nachstimmen (auch mit Abstand von mehreren Monaten) hält sie ihre Stimmung nicht :bang: - liegt wohl an den Nieten. Sie ist trotzdem gut spielbar und klingt anscheinend für den Laien-Zuhörer schöner als mein Cassotto-Instrument, weil dieser etwas verstimmte Klang wohl mehr Akkordeon-typisch ist :eek:...

Ich wünsch dir jedenfalls weiterhin viel Freude mit deinem Instrument! Toll, dass du dieses Abenteuer in Angriff genommen hast - man lernt wirklich erstaunlich viel dabei.

LG Manuela
 
als könnte man hier nicht wirklich kontrolliert eingreifen. Die kleinen Atome machen wohl, was sie wollen...

ach, ganz so schlimm, wie es sich anhört, isses nicht!

Die Atome sind zwar kurz mal etwas aufgebracht, wenn jemand in ihrer Umgebung rumkratzt, aber die beruhigen sich auch wieder. Es muss ja auch gar nicht sein, dass sich die Stimmung gleich wieder verschiebt und dann hängt es ja wirklich davon ab, welche Qualität das Instrument hat und ob beim geplanten Einsatz eine kleine Abweichung bemerkt wird. Meist ist die Abweichung so gering, dass das erstmal keinen stört.

Aber weil sowas auftritt, lassen die Instrumentenmacher die gestimmten Instrumente meist erst noch ein paar Tage liegen, bevor sie die Stimmung nochmals kontrollieren. Je größer der Eingriff, desto höher und desto größer die wahrscheinliche Abweichung. Wenn man dann nach ein paar Tagen nochmal ein paar Zungen nachstimmt, ists meist nur ganz wenig und danach bleibts stabil.

... meistens jedenfalls, wenn eben so wie z.B echse beschreibt, kein weiterer Fehler in den Dingern steckt. Aber das weiß man immer erst hinterher. Drum: sich nicht kirre machen lassen von den vielen Möglcihkeiten, was allles passieren kann - einfach mal probieren. Meist passiert ja gar nix und dann ists gut!:)

Gruß, maxito
 
Na gut, dann werd ich mal abwarten und weiterbasteln.
Wenigstens kommen mittlerweile Töne raus und allzu anspruchsvoll bin ich wohl tatsächlich nicht:D
Auf jeden Fall muss das Ding spielbar werden - mir geht es nämlich tatsächlich auch so, daß ich finde, es klingt schöner als manch anderes. Irgendwie metallischer, muss wohl an der Bauweise liegen... Und ausserdem ist der Art Deco-Kühlergrill sehr dekorativ:cool:

Wie dem auch sei, vielen Dank für die vielen Antworten - hab ich viel dazugelernt!

Schönen Sonntagabend und Gruß

Caro
 

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