Ob die deutsche Posaunen aus der Mode gekommen sind?
Ich denke jein: viele deutsche Posaunenbauer sind nach wie vor international hoch angesehen und beliefern die großen Orchester auf der ganzen Welt. Aus der Mode sind sie wenn überhaupt für Amateure, Musikvereine etc. gekommen, wobei ich in den letztem Jahren zumindest in der Posaunenchorbewegung eine "Renaissance" der deutschen Posaune zu erkennen meine, die aber die Vormachtstellung der amerikanischen Bauweise wohl eher nicht wird brechen können.
Aber was ist eigentlich die "deutsche Posaune"?
Die Bezeichnung "deutsche Posaune" kam im 19 Jahrhundert auf uns grenzte eine neue, größer mensurierte Bauart mit größerem Schallbecher von der damals üblichen "Barock-Posaune" ab. Die Motivation für diese Änderung lag in dem damals neuen romantischen Klangideal, zu dem der Klang der engen Barock-Posaunen (10mm, enger als damalige Trompeten) nicht recht gepasst hat. Zur Zeit von Wagner, der sehr innovativ war, waren es dann nur deutsche Posaunen mit um die 12mm Mensur, die überhaupt in der Lage waren, die von den Komponisten geforderten mächtigen Posaunenklänge zu erzeugen. Solche Stücke waren für ausländische Orchester mit "untermotorisiertem Posaunensatz"
damals quasi nicht spielbar.
Durch das Wirken vieler deutscher und österreichischer Orchestermusiker in den USA hat sich dort die weitmensurierte "deutsche Posaune" schon früh im Instrumentenbau durchgesetzt und wurde sogar offen mit dem "typisch deutschen Klangcharakter" beworben (z.B. Bach 42). In England und Frankreich blieb dagegen bis nach dem 2. Weltkrieg die alte engmensurierte Bauweise der Posaune erhalten. Erst durch die weltpolitische Lage nach dem 2. Weltkrieg haben die amerikanischen Posaunen ernsthaft Zugang zu dem europäischen Märkten gefunden und so kurioserweise dazu beigetragen, die eigentlich typisch deutsche, weite Mensur der Posaune in ganz Europa durchzusetzen. In Deutschland waren die amerikanischen Posaunen aber zunächst unbeliebt, man hatte ja schon Posaunen mit weiter Mensur. Aber zum einen lag der deutsche Instrumentenbau nach dem Krieg ohnehin am Boden. Zum anderen drängten die Amerikaner mit ihren erstmals maschinell und dadurch sowohl präziser als auch günstiger produzierten Instrumenten auf den Markt, die zudem noch lackiert waren und dadurch toll aussahen. Und so kam es, dass sich die Nachbauer der "deutsche Posaune" mit ihren "german trombones" auch in Deutschland durchsetzten.
Nichts desto trotz gibt es natürlich nach wie vor viele exzellente und international hoch geschätzte deutsche Posaunenbauer, die allerdings weniger über die Masse ihren Marktzugang finden, da sie hier gegen die Marktführer aus USA und Asien kaum Chancen haben. Die Vorteile der deutschen Posaunenbauer für den Kunden sind ganz klar die Material- und Verarbeitungsqualität durch meisterliche Handarbeit und das Eingehen auf Kundenwünsche. Dadurch sind die meisten in Handarbeit entstandenen deutschen Posaunen leider auch deutlich kostspieliger als ein Instrument "von der Stange", was vielleicht erklären mag, wieso in Musikvereinen und Blaskapellen vorwiegend die preisgünstigeren und doch annehmbar funktionierenden Instrumente aus "Übersee" zu finden sind.
Es gibt heutzutage aber natürlich auch klangliche, da konzeptionelle Unterschiede zwischen heutigen deutschen und amerikanischen Posaunen, wobei ich zu den Amerikanern auch asiatischen Hersteller zählen würde, da diese die amerikanischen Hersteller anfänglich kopiert haben. Über die Jahrzehnte hinweg wurden die amerikanischen Posaunen auf Lautstärke optimiert, was vielleicht durch eine gewisse Nachfrage aus Richtung Marching-Bands zu erklären ist. Dadurch wurde die Mensur noch weiter (diesem Trend ist man im deutschen Posaunenbau auch gefolgt) und das Blech oft auch dicker. Im Gegensatz dazu war es im deutschen Posaunenbau schon zu Kruspes Zeiten das Ziel, möglichst dünnwandiges Blech zu verwenden. Die Töne bei den amerikanischen Instrumenten rasten zwar schön ein (recht praktisch für den nicht regelmäßig übenden Amateur), der Musiker hat aber im Vergleich zu den konisch gebauten deutschen Posaunen mit dünnerem Blech nach meiner persönlichen Erfahrung aber einfach weniger Gestaltungsspielraum bzw. Individualität im Klang. Im Gegensatz dazu ist es einfach wunderbar, mit meiner Lätzsch zu spielen. Die Ansprache ist subjektiv eine Klasse besser und der Klang individuell formbar. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass diese Formbarkeit des Klangs für einen Gelegenheitsspieler "gefährlich" sein kann, denn die Posaune korrigiert Intonationsfehler bei weitem nicht so stark wie meine Amerikanerinnen zuvor. So kann ich den Ton einer Lage mit der Lätzsch sicher um einen Halbton mit dem Lippen nach oben oder unten "verbiegen", ohne dass das klanglich erhebliche Konsequenzen hätte oder für mich besonders anstrengend wäre. Üben ist hier also wichtig, wird dann aber auch durch einen genialen Klang belohnt.
Viele Grüße
Marco
P.S.: Soweit ich weiß, spielen sowohl die Wiener als auch die Berliner Philharmoniker ausschließlich auf Posaunen deutscher Bauart. Ich habe mal gelesen, dass das in Berlin sogar Einstellungsvoraussetzung für die Posaunisten ist.