Bei der Verwendung von Kunststoff kommts sehr darauf an, welcher Kunststoff und welches Bauteil.
DIe Hohner Favorit IVp hatte ein Kunststoffgehäuse, das dazu neigt, sich mit der Zeit zu verziehen und dadurch undicht zu werden. Das ist dann ein Totalschaden.
Kunststoff in der aktuellen Hohner XS würde ich aber eher als Vorteil sehen, denn er macht das Instrument Kinderzimmertauglicher. Dieses Instrument muß auch nicht auf Jahrhundertelange Lebensdauer ausgelegt werden, wenn das nach 20 Jahren durch ist kann man damit leben, länger als 1-2 Jahre wird es eh kaum ein Schüler spielen.
Einzelne Kunststoffteile, die sich leicht ersetzen lassen, sehe ich auch weniger problematisch. Die Registermechaniken von Hohner ab Morino N etwa lassen sich bis heute bei Bedarf problemlos tauschen. Auch einzelne Kunststofftasten bei einigen Instrumenten, die gerne mal brechen, werden erst problematisch, wenn es keine passenden Ersatzteile mehr gibt. Für ein teures Oberklasseinstrument, das 50 und mehr Jahre halten soll, ist das sicher (auch bei der Morino und natürlich bei der Gola) u.U. ein Kritikpunkt. Für weniger hochwertige Instrumente, von denen niemand ernstlich erwartet, daß sie in 100 Jahren noch spielbar sind, finde ich es tolerabel.
Und die Materialkunde bleibt ja auch nicht stehen. PVC-Derivate aus den 1970ern und 1980ern waren deutlich UV-empfindlicher als das heutige PE-, PP- oder PUR-Varianten zum Teil sind. Nicht in jedem Teil braucht man Weichmacher (bei Einweg PET-Flaschen z.B. sind keine enthalten, nur bei den dickeren Mehrweg-PETs).
Auch umwelttechnisch sind Kunsstoffe nicht zwingend der böse Bube, als der sie gerne hingestellt werden. Zum Schmelzen und Verformen von PET oder PVC braucht man 80-100°C, zum Schmelzen von Glas oder Metall zwischen 1200 und 2500°C - und Temperatur ist hier ein Äquivalent zu Energieverbrauch bzw. CO2-Ausstoß. Gewicht und Volumen sind durchaus Argumente beim Transport (wo es auch wieder um Energieverbrauch geht) und so weiter.
Im Instrumentenbau ist Kunststoff zwar großräumig relativ unbeliebt, gilt als "billig" und "klingt schlecht", aber das sind häufiger lange tradierte Idealvorstellungen als konkrete Fakten, und es gibt auch Gegenbeispiele.
Blockflöten aus Kunststoff gibts schon lange und die sind mittlerweile nicht mehr nennenswert unbrauchbarer als billige Holzflöten. Bei den Blechbläsern haben sich die Plastik-Posaunen und -Trompeten zwar nicht an breiter Front durchgesetzt, sind aber z.B. bei Faschingsumzügen nicht nur wegen ihrer Farbgebung durchaus beliebt, weil Metallinstrumente im Freien bei Minusgraden ihre ganz eigenen Tücken haben. Mundharmonikas mit Plexiglaskanzellen gibts schon seit Jahrzehnten und die sind alles andere als unbeliebt.
Insofern: wo er hilft, preiswerte Instrumente günstiger und unempfindlicher zu machen, kann Kunststoff auch im Akkordeonbau durchaus ein sinnvoller Werkstoff sein. Wo er die Lebensdauer des Instruments begrenzt natürlich eher nicht. Aber wir werden auch damit leben müssen, daß nur wenige Akkordeons heutiger Bauart die Lebensdauer einer Stradivari erreichen dürften.