Als Beispiel deine Akkordfolge Em Em D C.
Du spielst als Tonleiter "nur Em" durch, das bedeutet technisch ausgedrückt Em aeolisch - dieselbe Tonleiter über D weitergespielt heißt vom neuen Bezugspunkt D aus D mixolydisch, und über dem C heißt die Tonleiter lydisch.
Jetzt kommt was ich sagen wollte:
hörst du das denn?
Hörst du z.B. den zweiten Akkord D als neuen Bezugspunkt, als Fundament deiner Melodie? Kannst du damit die mixolydische Tonleiter in ihrem speziellen, einmaligen Charakter darstellen und ausarbeiten?
Oder -> saust der Akkord so schnell vorbei, dass du rein von der Finger- und Gehirnverknotung her nur knapp 2, 3 Töne darüber gespielt bekommst und schon sind wir bei C (das geht genauso schnell vorüber)?
In dem Fall würde ich nämlich sagen, wenn du nur Em (aeolisch) spielst, denkst, fühlst und hörst, dann
ist das auch nur Em. Dass die Tonleiter rein theoretisch über D und C einen anderen Namen kriegt ist dann völlig irrelevant.
Du siehst, Theorie schön und gut, aber die praktische Umsetzung entscheidet.
Wenn deine Akkordfolge laaaang genug ist und du (sagen wir mal) mehrere Takte für jeden Akkord hast,
und wenn du technisch/musikalisch versiert genug bist, die Unterschiede wirklich in dein Spiel zu bringen - also entsprechend den Akkorden auch neue Schwerpunkte zu setzen und sozusagen einen ganz neuen Klangraum aufzumachen -
dann macht die Betrachtung mit den Tonleitern Sinn.
In deiner Frage mein ich zu merken, dass dir das noch nicht ganz klar ist. Du schlägst z.B. vor, über die Akkordfolge (Em Em D C) die Tonleiter B phrygisch zu spielen.
Das wird dir nicht gelingen, weil dir keiner die Tonleiter als B abkauft - woher auch? Es ist überhaupt kein Basston oder Akkord B vorhanden. Wie willst du denn die Melodie nach B phrygisch klingen lassen? Sie kann nur danach klingen, wenn die Begleitung ein B spielt.
Oder - fairerweise will ich zugeben, wie es schon gehen würde - wenn du so dermaßen massiv Bm Arpeggien spielst und penetrant auf dem B als Zielton und Schwerpunkt rumreitest, dass du damit die Begleitung (mit ihren Ems, Ds und Cs)
überdeckst. In dem Fall hast du aber nicht
mit, sondern
gegen die Begleitung gespielt, und das war glaub ich nicht Sinn der Frage
Also. Wie dein Solo klingt liegt an der Begleitung, und an deiner melodiösen Ausgestaltung mit Zieltönen, Umspielungen u.ä.
Oder darf man sich da die tollsten Dinge einfallen lassen, z.B.
--> E äol. - B phryg. - D ion. - G mixolyd. ??
Es geht nicht darum, einfach in einer Tabelle nachzulesen "oh, C ist in G mixolydisch enthalten, also spiel ich die Tonleiter" sondern du hast an der Stelle nichts an deinem Bezugspunkt geändert - du würdest immer noch C spielen, in dem Fall ionisch.
Deine Frage, ob und wie man andere Tonleitern nutzen kann/darf/muss^^, möchte ich dir also in die Richtung beantworten. Bezugspunkt ist immer der Akkord der Begleitung.
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Zum Wechsel wäre dann zu sagen: können und dürfen ja, du musst entscheiden ob es gut klingt.
Dein Beispiel mit D ionisch: das enthält den Ton C#, sehr wichtiger und charakteristischer Ton, sollte also unbedingt gespielt werden (sonst hat man ja nichts davon dass du "D ionisch" denkst). Zusammen mit dem D in der Begleitung ergibt sich also D maj7.
Gleich danach kommt der Akkord C, für D ionisch ist das C ein tonartfremder Ton. Das passt nicht und beisst sich mit dem vorigen. Wenn du das so willst, ist es ok!^^ Die Akkordfolge D maj7 und C maj7 klingt ja nun nicht falsch, ist eine Rückung; du hast dann klargemacht, dass es dir nicht um normale Akkordkadenzen innerhalb einer Tonleiter geht.
Wenn du jetzt auch noch vorschlägst, über C C ionisch (du hast geschrieben G mixo, was dasselbe ist) zu spielen - dann hast du absichtlich noch den Ton F in der Tonleiter gewählt. Der passt auch wieder nicht zu dem Ton F#, was du grad vorher bei D ionisch gefeatured hattest.
Du spielst also lauter Brüche, setzt harte Kontraste - statt (mit ein und derselben "E aeolischen" Tonleiter) einen sanften Bogen über alle Akkorde zu spannen. Ob du das so willst, ist deine Entscheidung
du merkst schon, ich würd es nicht machen. Aber ist ja dein Song