Mir fallen da nach relativ schnell verschiedene andere Möglichkeiten ein, um sowohl den Hiatus als auch melodisch Moll zu vermeiden
Aber ob die immer genauso gut oder gar besser klingen als das, was Bach schreibt
?
Hat Bach aber nicht gemacht, deshalb gehe ich da schon von "Vorsatz" aus.
Ich hätte in meinem Beitrag, als ich schrieb, dass Bach "nichts anderes übrig blieb" dies besser mit irgendeinem Ironie-Smiley versehen sollen (wobei ich Smileys selten benutze und lieber alles im Text schreibe), denn so recht kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser unglaubliche musikalische Genius jemals in einer kompositorischen "Klemme" oder gar "Notlage" gesessen hätte. Dazu erscheint mir gerade bei ihm alles einfach zu perfekt.
Also "Vorsatz" würde ich voll unterstreichen!
Die Ausgabe von Ernst Naumann (1895) schreibt bei der 2. Stelle übrigens natürlich Moll, und die melodisch Moll Variante in Klammern
Da hatte er wohl Skrupel, weil er auch das "Gerücht" als ehernes Gesetz verinnerlicht hatte, gegen das man bei Strafe nicht zu verstoßen habe und hat sich dann genötigt gesehen, bei Bach immerhin anzudeuten, dass die "Regel" andere Töne vorsieht.
Es wäre nicht das einzige Beispiel, wo spätere Herausgeber in die Werke der Altvorderen eingegriffen haben, um sie zu "korrigieren".
Inklusive mir ...
Die Frage verschiebt sich aber dann nur: Woher kommt das, daß wir das alle so gelernt haben?
Was Tonleiterstudien betrifft, gibt es eigentlich nichts gegen diese Praxis einzuwenden. Erstens geht es um blanke Technik und nicht um Musik und zweitens sind die Tonleitern für sich sowieso nicht mehr als eine Materialsammlung und ein reduziertes Konstrukt aus der eigentlichen Musik.
Gelernt habe ich diese Regel im übrigen auch und hunderte Stunden entsprechender Tonleiterstudien sind ebenfalls durch meine Finger gegangen. Ehrlich gesagt hatte ich mir diesen Sachverhalt bis heute noch nie so dezidiert klar gemacht. Ein Hoch auf das Forum und die kompetenten Kollegen hier!!!
Kurz gesagt versteifen sich zumindest Sikora und Löffler nicht auf das "Gerücht".
Tatsächlich kennt jeder sicher genügend Beispiele, wo in den abwärts führenden Moll-Melodielinien wieder das natürliche Moll erklingt, als gängige Praxis darf man das deshalb durchaus bezeichnen.
Wenn, wie in den von
@McCoy geposteten Beispielen die Harmonik dagegen steht, dann bleibt es eben bei den erhöhten Stufen.
Alles eigentlich ganz logisch und einleuchtend.
Man muss halt nur aufpassen, dass man sich nicht von der "Theorie" zu sehr blenden lässt.
Gar manches finde ich dort zu Elfenbeinturm-artig verengt und auf die Spitze getrieben, oft regelrecht verquast und wie eine Geheimwissenschaft verbrämt und verkompliziert.
Bei aller Liebe zur Beschäftigung mit der Theorie hinter ("hinter"! nicht "vor") der Musik (immerhin gebe ich den studienvorbereitenden Theoriekurs an unserer Musikschule) liege ich doch näher bei dem Motto "
Music was my first Love" - und nicht "
Therory ...".
Einen Thread zum Thema "Moll - unter der besonderen Berücksichtigung aller Varianten und des Wandels im Verlaufe der Musikgeschichte" fände ich gut, wenn er denn praxisbezogen ist und dabei locker bleibt.