Nur zur Richtigstellung: ob ein Instrument ein Bassinstrument oder nicht ist, liegt ausschließlich am Tonumfang, also an der Frage "wie tief kommt man hinunter"? Die Bohrung / Mensur bestimmt dagegen den Klangcharakter, das sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Und beim Klangcharakter gebe ich Dir recht: nicht immer würde eine eng mensurierte Bassposaune passen. Aber das liegt in erster Linie am Charakter der zu spielenden Musik und an der Zusammensetzung des Posaunensatzes. Selbst in der heutigen Musikwelt ist es einfach so, dass man z.B. in der BigBand andere Mensuren bevorzugt, als im Symphonieorchester. Um den Einfluss aber noch deutlicher zu machen: Es gibt historische Bassposaunen in F oder Es mit um die 12mm Bohrung. Im vom 16. - 19. Jahrhundert gebräuchlichen Posaunensatz der heute sog. "Barockposaunen" hat das sehr wohl gepasst, denn die Tenorposaunen hatten ja auch nur um die 10mm Bohrung. Würde man aber eine solche Bassposaune heute im Orchester neben eine groß mensurierte Tenorposaune vom Schlag Bach 42 (13,9mm Bohrung) setzen - die im symphonischen Bereich durchaus auch für die 1. Posaune Verwendung findet - wäre dieselbe Bassposaune völlig ungeeignet. Wenn Du also schreibst, dass Deiner Meinung nach eine Bassposaune mindestens 14mm Bohrung haben sollte, dann stimmt das sicherlich im Kontext Deines musikalischen Umfelds und Deiner Erwartungshaltung dem Posaunenklang gegenüber. Würdest Du aber mit solchen weit mensurierten Posaunen historische Musik aufführen, würden sich die Komponisten vermutlich entsetzt im Grab umdrehen, weil es einfach nicht so klingt, wie urspünglich gedacht. Und um hier der historischen Aufführungspraxis und dem Originalklang gerecht zu werden, werden noch heute diese engen Barockposaunen nach ihren historischen Vorbildern nachgebaut.
Ich empfehle an diese Stelle einmal das Buch von Karlheinz Weber "
Ihre Majestät, die Posaune", in der der Autor sehr fundiert die Entwicklung und Verwendung dieses schönen Instruments im Laufe der Zeit beschreibt. Enthalten ist auch eine Tabelle mit der Bemaßung vieler historischer Posaunen aus diversen Sammlungen, die sehr aufschlussreich ist. Einen anderen interessanten Artikel, der mal auf der IPV Webseite verfügbar war, finde ich leider nicht mehr. Darin wurde die Tendenz, im Posaunensatz immer größere Mensuren zu verwenden, eher kritisch betrachtet: Denn mit der Erhöhung der Mensur wird der Klang auch immer "horniger" und "runder", insbesondere bei den deutschen Posaunen mit Doppelbohrung (=weitere Bohrung im unteren Zugrohr). Es stellt sich im Kontext des Orchesterklangs unweigerlich die Frage "ist das gut?" und "wohin soll das noch führen?". Der Autor bezeichnete diese Tendenz prägnant als "Verhornung des Posaunensatzes". Jede Instrumentengruppe hat im Orchester seinen klanglichen Platz und der der Posaunen ist eben der schlanke Klang der tiefen Blechbläser, der nach ober hin durch die ebenfalls schlanken Trompeten ergänzt wird. Nun rutschen die Posaunen klanglich immer näher an die Hörner und Tuben heran und es droht der Abriss der klanglichen Verbindung zum Trompetensatz. Dem könnte man tatsächlich auch mit einer Vergrößerung der Mensuren auch bei den Trompeten entgegnen, was diese Trompeten aber tendenziell wiederum näher an die Flügelhörner heranbringen würde. Dadurch geht insgesamt ein Stück Variabilität in Bezug auf die verfügbaren Klangfarben unter den Blechbläsern verloren. Klar ist ein runder, voller Posaunenklang was feines, aber eben auch nicht immer. Geht der Trend so weiter, könnte man ursprünglich für Posaunen komponierte Stücke auch gleich durch Waldhörner oder durch Euphonien spielen lassen - ein gutes Euphonium spielt sich auch viel leichter als Posaune und schlägt diese locker, wenn es um einen großen runden Ton geht. Natürlich geht das schon heute, aber möchte man das wirklich immer vom klanglichen Charakter her? Vor dem Hintergrund finde ich das Angebot von bewusst etwas enger mensurierten Bassposaunen wie von Lätzsch und Jürgen Voigt (s.o.) durchaus nicht uninteressant - auch weil diese mit der Doppelbohrung ja ohnehin schon etwas "horniger" sind. Ich weiß, für einen Bassposaunisten ist diese Einstellung ungewohnt, aber "fetter Bass" ist einfach nicht immer das Maß aller Dinge, man muss sich in den Gesamtklang einfügen (habe ich das jetzt wirklich so geschrieben?
)
EDIT: anbei noch der Link zu einem Artikel von Karlheinz Weber zur Einordnung der "
Deutschen Posaune". Darin sieht er gerade auch eine Tendenz zur Verhornung der Bassposaune durch ein Wetteifern nach immer größeren Mensuren und Mundstücken - also eher eine Gefahr zur Spaltung des Posaunensatzes. Der Artikel ist zwar schon bald 45 Jahre alt, aber die Anmerkung, dass amerikanische Tenorposaunen teils größere Mensuren haben als deutsche Bassposaunen, ist auch heute noch aktuell und regt zum Nachdenken an.
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Zum weiteren:
Bei Posaunen "von der Stange", gerade im unteren Preissegment kann man Glück oder Pech haben, die Serienstreuung ist hier besonders groß. Hier gilt "Probieren geht über Studieren", was aber gerade für unerfahrene Anfänger nicht so leicht ist, man kann das als Anfänger ja gar nicht selbst beurteilen. Daher meine obige Empfehlung, als Anfänger immer einen erfahrenen Posaunisten mitnehmen, der auch "nein" sagen kann, falls das Musikgeschäft nichts gescheites zu bieten hat. Sonst bekommt man etwas aufgeschwatzt, mit dem man nicht glücklich wird. Ganz unten würde ich preislich aber nicht anfangen, denn meistens "erkauft" man sich bei besseren Instrumenten auch eine bessere Spielbarkeit in Bezug auf Ansprache und Intonation - und damit auch einen gesteigerten Lernerfolg und mehr Spaß (bzw. weniger Frust). Aber wie gesagt, durch die Serienstreuung kann man selbst bei Billigsintrumenten durchaus auch mal Glück haben, allerdings braucht man da tendenziell schon sehr viel Glück...
Auf einem Posaunenworkshop waren die anderen Teilnehmer in der Gruppe einmal begeistert, wie "gut" ich Bassposaune spiele bzw. wir gut das klingt. Nach Konzerten mit dem Ensemble wurde ich von anderen Bläsern häufiger gefragt, ob ich etwa Bassposaune studiert habe - habe ich aber nicht, ich bin "ganz normaler, ambitionierter Posaunenchorbläser." Meine Antwort war immer
"auch das Instrument hat da einen enormen Anteil", man hat mir das aber nicht so sehr geglaubt und es als Bescheidenheit ausgelegt. Bei dem besagten Workshop habe dann mal einen Teilnehmer meine Lätzsch anspielen lassen und der meinte dann
"oh, die ist aber leicht" (Leichtbau!
) und
"die spricht aber super leicht an - mit der könnte ich auch so gut spielen wie Du". Ja, und genau das ist eben das schizophrene bei den Instrumenten: die Instrumente, die das Musizieren wirklich erleichtern, kosten ein Schweinegeld und sind so den meisten Amateuren - die es eigentlich am nötigsten hätten - nicht zugänglich. Auch ich habe 18 Jahre warten müssen, bis ich mir meine "Traum-Lätzsch" haben bauen lassen können. Aber für mich hat sich jeder einzelne Euro mehr als bezahlt gemacht, selbst nach nun 10 Jahren bin ich noch immer wunschlos glücklich. Nichts desto trotz würde ich einem Anfänger nie empfehlen, sich gleich ein solches Meisterinstrument der Spitzenklasse zuzulegen, selbst wenn das Geld da wäre. Wenn etwas kaputt geht, wird es gleich richtig teuer - man muss so ein Instrument auch handhaben und pflegen können. Und diese Instrumente spielen ihre Vorteile nur dann voll aus, wenn sie auf den Spieler maßgeschneidert sind, man also in der Bauphase seine Wünsche klar äußert und ggf. nötige Anpassungen nach eigenen Vorstellungen artikulieren kann. Ich habe die noch unlackierte Posaune per Post erhalten und 3 Wochen intensiv daheim angespielt, u.a. auch in einem Konzert. Dann bin ich zu Lätzsch nach Bremen gefahren und habe mit Herrn Nienaber gemeinsam mehrere Stunden am Samstag verbracht, weiter angespielt und so vor der Lackierung die Feinabstimmung vorgenommen. Auch dieser Aufwand, der bei Instrumenten "von der Stange" gar nicht anfällt, ist übrigens im Preis dieser maßgeschneiderten Posaunen enthalten und relativiert diesen dann vielleicht doch ein wenig. Aber so eine Interaktion mit dem Posaunenbauer zur Optimierung des Instruments kann ein Anfänger ja gar nicht leisten. Ein gutes Instrument der Mittelklasse "von der Stange" tut es daher natürlich für den Anfang (und für die allermeisten ein Leben lang) genau so gut.
Vielen Dank & Grüße
Marco