Moin,
erst mal hat schuh recht, das Mittelalter ist 'ne verdammt lange Zeit
nämlich fast 1000 Jahre, je nachdem wie man's sieht.
Die Frage wäre dann, geht es dir um Authentizität? Falls ja, wirds schwer, denn aus dem "echten" Mittelalter ist nur wenig überliefert. Man kann wohl davon ausgehen, dass die Instrumente, die Michael Prätorius in seinem
Syntagma musicum beschrieb, auch im ausgehenden Mittelalter durchaus schon gespielt wurden, auch wenn er (Michael) selber eher in der Zeit der Renaissance und des Frühbarocks lebte. Allerdings ist, was tatsächlich erhaltene Instrumente angeht, ziemlich tote Hose in den Museen...es gibt wohl eine Blockflöte, die man in einer
Latrinengrube gefunden hat (wie die da wohl hinkommt?), und ein paar weitere vereinzelte Block- und einfache Querflöten, aber das wars dann auch. Da keine dieser Flöten vollständig spielbar erhalten ist und Holz nunmal die Eigenschaft hat, in Latrinengruben durchaus mal seine Form (und Farbe) zu ändern, kann man heute auch nicht mehr nachvollziehen wie die Teile früher aussahen, gebaut wurden, welche Maße sie hatten und wie sie geklungen haben. Darum ist alles, was man heute als "mittelalterliche Flöte" kaufen kann, im Grunde eine moderne Rekonstruktion, bei der man versucht hat, die Dinge so zu halten wie sie damals möglicherweise gewesen sein könnten. Ob das authentisch ist? Frag mich was leichteres...
Wenns allerdings nicht zwingend authentisch sein muss, wird die Sache gleich viel einfacher. Du kannst mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass einfache einteilige Holzquerflöten mit sechs Grifflöchern schon in den dreistelligen und vielleicht auch zweistelligen Jahren nach Onkel Jesus gespielt wurden, weil das mit die einfachste Art und Weise ist, eine Flöte zu bauen und die das damals (und viel früher) auch schon drauf hatten. Im Grunde reicht dafür ein Rohr (Schilf, Bambus, Holunder) in das man an den richtigen Stellen
ein paar Löcher brennt, mit einem heißen Eisenstab. Dann noch auf der Mundlochseite einen Stopfen rein und fertig ist die Flöte. Macht man heute noch so, weil sich die Außenhaut von Bambus nur schlecht durchbohren lässt (splittert). Jedenfalls gibts da am Markt einiges, was auch vom look her auf einen Mittelaltermarkt passen würde. Google mal nach Renaissance-Querflöten, sowas z.B. wäre das.
Was die Tin- oder Penny Whistles angeht: die passen garnicht auf einen Mittelaltermarkt, ist nämlich ne sehr späte Entwicklung (so ca. Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts) und geht zurück auf ne vereinfachte Form des
Flageoletts, eine "Rückentwicklung" also.
Dann zum Thema Traversflöte: dazu hab ich mich woanders schonmal ausgelassen, ich erlaube mir einfach mal ein Selbstzitat, klick auf den Pfeil neben "ich" für die ganze Diskussion:
Ist halt die Frage, ob man alles, was aus Holz ist und quer gehalten wird Traversflöte nennt oder nur die barocke Holzquerflöte...ich glaube, da gibts keine eindeutige Nomenklatur. Das Ding da oben ist allerdings definitiv ne Querpfeife, auf Englisch Fife (sprich Feif, merke: Pfeife!). Flute ist im Englischen was anderes, eben z.B. eine Traversflöte oder auch eine moderne Böhmflöte. Wobei Traversflöten im Englischen "Traverso" heißen, und damit sind dann nur barocke Holzquerflöten gemeint und nix anderes, Flute meint aber beides, und flûte traversière steht im Französischen für alle quer gehaltenen Flöten. Und Piccolos, die im Grunde in der selben Tonlage spielen wie Querpfeifen, gibts dann auch noch. Alles klar?
Schwegelpfeifen sind eine traditionelle "germanische" (so nenn ich's mal) Instrumentengattung, gibt heute noch Schwegelbauer die das traditionell betreiben. Das ist aber nicht das, was man landläufig als Traversflöte bezeichnet. Mit Querpfeifen sind sie aber nah verwandt. Hier drei Bilder für die von schuh erwähnten Instrumente:
Traversflöte:
Querpfeife:
Schwegelpfeife:
Klappen waren im Mittelalter und in der Renaissance übrigens unbekannt. Erst im Barock kam die einklappige Traversflöte in Mode (siehe oben), die manchmal auch zwei Klappen hatte, für Dis und Es (siehe
hier), aber Flöten mit mehr Klappen kamen erst Ende des 18. Jahrhunderts auf, dann gings aber recht flott, Mitte des 19. Jahrhunderts hatten alle Flöten 6 oder mehr Klappen, in Kontinentaleuropa viel mehr, in England blieb man aber weitestgehend bei den acht Klappen. Und dann kam Theobald mit seiner Böhmflöte, die wir heute ausschließlich spielen - alle anderen Systeme und Vorstufen wurden verdrängt, bis auf die historische Aufführungspraxis halt, aber das führt jetzt zu weit...
Also vom Ambiente her bist du jedenfalls mit einer hölzernen Flöte mit sechs Löchern und ohne Klappen am besten bedient. Und in der Regel spielt man die von den Griffen her wie die moderne Tin Whistle, oder Irish Flute, manche Töne funktionieren vielleicht besser mit den Griffen einer barocken Traversflöte, wieder andere mit denen der Renaissanceflöten...aber letztendlich sind's dann doch alles Flöten.
Selberbauen geht auch und ist nicht schwer, je nachdem welche Ansprüche man stellt - dazu hab ich mich schon oft hier im Forum geäußert. Einfach mal die Suchfunktion bemühen.
Falls du weitere Fragen hast, nur her damit.
Grüße,
shib