Wagner: Mediantik,Kadenz,chrom. Alteration

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Aristo39
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Hallo an alle,

ich habe mich für ein Referat mit der romantischen Harmonik zu beschäftigen, habe mir im Zuge dessen den dtv-Atlas ausgeliehen und bin die letzten Tage, trotz unendlichen Nachschlagens im Inet und in anderen Fachbüchern, nicht in der Lage gewesen, die Begriffe auf das Beispiel zu applizieren.

Ich weiß nun in etwa, was sich in der Theorie hinter den Termini verbirgt, aber das Beziehen auf das Beispiel fällt mir schwer.
Ich möchte aber unbedingt dahinter steigen, wo ich jetzt soviel Zeit investiert habe.

Es wäre wirklich supernett, wenn sich einer von euch Profis kurz Zeit nehmen könnte, sich das Beispiel anzusehen und mir die folgenden blutigen Anfängerfragen zu beantworten.

Meine Fragen wären:
1.) Steht der Abschnitt in G-Dur oder e-moll?

2.) Ich erkenne eine Akkordfolge von:
As - H - B - Fis dim - E - Es - Dis dim - D dim - C
Das deckt sich aber überhaupt nicht mit dem Quintenzirkel auf der rechten Seite, kann also nicht stimmen.
Aber wie komme ich auf diese angegebene Akkordfolge?

3.) Zwei Akkorde sind als Kadenz markiert. Welche Funktion (SD?,D?,T?) haben diese Akkorde in unserem Fall?

4.) Welche Medianten (Untermediante, Obermediante) liegen hier vor und zu welchem Ausgangsakkord (Dominante,Tonika,etc.)?

5.) Ist der Begriff chromatische Alteration hier primär auf die Akkordstruktur oder auf das schrittweise verschieben der einzelnen Stimmen zu beziehen?

Es würde mich sehr freuen, wenn ihr mir mit eurem Fachwissen helfen würdet.
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Beste Grüße
Aristo
 
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1.) Steht der Abschnitt in G-Dur oder e-moll?

Weder noch. Die Ein-# Vorzeichnung bezieht sich auf den Satz und hat zu dem von Dir zitierten Ausschnitt keinen direkten Bezug.

2.) Ich erkenne eine Akkordfolge von:
As - H - B - Fis dim - E - Es - Dis dim - D dim - C
Das deckt sich aber überhaupt nicht mit dem Quintenzirkel auf der rechten Seite, kann also nicht stimmen.
Deine Akkorde sind soweit in Ordnung. Die kleinen verkürzten Dominantseptnonakkorde sind wohl für Dich der Stolperstein. Sie korrekt zu benennen, heißt ihre Funktion zu verstehen. Alle drei treten hier in Erscheinung als Drehpunktakkorde enharmonischer Modulationen.
Den Ersten würde man, auf das vorrausgehende Bb-Dur bezogen, Ao7, als Stellvertreter für die Dominante F7, benennen. Auf den ihm folgenden Akkord bezogen, muss er allerdings in D#o7, als Stellvertreter der Dominante B7 (engl. Schreibweise!) umbenannt werden.
In der Quintenzirkelgrafik wird dieser Akkord an der Stelle von 5 Uhr dargestellt.

Der Zweite, Ao7/Bb, wird rückbezüglich auf das vorhergehende Eb-Dur als verkürzte Doppeldominante mit Dominantgrundton im Bass gehört. Es ist ein sogenannter Vorhaltsakkord.
Dieser wird nun weitergeführt in den Do7, der zunächst auch rückbezüglich als verkürzter Dominantseptnonakkord von Eb-Dur gehört wird. Er wird enharmonisch umgedeutet in Bo7, als Stellvertreter von G7 um sich dann in authentischer Weise, Halbtonschritt aufwärts, nach C-Dur aufzulösen.
Die 2 Letzen sind in der Graphik den Positionen D und G mit gestrichelter Linie zugeordnet.


Aber wie komme ich auf diese angegebene Akkordfolge?
:D



3.) Zwei Akkorde sind als Kadenz markiert. Welche Funktion (SD?,D?,T?) haben diese Akkorde in unserem Fall?
Dominant Funktion mit authentischer Auflösung.

4.) Welche Medianten (Untermediante, Obermediante) liegen hier vor und zu welchem Ausgangsakkord (Dominante,Tonika,etc.)?
Mediante ist für mich immer ein sehr unglücklich gewählter Ausdruck. Bei der sogenannten Distanzharmonik handelt es sich ja schlussendlich immer um die Aufteilung der Oktave in äquidistante Abschnitte. Die 3 in der Graphik grün hinterlegten Akkorde sind im Großterzabstand angelegt. Die tonalen Zentren heißen Ab, E und C. Eigentlich fehlt dazu in der Graphik bei C ein schwarzer Punkt wie bei Ab und E.


CIAO
CUDO
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank, Cudo bis hierhin. Das bringt mich dem Verständnis schon viel näher.

Was ich auch nach Durchlesen von so vielen Definitionen nicht verstanden habe ist, was die Drehpunktakkorde hier genau bewirken. Man ersetzt die Dominanten durch Terzen (also Parallen/Gegenklänge), doch was ist die Funktion und wie genau werden dadurch enharmonische Modulationen ausgelöst (bzw. wie sind die für dich definiert)?

Vielleicht könntest du dort bei deiner Erklärung noch einmal nachhaken.
Vielen Dank.
Aristo
 
Was ich auch nach Durchlesen von so vielen Definitionen nicht verstanden habe ist, was die Drehpunktakkorde hier genau bewirken. Man ersetzt die Dominanten durch Terzen (also Parallen/Gegenklänge), doch was ist die Funktion und wie genau werden dadurch enharmonische Modulationen ausgelöst (bzw. wie sind die für dich definiert)?

Zunächst unterscheidet man zwischen Drehpunktakkorden diatonischer Modulationen und Drehpunktakkorden enharmonischer Modulationen. Für Letzteres eignen sich vor allem sogenannte symmetrische Akkorde die da wären, Übermäßiger Dreiklang und Verminderter Septakkord. Diese Akkorde haben die Eigenschaft in all ihren Umkehrungen die gleiche Intervallstruktur vorzuweisen. Natürlich ist das nicht ganz korrekt, da z.B. dabei eine übermäßige Sekunde einer kleinen Terz gleichgesetzt wird. Aber in unserer gleichstufigen Stimmung ist das Hörerlebnis beider zuvor zitierten Intervalle eben absolut kongruent. Dieses Phänomen macht man sich nun bei der enharmonischen Modulation zu nutze. Einzelne Töne des verminderten Vierklangs werden enharmonisch umgedeutet. Dadurch bekommt der Akkord einen anderen Bezug.

Beispiel:

Ao7 a c eb gb
=Co7 c eb gb bbb
=D#o7 d# f# a c
=F#o7 f# a c eb

Du siehst, dass jeweils nur einzelne Töne umgedeutet werden. Diesen Vorgang nennt man enharmonische Umdeutung.
Unter enharmonischer Verwechslung hingegen versteht man wenn ein Akkord, meist wegen besserer Lesbarkeit, in seiner Gesamtheit umgedeutet wird. Also aus einem Cbma7 macht man eventuell einen Bma7. Aber das nur nebenbei.

Einer der Hauptstellvertreter der Dominante, bzw. Sekundärdominante, ist der verminderte Septakkord auf der VII Stufe, der sich auf der VII Stufe der Harmonisch Moll Tonleiter befindet. Er bietet sich hervorragend zur enharmonischen Modulation an, da er Symmetrie besitzt.
Man kann mit ihm zu Tonarten im Kleinterzabstand sowohl nach oben als nach unten, als auch im Tritonusabstand hin modulieren. Zieht man die DD und andere Sekundärdominanten mit ein, sind mit ihm Modulationen nach allen weiteren 2x 11 Tonarten (Dur und Moll) möglich.


CIAO
CUDO
 
Herlichen Dank für deinen umfangreichen Re-post.

Zwei Nachfragenkomplexe habe ich noch:

1.) Das heißt, hier wird z.B. im Übergang vom 3. in den 5. Akkord der Übergang dadurch gelöst, dass man grob formuliert die Dominante des 3. Akkord durch einen Septakkord ersetzt, der mit der Dominante in Terzverwandtschaft steht, um diesen anschließend, bildlich gesprochen und nur im Geiste, in einen Akkord umzudeuten (und zwar enharmonisch), der wiederum mit der Dominante des 5. in Terzverwandtschaft steht, um ihn dann zur Tonika der ersetzten Dominante, also dem 5. Akkord auflösen zu können?

2.) Und diesen enharmonisch besonders günstigen Akkord Nummer 4 nennt man dann auf Grund seiner verbindenden Wirkung Drehpunktakkord?

Heißt das, diese Drehpunktakkorde beruhen immer auf einer Terzverwandtschaft zu mind. zwei Dominanten verschiedener Kadenzen, sodass sie quasi ambivalent in beiden Kadenzen als Dominante fungieren können?
Ist für die Wirkung als Dominantersatz (und damit als Drehpunktakkord?) allein die Terzverwandtschaft relevant?

Wär wirklich toll, wenn du noch auf die Einzelfragen eingehen könntest, das ist bei dir wirklich großartig zu verstehen (für einen Laien wie mich).

Beste Grüße :)
Aristo
 
1.) Das heißt, hier wird z.B. im Übergang vom 3. in den 5. Akkord der Übergang dadurch gelöst, dass man grob formuliert die Dominante des 3. Akkord durch einen Septakkord ersetzt, der mit der Dominante in Terzverwandtschaft steht, um diesen anschließend, bildlich gesprochen und nur im Geiste, in einen Akkord umzudeuten (und zwar enharmonisch), der wiederum mit der Dominante des 5. in Terzverwandtschaft steht, um ihn dann zur Tonika der ersetzten Dominante, also dem 5. Akkord auflösen zu können?
Ja, das Intervall der Grundtöne vom 3. zum 5. Akkord ist ein Tritonus. Somit kann der Verminderte Septakkord als Dominantstellvertreter zur enharmonischen Modulation herangezogen werden. Der zwischengeschaltete verminderte Septakkord hat zu beiden Akkorden Dominantfunktion.


2.) Und diesen enharmonisch besonders günstigen Akkord Nummer 4 nennt man dann auf Grund seiner verbindenden Wirkung Drehpunktakkord?
Ja. Das Wort Drehpunktakkord (Englisch: pivot chord) bedeutet so viel wie ein Drehangelpunkt. Er hat in beiden Tonarten eine Funktion. Er hat Dualfunktion.

Heißt das, diese Drehpunktakkorde beruhen immer auf einer Terzverwandtschaft zu mind. zwei Dominanten verschiedener Kadenzen, sodass sie quasi ambivalent in beiden Kadenzen als Dominante fungieren können?
Nein, bedenke, ich erwähnte es bereits, es gibt auch in rein diatonischer und diatonisch-variantischer Modulation Drehpunktakkorde. Dies sind dann für gewöhnlich Dur und Moll-Akkorde. Z.B. ist A-7 VI Stufe in C Dur, zugleich aber auch II Stufe in G Dur. A-7 kann somit als Drehpunktakkord einer diatonischen Modulation von C Dur nach G Dur oder umgekehrt dienen. Diese vorher zitierte Ambivalenz der Umkehrungen besteht nur bei symmetrischen Akkorden.


Ist für die Wirkung als Dominantersatz (und damit als Drehpunktakkord?) allein die Terzverwandtschaft relevant?
Warum VIIo7 Stellvertreter von V7 sein kann hat mit den gleichen Auflösungstendenzen beider Akkorde zu tun. So beinhalten beide Akkorde den gleichen Tritonus. Natürlich spielt die Terzverwandtschaft dabei auch eine Rolle. Zudem haben beide Skalen die selben avoids was einem Austausch von Akkorden immer entgegen kommt. Dies gilt sowohl für das Paar MIXO - LOKRISCH also auch für das Paar HM5 - HM7. Du kannst also jederzeit einen B-7b5 durch einen G9 ersetzen, bzw. einen Bo7 durch einen G7b9 oder beides umgekehrt.


CIAO
CUDO
 
Ein weiteres Mal, vielen Dank, Cudo.

Zwei Fragen noch:
1.) Wie baust du aus den Tönen B - Es - A - Es - Fis deinen Ao7 Dreiklang (vorletzter Akkord)?

2.)
Die Ein-# Vorzeichnung bezieht sich auf den Satz und hat zu dem von Dir zitierten Ausschnitt keinen direkten Bezug.

Die Verbindung von Akkorden mit Drehpunktakkorden habe ich dann ja verstanden.
Dort modelliert Wagner ja auf Grund von Terz- und Quintbeziehungen.

Aber heißt das, dass Wagner im übrigen Teil frei von jeder Tonart seine Akkorde auswählt und sie aneinanderreihen kann? Welche Bedeutung kommt dann dem Vorzeichen zu?

Denn wie kommt Wagner gerade auf z.B. diese As - H - B Führung abseits der Drehpunktakkorde und der Dominant-Tonika-Führungen in den ersten drei Akkordklängen?
In der Klassik bspw. war der Akkordvorrat ja noch streng reglementiert, nach welchen Kriterien sucht Wagner (als Romantik-Vertreter) sie sich jetzt hier aus?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Beste Grüße
Aristo
 
Zuletzt bearbeitet:
aber heißt das, dass Wagner im übrigen Teil frei von jeder Tonart seine Akkorde auswählt und sie aneinanderreihten kann?

Nein sicher nicht. Aber charakteristisch für die Spätromantik, wie Günter Sch. schon sagte, ist jene Distanzharmonik über Terzverwandte Klänge vor allem 2. und 3. Grades. Die Eigenheit dieser Akkorde besteht darin dass sie keinen funktionalen Bezug mehr aufweisen.
Die plagalen Wendungen B -> Bb und E ->Eb könnte man eventuell noch funktional mit dem tiefalterierten DDv erklären, also subV7/V im Jazz. Aber vielleicht ist das schon zu weit hergeholt. Viele seiner Akkordverbindungen erklären sich auch aus dem melodischen Moment heraus.



CIAO
CUDO
 
Hallo Aristo39,

wenn du ein blutiger Anfänger bist, fress´ ich ´nen Besen. Ich habe eher den Eindruck, daß hier eine Klausur beantwortet werden soll - nichts für ungut, aber du bist sicher ein Lehrer oder Dozent, denn wenn ich deine Fragestellungen und die Formulierungen sowie die geschickten Nachfragen so anschaue, geschweige denn der rattigen Aufgabe...:D:D:D

Nichtsdestotrotz würde es mich interessieren, woher diese Akkordbenennungen stammen, etwa aus dem DTV oder waren´s unkundige Schüler...? :D

Denn die im Beispiel analysierten Akkorde sind schlichtweg falsch, man hat ihre wahre Bedeutung nicht erkannt, wohl weil der Begriff "Mediantik" sehr strittig ist, und die, die wissen, wie das wirklich funktioniert, verraten es nicht wirklich, das zeigen sämtliche Beispiele und Erklärungsmodelle aus der Literatur sowie im Netz...

Ich warte mal noch ein paar Tage mit dem Ergebnis ab, bin mal gespannt, ob noch einer das Rätsel knacken kann...

:D:D:D
 
@ alle Harmonielehrefreaks: Nehmt ihr wirklich die eingangs erwähnte Erklärung für richtig bzw. hinreichend? Ich kann´s eigentlich nicht so recht glauben...

1.) Wie baust du aus den Tönen B - Es - A - Es - Fis deinen Ao7 Dreiklang (vorletzter Akkord)?

2.)
Aber heißt das, dass Wagner im übrigen Teil frei von jeder Tonart seine Akkorde auswählt und sie aneinanderreihen kann? Welche Bedeutung kommt dann dem Vorzeichen zu?

Denn wie kommt Wagner gerade auf z.B. diese As - H - B Führung abseits der Drehpunktakkorde und der Dominant-Tonika-Führungen in den ersten drei Akkordklängen?
In der Klassik bspw. war der Akkordvorrat ja noch streng reglementiert, nach welchen Kriterien sucht Wagner (als Romantik-Vertreter) sie sich jetzt hier aus?

Die erste Frage möchte ich auch gerne wissen...
Die zweite Frage kann man nur klären, wenn man sich mit obiger Erklärung eben nicht einverstanden erlärt...

Jetzt geht´s mal an´s Eingemachte, also los!
 
Ich höre es genauso, wie es CUDO beschrieben hat.

Die gesamte Akkordfolge klingt für mich stark nach Eb-Dur. Ab dem 3. Akkord stellt sich bei mir die Eb-Dur-Tonalität ein. Bb/D klingt nach Dominante. Der darauffolgende D#°7 wirkt dominantisch in Bezug auf das eben gehörte Bb.
(Wegen dem verzögertem Ton Bb hört man vorher kurz Ebm6, die Mollsubdominante bezogen auf Bb).

D#°7 löst sich nach E auf, für mich ein Überraschungsakkord. Er wird allerdings nicht als Tonika bestätigt. Da gleich darauf wieder Eb/G kommt, fühle ich mich hier wieder zu Hause. Also chromatische Auflösung. (SubV?)

Da mein Ohr wieder in Eb-Dur eingerastet ist, höre den nächsten Akkord als A°7/Bb, die Doppeldominante mit Dominantbaß. Der nachfolgende B°7 klingt nach Dominante von C-moll.
(Auch vor diesem B°7 hört man noch kurz Bm6 durch das verzögerte F# in der Melodie. Klingt ein wenig wie eine Ankündigung, daß gleich wieder etwas passieren wird...)

Ich bin jetzt nur dach dem Notenausschnitt gegangen. Mag sein, daß wenn ich das Original höre, es anders klingt...

Gruß
 
Nein MaBa, es IST in Eb-Dur. Em6 ist auch korrekt, nur ist es keine Moll-Subdominante...
Und was ist mit dem E-Dur-Akkord? Wie paßt der denn da rein? Und gar das H, ist das gar ein Cb?!? ;)

Das mit dem Notenausschnitt ist schon okay, darum geht es da ja...

Ein kleiner Hinweis: Achtet mal auf die FORM, denn der erste Akkord ist nicht der erste Akkord... ;)
 
Eigentlich hätte ich das eher erkennen können :). Wobei ich vielleicht immer noch zu umständlich denke. Daß das B eigenlich nicht wirklich B sein kann, hatte ich schon bemerkt, aber nicht weitergedacht.

Also ein weiterer Erklärungsversuch:

B oder besser Cb stammt aus Eb-moll (MI). Also hätte ich Ebm6 auch als Molltonika (MI) betiteln sollen. Aber irgendwie fühlte sich Ebm für mich nicht Tonikamäßig genug an. Zum einen wegen der Sexte im Ebm6 und der Weiterführung in zum Eb°7, und zum andern wegen meiner Klangerwartung. Man hat ja immer irgend eine Vorstellung, wie es weitergehen müßte/könnte

Der Tip mit der Form war gut. Im nachhinein würde ich sagen - Eb-Dur:

S . . . tG . . . | D . . . t . (Dv) | N . . . T . . . | DDv . . . ?? . (Dv) | TG

Ein Zusammenhang zwischen 1. und 3. Takt ist erkennbar. Wir haben eine Subdominantfunktion gefolgt von einer Tonikafunktion. Im ersten Takt wurde die Tonikafunktion durch einen Vertreter der Molltonika etwas abstrakt vertreten, im dritten Takt die Subdominante durch den Neapolitaner (N=sG) ebenfalls etwas abstrakt vertreten.

Die verminderten Akkorde bleiben irgendwie doppeldeutig. Ich habe die Symbole für beiden verminderten Akkorde so bezeichnet, wie es für die Auflösung logisch ist.

Hauptsächlich wird die ganze Akkordfolge aber durch die kontinuierliche abwärtsgehende Melodie und die steigende Baßlinie zusammengehalten.

EDIT:
Ich denke B bzw. Cb ist doch kein guter Tonikavertreter. Er hat zuviel Spannung. Auf Eb-Dur bezogen ist er SDM. Also paßt die Erklärung doch nicht mehr richtig :(

Gruß
 
Zuletzt bearbeitet:
B oder besser Cb stammt aus Eb-moll (MI). Also hätte ich Ebm6 auch als Molltonika (MI) betiteln sollen.
So ist das völlig korrekt!

Aber irgendwie fühlte sich Ebm für mich nicht Tonikamäßig genug an. Zum einen wegen der Sexte im Ebm6 und der Weiterführung in zum Eb°7, und zum andern wegen meiner Klangerwartung.
Täusche dich da mal nicht... :) Sikora nennt´s MI, Haunschild TGS, ich Tonikaebene... ;)

Man hat ja immer irgend eine Vorstellung, wie es weitergehen müßte/könnte

Der Tip mit der Form war gut. Im nachhinein würde ich sagen - Eb-Dur:

S . . . tG . . . | D . . . t . (Dv) | N . . . T . . . | DDv . . . ?? . (Dv) | TG
Jain. Deine Funktionen stimmen noch nicht. Es ist eine zweitaktige Periode! Wenn zwei Perioden hintereinander ablaufen, ist die erste meist auf welcher Funktion? ;)
Und, wie würde es denn wohl weitergehen? Schon probiert?

Ein Zusammenhang zwischen 1. und 3. Takt ist erkennbar. Wir haben eine Subdominantfunktion gefolgt von einer Tonikafunktion. Im ersten Takt wurde die Tonikafunktion durch einen Vertreter der Molltonika etwas abstrakt vertreten, im dritten Takt die Subdominante durch den Neapolitaner (N=sG) ebenfalls etwas abstrakt vertreten.
Interessant, daß du da auch einen N. hörst, mir ging das genauso. Und er ist klanglich irgendwie einer, auch wenn das eigentlich nicht ganz so paßt...

Die verminderten Akkorde bleiben irgendwie doppeldeutig. Ich habe die Symbole für beiden verminderten Akkorde so bezeichnet, wie es für die Auflösung logisch ist.
Ja, die sind doppeldeutig. Doch was passiert da ganz genau?!? :D

Hauptsächlich wird die ganze Akkordfolge aber durch die kontinuierliche abwärtsgehende Melodie und die steigende Baßlinie zusammengehalten.
Das, was dazwischen liegt, ist aber viel interessanter... - welche Wirkung haben denn die Töne?!?

EDIT:
Ich denke B bzw. Cb ist doch kein guter Tonikavertreter. Er hat zuviel Spannung. Auf Eb-Dur bezogen ist er SDM. Also paßt die Erklärung doch nicht mehr richtig :(
Tipp: Es ist auch kein Tonikavertreter, sondern ein DOMINANTVERTRETER, also ist letzteres sicher kein TG (würde ja auf Ab-Dur als Tonart hinweisen), sondern ein Tonikavertreter...

Spannend, nicht? Du bist aber nicht schlecht, MaBa, die Spur ist heiß...
 
Zuletzt bearbeitet:
Tipp: Es ist auch kein Tonikavertreter, sondern ein DOMINANTVERTRETER, also ist letzteres sicher kein TG (würde ja auf Ab-Dur als Tonart hinweisen), sondern ein Tonikavertreter...

Spannend, nicht? Du bist aber nicht schlecht, MaBa, die Spur ist heiß...

Daß B bzw. Cb kein Tonikavertreter sein kann, hatte ich schon bemerkt. Und eine Mollsubdominante wirkt (auf mich) auch leitender - oder "dominantischer" - durch den zusätzlichen Leitton, in dem Fall das cb.
Cb könnte ich auch als Tritonusvertreter der Doppeldominante bezeichnen. Er klingt aber weniger dominantisch, da ihm die b7 fehlt und man die fehlende b7 auch nicht durch vorausgegangene Akkordetöne schon im Ohr hat.
Insofern klingt Cb für mich immer noch mehr nach Mollsubdominante.

TG war ein Schreibfehler. Gemeint hatte ich: Statt einem erwarteten Cm kommt C, also TP.

Ich kann ja nur das analysieren, was ich höre. Und bis jetzt höre ich (noch) so. Nur E und C wirken auf mich richtig fremd. Beim E erwarte ich eigentlich Bb, beim C erwarte ich Cm.
Alles andere paßt schon.

Gruß
 
TG war ein Schreibfehler. Gemeint hatte ich: Statt einem erwarteten Cm kommt C, also TP.
Du meintest sicher "Tp", also das Verhältnis Eb=>Cm, die Moll-Parallele (p) der Dur-Tonika (T)...

Schluß jetzt mit den Irrtümern, keine Faxen mehr:

Das Teilstück steht in Ebm respektive C#m - man sieht auch am Notenbild, daß sich Wagner nicht so recht entscheiden konnte, was er wie mit Vorzeichen versehen sollte.

Wahrscheinlich war es aber nur ein Streich von ihm, das läßt der letzte Akkord vermuten, denn C-Dur hat in Ebm nun mal wirklich nichts mehr verloren, das ist der entfernteste harmonische Zusammenhang, den man wohl überhaupt mit solchen Akkorden herstellen kann, weil er über eine doppelte Kleinmediante (180° Winkel im Quintenzirkel: C-Gb und als Parallelverwandtschaft dazu Ebm => 90° Winkel bzw. drei QZ-Grade) verwandt ist - einer Art Tritonussubstitution über der Tonika. C-Dur ist ja auch der "aufgelösteste" Akkord, weil es da ja gar keine Vorzeichen gibt.

Überprüfen kann man das, indem man den Schlußakkord C-Dur durch Ebm ersetzt - da geht gleich die Sonne auf - gleichzeitig wird - wie von Cudo eingangs schon beschrieben - eine Großterzmediantik über den Ecktönen Ab-E-C gebildet, die Eingang (S) - Mitte (D) - Ausgang (T) bilden, wobei der letzte Akkord mediantisch substituiert ist, was wiederum eine Substitution der klassischen Kadenz ist.

Daß Ebm Tonika sein muß, kann man auch an der zweiteiligen Form erkennen. Richtig los geht die erste Kadenz/Periode auf dem 2. Akkord und endet auf "E" - ein Art Halbschluß auf der Dominante. Das E ersetzt hier Bb(7), hier kann man sogar vom klassischen Jazzbegriff "Tritonussubstitution" sprechen, einem Sonderfall der Kleinterzmediantik. Mischt man Bb7 und E zusammen, wobei es wichtig ist, die Terz des Tritonusakkordes in die Oberstimme zu legen, erhält man eine sozusagen mediantisch verstärkte Dominante, die wir heute in der von mir aufgeschriebenen Weise sehr gut aus dem Jazz kennen.

Andere vermeintliche Mediantikakkorde bekommen bei genauerer Betrachtung eine ganz andere Bedeutung, nämlich die von Vorhaltsakkorden.
Dazu sollte man wissen, daß es für Moll-Tonarten einige wesentliche Vorhaltstöne gibt:

- der berühmte 4-3-Vorhalt, unaufgelöst auch oft als Sus-Akkord bezeichnet. Er löst sich normalerweise in einen Dur-Akkord auf, kann sich aber auch in einen Moll-Akkord auflösen

- b6-5-Vorhalt, (vornehmlich) ein Moll-Vorhalt, aus dem sich der legendäre Neapolitanische Sextakkord entwickelt hat.

- b9-8-Vorhalt, auch ein oft genutzter Moll-Vorhalt, der gerne paarweise mit einem der anderen Vorhaltsbewegungen kombiniert wird.

Diese Vorhalte treten eher einzeln, seltener in Paargruppierungen (s.o.), und sehr selten im Dreierpack auf, weil letzteres eine komplette Akkordverschiebung ergibt, wie der zweite Akkord aufzeigt.

Echte "Schwierigkeiten" bereitet bei oberflächlicher Betrachtung einzig der erste Akkord im vierten Takt. Doch dann fällt auf, daß er ein gemischter Akkord ist. Getragen wird er durch den Dominantton Bb, der das Fundament für die Bewegung bildet. Darüber ist ein Doppeldominantakkord gesetzt, hier also ein F7/b9, der als DD eigentlich ganz klar nach einer Moll-Tonika leitet (DD7/b9\D => Doppeldominante mit Dominante im Bass, hier F7/b9\Bb). Der nachfolgende Akkord ist ebenfalls ein Dominantseptakkord mit kleiner None, dabei muß man aber die b6-5-Vorhaltsbewegung im Auge behalten.

Unklarheiten können auch beim vierten Akkord entstehen. Der ist ein Ebm6, der sich über einen verminderten Septakkord (Eb°7) in die Dominante zubewegt, eine Möglichkeit, die Dominante mehr ins Licht zu rücken. Das geschieht hier, indem die Moll-Tonika als verminderter Septakkord zur Subdominante der eigentlichen Dominate wird.

Akzeptabel ist natürlich auch die Sichtweise als Doppeldominante - auch hier dann wieder als verkürzten DD7/b9, wobei hier das Fehlen des Basstons schon sehr die Wirkung beeinträchtigt. Man kann das aber ruhig mal selbst probieren, indem man im unten aufgeführtem Beispiel mit diesem Akkord kurz den Basston F mit einbaut, was jedoch den Charakter deutlich ändert.

Der zweite Akkord kann klar als Bb-Dur-Akkord angesehen werden, man hört auch ganz deutlich die Vorhaltsbewegung. Er ist also somit kein Mediantik-Akkord, man könnte ihn neudeutsch als Upper-structure-Akkord bezeichnen. Die Vorhaltsbewegungen sind im Beispiel aufgeführt (b9-8, b6-5, 4-3), der Basston wird im nächsten Schritt in die Terz gelegt.

Wenn man nun die Quintenzirklbewegung anschaut, springt da eigentlich nichts mehr. Alle Akkordverbindungen lassen sich auf einfache Kadenzen zurückführen, DD-D-T-Bewegungen kann man ja auch als S(subst.)-D-T interpretieren.

Den vorletzten Akkord würde ich NICHT als G-Dur-Akkord auslegen wollen. Dazu ist er viel zu unklar, er ist viel eher ein Bb-Dur-Akkord, das zeigt das tonale Umfeld, das nach Ebm strebt. Hätte Wagner wirklich modulieren wollen, hätte er sicher da ein G (vielleicht gar ein Db?) im Bass eingebaut, um diese Wirkung zu erzielen, was aber den mediantischen Charakter des letzten Akkordes zerstört hätte. Er ist auch zu kurz, um wirklich als Tauschakkord zu fungieren.

Ohne den Begriff "Substitution" einzuführen, wäre dieses Notenbeispiel sicher nicht mit konventionellen Mitteln zu erklären. Dazu m u s s man die klassische Funktionstheorie mit moderneren Mitteln erweitern, was ja auch in der Tradition dieser Theorie mehrfach geschah.

Anbei mein Versuch, diese Vorgänge besser hörbar zu machen. Zur Verdeutlichung habe ich bei zwei Dominantakkorden die fehlenden Töne ergänzt.



@MaBa: Du darfst natürlich gerne ein Hörbeispiel anfertigen, ich würde dich sogar drum bitten... :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Du meintest sicher "Tp", also das Verhältnis Eb=>Cm, die Moll-Parallele (p) der Dur-Tonika (T)...
C ist der Variantklang der Tonikaparallele, deswegen hatte ich ihn mit TP bezeichnet.

Deine Analyse ist interessant und größten Teils nachvollziebar.

Auf Eb-Moll als mögliche Tonart bin ich seltsamerweise nicht gekommen, obwohl doch so viele aus Eb-Moll stammende Funktionen in den Abschnitt vorkommen, die ich auch so höre. Die meisten dieser Funktionen klingen aber auch im Eb-Dur-Kontext genauso stimmig für mich. (Moll-Subdominante und ihre Vertreter; verminderte Akkorde)

Eigentlich ist es nur der Bm6 Akkord, der mir Eb-Moll - jetzt, nachdem ich deine Gedankengänge gelesen habe, - auch logischer erscheinen läßt. Das ist auch der einzige Akkord, bei dem ich mir von Anfang an ziemlich unsicher war, wie ich ihn einordnen sollte. Mit Bb im Baß ist es Bb7b9b13. Ohne Bb im Baß ändert sich sein Wirkung ziemlich stark, da b9 und b13 auf einmal nach Grundton und Quinte klingen.
Und auch nur, wenn ich den Grundton weglasse, scheint mir Eb-moll logischer als Eb-Dur. Mit Bb als Grundton klingt es wie eine typische alteriert erweiterte Dominante, die genauso gut auch Eb-Dur aufgelöst werden kann.

@MaBa: Du darfst natürlich gerne ein Hörbeispiel anfertigen, ich würde dich sogar drum bitten... :)



Ich empfinde die Akkorde nicht so eindeutig in Eb-Moll wie du, dadurch, daß mit Ab begonnen wird und am Anfang der zweiten Hälfte auch nach Eb aufgelöst wird.

Es macht doch auch eigentlich keinen großen Unterschied, ob ich den Cb-Dur-Dreiklang als Mollsubdominante (bzw. ihre Parallele) oder als Vorhaltstöne innerhalb der Dominante betrachte(?)

Gruß
 
C ist der Variantklang der Tonikaparallele, deswegen hatte ich ihn mit TP bezeichnet.
Jetzte...- klaro, ich dachte, du wärst noch bei unserem Eb-DUR... :)

Auf Eb-Moll als mögliche Tonart bin ich seltsamerweise nicht gekommen, obwohl doch so viele aus Eb-Moll stammende Funktionen in den Abschnitt vorkommen, die ich auch so höre. Die meisten dieser Funktionen klingen aber auch im Eb-Dur-Kontext genauso stimmig für mich. (Moll-Subdominante und ihre Vertreter; verminderte Akkorde)
b6...systematisch eindeutig Moll, du kennst ja mein "Schema"...

Eigentlich ist es nur der Bm6 Akkord, der mir Eb-Moll - jetzt, nachdem ich deine Gedankengänge gelesen habe, - auch logischer erscheinen läßt. Das ist auch der einzige Akkord, bei dem ich mir von Anfang an ziemlich unsicher war, wie ich ihn einordnen sollte. Mit Bb im Baß ist es Bb7b9b13. Ohne Bb im Baß ändert sich sein Wirkung ziemlich stark, da b9 und b13 auf einmal nach Grundton und Quinte klingen.
Und auch nur, wenn ich den Grundton weglasse, scheint mir Eb-moll logischer als Eb-Dur. Mit Bb als Grundton klingt es wie eine typische alteriert erweiterte Dominante, die genauso gut auch Eb-Dur aufgelöst werden kann.
Das hätte Wagner sicher auch so festgestellt, wahrscheinlich hat er´s deshalb so geschrieben, allerdings nur, wenn er die Jazzchords von heute so benutzt hätte. Es hat aber wohl eher dominantisch gedacht, wie der vorletzte Takt ja deutlich aufzeigt, wo er das ja recht exzessiv betrieben hat.

Daß Dominanten ja nach Dur und Moll leiten, wissen wir und haben darauf auch unser Ohr mit Jazzchords trainiert, weshalb wir wohl nicht mehr so ganz die klare Trennung zwischen Dur und Moll vornehmen, wie wir an anderer Stelle schon festgestellt haben.

Vielen Dank, klingt sehr schön. :)

Ich empfinde die Akkorde nicht so eindeutig in Eb-Moll wie du, dadurch, daß mit Ab begonnen wird und am Anfang der zweiten Hälfte auch nach Eb aufgelöst wird.

Es macht doch auch eigentlich keinen großen Unterschied, ob ich den Cb-Dur-Dreiklang als Mollsubdominante (bzw. ihre Parallele) oder als Vorhaltstöne innerhalb der Dominante betrachte(?)
Wenn du den ganzen Ausschnitt betrachtest, kannst du ja sehen, wie und wie oft Wagner seine Vorhalte einbaut, und das nicht nur bei diesem Stück...

Den Cb-Dur-Akkord würde ich deshalb weniger dem vorangegangenen Akkord, also Ab-Dur, zuordnen, doch eher dem nachfolgendem Akkord, in den er ja auch mündet.
(Wobei das ja auch wieder den Reiz ausmacht - Thema umdeutbare Akkorde... :))

Solche Akkorde höre ich als 6-5/4-3-Vorhaltsvariation in Moll bzw. einfach als eine Art der Kadenzierung über einen (erweiterten) Quartsextakkord, zudem es für mich deutlich weniger mediantisch klingt als beispielsweise das C-Dur, allein schon aus dem Streben der einzelnen Stimmbewegungen heraus, das beim C-Dur völlig fehlt.

Aber man kann das sicher auch anders hören, mir fehlt dann eben die Schlüssigkeit des Gesamtkonzeptes.
 

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