Stollenfiddler
Helpful & Friendly User
- Zuletzt hier
- 21.10.24
- Registriert
- 03.06.12
- Beiträge
- 783
- Kekse
- 18.548
Eine akustische Geige kann im Wohnzimmer sehr laut sein. Auf der Bühne, im Kontext von Schlagzeug, Bläsern und E-Gitarren, ist sie kaum noch wahrzunehmen. Verstärkung ist erforderlich, am besten „out of the box“, wohlklingend, durchsetzungsstark, frei von Rückkopplungen und für ganz kleines Geld. Diese Ansprüche lassen sich nicht erfüllen. Und anders als in der Welt der Gitarren und Bässe, gibt es für Streicher auch keine vorgefertigten Lösungen, mit denen man zumindest nichts falsch machen kann. Zu unterschiedlich sind Anforderungen, Voraussetzungen und Ziele. Dennoch treten überall die gleichen Probleme auf, die mit einer Vielfalt von Lösungsansätzen angegangen werden.
Denn es ist nicht der Spieler und die Geige allein, die den Klang machen. Der kommt erst aus dem Lautsprecher. Und alles, was sich zwischen Fingern und Lautsprecherkalotte befindet, hat irgendwie Auswirkungen auf den Klang. Nachfolgend können ganze Setups vorgestellt werden, um Einsteigern in den Bereich der verstärkten Geigen Orientierung und Inspiration anzubieten.
Der Stollenfiddler
Neuwert gesamt ohne Bogen: ca. 2.000 Eu.
Vorab: mein musikalischer Hintergrund bewegt sich auf dem Level „ambitionierter Hobbygeiger“. Trotz vieler Jahre klassischen Unterrichts hat es mich immer zur Popmusik gezogen. Eine fast 20jährige Spielpause hinterließ auch spieltechnisch ihre Spuren, ein langsamer Wiedereinstieg ermöglichte jedoch das Mitwachsen der E-Geigen-Klangkette, vom „leise Üben im Mehrfamilienhaus“ zum „Stargeiger auf dem Stadtteilfest“. Mein Klangideal hat sich in der Jugend geprägt und findet sich irgendwo zwischen FarFarello und den Dexys Midnight Runners wieder, heute zieht es mich auch gelegentlich in die Ecke Multikulti und Jazz, beides sehr inspirierend, aber auch anstrengend. Ziel des Setups: feedbackresistente, angenehm klingende Geige mit möglichst akustischem Sound.
Geige: Alta E-VLN2203. Wird nicht mehr hergestellt. Eine passive E-Geige mit einem einzelnen Piezo-Pickup unter dem Steg, unterhalb der G-Saite. Der Klang der Geige kann über leichtes Stegrücken stark verändert werden, Frequenzgang und Stärke des Signals haben eine gewisse Streuung. Steht der Steg richtig (hier: ca. 1° in Richtung Griffbrett geneigt), dann liefert die Alta ein kräftiges Signal mit leichten Überhöhungen im Bereich 2,8kHz. Saiten: Corelli Crystal
Bögen: Bogenbauer „Sturm“, gefühlt schwerer Bogen, minimal kopflastig + Carbondix ****, der auch mal hochgeschmissen werden darf. Kolophonium: Pirastro Oliv.
Preamp: Fishman EQ Platinum Pro – ein toller Preamp für Streicher: parametrische Mitten lassen die „Quieksbereich“ der Geige gezielt reduzieren. Ein regelbarer Boostschalter, Gürtelclip für die kurze Verbindung zur passiven Geige. Fast perfekt, allein die Leichtgängigkeit der Regler ist suboptimal für die Bühne. Wenn es an Durchsetzungsstärke mangelt: die fiesen Mitten vorsichtig weniger absenken, schon fühlt sich der E-Gitarrist, als müsse er seinen Amp weiter aufdrehen.
Effekte: Digitech RP-355 Multieffekt. Ich nutze unterstützend den EQ, den Hall und das Volumenpedal, gelegentlich das WahWah, selten Oktaver, Chorus und Zerre. Ein Multieffekt ist ein tolles Spielzeug, birgt aber die Gefahr, den Sound zu vermüllen und das Wesentliche aus den Augen zu verlieren: fein Geige spielen.
Als Delay nutze ich eine Vox Timemachine, Features: Tapdelay, Digitaldelay, Bandechosimulation, Signalkappung im Delay (HiFi-LowFi). Eigentlich ein Special-Interest-Delay für Joe Satriani Fans, war zunächst wenig begeistert, weil es auch den Originalklang subtil ändert, irgendwie ist es aber doch ein tolles Ding. Nutzung als Tap-Delay, clean.
Verstärker: QSC K-8. Eine aktive Fullrange-Aktivbox mit mächtig Dampf unter der Haube und einem seidigen Umgang mit den Obertönen. Kommt auch bei Auftritten mit gestellter PA als extra Geigenmonitor mit auf die Bühne und liefert dem Toni einen feinen Line-Pegel.
Sonstiges: div. Kabel unterschiedlicher Länge, der K&M Geigenhalter zur Befestigung am Mikroständer, sowie ein umgebauter Notenständerpfosten als Halter für die Ersatzgeige (Yamaha EV-120, kommt nur mit als Versicherung und Beruhigung der Gemütslage). Nagelknippser, Feuchttücher mit Alkohol gegen Klebefinger, Fieldrecorder LS-12
Was sind die „Kernelemente“ des Setups, wo ist Spielraum?
https://soundcloud.com/user-878867123/stollenfiddler_altademo
(Sorry für mono auf einer Box und Unsauberkeiten der Spielweise)
Aus meiner Sicht sind klangentscheidend der Preamp (am kurzen Kabel, max. 1,5m, ansonsten Verlust der Obertöne) sowie die hochwertige Aktivbox. Weiter wichtig ein guter Halleffekt. Geigen habe ich mehrere probiert, vom Klang her sind die ähnlich problematisch, nix was sich nicht richten ließe, Saitenlage und Handling sind gefühlt wichtiger. Ich bevorzuge die passive Geige, weil so der Preamp leichter zu wechseln ist. Bei den Effekten ist Vorsicht und Probespiel angesagt: einige Bass- und Gitarreneffekte schlucken Obertöne. Das hört man nicht sofort, aber der Geigenklang verliert seine Lebendigkeit, das Signal bekommt dann diesen typischen E-Geigen-Sound. Amp- und Boxensimulationen bringen der Geige aus meiner Sicht nichts.
Denn es ist nicht der Spieler und die Geige allein, die den Klang machen. Der kommt erst aus dem Lautsprecher. Und alles, was sich zwischen Fingern und Lautsprecherkalotte befindet, hat irgendwie Auswirkungen auf den Klang. Nachfolgend können ganze Setups vorgestellt werden, um Einsteigern in den Bereich der verstärkten Geigen Orientierung und Inspiration anzubieten.
Der Stollenfiddler
Neuwert gesamt ohne Bogen: ca. 2.000 Eu.
Vorab: mein musikalischer Hintergrund bewegt sich auf dem Level „ambitionierter Hobbygeiger“. Trotz vieler Jahre klassischen Unterrichts hat es mich immer zur Popmusik gezogen. Eine fast 20jährige Spielpause hinterließ auch spieltechnisch ihre Spuren, ein langsamer Wiedereinstieg ermöglichte jedoch das Mitwachsen der E-Geigen-Klangkette, vom „leise Üben im Mehrfamilienhaus“ zum „Stargeiger auf dem Stadtteilfest“. Mein Klangideal hat sich in der Jugend geprägt und findet sich irgendwo zwischen FarFarello und den Dexys Midnight Runners wieder, heute zieht es mich auch gelegentlich in die Ecke Multikulti und Jazz, beides sehr inspirierend, aber auch anstrengend. Ziel des Setups: feedbackresistente, angenehm klingende Geige mit möglichst akustischem Sound.
Geige: Alta E-VLN2203. Wird nicht mehr hergestellt. Eine passive E-Geige mit einem einzelnen Piezo-Pickup unter dem Steg, unterhalb der G-Saite. Der Klang der Geige kann über leichtes Stegrücken stark verändert werden, Frequenzgang und Stärke des Signals haben eine gewisse Streuung. Steht der Steg richtig (hier: ca. 1° in Richtung Griffbrett geneigt), dann liefert die Alta ein kräftiges Signal mit leichten Überhöhungen im Bereich 2,8kHz. Saiten: Corelli Crystal
Bögen: Bogenbauer „Sturm“, gefühlt schwerer Bogen, minimal kopflastig + Carbondix ****, der auch mal hochgeschmissen werden darf. Kolophonium: Pirastro Oliv.
Preamp: Fishman EQ Platinum Pro – ein toller Preamp für Streicher: parametrische Mitten lassen die „Quieksbereich“ der Geige gezielt reduzieren. Ein regelbarer Boostschalter, Gürtelclip für die kurze Verbindung zur passiven Geige. Fast perfekt, allein die Leichtgängigkeit der Regler ist suboptimal für die Bühne. Wenn es an Durchsetzungsstärke mangelt: die fiesen Mitten vorsichtig weniger absenken, schon fühlt sich der E-Gitarrist, als müsse er seinen Amp weiter aufdrehen.
Effekte: Digitech RP-355 Multieffekt. Ich nutze unterstützend den EQ, den Hall und das Volumenpedal, gelegentlich das WahWah, selten Oktaver, Chorus und Zerre. Ein Multieffekt ist ein tolles Spielzeug, birgt aber die Gefahr, den Sound zu vermüllen und das Wesentliche aus den Augen zu verlieren: fein Geige spielen.
Als Delay nutze ich eine Vox Timemachine, Features: Tapdelay, Digitaldelay, Bandechosimulation, Signalkappung im Delay (HiFi-LowFi). Eigentlich ein Special-Interest-Delay für Joe Satriani Fans, war zunächst wenig begeistert, weil es auch den Originalklang subtil ändert, irgendwie ist es aber doch ein tolles Ding. Nutzung als Tap-Delay, clean.
Verstärker: QSC K-8. Eine aktive Fullrange-Aktivbox mit mächtig Dampf unter der Haube und einem seidigen Umgang mit den Obertönen. Kommt auch bei Auftritten mit gestellter PA als extra Geigenmonitor mit auf die Bühne und liefert dem Toni einen feinen Line-Pegel.
Sonstiges: div. Kabel unterschiedlicher Länge, der K&M Geigenhalter zur Befestigung am Mikroständer, sowie ein umgebauter Notenständerpfosten als Halter für die Ersatzgeige (Yamaha EV-120, kommt nur mit als Versicherung und Beruhigung der Gemütslage). Nagelknippser, Feuchttücher mit Alkohol gegen Klebefinger, Fieldrecorder LS-12
Was sind die „Kernelemente“ des Setups, wo ist Spielraum?
https://soundcloud.com/user-878867123/stollenfiddler_altademo
(Sorry für mono auf einer Box und Unsauberkeiten der Spielweise)
Aus meiner Sicht sind klangentscheidend der Preamp (am kurzen Kabel, max. 1,5m, ansonsten Verlust der Obertöne) sowie die hochwertige Aktivbox. Weiter wichtig ein guter Halleffekt. Geigen habe ich mehrere probiert, vom Klang her sind die ähnlich problematisch, nix was sich nicht richten ließe, Saitenlage und Handling sind gefühlt wichtiger. Ich bevorzuge die passive Geige, weil so der Preamp leichter zu wechseln ist. Bei den Effekten ist Vorsicht und Probespiel angesagt: einige Bass- und Gitarreneffekte schlucken Obertöne. Das hört man nicht sofort, aber der Geigenklang verliert seine Lebendigkeit, das Signal bekommt dann diesen typischen E-Geigen-Sound. Amp- und Boxensimulationen bringen der Geige aus meiner Sicht nichts.
- Eigenschaft