Ventilposaunen in Rossini's Stabat Mater

Claus
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Schaue gerade die Aufzeichnung von Rossini's Stabat Mater von den Salzburger Festpielen 2011, es spielt das Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter der Leitung von Antonio Pappano.

Weiß einer bei Orchesterwerken besser informierten Forumskollegen möglicherweise, warum die in dieser Aufführung, dem Konzert oder gar Werk Ventil- satt Zugposaunen eingesetzt wurden/werden?

Danke vorab und Gruß, Claus

http://www.3sat.de/page/?source=/musik/167929/index.html
http://www.youtube.com/watch?v=g05n8iHH34w

 
Eigenschaft
 
Hallo Claus,

ich denke mal, dass dies von Rossini so gewollt war/ist.
Ventilposaunen gibt es in den italinischen Opern öfters.
Siehe dazu auch den Wikipediaeintrag zu Cimbasso: http://de.wikipedia.org/wiki/Cimbasso
Auch Verdi und Puccini setzten die Cimbassi ein. Ob auch andere Ventilposaunen vorgeschrieben sind, weiß ich leider nicht.
Vielleicht erhöht sich auch etwas die Gage der Opernposaunisten bei Einsatz einer Ventilposaune.:D
Die Ventilposaunen sind ja klanglich etwas schlanker als Zugposaunen und passen klanglich besser in die Besetzung des Orchesters.
Die Herren Posainisten würden wahrscheinlich mit Zugposaunen bei der Fortissimostelle alles wegbrezeln
und Madame Netrebko die Frisur ruinieren.Will doch keiner.
Grüsse

Matt
 
...ich denke mal, dass dies von Rossini so gewollt war/ist.
Netter Versuch, Du rauschst dabei aber ganz schön durch die Jahrzehnte... :D
Es geht sicher nicht um "historische Aufführungspraxis", denn die Instrumente (auch Trompeten) waren modern gebaut. Ein Cimbasso konnte ich nicht entdecken, war da eines? Wäre aber auch egal.

Zur Zeit der Komposition 1832/42 lagen die Entwicklungen woanders, erst ab 1846 kamen die Ventilinstrumente von Adolphe Sax auf den Markt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Saxtromba

Francois Périnet baute das "moderne" Konett zwar bereits 1834, bekam 1839 ein Patent für sein Ventil und ab 1840 gab es auch einen Vorläufer der Tuba. Aber marktbeherrschend war Adolphe Sax mit seinen Konstruktionen und er zwang Périnet wirtschaftlich in die Knie.
http://www.perinet.fr/index.php?option=com_content&view=article&id=73&Itemid=27

Im Orchester finden sich moderne Blechblasinstrumente allmählich ab ungefähr 1850, soweit ich weiß. Ab den 1860er Jahren begann der Siegeszug des Kornett durch die bahnbrechende Virtuosität von Jean Baptiste Arban, der 1864 seine bis heute verwendete Methode veröffentlichte.

Um die Mitte des 19.Jh.s wurde neben dem neuartigen Kornett in der Regel immer abgestimmt auf Naturtrompeten und allerlei exotisches Zeug wie Trompeten mit etlichen Zügen für diverse Stimmungen geschrieben.
Zur Geschichte der Ventilposaune weiß ich leider nichts, abgesehen von dem, was aufgrund anderer Entwicklungen eben unwahrscheinlich ist.


So, wie sich das Arrangement für mich anhört, war Rossini anders als Wagner oder Berlioz auch keiner, der sich experimentell bis avantgardistisch mit Instrumentierung beschäftigt hätte.

Was die Sängerinnen betrifft, traue ich Blasmusikern natürlich zu, ihre Lautstärken so einzuhalten, wie es in den Proben vom Dirigenten gefordert wurde. Das geht mit Zugposaunen auch, kenne ich sogar aus der Amateur-Big Band.

Ich dachte als Grund für den Einsatz der Ventiltrompeten eher an Platzprobleme für das Ausziehen des Zuges wegen der Anordnung auf der konkreten Bühne, konnte das aber mangels Orchestererfahrung nicht über die Fernseh-Bilder einschätzen.

Frohe Ostern, Gruß Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo

Ein befreundeter Klassischer Posaunist sagte mal, dass Orchesterstellen oft für Ventilposaunisten geschrieben wurden, wenn der Komponist das Gefühl hatte, dass die Posaunisten die Sachen auf ihren Zugposaunen nicht spielen können.
In der historischen Aufführungspraxis wird das ganze jetzt auch wieder mit solchen Posaunen gespielt, obwohl die meisten Posaunisten mit einem Zug deutlich schneller spielen können, als beim bedienen der 3 Knöpfe... :rolleyes:

Was man aber sagen muss: es klingt einfach schon ein bisschen anders...
 
Nach dem, was ich lesen konnte, kann Rossini das gar nicht für Ventilposaunen geschieben haben, dafür erschien das Werk um Jahre zu früh.

Außerdem lebte er im Zeitraum der Entstehung der Stabat Mater nicht in Paris und damit am Puls der Zeit (Adolphe Sax, François Périnet), sondern in Bologna. Und nur nach Hörensagen wird er vermutlich kaum ein Stück diesen Zuschnitts für (noch) experimentelle Entwicklungen von neuartigen Instrumenten geschrieben haben.

Bleibt eigentlich nur die Annahme, dass da eine nachträgliche Instrumentierung verwendet wird und keiner weiß, warum. :nix:

Gruß Claus
 
Das Werk stammt meines Wissens aus dem 19. Jhd, als die Ventilposaunen am weitesten Verbreitet waren... Es waren zu dieser Zeit nicht die experimentellen Instrumente, sondern die Üblichen... oder täusche ich mich?

Woher hast du die Information, dass er gar nicht für Ventilposaunen schreiben konnte?
 
Es steht eigentlich schon mit Links in meinem Beitrag #3: der zeitliche Ablauf der Geschehnisse lässt diese Instrumentierung meines Wissens nach nicht als "historisch angelehnte Aufführungspraxis" zu.
Es müsste dafür einen anderen Grund geben, der Wikipedia-Artikel zur Posaune sieht das als regionale Vorliebe in Österreich, Italien, Böhmen, Mähren, der Slowakei, Spanien, Portugal, Südamerika und Indien. Das kann natürlich sein, aber mich hätte halt interessiert, ob das der ganze Grund ist.

1932 begann Rossini mit der Stabat Mater, veröffentlicht wurde das Werk 1842. Rossini lebte zu dieser Zeit und bis 1948 in Bologna, nicht in Paris.

François Périnet (Erfinder der modernen Pump-Ventile) baute 1841 sein "piston basse", einen Vorläufer der Tuba. Damit begannen seine Probleme mit Adolphe Sax, die zu einer Folge von Prozessen und der damit von Sax angestrebten geschäftlichen Lähmung sowie schließlich der Pleite von Perinet führten. Wirtschaftlicher Grund dieses harten Konkurrenzkampfes waren nicht die vorgeschobenen Patentprobleme, sondern die fetten Einnahmen aus dem Geschäft mit Armeeinstrumenten.

Ventilposaunen können daher aufgrund der technischen Entwicklung und Rechtsstreitigkeiten zwischen Perinet und Sax kaum vor 1850 soweit entwickelt worden sein, dass sie einsatzfähig waren, vermutlich eher ein paar Jahre später. Selbst heute entwickelt man ein Blechblasinstrument nicht mal eben in ein paar Wochen, trotz BIAS.

Die Wikipedia-Abildung zeigt eine Ventilposaune zwischen 1850 und 1860. Erstens wäre auch 1850 bereits stolze 8 Jahre nach Fertigstellung der Stabat Mater und zweitens ist es eine Drehventilposaune aus Markneukirchen.
Romanische Länder kennen aber keine Orchester-Tradition mit Drehventilinstrumenten, das ist eine deutsch/österreichische Instrumentierungstradition. Erst in jüngerer Zeit gibt es bei internationalen Spitzenorchestern eine Tendenz zur Instrumentenwahl nach räumlich/zeitlichen Ursprung des Werks.

Gruß Claus

Edit 18.06.: ich habe inzwischen Hinweise gefunden, ganz banal: die Ventilposaune erfreut sich in italienischen Orchestern einer größeren Beliebtheit als in Deutschland.
 
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