Hallo Oliver,
zuerstmal sollte man klarstellen, dass der Begriff "Beam Power Tetrode" etwas irreführend ist, weil das Ding eigentlich eine Pentode ist, und zwar deshalb, weil sie fünf (penta=5) elektrisch wirksame Komponenten hat:
1. Kathode (k)
2. Steuergitter (g1)
3. Schirmgitter (g2)
4.
Strahlleitblech (g3)
5. Anode (a)
Man bezeichnet die Röhren wie die 6L6-Derivate und die deutschen Röhren mit Strahlleitblech bzw Strahlbündelblech (EL504, EL519 usw) deswegen normalerweise auch als "BPT" wobei das für
Beam
Power
Tube steht. Wenn man Beam Power Tetrode sagt, dann würde man ja das Strahlleitblech nicht als elektrisch wirksame Elektrode mitzählen und das finde ich unsinnig, weil es eben sehrwohl elektrisch wirksam ist.
General Electric schreibt im Datenblatt der 6L6GC von 1963 aus diesem Grunde auch "6L6-GC BEAM PENTODE FOR AF POWER AMPLIFIER APPLICATIONS" was nichts anderes heißt als "Pentode mit Strahlleitblech für Niederfrequenz-Leistungsverstärkeranwendungen".
Aber genug der Wortklauberei, zurück zum Aufbau:
Man sieht in der obrigen Auflistung schon, was der Unterschied zur normalen Pentode ist, nämlich der Punkt 4, das Strahlleitblech. Bei einer normalen Pentode sieht das ganze so aus:
1. Kathode (k)
2. Steuergitter (g1)
3. Schirmgitter (g2)
4.
Bremsgitter (g3)
5. Anode (a)
Die erste Frage ist jetzt, was die einzelnen Elektroden überhaupt machen. Dazu schauen wir uns doch mal am besten die historische Entwicklung der Röhre an sich an:
Der Stromfluss findet ja physikalisch von der Kathode zur Anode statt. Hätte man nur Kathode und Anode, so wäre das Ganze eine
Diode (di=2), also ein nicht steuerbarer Gleichrichter. Das ist ganz nett, aber verstärken kann man damit nicht.
Diode:
1. Kathode (k)
2. Anode (a)
Fügt man ein Gitter ein, so kann man den Elektronenfluss steuern und somit verstärken. Das wäre eine
Triode (tri=3), bei so einer Röhre nennt man das Gitter einfach Gitter (g), weil es nur ein Gitter gibt.
Triode:
1. Kathode (k)
2. Gitter (g)
3. Anode (a)
Die Triode hat das Problem, dass die Anode kapazitiv auf das Steuergitter zurückkoppelt, was die Verstärkung der Röhre (Durchgriff) und den Frequenzgang nach oben hin (Millerkapazität) begrenzt. Dazu ist sie meist nicht besonders steil, d.h. man braucht hohe Steuerspannungsänderungen um hohe Stromänderungen hervorzurufen.
Will man also mehr Verstärkung und/oder Stromfluss in der Röhre (genauer gesagt höhere Steilheit, mehr Anodenstrom...), dann muss man die Elektronen beschleunigen. Das macht man mit einem weiteren Gitter, das auf hoher (meist konstanter) Spannung liegt. Dieses Gitter schirmt das Steuergitter g1 (ehemals Gitter g) der Röhre gegen die Anode ab, weil es dazwischen liegt. Daher heißt dieses Gitter Schirmgitter (g2). Man hat mit dieser Zweigitterröhre eine
Tetrode (je nach Ausführung gibts auch Raumladegitterröhren, die haben auch 2 Gitter, funktionieren aber anders, aber das ist jetzt egal), denn:
Tetrode:
1. Kathode (k)
2. Steuergitter (g1)
3. Schirmgitter (g2)
4. Anode (a)
Diese Röhren machen schon ziemlich viele Sachen ziemlich gut. Sie sind gut steuerbar (hohe Verstärkung), können hohe Frequenzen (sehr kleiner Durchgriff durch Schirmgitter) und können im Leistungsbereich viel Strom. Aber sie haben ein Problem: Die Linearität. Wenn man die Kennlinien von Tetroden anschaut, dann sieht man, dass die mitunter relativ starke Dellen haben und das klingt eher unschön...
Diese Dellen kommen unter anderem daher, dass bei den hohen Elektronengeschwindigkeiten, die durch Beschleunigung am g2 entstehen, beim Einschlag auf die Anode aus dem Anodenblech weitere Elektronen ausgeschlagen werden, die Sekundärelektronen. Um diese Elektronen gleich an Ort und Stelle zu vernichten, hat man ein Bremsgitter eingeführt, das diese Elektronen neutralisiert. So eine Röhre nennt man
Pentode:
1. Kathode (k)
2. Steuergitter (g1)
3. Schirmgitter (g2)
4.
Bremsgitter (g3)
5. Anode (a)
So, und hier kommt die
Beam Power Tube ins Spiel. Soviel ich weiß hatte Philips das Patent für die Pentode und man musste folglich irgendwas anderes entwickeln um keine Lizenzgebühren zahlen zu müssen. Man kann die Sekundärelektronen mit dem Bremsgitter neutralisieren oder aber mit einer Art "Labyrinth", d.h. man baut ein Blech in den Anodenkasten ein, das einen Elektronenfluss von der Kathode zur Anode nur in einem schmalen Bereich ("beam") zulässt. Da die Sekundärelektronen aber irgendwie aus der Anode fliegen, landen die relativ sicher auf diesem Blech und sind dann eben weg.
Beam Power Pentode:
1. Kathode (k)
2. Steuergitter (g1)
3. Schirmgitter (g2)
4.
Strahlleitblech (g3)
5. Anode (a)
Die BPT und die Pentode haben identische Anwendungsgebiete - Leistungsendstufen. Und da machen sie ihren Job beide recht gut.
Es gibt auch Kleinsignalpentoden, die auf hohe Verstärkung, Rauscharmut, hohe Grenzfrequenz usw getrimmt sind und da kenne ich keine BPT, die das erfüllt, aber das ist eine andere Ecke als EL34/6L6GC. Beispiele für Kleinsignalpentoden wären EF80, EF86, EF95 usw usw...interessiert aber jetzt nicht.
Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, eine Röhre (in welcher Form auch immer) ist gar nicht annährend so "simpel", wie man gerne zu glauben gedenkt.
Wer denkt, dass Röhren simpel sind, der hat die Röhrentechnik nicht verstanden. Nimm das nicht persönlich, aber es ist einfach so, dass die meisten außer ECC83, EL34 und 6L6GC nichts kennen und auch nichtmal wissen, wo der genaue Unterschied zwischen einer EL34 und einer 6L6GC liegt geschweige denn wo der zwischen einer ECC82 und einer ECC83 liegt. Nach dem Motto "passt doch in die Fassung und funktioniert" wird da gestöpselt wie auf den wildesten Sexparties aber die genauen Hintergrund kapiert fast keiner.
Wenn man sich wirklich mal anschauen will, was Röhren so alles können bzw wie komplex sie sind, dann sollte man mal den Barkhausen lesen (Barkhausen - Elektronenröhren). Wenn man das alles versteht, dann ist man gut - ich kapiere nicht alles davon, das vorab.
In einer Röhre steckt soviel Mathematik, Werkstoffkunde und vor allem mechanische Präzision, dass man absolut nicht von einem einfachen Bauteil sprechen kann.
Noch krasser ist das bei den Halbleitern, und da beschäftigt sich keiner damit, der das nicht studiert hat, weils eben keiner versteht. Und das sieht man auch, wenn man diverse Konstrukte ansieht (Guckt mal den Aufbau der Endstufe vom AVT100 an...jeder E-Technik-Student bekommt da nen Anfall, ZU RECHT).
So, das war ein kurzer Exkurs in die Welt der Röhren...falls noch Unklarheiten da sind, einfach fragen...
MfG OneStone