Psychoakustik: Das Sound-Lautstärke-Problem
Oft genug hast du im Übungsraum lange an deinem Amp herum gedreht, um die perfekte Sound-Einstellung für den nächsten Gig zu finden. Auf der Bühne jedoch war der ganze Aufwand umsonst, die Gitarre klingt eher mäßig. Also drehst du während des Auftritts wieder an den Reglern und bis es was wird, ist der Abend um. Zur Kontrolle wird das im Übungsraum noch mal gecheckt. Die alten Einstellungen klingen super. Du fragst dich, ob du noch ganz richtig tickst. Oder ist was mit den Ohren? Keine Sorge, alles in Ordnung. Die Frequenzen (das so genannte Fletcher-Munson-Phänomen) haben dich genarrt.
Die Herren Fletcher und Munson waren Entwickler in den Bell-Laboratorien. Sie wiesen 1933 nach, dass das menschliche Ohr (und das Gehirn) unterschiedlich verschobene Frequenzen empfängt, abhängig von der Laustärke. Ihre Messungen ergaben, dass das Ohr am empfindlichsten im Bereich 3-4 kHz ist und dass Frequenzen absolut gesehen oberhalb und unterhalb dieser Schwelle lauter sein müssen, damit sie als gleichwertig laut empfunden werden. Sie zeigten außerdem auf, dass die Größe des Lautheitszuwachses dieser anderen Frequenzen, damit sie als gleichwertig empfunden werden, in erster Linie in Abhängigkeit zum Schalldruck (SPL) variiert. Damit wurde ein neues Zeitalter der Schallwissenschaft eingeleitet, bekannt unter dem Begriff Psychoakustik. Eine Folge dieser Entwicklung war zum Beispiel der Loudness-Schalter bei Stereoanlagen.
In der Praxis sieht das etwa so aus, dass in einer Frequenzkurve, die 3-4 kHz bei 0dB anzeigt, Frequenzen um 20 Hz (etwa die Schwelle, die man noch als Ton hören kann) über 60dB angehoben werden müssen, was rund 64mal so laut ist. Da das Maß dB logarithmisch ist, entspricht das einer tausendfachen Verstärkung, die nötig ist, 20 Hz als gleichwertig laut zu empfinden. Wenn andererseits die Basisfrequenzen auf 80dB angehoben wurden, so müssen die tiefen Frequenzen nur noch um 10dB (oder doppelt so laut) erhöht werden, um denselben Lautheitseindruck zu bewirken.
Was bedeutet das für dich als Gitarrist? Nun, je lauter du wirst, desto flacher sollte die optimale Frequenzkurve verlaufen. Wenn du aber deinen Amp im Übungsraum oder zu Hause bei mäßiger Laustärke (60-70dB) auf einen guten Klang einstellst, so wird das untere und obere Ende deiner Frequenzkurve stark angehoben im Vergleich zu den gitarrentypischen Frequenzen, für die auch deine Ohren besonders empfänglich sind. Wenn du nun beim Auftritt bei gleicher Voreinstellung die Lautstärke auf Bühnenniveau anhebst (90dB und mehr), dann werden jene tiefen und hohen Frequenzen plötzlich übermäßig betont und machen jeden Klang irgendwie breiig und basslastig. Die für die Gitarre fundamental wichtigen mittleren Frequenzen werden von den tief- und hochfrequenten Toninformationen überlagert.
Was ist zu tun? Experimente haben ergeben, dass die optimale Lautstärke für vergleichende Tonmischungen bei 85dB liegt. Das ist laut genug, um eine Tonkurve anzugleichen, aber nicht so laut, dass es den Ohren schaden könnte. Du kannst dir zum Beispiel einen preiswerten Pegelmesser kaufen und ihn auf die Einstellung "menschliches Gehör" stellen. Dann drehst du deinen Amp so weit auf, dass sich etwa 85dB im Messgerät ergeben. Anschließend nimmst du deine Soundeinstellung vor. Wenn du das zu Hause machst, dann möglichst nicht um Mitternacht, denn 85dB sind schon ganz schön laut. Besser, du machst das im Übungsraum und testest deine Einstellung im Zusammenhang mit dem Sound der Band.
Andererseits kannst du aber auch ohne Messgerät daran denken, wie die Kurve verlaufen könnte. Klingt es bei mäßiger Laustärke zu Hause oder im Übungsraum eher mittenlastig, so kann das bei Anhebung der Lautstärke auf der Bühne genau richtig sein. Mit wachsender Erfahrung kann man sich dann zwei Einstellungen aneignen: die für den Übungsgebrauch bei geringer Lautstärke und die für den heavy Lifeeinsatz. Du solltest die Einstellungen immer wieder vergleichen und optimieren. Irgendwann hast du dann keine Probleme mehr damit, auf Anhieb in jeder Umgebung und bei jeder Lautstärke deine richtigen Sounds zu finden.