Und ich dachte, wir gewinnen

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Nachdem in einigen hier zuletzt gelesenen Texten von Krieg und Illusionen die Rede war, kam mir in den letzten Tagen die Idee zu folgendem Text, der auf eigenen (ganz friedlichen) Erinnerungen beruht.

Und ich dachte, wir gewinnen

Und das Gras war grün,
und die Luft war warm,
durch das Himmelsblau flogen Tauben
Und der Krieg erschien
wie ein Kinderspiel,
das man spielt, ohne daran zu glauben

Und der Feind war nur noch
ein Schreckgespenst
ein Märchen aus uralter Zeit
Und das Gras war grün,
und die Sonne schien
und die Welt war grenzenlos weit

Refrain:
Und ich dachte, wir gewinnen
und keiner kriegt uns klein
und wir können neu beginnen
und die Welt wird friedlich sein


Es wehte überall
ein frischer Wind,
der uns den Atem raubte
Mauern kamen zu Fall,
und Gitter brachen
viel schneller als man glaubte

Und Blütenträume
wucherten zusammen,
Hand in Hand
Und das Gras war grün,
und die Sonne schien
voller Hoffnung über das Land

Refrain

Und wir tranken Bier
und lagen im Gras
was galt noch soldatische Pflicht?
Die Feinde hatten wir
längst liebengelernt
und wir haßten die Freunde noch nicht

Und die Freiheit war
nicht länger gefährdet
und war noch keine Gefahr
Und das Gras war grün,
und die Sonne schien
als die Welt in Ordnung war

Refrain
 
Eigenschaft
 
Gefällt mir gut, Dein Text.

Schlicht, stimmig und anders, ohne bemüht zu sein.

x-Riff
 
Ich find's ebenfalls sehr gelungen! :)
 
Hi Benno - eins ist mir jetzt noch aufgefallen:

Eventuell wirkt es frischer und näher dran, wenn man bis uaf den Refrain oder so nicht die Vergangenheit sondern die Gegenwart nimmt:
Es wehte überall
ein frischer Wind,
der uns den Atem raubte
Mauern kamen zu Fall,
und Gitter brachen
viel schneller als man glaubte

Und Blütenträume
wucherten zusammen,
Hand in Hand
Und das Gras war grün,
und die Sonne schien
voller Hoffnung über das Land
Es weht überall
ein frischer Wind,
der uns den Atem raubt
Mauern kamen/kommen zu Fall,
und Gitter brachen/brechen
viel schneller als man glaubt

Und Blütenträume
wuchern zusammen,
Hand in Hand
Und das Gras ist grün,
und die Sonne schien
voller Hoffnung über das Land

Kann auf jeden Fall aber auch so bleiben - ist mir beim nochmaligen Lesen nur sofort eingefallen, dass es auch so ginge ...

x-Riff
 
Hi Benno,
ja, das hat was von alter Liedermachertradition.
Es wirkt sehr stark und unmittelbar. Es erinnert mich gleich an "Die Gedanken sind frei"
Wie in Stein gehauen. Doch auch voller inhaltlicher Leichtigkeit, mit vielen schönen Bildern.

Wieder einmal merkt man dem Text auch die Sorgfalt an, die der Dichter bei der Wortfindung stets walten läst.
Hier gibt es für mich nichts zu kritisieren, außer der Formulierung:
"Ich dachte wir gewinnen"
Die Frage, ob Krieg und Gewinnen zusammenpassen, sollte mMn nicht Gegenstand dieses Textes sein.

Bleibt nur die Frage: Wie wird das musikalisch umgesetzt?
Grüße
willy
 
@x-Riff:
Durch einen Wechsel zur Gegenwart oder auch einen Wechsel der Perspektive (wir -> ich) gewinnt ein Text sicher an Unmittelbarkeit. In diesem Fall wollte ich aber gerade auf eine historische Situation verweisen und ein nostalgisches Element einbringen. Andererseits enthält ja der Refrain Gegenwart und Zukunft.

@willypanic:
Der Hintergrund speziell des Titels: Im Mai 1990 wurde ich zu einer (letzten) Reserveübung eingezogen. Das Ende des Kalten Krieges war gekommen, und wir nahmen die Sache nicht mehr allzu ernst. Bei einer Geländebesichtigung sollten die Möglichkeiten zur Einrichtung eines Versorgungspunktes erörtert werden. Der leitende Unteroffizier wies darauf hin, daß LKWs so geparkt werden sollten, daß sie im Falle einer Flucht schnell wegkommen konnten. Darauf kam eine scherzhafte Bemerkung: "Wieso Flucht? Ich dachte, wir gewinnen."

Mir erschien der Titel passend, weil er verschiedene Aspekte ausdrückt: Es ist naiv, zu glauben, in einem Krieg könnte man wie in einem Kinderspiel gewinnen; gewinnen können alle, wenn man sich friedlich einigt; wer aber die wirklichen Gewinner und Verlierer sind und ob der Frieden dauerhaft ist, zeigt sich erst später.

PS:
Musikalisch stecke ich noch in Ansätzen, beim Texten hatte ich wohl etwas Liedermachermäßiges im Hinterkopf, das Stück verträgt aber auch eine rockigere Umsetzung.
 
Ich find den Text auch sehr sehr grossartig.
Vor allem da ich mich auch grad mit diesen Kriegsthemen ausseinander setze.

Mir ist dabei auch sofort das Video von "Empty Walls" by Serj Tarkian (oder wie der sich schreibt)
eingefallen, wo Kinder im Kindergarten krieg spielen.


und die benutzten Bilder *thumpsup*

weiter so
 
finde ihn auch sehr schön.

Besonders im Refrain das "keiner kriegt uns klein". Das "kriegt" könnte man wie krieg aussprechen.

Wirklich sehr bedachte Wortwahl.
 

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