Unabhängigkeit der Musik Fachpresse?

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Hi,

ich möchte mal ein Thema ansprechen, mit dem ich schon seit einiger Zeit schwanger gehe: es fällt mir immer mehr auf, wie wenig unabhängige Berichterstattung es im Bereich Musikinstrumente und -technik in der sogenannten Fachpresse gibt. Gleichzeitig scheint es eine sehr hohe Konzentration der Publikationen auf wenige Verlage zu geben.

Zum Beispiel habe ich seit ca. einem Jahr die Zeitschrift "guitar" abonniert und kaufe mir gelegentlich die "Keys" und das "recording magazin". Dabei fallen mir folgende Dinge auf:

- Viele "Tests" von neuem Gear tauchen in allen Zeitschriften des Verlags auf (in nur marginal unterschiedlicher Form).
- Negative Besprechungen sind eigentlich fast NIE zu finden.
- Vergleichstests zwischen Produkten unterschiedlicher Hersteller findet man auch fast nie, wenn, dann läuft das unter dem Label "Marktübersicht" und dir Produkte werden gar nicht direkt verglichen.
- Produktnews bieten meistens nicht mehr Informationen als die Pressemitteilungen der Hersteller und es drängt sich der Verdacht, dass hier überhaupt keine eigene redaktionelle Leistung gebracht wird.

Ich bin kurz davor, das Abo der guitar wieder zu kündigen. Die Workshops und Transkriptionen sind zwar meistens gut, aber die englische "Guitar Techniques" ist da noch besser und die bekomme ich immer von einem Freund aus UK mitgebracht.

Es scheint, dass sich keine Musikzeitschrift traut, die Produkte der Hersteller wirklich kritisch zu begutachten und vor allem auch manchmal die Frage zu stellen, ob dieses oder jenes Produkt wirklich sinnvoll ist. Statt dessen wird unreflektiert die Jubelprosa der Hersteller übernommen und jede neue Technik als "Revolution" gefeiert, die eigentlich nur logische und schrittweise Weiterentwicklung bestehender Technik ist. Ein Beispiel sind die Produkte des Hersteller Line 6. Dieser macht eigentlich seit 10 Jahren nichts anderes, als eine einmal entwickelte Idee (Amp-Modelling) in immer wieder neuen Variationen und kleinen Verbesserungen auszumelken, ohne jemals ein wirklich grundlegend neues Produkt auf den Markt zu bringen. Trotzdem werden Line 6-Produkte in der Presse oft als das Non-Plus-Ultra gehandelt. Nur ein Beispiel, wie gesagt, natürlich macht Line 6 auch gute Produkte, aber sie haben Vor- und Nachteile, wie die anderer Hersteller auch.

Das man über Technik auch anders berichten kann, beweist seit Jahren im Computerbereich die Zeitschrift "c't". Hier gibt es echte kritische Tests und regelmäßige Vergleiche von Geräten aus einer Klasse, die eine echte Entscheidungshilfe beim Kauf sind. Hier werden Herstellerangaben durch eigenes Messen nachgeprüft, es wird klar gesagt wenn Geräte den Testkriterien nicht genügen oder gar aus dem Test herausgenommen werden, weil der Hersteller eine halbfertiges Gerät liefert.

Warum kann die (Print)Musikpresse das nicht leisten? Lässt sich das ändern? Im WWW gibt es ja schon einige Seiten, die gute und anscheinend auch unabhängige Berichterstattung liefern (mir fällt da z.B. amazona.de ein) aber natürlich auch viele Seiten, die auch nur die üblichen Pressemitteilungen nachäffen.

Mich würde Eure Meinung und Hintergrundwissen zu diesem Thema interessieren!


Chris
 
Eigenschaft
 
Naja. Ich glaube das ist zweischneidig.
Einerseits haben Printmagazine jedes Bereichs (im Vergleich zu Online-Magazinen) sehr große Kosten zu decken und sind deshalb auf ihre Werbekunden angewiesen.
Andererseits sollte es natürlich auch im Interesse der Werbekunden sein, dass der Leser sich darauf verlassen kann, dass das was besprochen wird, auch sachlich und fair besprochen wird. Allerdings denken viele Hersteller da leider zu kurz und wollen eben keine kritischen Reviews lesen.
Die Printmagazine sind dadurch natürlich stärker als in manchen anderen Bereichen in der Falle, dass sie einerseits möglichst positiv schreiben müssen, um den Anzeigenkunden nicht zu verärgern und andererseits möglichst sachlich schreiben wollen, um den Leser nicht zu verlieren. Leider scheint das im Musikalien-Business schwieriger zu sein, als anderswo. Man wird z.B. feststellen, dass in vielen Zeitschriften eine große Korrelation zwischen den Anzeigenkunden und dem besprochenen Material herrscht. Für mich war das sogar schonmal ein Grund, ein Zeitschriftenabo zu kündigen.
Kurzum: wenn die Verlage (und damit auch die Zeitschriften) überleben wollen, sind sie auf die (großen) Anzeigenkunden angewiesen und können deren Produkte gar nicht sachlich besprechen. Das ist natürlich schade und wird durch das Nichtvorhandensein einer großen und vielfältigen Verlagslandschaft noch verstärkt (weil die Hersteller oft in mehreren Zeitschriften des Verlags werben).
 
Ich verstehe ja den Zwiespalt in dem die Presse steckt. Aber wenn der Klüngel so weit geht, dass die Tests und Produktvorstellungen für den Leser (außer der reinen Information: aha, da gibt's was Neues) nutzlos sind, weil zu unkritisch oder sie gar die Marktsituation verfälschend wiedergeben, weil sie bestimmte Hersteller ignorieren und andere bevorzugen, dann läuft doch eindeutig was falsch. Dann haben die Hersteller zu viel Macht über die Presse und sie ist eben nicht mehr unabhängig.

Das ist dann aber ein Problem der Presse, denn zum Glück kann ich mir unabhängige und kritische Information inzwischen auch anderswo (z.B. hier im Board) holen. Der Versuch der Zeitschriften, die Kosten einer Ausgabe mittels vieler Anzeigen möglichst niedrig zu halten, geht dann nach hinten los, wenn die Kunden sie trotzdem nicht mehr kaufen, weil es anderswo bessere Information gibt.

Ich frage mich auch, ob die Menge und Größe der einzelnen Anzeigen für Musicgear in den Zeitschriften noch angemessen ist. Schließlich bezahlt man als Käufer (von den Produkten der Musikhersteller) die Kosten dafür ja auch irgendwie mit.


Chris
 
ist mir auch schon länger aufgefallen, in keinem magazin hab ich mal ein negatives fazit über ein produkt gelesen.
geht ja allein schon dabei los, wenn man sich mal die "bestenlisten" bei zB professional audio ansieht: die minimalste bewertung ist "gut". insofern hab ich mir diese magazine auch nicht im abo bestellt, weil ich mich einfach nicht auf die aussagen dort verlassen kann, da sind mir erfahrungsberichte hier oder in englischen foren wie gearslutz viel lieber.

es müsste mal ein etabliertes und angesehenes magazin den mut haben auch mal negatives zu schreiben. wenn es sich rumspricht dass die tests dort seriöser und ehrlicher sind als bei den anderen, kann ich mir gut vorstellen dass sie mehr leute lesen und die anzeigenkunden somit trotzdem angewiesen sind dort werbung zu machen, um ihre zielgruppe zu erreichen.
 
C
  • Gelöscht von Xytras
  • Grund: doppelpost
ist mir auch schon länger aufgefallen, in keinem magazin hab ich mal ein negatives fazit über ein produkt gelesen.

Ja, wirst du auch kaum finden. Du muss lernen zwischen den Zeilen zu lesen. In einem Magazin, ich glaub es war Guitar, war ein Bericht über ein neues Modelinglive-Treter-Teil. (weiß jetzt nicht mehr den Namen) Da stand unter anderem, dass es empfehlenswert wäre, einen Zerrer zusätzlich anzuschließen (Das Teil war voll von Zerrern!!) Da hab ich mir gedacht: Bitte? Aber ich will doch so ein Teil eben damit ich keine Treter zusätzlich brauche :confused:

Ich denke die Konkurrenz durch´s Internet macht den Magazinen auch zu schaffen. Ich kann mir doch heute ruckzuck alle Infos über irgendwelche Produkte holen. Selbst wenn du hier im Forum die abstrusesten Sachen fragst, bekommst du garantiert mindestens eine Antwort :great:
 
Ich denke Fachmagazine die über Produkte Reviews schreiben die gleichzeitig von Werbekunden auf der Seite geschaltet werden, befinden sich grundsätzlich in der angesprochenen Misere. Die C`t muss im Gegensatz zu vielen anderen Magazinen mit Reviews keine große Rücksicht auf die Gefühle der Werbekunden nehmen. Der Grund ist, dass die C`t als absolut unabhängiges Magazin oftmals von Führungspersonal von Firmen gelesen wird (= für Werbekunden die "wertvollste" Zielgruppe) und von dieser Zielgruppe auch gerade wegen ihr "Unbequemheit" und absoluter Unvoreingenommenheit gegenüber den zu bewertenden Produkten geschätzt wird. Ein Magazin mit solch einem Ruf lebt eben von diesem. Druck seitens der Werbekunden würde bei ihnen nur dazu führen, dass sie die entsprechende Werbung nicht mehr schalten, was für die Werbekunden wahrscheinlich ein größeres Handicap darstellen würde als für die C`t, da der Hersteller mit seiner Werbung die besagte Zielgruppe nicht mehr erreicht.
Führungskräfte und fachliche kompetente Computermenschen werden sich die neusten Technik-Trend-Informationen bestimmt nicht aus der Computer-BILD beziehen.
Bei Musikzeitschriften verhält es sich anders: Dort ist die Zielgruppe der einfache Konsument der beim Namen Gibson lossabbert bevor er das betreffende Instrument überhaupt gespielt hat. Die klanglichen positiven und negativen Eigenschaften von Instrumenten lassen sich ebenfalls schwer messen (ist alles Geschmacksfrage, die einen finden z.B. den ValveKing voll super, die anderen moppelkotze), daher können die Magazine ohne großen Druck im Sinne der Werbekunden Reviews schreiben. Die Konsumenten kaufen das Magazin oft weiterhin, da sie die Reviews nicht hinterfragen.
Mir ist auch schon aufgefallen, dass bei vielen Amp-Reviews in der Gitarre&Bass meistens keine Negativ-Kritik auftaucht, außer vielleicht, dass das Amp-Handbuch nicht auf Deutsch abgedruckt ist. Ich persönlich kaufe mir solche Magazine nicht weil sie nicht unabhängig sind, insofern sind die Reviews (von den technischen Beschreibungen abgesehen) recht wertlos.
 
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ein wesentlicher unterschied zwischen testberichten über computer-hardware und "musik-hardware" ist der, daß es im EDV-bereich sehr viel mehr physikalisch meßbare faktoren gibt als bei musikinstrumenten. alles was bei der beurteilung von musikinstrumenten über die qualität von bauteilen und verarbeitung hinausgeht, nämlich deren klang - also genau das worauf es mit am meisten ankommt - ist weitgehend von subjektiven faktoren wie individuelles hörvermögen, geschmackliche präferenzen und sogar von der tagesform der autoren bestimmt.

bei vielen instrumenten-testberichten in fachzeitschriften fühlte ich mich wegen des verwendeten blumigen vokabulars zur beschreibung des klangs der instrumente schon an die beschreibung von weinproben erinnert: "vollmundig duftig-leicht, mit einer dezenten note von palisander und mahagoni, aber brutal im abgang" - sowas fehlt eigentlich noch. };^>

was mich speziell bei tests von gitarren und bässen wundert ist, daß darin keine sau mitteilt, welche saiten für die tests verwendet wurden. dabei sind die ein ganz wesentlicher klangfaktor. lassen die immer die werksseitig aufgezogenen saiten drauf, obwohl die verwendung von referenzsaiten vielleicht das urteilsvermögen der fachredakteure verbessern könnte?

ich weiß es nicht; trotzdem lese ich solche testberichte in fachzeitschriften eigentlich sogar ganz gerne - nicht als ratgeber für etwaige kaufentscheidungen, sondern einzig und allein zur unterhaltung. gute klolektüre in genau der richtigen länge. }|^)
 
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ein wesentlicher unterschied zwischen testberichten über computer-hardware und "musik-hardware" ist der, daß es im EDV-bereich sehr viel mehr physikalisch meßbare faktoren gibt als bei musikinstrumenten. alles was bei der beurteilung von musikinstrumenten über die qualität von bauteilen und verarbeitung hinausgeht, nämlich deren klang - also genau das worauf es mit am meisten ankommt - ist weitgehend von subjektiven faktoren wie individuelles hörvermögen, geschmackliche präferenzen und sogar von der tagesform der autoren bestimmt.

Das stimmt natürlich im Bezug auf Instrumente. Aber auch da würde es mich interessieren, ob dem Testberichtautor dieses oder jenes Instrument besser gefällt und warum. Schließlich gibt es auch bei Weinen Prämierungen und Weinführer mit den "besten" Weinen.

Andererseits gibt es bei Effekten, Amps und sonstiger Technik sehr wohl jede Menge objektive Kriterien, die man beurteilen kann (und wenn es nur das Vorhandensein oder nicht ist). Was mir fehlt ist, dass Instrumente und Technik auch mal in der Praxis auf Herz und Nieren getestet werden. Dann fällt nämlich z.B. plötzlich auf, dass der tolle Amp-Modell-Treter gar keinen richtigen Effekt-Loop hat oder kein Midi unterstützt und deswegen nicht mit vorhandenem Setup zusammenspielt. Oder dass die Time-Stretch-Funktion des portablen Recorders/Übungsamp in der Praxis unbrauchbar ist. Und so weiter... Das ist natürlich meistens stark vom Einsatzzweck abhängig, aber dann sollen die Testautoren halt mal Farbe bekennen und sagen, "Gerät X ist hierfür gut geeignet, und genügt diesen Ansprüchen, aber dafür nicht und wer dies und jenes will, sollte sich besser Gerät Y besorgen". Sowas findet man sehr selten.

Die Testberichte in der c't sind immer recht trocken geschrieben, aber dafür systematisch aufgebaut. Nach dem Lesen habe ich das Gefühl die Stärken und Schwächen eines Geräts einigermaßen zu kennen (auch weil die Testkriterien in der c't über die Zeit relativ konstant und konsistent sind). Die vermeintlich flotte und blumige Ausdrucksweise in der Musikpresse klingt oft nur gewollt und nicht gekonnt.

Chris
 
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Die Testberichte in der c't sind immer recht trocken geschrieben, aber dafür systematisch aufgebaut. Nach dem Lesen habe ich das Gefühl die Stärken und Schwächen eines Geräts einigermaßen zu kennen (auch weil die Testkriterien in der c't über die Zeit relativ konstant und konsistent sind). Die vermeintlich flotte und blumige Ausdrucksweise in der Musikpresse klingt oft nur gewollt und nicht gekonnt.

oh, du scheinst auch sowohl die „c't“ als auch die „gitarre & bass“ zu lesen. deine kritik halte ich für vollkommen berechtigt, und genauso teile ich sie. bleibt womöglich die frage, ob ernsthafte benchmark-tests (wie in der seriösen computer-fachpresse üblich) im populären musikinstrumentenbereich überhaupt erfolg haben könnten. na klar, wenn ich planen sollte, mir zum beispiel ein multieffektgerät zuzulegen, dann würde ich genau wissen wollen, was das jeweilige ding kann oder nicht kann, wo die stärken und schwächen liegen und wie der markt aussieht – genauso wie ich es auch tun würde, wenn ich mir neue computer-hardware zulegen will. aber ich hab’ dabei die musikinstrumenten-„fachpresse“ (bewußt in anführungszeichen) noch nie als einen über den allerersten überblick hinausgehenden ratgeber erlebt. klar, es wäre schön, wenn es soetwas gäbe, aber das wäre wahrscheinlich ein völliges novum.

natürlich zementiert das ungerechte voraussetzungen: wer genau weiß was er will und wie die schlagworte lauten, kann ins nächstgelegene größere musikaliengeschäft gehen, und im falle blumigen verkaufsgeschwätzes den verkäufer argumentativ an die wand nageln (und sich dann beim anspielen ein eigenes bild machen); wer dagegen anfänger ist, ist wohl eher aufgeschmissen. aber ich denke, das ist auch bei EDV-fragen und der c't nicht anders.

(böse anmerkung am rande: wenn ich mir hier im musiker-board manche anfrage á la „anfänger sucht voll geile metal-gitarre“ durchlese, scheint mir solche rein „bauch-“ oder meinetwegen „marketinggesteuerte“ beratung von einem wesentlichen teil des publikums aber auch gar nicht anders gewollt zu sein.)

trotzdem: wünschenswert wär’s auch für mich, wenn auch musikalien-fachzeitschriften wesentlich mehr präzision und objektivität in ihren testberichten erkennen ließen. solange das nicht der fall ist, bleibt’s halt nicht mehr als ... gute unterhaltung.

};^>

(meine lieblingsautoren in der „gitarre & bass“ sind übrigens udo pipper und dirk groll. letzterer aber erst seitdem er damit aufgehört hat, in jedem seiner beiträge mindestens einmal das adjektiv „kerngesund“ auftauchen zu lassen – und beide besonders mit ihren beiträgen jenseits der rubrik „test“.)
 
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oh, du scheinst auch sowohl die „c't“ als auch die „gitarre & bass“ zu lesen.

Nein, eigentlich nicht. Das Abo der c't habe ich vor drei Jahren gekündigt als ich für einige Zeit im Ausland war und weil ich, ehrlich gesagt, fachlich in vielen Dingen über das dort gebotene Niveau hinausgewachsen war, bzw. mir die Zeitschrift, trotz häufiger Linux-Features, immer noch zu Windows-lastig war. Die Schreibe der Gitarre&Bass fand ich schon immer nicht besonders ansprechend und deswegen habe ich's mal mit der "guitar" versucht. Aber dort, wie gesagt, gefallen mir eigentlich nur die Workshops und Transkriptionen. Zu Ehren der genannten Blätter muss ich allerdings sagen, so eine Kinderkacke wie die englische "Total Guitar" habe ich hier noch nicht gefunden... ;)

Chris
 
Warum kann die (Print)Musikpresse das nicht leisten? Lässt sich das ändern?
Nein, diese Journale sind ein Nischenmarkt und mehr oder weniger davon abhängig, das die Hersteller Geräte zum "Testen" liefern. Ich fotografiere semiprofessionell seit 50 Jahren, da ist das genauso. Ernsthafte Kritik gibt es nur im Netz in einigen Foren und im direkten Austausch mit ernsthaften Kollegen, die keine FANBOYS sind.
Mein langjähriges Fazit: je größer das Lob, desto schlechter das Gerät in der Praxis !
Der PC Markt dagegen ist so groß, das eine Zeitschrift wie CT ihre zahlreichen Leser relativ objektiv informieren kann.
 
Der PC Markt dagegen ist so groß, [...]

Der Automobil-Markt ist (war) auch so groß, aber trotzdem gewann in einem Vergleichstest oft das Auto, dessen Hersteller regelmäßig doppelseitige Anzeigen geschaltet hatte.

Mein Schlüsselerlebnis zum Thema "Warnblinkschalter auf der Lenksäule":
  • Bei Volvo: Gefährlich, weil man durchs Lenkrad greifen muss. Außerdem schlecht, weil der Beifahrer nur schwer drankommt.
  • Bei VW: Vorbildlich, weil griffgünstig plaziert.
 
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Seit dem erstellen des Threads hat sich ja einiges getan.

Ich würde vermuten, dass ein großer Teil der Kundschaft bei Musikinstrumenten, Equipment und Gimmicks sich über Videos informiert.

Der Unterschied zwischen gefühlt 90% der YouTube-Reviews und der Fachpresse ist: Die Fachpresse wünscht sich das Wohlwollen der Industrie. Die YouTube-Review-Kanäle und Influencer brauchen es.

Viele Review-Videos auf YouTube schauen sich wie Werbe-Dauersendungen aus den 90ern. Zum Teil werden gefühlt von verschiedenen Leuten ähnliche Werbetexte rezitiert und jeder Bass ist "My bass of the year" (im Januar).

Das schließt auch wieder thematisch den Kreis zu Fachzeitschriften. Denn durch den immer weiter schrumpfenden Markt für Printmedien wird das finanzielle "Polster", mit dem sich die Magazine auch mal negative Kritiken erlauben, immer kleiner. Obwohl ich die Meinung des Threaderstellers anno 2009 auch damals schon teilen musste. Ich fand die Guitar echt gut, aber irgendwann hat das Lesen der Tests kaum Freude gemacht da man mit TOLL TOLL TOLL den Frontalkortex gegrillt bekommen hat.

Amazona und Bonedo sind nicht die schlimmsten Vertreter, da stimme ich @HD600 zu. Zwar im Schnitt deutlich mehr positives haben beide.

ABER

Es gibt ein Bias, das nicht übersehen werden sollte. Die meisten Produkte der größeren Hersteller erfüllen meist gewisse Qualitätsstandards. Wenn ein Gerät es also in ein Magazin zum test "schafft", wird ein Grundlevel an Qualität sehr wahrscheinlich sein. Ich sage nicht, dass die Geräte automatisch gut sind, wenn sie im Magazin landen. Aber es wird nicht ein Amazon-Billiggerät aus China dort stehen.

UND

Es ist zu vermuten, dass es für Magazine als auch andere "Tester" immer verlockender ist, "gute" Geräte zu betrachten. Denn für die Leser/Zuschauer wird es meist interessanter sein, einen Einblick in "die Schokoladenfabrik" zu bekommen.

Ebenso wird ein Leser vermutlich eher positive Verbindungen zum Magazin entwickeln, wenn er eine gute Kaufempfehlung bekommt. Und wenn sich diese Bewahrheitet, umso mehr.

Klar kann ein Test-Medium (egal ob Print, Website oder Video) auch vor schlechtem Equipment "warnen" durch negative Testergebnisse. Aber das wird niemals so viele Leute als Leser binden als "für gute Kauferlebnisse zuständig gewesen" zu sein.

Gerade im Musikbereich wird es mehr Sinn ergeben, von der "tollen Wunderwelt der Musiktechnik" zu schwärmen, da der größte Teil der Leserschaft Hobbyist oder gar Laie ist und dadurch etwas angenehmes lesen möchte.

Man darf als Kunde (also, Leser/Zuschauer) nicht davon ausgehen, dass man eine neutrale Rolle in der Beziehung zwischen den Medien und der Equipment-Industrie hat: Man wird nicht nur einfach mit Information "für sein Geld beliefert". Welches Konzept ein YouTube-Kanal, Fachmagazin oder Review-Website hat ist stark geprägt von Statistiken und Zahlen. In vielen Fällen werden Verkäufe, Clicks und Views feinmaschiger analysiert als man es vermuten mag.

Klar gibts auch Beispiele für negative Stories oder Bewertungen auf jeder Plattform, aber es wird sich in Grenzen halten einfach weil es sich nicht so gut verkauft. In der Videospiel-Richtung hatte das Konzept "PC Action" das eine Zeit ganz erfolgreich versucht, mal eher die "meckernde" Rolle zu spielen. Absatzzahlen waren aber am Ende dann doch nicht genug neben der "frohen, schönen PC Games" aus dem selben Haus.
 
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Abgesehen von der Tatsache, dass dieser Thread von 2009 stammt und die Welt sich seither in Sachen Werbung und Kapitalisierung grundlegend verändert hat: Kann mir bitte jemand auch nur einen einzigen "Tester" in der Musikindustrie (aber gern auch anderen) nennen, der unabhängig testet. Einfach einen einzigen, das wäre mal was.

Ich lese seit Mitte der 1980er im Abo die Gitarre & Bass (ja, die hieß früher anders, danke). Die Hauptwerbepartner (momentan m.E. Ibby und Framus?) bekommen schon ein etwas wohlfeileres Urteil. Gibson macht sein Vertriebsnetz dicht und knebelt die Händler? Das beeinflusste komischerweise anscheinend auch die Instrumente. Und so weiter und so fort.

Und ich bin da komplett veraltet, weil ich an dem Ding hänge. Seit über 10 Jahren hat sich das Thema Influencer als eigene Macht im Markt etabliert. Auch diese sind nicht unabhängig.

Mein altes Mantra: so lange Menschen Content immer so billig wie möglich oder gar kostenfrei haben wollen, wird es keine wirklich unabhängigen Tester geben! Der einzige Weg, diesen Kreislauf zu beenden ist, aufzuhören, Paywalls zu umgehen und endlich mal einen anständigen Gegenwert für die ganze Arbeit zu leisten, die sich Menschen machen. Die welt wird sich dadurch nicht von jetzt auf gleich verbessern, aber es wäre ein Anfang gemacht.

Mein langjähriges Fazit: je größer das Lob, desto schlechter das Gerät in der Praxis !
Hm, hm, hm ... das halte ich für stark übertrieben, zumindest aber sehr subjektiv. Meine Wahrnehmung ist da eine andere gewesen (aber gleichermaßen subjektiv).
 
Mein altes Mantra: so lange Menschen Content immer so billig wie möglich oder gar kostenfrei haben wollen, wird es keine wirklich unabhängigen Tester geben!

AchimK schrieb: Mein langjähriges Fazit: je größer das Lob, desto schlechter das Gerät in der Praxis !


Hm, hm, hm ... das halte ich für stark übertrieben, zumindest aber sehr subjektiv. Meine Wahrnehmung ist da eine andere gewesen (aber gleichermaßen subjektiv).
Diese Aussage bezog sich primär auf Fotozubehör, ABER sie gilt auch für Musik:
Einfache Probe; gucken was nach dem hochjazzen von Instrumenten oder Verstärkern und Zubehör wie Bodentretern zunächst hier diskutiert, gekauft und dann wieder verkloppt wird in der div. Fundgruben oder bei Bucht.Kleinanzeigen. Das braucht man gar nicht probieren. Gut ist doch nur was wirklich davon behalten wird !
 
Gut ist doch nur was wirklich davon behalten wird !
Auch wenn es gerade komplett OT wird, aber diese Aussage ist schlicht und ergreifend falsch. Das "Behalten" als Qualitätskriterium einzuführen, ist nicht schlüssig. Es haben sich mittlerweile seit vielen Jahren hervorragend funktionierende Zweitmärkte für nahezu alle Güter etabliert. Das heißt, Kunden wissen ganz genau, dass sie eine Sache ausprobieren können und im Anschluss relativ gefahrlos, also ohne massiven Wertverlust bei halbwegs guter Pflege, wieder verkaufen können. Mit dem Erlös lässt sich das nächste feine Pedal oder Instrument wunderbar anfinanzieren. Insofern ist der Gebrauchtmarkt so ziemlich der letzte Indikator, den man für Produktqualität heranziehen kann.

BTT: So lange die Tester zu tiefe wirtschaftliche Verflechtungen berücksichtigen müssen, wird sich das Bild nicht wesentlich wandeln. Wir haben es als Rezipienten der Testarbeit in der Hand, wie unabhängig diese ist.
 
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