tiefe Griffe ab E für Euphonium (4. Taste)

Primut
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Hallo,

ich bin gerade (als eigentlicher Tenorposaunist) zu einem 4-ventiligem Euphonium gekommen, und bin gerade am überlegen,
wie die 4. Taste am besten einzusetzen ist (mit 3 Tasten komme ich klar).
Soweit ich das bisher verstanden habe, wird ja empfohlen, die 4. Taste statt 1+3 zu spielen. Welchen genauen Hintergrund hat das?

Mit der 4. Taste komme ich ja nun auch eigentlich tiefer als nur bis zum E mit 1+2+3, aber ich habe dafür keine Grifftabelle gefunden,
die Bariton-Griffe bei Brass-Online gehen nur bis zum E aber eben nicht weiter bis zum C abwärts.
Was ist in dieser tiefen Lage bzgl. Intonation zu beachten? Oder habe ich hier einen Denkfehler?

Thanks
Primut​
 
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Soweit ich das bisher verstanden habe, wird ja empfohlen, die 4. Taste statt 1+3 zu spielen. Welchen genauen Hintergrund hat das?
Hintergrund ist die Naturtonreihe
1. Naturton: Grundton,
2. Naturton: Oktav des GT,
3. Naturton: Quinte des oktavierten Grundtons,
4. Naturton: zweite Oktav des Grundtons...

Der klingende Ton beruht auf einer stehenden Welle, die sich aufgrund der Luftsäule im Instrument ausbilden kann, wenn die Luftsäule von den schwingenden Lippen zu passenden Frequenzen angeregt wird.

Die Ventile steuern die Länge der Luftsäule durch ihre dazugehörigen Züge, die Luftsäule wird bei gedrücktem Ventil also immer verlängert.
Diese Verlängerung entspricht aber nicht exakt einem Ganzton, Halbton oder drei Halbtönen.

Bei tiefen Tönen fällt die Abweichung besonders auf und die Abweichungen des ersten Zuges und dritten Zuges addieren sich zwangsläufig, der Ton klingt hörbar zu hoch.
Ein viertes Ventil löst das Problem, weil sein Zug die reine Quart zwischen zweitem und dritten Naturton gut intoniert ermöglicht.
Auch der Tritonus klingt daher mit gedrücktem 2.+4. Ventil gut, während bei 1.+2.+3. Ventil aufwendig ausgeglichen werden muss.

Grifftabellen Vierventil-Euphonium
http://www.olemiss.edu/lowbrass/lowbrassmethods/charts/euphoniumbcfingering.pdf
Auf die teilweisen Unterschiede geht Norlan Bewley ein:
Unkompensiert: http://www.norlanbewley.com/euphonium/fingering-positions.htm
Kompensiert: http://www.norlanbewley.com/euphonium/fingering-positions-cv.htm

Grifftabellen sind als Vorschlag oder Standard zu verstehen. Beim eigenen Instrument können bei einzelnen Tönen der "falsche" oder besser gesagt "alternative" Griff die besser intonierende Lösung sein.

Gruß Claus
 
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Hallo @zonquer ,

Ja, richtig, genau das habe ich gesucht, manchmal sieht man den Ton vor lauter Hörnern gar nicht..... :D
werd nächstes Mal auch auf Englisch suchen.

...der Ton klingt hörbar zu hoch.

Gut zu wissen. :great:
Dann klingen also verallgemeindernd gesagt - aufgrund der Eigenart der Naturtonreihe - die Tiefen zu hoch und die Höhen zu tief.
Hätte mir mein Lehrer vor 30 Jahren ja ruhig auch mal sagen können...., schön zu wissen, in welche Richtung man ausgleichen muss.
Ich denke, das hilft mir deutlich weiter. Besten Dank.

musikalische Grüße
Primut​
 
Dann klingen also verallgemeindernd gesagt - aufgrund der Eigenart der Naturtonreihe - die Tiefen zu hoch und die Höhen zu tief.
Höhen zu tief? Nicht, dass ich wüsste.
Ich kann noch etwas weiter ausholen, aber einfacher wird die Erklärung dadurch nicht. :nix:

Das Euphonium hat eine weitmensurierte konische Konstruktion, die einer "hyperbolischen Formel" folgen muss, um auf ihrem Grundton optimal zu stimmen.
Dann kann man auf diesem Grundton eine relativ stimmige Naturtonreihe darauf erzeugen. Relativ deshalb, weil es bereits handwerklicher Erfahrung bei der Fertigung bedarf, damit z.B. der vierte Naturton tatsächlich möglichst genau doppelt so hoch klingt wie der zweite Naturton usw.

Nun hat das Instrument seine Ventile.
Drückt man ein Ventil, so verlängert das die Luftsäule, man spielt aber natürlich wiederum die Töne aus einer (neuen) Naturtonreihe.

Angenommen, der Grundton eines Euphoniums ist B (engl. Bb), so spielt man bei gedrücktem 1. Ventil aus der einen Ganzton tieferen Naturtonreihe, also ein Euphonium mit (temporären) Grundton As (engl. As).
In gleicher Weise funktioniert das für die anderen Ventile und die Ventilkombinationen.

Für jeden Grundton (= gedrücktes Ventil oder Kombinationen von Ventilen) ändern sich die Werte der hyperbolischen Formel, der Verlauf des Instruments (Rohr und Schallstück) müsste also jeweils etwas anders ein, um optimal zu stimmen.

Es ist klar, dass sich Abweichungen bei Ventilkombinationen addieren.
Ebenfalls kar sollte jetzt sein, warum es alternative Griffe gibt und das Instrument bei diesen unterschiedlich ansprechen kann und auch unterschiedlich intoniert.
Ein Beispiel: Euphonium Grundton B (engl Bb)


In der Praxis optimiert man Instrumente, um die unvermeidlichen Abweichungen für die betreffenden Töne in einem Bereich zu halten, der vom Spieler leicht mit dem Ansatz ausgeglichen werden kann (≤ 10 Cent, sehr gut sind ≤ 5 Cent).


Unabhängig davon gibt es noch die Abweichungen einzelner Töne aus der Naturtonreihe gegenüber entsprechenden Tönen der gleichstufigen Stimmung.
Welche Abweichung für welchen Ton gilt, kann man gut aus einer Tabelle ablesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Oberton#als_Notenbeispiel

Auch diese Abweichugen sind durch Grifftechnit und Ansatz auszugleichen, in der unteren Oktav mit Ausgleichszügen oder beim Euphonium über das vierte Ventil und eventuell ansteuerbare Kompensationszüge.

Eine der bekanntesten Adressen für Forschungen in dieser Richtung ist das Institut für Wiener Klangstil,
an dem eine seit Jahren in der Industrie verbreitete Computervermessung der Blechblasinstrumentenakustik namens BIAS entwickelt wurde.
https://iwk.mdw.ac.at/

Gruß Claus
 

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