Freitag bis gestern fand in Berlin im AGORA, dem "Amfiteatr" von Bert Neumann vor der Volksbühne der sogenannte Antiken-Marathon statt.
Für die, die es interessiert:
Drauf gekommen bin ich eigentlich, weil Freunde von mir im Studium mit Theater zu tun haben und deshalb mit einem Kurs übers Wochenende in Berlin waren. Alle sechs Stücke habe ich mir nicht angesehen, habe mich allerdings zu vier (zwei mehr als geplant) hinreißen lassen.
Als erstes sah ich den Heiner Müllerschen
Prometheus, inszeniert von Dimiter Gotscheff. Man sah zum ersten mal das Bühnenbild (man = ich). Zwischen Publikum und den letzten vier Stufen, die hoch zum Eingang führen war alles mit Sand aufgefüllt, an beiden Seiten waren dreistöckig Container, vor denen sich jeweils ein Treppengrrüst befand, aufgetürmt - ein Bühnenbild von Bert Neumann. Außen prangte in großen schwarzen Lettern "
who let the dogs out", der englische Spruch darf bei ihm natürlich nicht fehlen.
Wenig literatur- bzw. dramaturgieerprobt fand ich es stellenweise doch recht langweilig (ist bei mir bei Theater meistens so). Das einzige was wirklich Spaß gemacht hat war die pathosdurchtränkte, doch sehr starke Performance des Hauptdarstellers Max Hopp. Viel ist zu diesem Stück nicht zu sagen. Prometheus wird eben gefesselt und diskutiert seine Ansicht der Dinge mit denen des Chores, Io, oder Götterboten.
Das minimalistische Bühnenbild bot im Prinzip nur eine rote, mindestens 6 Meter hohe Stange, an der der Prometheus ein paar mal hochkletterte und lauthals sein Leid klagte.
Darsteller Max Hopp lockerte die Stimmung auch ein wenig auf (und brachte damit wohl ein wenig Konzentration zurück), als ein junger Mann vom Klo zurückkehrend und von Hopps Blicken gefolgt auf seltsamen Umwegen seinen Platz erreichte und daraufhin vom noch an der Stange hängenden Prometheus "Hättste ja auch unten langgehen können, wäre schneller gegangen. Ist anstrengend, sich so lange zu halten." zu hören bekam. War witzig.
War ganz okay.
Vögel ohne Grenzen (Regie: Jérôme Savary) nach Aristophanes, welches im Anschluss lief, tat ich mir nicht an, da ich an diesem Tag die Sitzgelegenheit nicht unbedingt gemütlich fand. Dies stellte sich im Nachhinein als weise Entscheidung heraus, da es während des Stücks in Strömen goss. Es wurden zwar bei jeder Vorstellung Decken, Regenjacken sowie Sitzkissen ausgeteilt, aber trotzdem....

Der Theaterkurs war sich auch nach diesem zweiten Stück schon sicher, dies sei mit Abstand das schlechteste und langweiligste des Marathons.
Am Samstag saß ich dann zunächst in Brechts "
Die Geschäfte des Herrn Julius Cäsar" unter der Regie der Schauspielerin Silvia Rieger, die auch selber die Hauptrolle übernahm. Total durchgeblickt habe ich bei dem Stück nicht wirklich, wahrscheinlich da ich phasenweise aufgrund von Langeweileerscheinungen abschaltete. Zusätzliches Bühnenbild gab es keins. Das Stück bot anfangs ellenlange Monologe ohne großartige Regieideen. Der längste war sogar absichtlich unnatürlich langsam vorgetragen, was meine Geduld doch arg auf die Probe stellte. Dennoch wandelte sich dies im Laufe der Zeit, bekamen die Texte der Figur von Silvia Rieger (wer nun wer war und wie sie alle hießen, weiß ich überhaupt nicht mehr) etwas mehr Gefühl und Dynamik.
Zu Bestaunen war die Schauspielleistung von Mandy Rudsky, deutlich jünger als die erfahrene und mimisch versierte Silvia Rieger, dennoch deutlich in einer höheren Liga spielend. In "Die Geschäfte des Herrn Julius Cäsar" hatte sie zwar nur selten die Möglichkeit, zu glänzen, dennoch tat sie das zB in Castorfs "Kean" zur Genüge.
Im Endeffekt aber nicht sondernlich spannend, das gute Stück.
Im Anschluss lief "
Medea" - nach Seneca - unter Regie von Frank Castorf (versetzt mit "Heidegger auf der Krim" von Alexander Kluge), das Stück, auf das ich mich am meisten gefreut hatte. Wohl zurecht. Man war die ganze Zeit am Ball, es gab keine trockene Stelle, es herrschte eine tolle Stimmung. Das Bühnenbild bestand aus einem Zelt im Flüchtlingslook (mit später laufendem, cartoonspielendem Fernseher drin - für eine ordentliche Kontrastierung der Szene allerdings zu leise), einer Feuerstelle und im Sand verteilten ramponierten Plastikflaschen sowie -tüten.
In literarischer Hinsicht kann ich, wie bei allen anderen auch, nichts sagen, aber schauspielerisch waren doch einige Augenschmäuse zu bewundern. Vor allem Marc Hosemann, der wegen eines Kreuzbandrisses oder so mit Krücken über die Bühne sprang und huschte, zeigte sich doch recht ausdauernd und spielsicher. Ganz zu schweigen von Jeanette Spassove in der Rolle der Medea.
Es gab sogar zwei kleine Kinderrollen (natürlich auch von Kindern gespielt), von denen einer sogar lachen musste, als er von einer ihn an der Hand haltenden Medea angeschrien wurde. Auch dem anderen Knaben konnte man etwas Mitgefühl entgegenbringen, musste er doch eine Weile am Fenster neben einer wütenden Jeanette Spassova - mit rot getränktem Küchenmesser in der Hand - stehen. Und sich von dieser den Kopf abschneiden lassen.
Im Fazit das beste der vier Stücke, die ich dort sah. Es gab zwar keine vielen Ausraster, auf-der-Bühne-rumbrüllen, mit-Requisiten-herumturnen (was wohl am örtlichskeitsbedingten Bühnenbild lag) oder sonst irgendwelches Schauspieler-zum-Äußeren-treiben, wie man es von Castorf vielleicht erwarten wurde, sehr zugunsten des Stückes. Diese Elemente hätten nicht so sehr in die karge Atmosphäre von "Medea" hineingepasst.
Was mir schlechte Laune bereitete, war die Tatsache, dass wir, (ich und besagten KumpellZ) das einzige Stück ohne Nacheinlass dank einer fünfminütigen Verspätung unsererseits verpassten. Dabei handelte es sich um "
Antigone". Unglücklicherweise schwärmten alle anderen aus dem Kurs, die pünktlich da waren, von diesem Stück und es mache ja so einen Spaß, mal wieder gutes Theater zu sehen, das könne man den ganzen Tag tun. Menno.
Muss wohl n andermal sein. Naja, am Alexanderplatz hat so n Brite ne recht gute Beatbox-Veranstaltung hingelegt.
Stattdessen (und mit wieder etwas besserer Laune) beschloss ich dann, mir "
Ein Chor Stasimon", inszeniert von Mikael Marmarinos, anzusehen. Mit ca. 60 Minuten das wohl kürzeste Stück des Marathons.
Regietechnisch durchwachsen, weniger schwache Stellen als die von mir gesehen nicht-castorfschen Stücke, textlich dennoch nicht immer sonderlich interessant. Als Bühnenbild gab es eine Vielzahl an aus Sand erbauten Miniaturantikengriechengebäuden.
Viel kann man dazu nicht sagen, es wurde ein wenig allgemein herumphilosophiert, über Berlin, über Städte, über Menschen eben. Ganz nett, aber keine wirklichen Ideen.
Fazit: Ganz nett eben.
Immerhin hatte ich ja 4 Tickets käufllich erworben, was mich dazu beflügelte, mir an der Kasse gegen eine Markierung dreier meiner Karten, mir eine sogenannte Überraschung auszusuchen. Zur Auswahl stand ne CD, ne Platte, n komisches Büchlein von Künstler Jonathan Meese, usw...
Die 19 Leute aus dem Kurs konnten natürlich ordentlich abstauben, da jeder von ihnen 6 Karten besaß.
Naja, habe ich im Endeffekt für 24 Euro ein gutes und drei ganz nette bis eher langweilige Stücke gesehen, ein anscheinend gutes verpasst und ne Schallplatte bekommen. Ist eigentlich ne ganz gute Bilanz.
Vielleicht hat's ja den einen oder anderen interessiert. Wenn nicht, lest halt richtige Kritiken, mein Gott.
