OneStone
HCA Röhrenamps
Hallo Forum!
Nachdem das Ganze immer wieder hochkommt, also diese Basisfragen, hier mal ein Thread dazu, ich versuche mal, die Gründe, Sinnhaftigkeit oder einfach die Zusammenhänge des Themas zu beleuchten bzw. zu erklären.
Wenn ich Zeit hab, dann führe ich diese Art von Threads fort, wenn Interesse besteht. Aber nun zum Thema:
Jedem Musiker wird gesagt, er braucht unbedingt gematchte Röhren für seinen Amp. Die Begründungen, die einem dafür gegeben werden, sind vielseitig, aber gibt es auch wirkliche, technisch fundierte Gründe?
Gründe für das Matchen
Zuerst einmal wollen die Röhrenhersteller oder -Wiederverkäufer Geld verdienen, das ist mit Sicherheit auch ein Grund.
Die Röhren, die heute gefertigt werden, haben hohe Toleranzen, sodass sich Röhren, die gleich sind, bei einigen Herstellern schon von der Masse abheben. Dabei werden nicht, wie Röhren, die außerhalb der Spezifikation sind, eben so zusammengesucht, dass Röhren, die gleich weit vom Soll weg sind, zusammenkommen. Früher war das nicht nötig, da wurden Röhren, die wirklich große Toleranzen hatten, einfach verschrottet, die kamen gar nicht erst in den Handel (Valvo, Siemens, Philips, Telefunken usw), heute sieht das eben anders aus.
Die nächste Frage ist, WIE gemessen wird, daher hier die
Methoden des Matchens
Möglichkeit #1: Messen an einem Arbeitspunkt:
Am primitivsten, und das wird leider oft gemacht, ist es, einfach eine definierte Heiz- (Uf), Anoden- (Ua), Schirmgitter- (Ug2) und Gittervorspannung (-Ug) anzulegen und dann den Anodenstrom zu messen, dann nimmt man einfach 2*n (n > 1 und ganzzahlig ) Röhren, die die gleichen Werte haben, bündelt die zusammen und verkauft sie so. Das ist ganz nett, aber bringt nicht wirklich viel, denn die Röhren sind nur in diesem einen Arbeitspunkt garantiert gleich, wie die Kennlinie darüber und drunter, also bei höherem/niedrigeren Strom aussieht, das weiß dann keiner.
Möglichkeit #2: Messen an mehreren Arbeitspunkten:
Vorgehensweise wie bei dem eben genannten, nur dass hier eben mehrere Punkte (so 2-3) gemessen werden, und die Röhren dann nach diesen 2-3 Punkten zusammengesucht werden. Das garantiert schonmal, dass die Röhren nicht total verschiedene Kennlinien haben, sprich, dass sie sich in einem Verstärker nicht nennenswert unterschiedlich verhalten, minimale Toleranzen fallen ja akustisch nicht auf.
Möglichkeit #3: Messen über die ganze Kennlinie:
Das hat ein namhafter Highend-Hersteller mal getan und viele tun es immer noch. Dabei wird der ganze Aussteuerungsbereich der Röhre gemessen und mit anderen verglichen. Das ist ungehauer aufwendig und lohnt einfach nicht, da es akustisch keinen Unterschied macht, nicht im Highend-Bereich, und noch viel weniger im Gitarrenamp-Betrieb.
Somit ist die Möglichkeit #2, also das Messen an mehreren, wenigen Punkten, die beste. Und die wird auch meistens angewandt.
So, jetzt haben wir zwei gleiche Röhren und stecken diese in einen Amp.
Dabei taucht die nächste Frage auf:
Warum müssen die Röhren gematched (gleich) sein?
Das folgende gilt für alle Gegentakt-Amps.
Der Hauptgrund ist nicht, dass das besser klingt als zwei ungematchte Röhren, Klang ist bekanntlicherweise subjektiv und das Bestücken einer Endstufe mit ungematchten Röhren ist teils klanglich nicht zu unterscheiden, teils klingt es durch den zusätzlichen Klirrfaktor einfach "röhriger".
Nein, der Grund ist ein anderer. Viele Gitarrenamps, sogar die mit 4 Endröhren, haben nur ein BIAS-Poti, das heißt, die Röhren können nur auf EINE Gittervorspannung eingestellt werden, dann müssen natürlich alle Röhren bei der selben Gittervorspannung den selben Ruhestrom ziehen.
Der Grund hierfür ist, dass der Amp sonst brummen würde, das Matchen dient hier also der Brummneutralisation. Die Endröhren arbeiten ja "gegeneinander", daher neutralisiert sich Brumm, der in praktisch jedem Amp auf der Anodenspannung der Endstufe noch vorhanden ist, im Ausgangsübertrager. Das funktioniert aber nur, wenn der Ruhestrom an beiden Enden des AÜ gleich groß ist, sprich die Röhren den gleichen Ruhestrom ziehen. Das ist, wenn man nur ein Poti hat, nur bei gleichen Röhren zu gewährleisten, ansonsten zieht eine Röhre mehr Strom, der Brumm subtrahiert sich nicht mehr zu Null und es brummt im Lautsprecher.
Bei den hohen Wirkungsgraden, die Gitarrenlautsprecher haben, passiert das ziemlich schnell und stört auch ungemein. FENDER hat es schon vor langer Zeit praktiziert, einer Röhre eine feste Gittervorspannung zu geben und die andere einstellbar zu machen, der Verstärker wurde dann einfach auf minimalen Brumm eingestellt, fertig.
Der genaue Wert des Ruhestroms ist absolut EGAL, er sollte sich nur im vom Hersteller - oder eben, wenn man mehr Ahnung von der Materie hat, von der objektiven Belastbarkeit der Schaltung - vorgegebenen Grenzwerte bewegen.
So, das ist der eine Grund. Der andere ist die Leistungsverteilung. Diese ist in einem Verstärker mit nur zwei Endröhren relativ unkritisch, die Endröhren in einem Gitarrenamp werden teils eh übelst belastet, woraus auch die kurze Lebensdauer von Endröhren in diesem Anwendungsbereich resulitert, obwohl diese eigentlich im B-Betrieb arbeiten (die meisten), und daher der Röhrenverschleiß minimal sein sollte. Die Hauptaufgabe des Matchens ist hier also die BRUMMNEUTRALISATION.
Bei vier oder mehr Endröhren ist es zum Überleben der Endröhren absolut notwendig, dass sich die Verlustleistung gleichmäßig auf die Endröhren verteilt. Ist dies nicht der Fall, so wird die beste Röhre am schnellsten kaputtgehen, da sie den meisten Strom abbekommt und somit auch die meiste Verlustleistung zu verarbeiten hat.
So, genug gelernt, kommen wir zur
Zusammenfassung
Endstufe mit einer Endröhre (Class A single ended, z.B. AX84 project)
-Matchen unnötig
-Meist Autobias-Schaltung, also Plug & Play
Endstufe mit 2 Endröhren (Class B/AB/A, Push Pull, praktisch jeder 50W Amp)
-Matchen unnötig, wenn zwei BIAS-Trimmer vorhanden sind, ansonsten gematchte Röhren einbauen, einfach gematchte reichen, da es hier ja nur um den Brumm geht.
-BIAS-Einstellung bei Endstufen mit größerer Leistung notwendig, bei EL84 oder EL34 in Class A teils Autobias-Schaltung vorhanden, hier muss nichts eingestellt werden
Man kann also in Endstufen mit 2 Endröhren beliebige Endröhren kombinieren, man kann sogar EL34 & KT88 oder EL34 & 6L6GC reinstecken, also verschiedene Röhren, wenn man das BIAS eben dementsprechend einstellen kann. Mit verschiedenen Röhrentypen klingt das allerdings meist etwas schräg...gegen gleiche Typen, also z.B. eine EL34 von JJ und eine von EH ist nichts einzuwenden.
Endstufe mit >2 Endröhren (Class B/AB/A, Push Pull, praktisch jeder >80W Amp)
-Matchen nötig, sonst kann die Endstufe abbrennen
-BIAS-Einstellung notwendig
Einschränkend ist hier zu sagen, dass man, falls man zwei BIAS-Potis oder ein BIAS und ein Symmetrie-Poti hat, zwei gematchte PAARE einbauen kann, dann braucht man kein Quartett, da die Lastverteilung nur innerhalb der Röhren, die zusammenarbeiten, kritisch ist, und die ist ja durch das Matchen in mehreren Punkten gesichert. Bei Endstufen mit 8 Endröhren würden dann zwei Quartette genügen usw...
Schlusswort
So, soviel erstmal dazu, es war viel Arbeit, diesen Text zu schreiben, ich hoffe, dass er vielen Usern helfen kann, wenn es Fragen gibt, bitte hier gleich fragen, ich freue mich über jedes Feedback, also Kommentare, Fragen, Korrekturen usw, das motiviert zum Weitermachen .
Keep rockin'
MfG OneStone
Nachdem das Ganze immer wieder hochkommt, also diese Basisfragen, hier mal ein Thread dazu, ich versuche mal, die Gründe, Sinnhaftigkeit oder einfach die Zusammenhänge des Themas zu beleuchten bzw. zu erklären.
Wenn ich Zeit hab, dann führe ich diese Art von Threads fort, wenn Interesse besteht. Aber nun zum Thema:
Jedem Musiker wird gesagt, er braucht unbedingt gematchte Röhren für seinen Amp. Die Begründungen, die einem dafür gegeben werden, sind vielseitig, aber gibt es auch wirkliche, technisch fundierte Gründe?
Gründe für das Matchen
Zuerst einmal wollen die Röhrenhersteller oder -Wiederverkäufer Geld verdienen, das ist mit Sicherheit auch ein Grund.
Die Röhren, die heute gefertigt werden, haben hohe Toleranzen, sodass sich Röhren, die gleich sind, bei einigen Herstellern schon von der Masse abheben. Dabei werden nicht, wie Röhren, die außerhalb der Spezifikation sind, eben so zusammengesucht, dass Röhren, die gleich weit vom Soll weg sind, zusammenkommen. Früher war das nicht nötig, da wurden Röhren, die wirklich große Toleranzen hatten, einfach verschrottet, die kamen gar nicht erst in den Handel (Valvo, Siemens, Philips, Telefunken usw), heute sieht das eben anders aus.
Die nächste Frage ist, WIE gemessen wird, daher hier die
Methoden des Matchens
Möglichkeit #1: Messen an einem Arbeitspunkt:
Am primitivsten, und das wird leider oft gemacht, ist es, einfach eine definierte Heiz- (Uf), Anoden- (Ua), Schirmgitter- (Ug2) und Gittervorspannung (-Ug) anzulegen und dann den Anodenstrom zu messen, dann nimmt man einfach 2*n (n > 1 und ganzzahlig ) Röhren, die die gleichen Werte haben, bündelt die zusammen und verkauft sie so. Das ist ganz nett, aber bringt nicht wirklich viel, denn die Röhren sind nur in diesem einen Arbeitspunkt garantiert gleich, wie die Kennlinie darüber und drunter, also bei höherem/niedrigeren Strom aussieht, das weiß dann keiner.
Möglichkeit #2: Messen an mehreren Arbeitspunkten:
Vorgehensweise wie bei dem eben genannten, nur dass hier eben mehrere Punkte (so 2-3) gemessen werden, und die Röhren dann nach diesen 2-3 Punkten zusammengesucht werden. Das garantiert schonmal, dass die Röhren nicht total verschiedene Kennlinien haben, sprich, dass sie sich in einem Verstärker nicht nennenswert unterschiedlich verhalten, minimale Toleranzen fallen ja akustisch nicht auf.
Möglichkeit #3: Messen über die ganze Kennlinie:
Das hat ein namhafter Highend-Hersteller mal getan und viele tun es immer noch. Dabei wird der ganze Aussteuerungsbereich der Röhre gemessen und mit anderen verglichen. Das ist ungehauer aufwendig und lohnt einfach nicht, da es akustisch keinen Unterschied macht, nicht im Highend-Bereich, und noch viel weniger im Gitarrenamp-Betrieb.
Somit ist die Möglichkeit #2, also das Messen an mehreren, wenigen Punkten, die beste. Und die wird auch meistens angewandt.
So, jetzt haben wir zwei gleiche Röhren und stecken diese in einen Amp.
Dabei taucht die nächste Frage auf:
Warum müssen die Röhren gematched (gleich) sein?
Das folgende gilt für alle Gegentakt-Amps.
Der Hauptgrund ist nicht, dass das besser klingt als zwei ungematchte Röhren, Klang ist bekanntlicherweise subjektiv und das Bestücken einer Endstufe mit ungematchten Röhren ist teils klanglich nicht zu unterscheiden, teils klingt es durch den zusätzlichen Klirrfaktor einfach "röhriger".
Nein, der Grund ist ein anderer. Viele Gitarrenamps, sogar die mit 4 Endröhren, haben nur ein BIAS-Poti, das heißt, die Röhren können nur auf EINE Gittervorspannung eingestellt werden, dann müssen natürlich alle Röhren bei der selben Gittervorspannung den selben Ruhestrom ziehen.
Der Grund hierfür ist, dass der Amp sonst brummen würde, das Matchen dient hier also der Brummneutralisation. Die Endröhren arbeiten ja "gegeneinander", daher neutralisiert sich Brumm, der in praktisch jedem Amp auf der Anodenspannung der Endstufe noch vorhanden ist, im Ausgangsübertrager. Das funktioniert aber nur, wenn der Ruhestrom an beiden Enden des AÜ gleich groß ist, sprich die Röhren den gleichen Ruhestrom ziehen. Das ist, wenn man nur ein Poti hat, nur bei gleichen Röhren zu gewährleisten, ansonsten zieht eine Röhre mehr Strom, der Brumm subtrahiert sich nicht mehr zu Null und es brummt im Lautsprecher.
Bei den hohen Wirkungsgraden, die Gitarrenlautsprecher haben, passiert das ziemlich schnell und stört auch ungemein. FENDER hat es schon vor langer Zeit praktiziert, einer Röhre eine feste Gittervorspannung zu geben und die andere einstellbar zu machen, der Verstärker wurde dann einfach auf minimalen Brumm eingestellt, fertig.
Der genaue Wert des Ruhestroms ist absolut EGAL, er sollte sich nur im vom Hersteller - oder eben, wenn man mehr Ahnung von der Materie hat, von der objektiven Belastbarkeit der Schaltung - vorgegebenen Grenzwerte bewegen.
So, das ist der eine Grund. Der andere ist die Leistungsverteilung. Diese ist in einem Verstärker mit nur zwei Endröhren relativ unkritisch, die Endröhren in einem Gitarrenamp werden teils eh übelst belastet, woraus auch die kurze Lebensdauer von Endröhren in diesem Anwendungsbereich resulitert, obwohl diese eigentlich im B-Betrieb arbeiten (die meisten), und daher der Röhrenverschleiß minimal sein sollte. Die Hauptaufgabe des Matchens ist hier also die BRUMMNEUTRALISATION.
Bei vier oder mehr Endröhren ist es zum Überleben der Endröhren absolut notwendig, dass sich die Verlustleistung gleichmäßig auf die Endröhren verteilt. Ist dies nicht der Fall, so wird die beste Röhre am schnellsten kaputtgehen, da sie den meisten Strom abbekommt und somit auch die meiste Verlustleistung zu verarbeiten hat.
So, genug gelernt, kommen wir zur
Zusammenfassung
Endstufe mit einer Endröhre (Class A single ended, z.B. AX84 project)
-Matchen unnötig
-Meist Autobias-Schaltung, also Plug & Play
Endstufe mit 2 Endröhren (Class B/AB/A, Push Pull, praktisch jeder 50W Amp)
-Matchen unnötig, wenn zwei BIAS-Trimmer vorhanden sind, ansonsten gematchte Röhren einbauen, einfach gematchte reichen, da es hier ja nur um den Brumm geht.
-BIAS-Einstellung bei Endstufen mit größerer Leistung notwendig, bei EL84 oder EL34 in Class A teils Autobias-Schaltung vorhanden, hier muss nichts eingestellt werden
Man kann also in Endstufen mit 2 Endröhren beliebige Endröhren kombinieren, man kann sogar EL34 & KT88 oder EL34 & 6L6GC reinstecken, also verschiedene Röhren, wenn man das BIAS eben dementsprechend einstellen kann. Mit verschiedenen Röhrentypen klingt das allerdings meist etwas schräg...gegen gleiche Typen, also z.B. eine EL34 von JJ und eine von EH ist nichts einzuwenden.
Endstufe mit >2 Endröhren (Class B/AB/A, Push Pull, praktisch jeder >80W Amp)
-Matchen nötig, sonst kann die Endstufe abbrennen
-BIAS-Einstellung notwendig
Einschränkend ist hier zu sagen, dass man, falls man zwei BIAS-Potis oder ein BIAS und ein Symmetrie-Poti hat, zwei gematchte PAARE einbauen kann, dann braucht man kein Quartett, da die Lastverteilung nur innerhalb der Röhren, die zusammenarbeiten, kritisch ist, und die ist ja durch das Matchen in mehreren Punkten gesichert. Bei Endstufen mit 8 Endröhren würden dann zwei Quartette genügen usw...
Schlusswort
So, soviel erstmal dazu, es war viel Arbeit, diesen Text zu schreiben, ich hoffe, dass er vielen Usern helfen kann, wenn es Fragen gibt, bitte hier gleich fragen, ich freue mich über jedes Feedback, also Kommentare, Fragen, Korrekturen usw, das motiviert zum Weitermachen .
Keep rockin'
MfG OneStone
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