hack_meck
Lounge .&. Backstage
Tausch Electric Guitars - On Tour in Deutschland
hack_meck besucht die Gitarrenbauer Deutschlands
hack_meck besucht die Gitarrenbauer Deutschlands
Meinen ersten Kontakt zu Rainer Tauschs Gitarren hatte ich bereits vor mehreren Jahren, als eine Horde exquisiter Gitarren zwecks Video Aufnahmen bei mir zu Besuch war. Später sind wir dann immer mal wieder auf Messen ins Gespräch gekommen. Seine RAW 665 wirkt auf mich wie ein Magnet. Vertraut und doch so eigenständig ... und ... voller Innovationen.
Innovationen? Sieht erst mal nicht wirklich so aus ...
- 665 steht für die Länge der Mensur ... und diese ist bei der Tele sonst "nur" 648 mm
- Das Korpus-Holz ist Birne, Ahorn für den Hals, mit der Option eines Pflaume oder Rosewood Griffbrettes. Birne ist recht hart (und auch schwer, wodurch sich das Bullet 3 ergibt) und hat sehr viel Spank.
- Die Konstruktion hat hohle Flügel. Es ist also eine Semi-Akustik, die es so auf leicht über 3 kg bringt.
- Der Hals ist eingeleimt.
- Das Tremolo - sofern diese Option gewählt wurde - hat einen Pau Ferro (brasilianisches Eisenholz) Block, also Holz, statt Metall.
Ihr seht, es gibt allen Grund neugierig zu sein, zumal Rainer jetzt nicht mit diesen Eigenschaften Werbung betreibt, sondern es einfach so baut. Ursprünglich um sich damit für seine eigene Musik ein passendes Werkzeug zu bauen. Die Konstruktion selbst stammt bereits aus 1997. So richtig sich selbst ge(ver)traut - und damit seine Palette auf die 665 und 659 (Les Paul angelehnt) reduziert, hat er jedoch erst 2012. Seit dem auch mit neuem Logo - siehe oben.
In seiner Werkstatt befinden sich auch ein paar Relikte, die an die 15 Jahre experimentieren erinnern.
Rainer Tausch selbst ist gelernter Schreiner und nach eigenem Bekunden bereits in der Schule ein Rebell gewesen. Musik machen steht beim ihm ganz weit oben auf der Liste und so gibt es die Band mit der alles begann noch heute. Hendrixianer würde er sagen - Blues und Rock. Der Weg vom Schreiner zum Instrumentenbauer geht aber nicht nur über die Musik, sondern auch über die "Jobvermittlung" durch Ulrich Teuffel. Zur Erinnerung, beim Ulrich Teuffel gab es ganz früher sehr konventionelle Gitarren in Holz zu kaufen - auch wenn man es sich beim Bild einer Birdfish heute kaum noch vorstellen kann.
Die Werkstatt von Rainer ist Teil seines Hauses und hat +/- 30 qm ... in Werkshalle 1 . In den Nebenräumen befindet sich noch die Lackierstation - in der er täglich bis zu 5 L Farbe verarbeiten dürfte, bei ihm eher was für 3 Monate - und gelagertes Holz. Oben gibt es einen "Verkaufs- und Anspiel-Raum", der leider - oder zum Glück für meinen Geldbeutel - grade ziemlich geräubert ist.
Wir haben das Thema daher durch eine Order grade gezogen - und jetzt lautet die Devise Geduld - nicht grade meine Kernkompetenz . Wenn man nicht eine der wenigen Tausch Gitarren in freier Wildbahn (Kammler, Max-Store) kaufen mag, dann muss man ca. 9-12 Monate einplanen. Dafür gibt es dann aber auch eine Gitarre bei der - nach heutigen Maßstäben - überproportional viel von Hand gemacht ist. Einzig der Hals (und nur der für Rechtshänder) sieht die CNC von Ulrich Teuffel. Der Rest ist klassisch mit Fräse, Bandsäge und viel Schleifpapier erledigt.
Und kennt ihr auch den Unterschied zwischen einem 1 Mann Betrieb und einer Produktion? Richtig, beim 1 Mann Betrieb muss nur genau eine Person einen Gegenstand finden. Der Trend geht zur chaotischen Lagerhaltung (die nebenbei auch bei Thomann im großen Stil verwendet wird - der Computer ... also der eine Mann ... kennt den Lagerort ja genau, womit es egal ist, ob zwischen den Gitarren ein Bass liegt ).
Also, bevor es hier zu trocken wird ... ein wenig Werkstatt Talk ...
Wie ihr ganz oben bereits sehen konntet, kann man eine RAW 665 in deckend Lackiert, oder Nadelstreifen bekommen. Dazu hat Rainer auch immer ein paar "stunning" Stücke Holz im Vorrat. Er gönnt sich, ähnlich wie ich, immer einen Rundgang durch die Stände der Holzlieferanten auf den großen Messen.
Und dann packen wir die anderen "Holz" Bilder doch gleich mit dazu ...
Beim Hals gibt es zwei Grundvarianten ... Hardrock Maple, oder Flamed Maple. Auf Wunsch mit dunklem Griffbrett aus Pflaume oder Palisander.
Ich hatte bereits erwähnt, dass die Hälse die CNC von Ulrich Teuffel sehen. Allerdings wird dort "nur" der Rohbau erledigt und z.B. eine passgenaue Nut für den Halsstab geschaffen. Abgerundete Auflageflächen sorgen für Ruhe an der Stelle. Ausnahme sind "Linkshänder Hälse" - davon werden zu wenig benötigt, um den Aufwand des CNC programmieren zu gehen. Ausserdem sagt Rainer verschmitzt: "Auf diese Weise muss ich es regelmäßig auch immer mal wieder üben, damit ich es nicht verlerne." Üben konnte er übrigens grade, der aktuelle Kunde ist Linkshänder. Bevor wir aber zu diesem Thema weiter gehen, noch die Rest aus der Werkstatt.
Rohmaterial und per CNC vorbereitete Griffbrett Einlagen ...
PickUps nimmt er von Harry Häussel, der nicht weit von ihm entfernt seine Produktion hat. Als Kunde hat man aber die freie Auswahl sich einen PickUp seiner Wahl auszusuchen. Rainers erste Wahl wäre jedoch sein Harry Häussel Tausch Sound Humbucker Set, da dieses besonders auch für die verwendeten Split Positionen des 5 Wege Schalters vorbereitet ist. Die Beiden haben den Spulen unterschiedliche Wicklungen (kOhm) verpasst, was dann perfekt (in der Soundwelt von Rainer) zur Gitarre passt. Um dabei auch den Flair der Tele erhalten zu können, lässt er von T-Tune ein klassisches Tele Blech fertigen, welches eine HB Öffnung besitzt und es ihm erlaubt, den HB ins Holz und nicht ins Metall zu setzen. Die graden Reiter täuschen da etwas, denn durch die Kerbe ist der "Scheitelpunkt" jeweils leicht versetzt und eine "Schrägstellung" wird nicht benötigt. Sieht mehr nach Ur-Tele aus, lässt sich aber besser einstellen.
Als Alternative zur "fixed Bridge", gibt es primär das Vintage Tremolo - in diesem Fall mit Pau Ferro Holzblock. Dieser ist 200g leichter als der typische Stahlblock und er legt einen ganz sachten "Weichzeichner" auf den Sound, was den Spank der Birne etwas entschärft. Und auch wenn Holz an der Stelle untypisch erscheint, braucht man sich über die Haltbarkeit keine Sorgen machen. Die Federn werden in eingesetzten Messinghülsen eingehängt, der Trem Hebel besitzt eine Buchse die ihm halt gibt. Zusätzlich ist der Tremolo Hebel mit einem Kunststoffring versehen, der "klappern" eliminiert.
Nächste Besonderheit sind die Highwood Sättel. Der typische Fender Sattel hat nur am oberen Ende der Sattelauflage Material und ist unten offen. Dadurch ist das Gewinde auch nur oben vorhanden. Die Einstellschrauben müssen also oben greifen und dürfen daher nicht zu kurz sein. Die Folge ist oftmals, dass die Schrauben - sofern nicht vom Gitarrenbauer gekürzt - oben heraus schauen und den Handballen, je nach Sichtweise, massiert oder malträtiert. Bei Highwood ist an dieser Stelle auch unten Material und Gewinde. Die Schrauben müssen also nicht oben passgenau sein, um ihren Zweck zu erfüllen.
Ein Bild habe ich noch vom Rohbau ... Alle Positionen werden genau aufgezeichnet und vermessen.
Zwischendurch hatte ich ja 2x die Besonderheit der Linkshänder Version angeschnitten. Gekommen sind wir auf das Thema, da Rainer für Andreas von Holst - Kuddel - Gitarrist bei den Toten Hosen - zum Zeitpunkt meines Besuches grade eine RAW 665 baute. Kuddel scheint eine Vorliebe für Gitarren aus Deutschland zu haben, denn in Sachsen lies er 2 akustische Instrumente bauen. Mittlerweile ist Rainer mit dem Instrument fertig geworden, daher lege ich noch ein paar Bilder von ihm bei.
Jetzt fertig ...
Neben den Eindrücken aus der Werkstatt, habe ich mich mit Rainer noch ziemlich gut über das Thema des "Sichtbar werden" als Gitarrenbauer unterhalten. Wenn man den Schritt in die Selbständigkeit geht und sich auf "seine" Form und deren Akzeptanz verlässt, dann reicht es nicht, wenn man gute Gitarren baut. Die Kunden müssen auf einen aufmerksam werden. Zum Glück hat sich die Boutique Szene in den letzten Jahren positiv entwickelt und einen festen Platz gefunden in der Wahrnehmung der Kunden. Es muss nicht mehr F oder G sein um geil zu sein.
Unterstützt durch Messen, wie die Holy Grail Guitar Show in Berlin, einer gesonderten Ausstellungsfläche auf der NAMM (erst seit wenigen Jahren), der FUZZ Show in Schweden und zuletzt auf der Summit in Mannheim, wird er sichtbar. Die Kunden die dort hin kommen, kommen gezielt um das Besondere zu sehen. In diesem "Showcase" ist die "unaufgeregte Form und Gitarre" von Rainer Tausch, schon fast die Besonderheit. Sie zieht Blicke auf sich. Und so hat auf der Summit ein japanischer Händler die Chance genutzt und eine Order platziert. Zur Auslieferung ist Rainer dann selbst nach Japan geflogen ... und somit nun offiziell von Tokio bis L.A. vertreten. Eine bemerkenswerte Verbreitung, wenn man bedenkt, dass er nur +/- 30 Gitarren im Jahr baut.
Auch interessant in diesem Zusammenhang, ist das von Jamie Gale organisierte Format. http://www.jamiegalemusic.com/boutiqueguitarsshowcasetourusa.html ... Er besucht mit einer "mobilen Messe" die größeren Händler in den USA und macht damit die Nik Hubers und die Rainer Tauschs der Szene in entlegenen Winkeln erreichbar. Er verkürzt den Weg des Kunden zum Instrument.
Vieles von dem hier in Schriftform besprochenen, findet ihr auch im Interview. In Rainers eigenen Worten und mit weiteren Informationen und Geschichten.
Vielen Dank an Rainer für einen spannenden Tag mit tollen Gesprächen. Vielen Dank auch für das "setzen einer neuen G.A.S. Attacke" , die sich wie folgt darstellt ...
In freudiger Erwartung
Gruß
Martin
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