Gottogott...da brauche ich noch ein paar Jahre, bis ich mich da ran traue
Hallo Reinhard,
da kommen wir der Sache ja langsam näher: ein konkretes Notenbeispiel mit einer Schwierigkeitsgrad-Einschätzung Deinerseits.
Vielleicht lohnt es sich trotzdem oder gerade deshalb, genau dieses Beispiel "Donna Vatra" aus Schotts Tango-Album, das uns ja nun allen in der Vorschau vorliegt, näher zu beleuchten.
Sind das für Dich momentan noch unüberwindbare Schwierigkeiten, oder kommt Dir das eventuell nur so von? - Das ist die Frage, die ich mir gerade stelle.
Donna Vatra
Es handelt sich um einen "deutschen Tango", wie er im Berlin der 20er und 30er Jahre populär war (auch, wenn die Tango-Sinfonie mit "argentino" bezeichnet ist...
)
Der Komponist Otto Köpping ist 1926 gestorben, d. h. er ist schon hinreichend lange tot, daß man auch notfalls ein paar Töne hier aufschreiben könnte, ohne, daß gleich Rechtsanwälte Geld verdienen wollen. Also ein ideales Versuchsobjekt.
Tonart: A-Moll -> keine Vorzeichen: das ist schon mal unproblematisch!
Linke Hand: Es kommen eigentlich nur die drei stradella-benachbarten Akkorde Am, Dm und E7 vor. Als Exoten noch einmal F und am Schluß G und C, zum Glück mit jeweils kleiner Pause zum "kontrollierten Springen". Wechselbaß von A nach E ist auch mehr oder weniger Standard.
-> keine sonderlichen Schwierigkeiten in der linken Hand,
außer vielleicht: rhythmische Schwierigkeiten!
Rechte Hand: Bevor Du einen Schreck bekommst: die Ossia-Zeilen (die kleiner gedruckten Zeilen mit den Zweiunddreißigstel-Noten) sind ja nur als Alternative gedacht, die mußt Du nicht spielen!
Der Rest ist bei Licht betrachtet technisch eigentlich auch nicht besonders schwer,
außer vielleicht: rhythmische Schwierigkeiten!
Erkenntnis:
Ich sehe da auf den ersten Blick vor allem
rhythmische Schwierigkeiten für einen Einsteiger, und da sind wir genau beim springenden Punkt:
Tango wird durch die spezielle Spielweise, Artikulation, Betonung, Rhythmik erst zum "richtigen" Tango, und wenn man versucht, die kleinen Akzentverschiebungen, Figuren, Überbindungen/Synkopen möglichst genau aufzuschreiben, liegt das notgedrungen über Anfängerniveau.
Das alles verliert nur seinen Schrecken, wenn einem die Figuren langsam vertraut werden, und wenn man weiß, wie es sich anhören soll (sonst zählt man sich eventuell zu Tode).
Beispiele:
Gleich die Triolen am Anfang: Der Wechsel zwischen Triolen und "geraden" Noten ist im Tango nicht unüblich. Läßt man das weg, verliert der Tango.
Die Sechzentelpause (gleich im Auftakt, später immer wieder) verdeutlicht das abrupte Abreißen des Tones und Neueinsetzen nach einer kleinen Pause, gewissermaßen nach einem kleinen Stocken/Erstarren. Das ist ein wesentliches Charaktermerkmal der Tangos. Läßt man das weg, verliert der Tango.
Wechsel von gebundenen und Staccato-Noten: Auch das trägt dazu bei, daß der Tango lebendig wird. Läßt man es weg, verliert der Tango.
Fazit:
Ich könnte deshalb wetten, daß Dir vor allem die "Zählerei" unüberwindlich schwierig vorkommt (stimmt's?).
Du möchtest möglichst "echten" Tango lernen, alles zu sehr vereinfachte inspiriert Dich (verständlicherweise) nicht.
Nun, das, was Dir Schwierigkeiten macht, macht vor allem deshalb Schwierigkeiten, weil es für Dich neu und anders ist. Dummerweise ist aber
genau das der wesentliche Schlüssel zum Tango.
Lösungsmöglichkeiten:
Es hilft nichts, wenn man diese Schwierigkeiten wegvereinfacht, denn dann ist's kein Tango mehr...
Deshalb nochmal Mut fassen und genauer hinschauen:
Die rhythmisch schwierigen Stellen wiederholen sich in dieser Form immer und immer wieder. Wenn Du die "Triolen-Stelle" vom Auftakt einmal intus hast, laufen die anderen fünf entsprechenden Stellen genauso.
Wichtig ist hier auch das typische um ein Achtel "verzögerte" Einsetzen: Luftholen, und auf "und" geht's los!
Kleine Rhythmusübung, mit der Du schon 80% der rhythmischen Schwierigkeiten in diesem Stück aus der Welt schaffen kannst:
Es kommt hier
nicht auf die gespielten Töne an, sondern nur auf den Rhythmus - das kannst Du auch klatschen.
Die Noten habe ich absichtlich so auseinandergezogen, daß man die gleichmäßig durchlaufenden Achtel gut erkennen kann und jede Note den Platz einnimmt, der ihrer Dauer entspricht.
Wenn Du diesen Abschnitt bis zur Geläufigkeit "in Endlosschleife" spielst/klopfst, hast Du die wahrscheinlich größte Hürde des Stücks gemeistert.
Viele Grüße
Torsten