Takt(2) vom Sandmann-Lied

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kron
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Hallo,

da meine Tochter seit kurzem aufs Sandmännchen steht, höre ich nun jeden Abend dieses Lied:


Da zählt der innere Musiker natürlich mit, und ich muss sagen, dieses Stück ist faszinierend vielfältig interpretierbar, was den Takt angeht.
In allen Notationen, die ich finden konnte, ist das gesamte Stück in 3/4, mit einem einmaligen 2/4-Einschub bei "-wiss noch".
So geht auch alles auf, alles super.
Nur, dass man dabei sehr "unnatürlich zählen muss manchmal.
Ich schreibe hier mal den Text und füge ein | bei jedem Taktwechsel ein, so wie in der Notation:

|Sandmann, lieber |Sandmann, es |ist noch nicht so |weit, wir |sehen erst den |Abendgruß|, ehe jedes |Kind ins Bettchen muss|, du hast ge|2wiss noch| Zeit

Sieht erst mal normal aus, aber mit dem gesungenen Rhythmus passt das für mich ab Abendgruß nicht mehr. Der nächste Takt fängt nämlich schon mitten in "-gruß" an. Und der übernächste Takt mit Kind im Anfang wirkt auch unpassend.
Ich notier es mal, wie es für mich irgendwie mehr Sinn macht, vom Rhythmus und vom Melodieverlauf. Ich schreibe die Taktung jeweils nach den Strich

|3 Sandmann, lieber |3 Sandmann, es |3 ist noch nicht so |3 weit, wir |3 sehen erst den |4 Abendgruß, |4 ehe jedes Kind ins Bettchen |2 muss, |4 du hast gewiss noch |3 Zeit

Klar, von 3/4 auf 4/4, 2/4, wieder 4/4 und dann wieder 3/4, das kann so nicht stimmen. Aber wie gesagt, vom ganzen Flow des Stücks macht es doch viel mehr Sinn, oder?

Ich fange jetzt mal nicht noch an, dass ich die Intro-Melodie bis auf den letzten Takt auch in 4/4 zähle, mit dem ersten Ton auf 1 beginnend, statt wie notiert in 3/4 auf 2 beginnend.
Verrücktes Stück.
 
Eigenschaft
 
Klar, von 3/4 auf 4/4, 2/4, wieder 4/4 und dann wieder 3/4, das kann so nicht stimmen. Aber wie gesagt, vom ganzen Flow des Stücks macht es doch viel mehr Sinn, oder?

Nein.
Finde ich nicht.

Die von Dir zitierte "offizielle Notation" ist schon stimmig.

Du hängst Dich nur am Text auf, aber ignorierst den Harmonischen Rhythmus, bzw. WO die Harmoniewechsel stattfinden.

LG
Thomas
 
Da zählt der innere Musiker natürlich mit, und ich muss sagen, dieses Stück ist faszinierend vielfältig interpretierbar, was den Takt angeht.

Nicht umsonst wurde das Stück oft als zu komplex für die Zielgruppe bezeichnet.
Rhythmisch anspruchsvoll, zumal für ein Kinderlied.

Inhaltlich muss ich @turko vollumfänglich recht geben, wobei ich durchaus der Meinung bin, dass der Sprachfluss bzw. das Metrum auch zur Musik passt und die natürlichen, oder besser: "gedichttypischen", Betonungen und Phrasen gut mit der Melodie, dem Grundpuls und somit dem gewählten Takt harmonieren.


In allen Notationen, die ich finden konnte, ist das gesamte Stück in 3/4, mit einem einmaligen 2/4-Einschub bei "-wiss noch".

Nicht in allen! (siehe unten)
Von daher bist Du nicht allein mit Deiner Auffassung.

Ansonsten: Eingeschobene "Ausnahmetakte" sind auch in der Rock- und Popmusik nicht ungewöhnlich, das fängt schon bei A wie Africa (Toto) oder All You Need is Love (Beatles) an und hört dann noch lange nicht auf.


[...] Ich notier es mal, wie es für mich irgendwie mehr Sinn macht, vom Rhythmus und vom Melodieverlauf. [...]

Ich habe mal die von Deinen Änderungen betroffene Zeile (unten) dem Original (oben) gegenübergestellt. Rot soll hier nicht unbedingt "falsch" bedeuten, sondern die Abweichung hervorheben.
Die Taktstriche habe ich blau gefärbt, verdickt und verlängert, damit man die gegeneinander verschobenen Strukturen bei absolut identischer Melodie deutlicher sieht:
sandmann-1.png

Für mich sind die natürlichen Schwerpunkte ("auf die 1") bei Abendgruß, Kind, gewiss in der Originalversion mit dem 3/4-Takt doch wunderbar abgedeckt, der grün hervorgehobene verkürzte "Schalttakt" spiegelt sich auch in der Begleitstimme (Gitarre) wider.
Ungewöhnlich für Kinderlieder sind eben die übergebundenen Noten und die versetzten Einsätze.


Ich fange jetzt mal nicht noch an, dass ich die Intro-Melodie bis auf den letzten Takt auch in 4/4 zähle, mit dem ersten Ton auf 1 beginnend, statt wie notiert in 3/4 auf 2 beginnend.
Verrücktes Stück.

Die DDR-Abendgrüße wurden auch u.a. in Norwegen ausgestrahlt und es gibt eine norwegische Bearbeitung für Blaskapelle bzw. gemischtes Ensemble.
Das ist kein fragwürdiger Internetfund, sondern ein kommerzielles Druckerzeugnis.
Abgesehen von der Feinheit, dass der (professionelle!) Arrangeur Bjørn Kjærnes generell 2/4 statt 4/4 verwendet hat, deckt sich sein Wechsel zwischen geradem und ungeradem Takt zufälligerweise (oder eben nicht zufällig) genau mit Deiner Interpretation. Auch und gerade in dem von Dir erwähnten Intro.

Deshalb habe ich einem Komplett-Durchlauf beide Varianten gegenübergestellt (Melodie, Vor- und Nachspiel am Original orientiert, da lässt sich Kjærnes teilweise künstlerische Freiheiten, außerdem habe ich in die Original-Tonart transponiert).
Da das norwegische Sandmännchen "Jon Blund" heißt, ist die zweite Zeile so bezeichnet.
Die abweichenden Takte sind wieder rot eingefärbt:

sandmann-2.png



Das entspricht doch genau Deiner Sichtweise, abgesehen davon, dass er sich durch konsequente 2/4-Anwendung noch die Wechsel zwischen 4/4 und 2/4 spart.

Nichtsdestotrotz halte ich die Original-Variante für naheliegender, konsistenter, natürlicher und einfacher.

Viele Grüße
Torsten
 
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Oha, bei dem Begriff "Schalttakt" hat es bei mir ge-blitz-dingst (Film Men in Black) und mein Gehirn hat es als "Schalktakt" uminterpretiert!

Sinngemäß einen Schalk im Nacken haben. :D

Wie oben schon erwähnt, sind Wechsel manchmal sehr willkommene strukturelle Elemente hinsichtlich Betonung usw.

Gutes Beispiel Solsburry Hill von Peter Gabriel:

Strophe und Bridge/Prechorus sind beide 7/4 Takte. ABER: Die Strophe hat die Zählweise 4+3 und die Bridge 3+4.

Rhythmus folgt dem Text und dessen Schwerpunktbetonungen.
 
[...] und mein Gehirn hat es als "Schalktakt" uminterpretiert!
"Schaltkackt" wäre schlimmer gewesen... :embarrassed:
"Schalttakt" ist auch kein musikalischer Fachbegriff, ich fand ihn aber in diesem Zusammenhang irgendwie passend.

Bleibt nur die Frage: Welche Sandmännchen-Variante erscheint Dir aus Deiner Trommler-Sicht plausibler?

Viele Grüße
Torsten
 
Wenn ich nach obigen Grafiken entscheiden müsste, sehe ich keinen Unterschied.
Beschwerden müsste man an Walter Ulbricht schicken. :cool:
 
Nicht umsonst wurde das Stück oft als zu komplex für die Zielgruppe bezeichnet.
Gut, dass die Tochter des TE das nicht zu wissen scheint. In dem Fall wäre dann wohl im Vorteil, wer nicht lesen kann :evil:
 
Gut, dass die Tochter des TE das nicht zu wissen scheint. In dem Fall wäre dann wohl im Vorteil, wer nicht lesen kann :evil:

Aber der Sandmann funktioniert trotzdem - denn:
Unwissenheit schützt vor Schlafe nicht.
 

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