Studium oder Job? Was ist ein Kompositionsabschluss wert?

Dave_inVain
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Hallo liebe Board-Kollegen!

Es sind die Entscheidungen, die 25-30jährige nun mal so belasten, wie sie es wahrscheinlich schon Jahrzehnte tun, aber jetzt sitze ich hier und Frage euch: Was soll ich tun?

Situation: zurueit studiere ich an einer anerkannten, sicherlich renommierten Uni Komposition. Ich habe gerade erst angefangen und merke, wie viel zu tun ist und dass es nichts mit meinem ersten (absolvierten) Studium der Germanistik in Sachen Niveau zu tun hat.

Die meisten Seminare haben für mich in meiner musikalischen Praxis keinen bis kaum Mehrwert. Ich erledige Hausaufgaben eher ungern.

Grund dafür ist, dass ich nebenbei freischaffend recht gut kompositorisch arbeiten kann. Ich bekomme viele Jobs und kann davon die Miete bezahlen. Ich liebe diese Arbeit, es ist das, was ich mir immer gewünscht habe und worin ich richtig gut werden möchte.

Weil ich gemerkt habe, dass ich in diesem Feld noch viel zu verbessern habe und mir das Studium dabei nicht hilft (sondern eher im Gegenteil: mir noch mehr nervenaufreibende Aufgaben in superspezifischen Bereichen aufzwingt), habe ich überlegt, das Studium zu schmeissen und mich auf meinen Traumjob zu konzentrieren.

Jetzt habe ich schreckliche Zweifel, denn ich arbeite in einer Branche ohne akademischen Abschluss: Uff. Mein spiessbürgerliches Lebenslaufgewissen macht mich fertig.

Daher meine Frage an euch:

Denkt ihr, es ist richtig/ wichtig/ nötig, 4 Jahre an der Uni durchzuziehen, um den Bachelor of Music schwarz auf weiss in der Hand zu halten?
Wie wichtig ist der Abschluss/ der Wisch?

Lg und danke-

INV
 
Eigenschaft
 
Ich habe kein musikalisches Studium gemacht, aber glaube nicht, dass das in anderen Bereichen großartig anders ist. Du zeigst dass du Zahnfleisch hast und dich durch eine unangenehme Arbeit wühlen kannst. Vielleicht ist es noch eine gewisse Garantie, dass du bestimmte Grundbegriffe schon mal gehört hast.

An deiner Stelle würde ich überlegen: wie lange kannst du deinen jetzigen Job noch machen? Bringt dir die jetzige Erfahrung dann so viel, dass du mit ihr einen anderen/besseren Job bekommen kannst? Oder werden dann alle Karten in deinem Leben neu gemischt? Solltest du zu dem Schluß kommen, dass du nicht genau weißt, wie es dann weiter geht, dann hilft dir ein Abschluß vielleicht schon um in einem anderen Bereich etwas zu finden.
 
Ich würds durchziehen. Ich weiß nicht wie das bei euch läuft aber hey, dein hauptfach ist Komposition. Wenn Du davon gut leben kannst, dann wird das in Sachen Hauptfach doch vereinabr sein? Man sieht (oder sollte sehen) das an der Fach-Hochschule nunmal so: man bildet Musiker aus und keine Wissenschaftler.
Das heißt "da draussen" ist immer wichtiger als in den mauern der Hoschule. Das wird auch so sein, wenn beispielsweise ein Schlagzeugstudent mit seinem selbstgegründeten Kammermusikensemble auf Tour gehen will, haben da Lehrer normalerweise Verständnis für.

Dann ist da noch das manchmal Lästige an Ballast. Chorsingen, Nebenfächer, Musikwissenschafts-Seminare. Tja... was soll ich sagen. Einmal kann es helfen, wenn man sich wirklich bemüht das Positive aus allem zu ziehen. Musst Du im Chor singen, so kannst Du Deine Blattsingfähigkeiten ausbauen. Oder mal darauf achten wie der Chorleiter systematisch vorgeht. Vielleicht musst Du später mal mit einen Chor arbeiten und kannst ein paar Tricks bei der Erarbeitung eines schweren Werkes anwenden. Whatever... ich glaube der rundum ausgebildete Musiker mit Spazialisierung ist zurecht das Ziel der Hochschulen.

An der Hochschule hast Du natürlich den Vorteil, dass du ohne großes (finanzielles) Risiko experimentieren kannst. Vielleicht, kannst Du ein paar Sachen mit Schauspielern ausprobieren / Musiktheater usw...

Naja du musst schon selbst für dich die Möglichkeiten erörtern. Und wenn Du zu viel Arbeit neben dem Studium hast, dann musst Du ein Urlaubssemester nehmen. Naja ich würds durchziehen...

Darf ich fragen in welchem Genre Du mit Komposition das Geld für die Miete verdienst? ;)
 
Darf ich fragen in welchem Genre Du mit Komposition das Geld für die Miete verdienst?
Dazu fällt mir dieser Witz ein:
Ein Musicalkomponist, ein Filmkomponist und ein Jazz Musiker vergleichen ihre Gema Schecks."Jetzt kann ich mir endlich die neue Segeljacht kaufen",sagt der Musicalkomponist. Bei mir ist nun der neue Sportwagen fällig, sagt der vom Film. " ich kann mir jetzt endlich einen neuen Pulli kaufen", sagt der Jazzer , und was ist mit dem Rest ? fragen die beiden anderen. " Den Rest gibt mir meine Oma dazu "

@Dave_inVain: Ich finde auch, dass du es durchziehen solltest. Es kann dich nur weiterbringen. Du magst jetzt vielleicht ein wenig verdienen und das kann dir jetzt auch deinen Unterhalt sichern, aber irgendwann musst du mit der "neuen" Generation mithalten können und dazu musst du das Handwerk richtig gut beherrschen und vielleicht auch andere Zugänge zur Musik entwickelt haben, an die du in deinem jetzigen Entwicklungsschritt noch gar nicht verstehst oder kennst.
 
Dabei ist noch wichtig zu klären wie das mit den tantiemen ist. Ich glaube mit einer abgeschlossenen Ausbildung gibt es eine wesentlich höhere Subventionierung *hust* ich meine Ausschüttung. Frag da mal deinen Kompo-Prof, was der Abschluss da für eine Rolle spielt...
 
Hey Leute,

danke erst einmal, dass ihr zahlreich antwortet und euch einen Kopf macht.

Meiner tackert natürlich seit Tagen nur noch hin und her.

Was ihr mir sagt (und momentan zähle ich 3 zu 0 für das Weitermachen) kann ich alles gut nachvollziehen und verstehen.
Ich will jetzt auch gar nicht trotzig dagegenreden, aber natürlich habe ich für jeden der angesprochenen Punkte ein Gegenargument.

1. "Es kann dich nur weiterbringen"

Ich verstehe @Murenius , der das Durchbeissen per se als Qualität empfindet, und @Fastel mit den Nebenqualifaktionen oder @ColdDayMemory, der schließlich sagt:"Es kann dich nur weiterbringen".
Bevor ich zu Hause rumsitze und warte, bis meine Arbeit wieder anfängt, gehe ich natürlich eher in die Uni und versuche, nebenbei einfach noch was zu lernen, allerdings: Es ploppen viele Möglichkeiten von Weiterbildungs/Erfahrungsmöglichkeiten, die ich mit einem Vollzeitstudium nicht anpacken kann (Auslandsaufenthalt mit Tonstudiopraktikum, Tour mit musikal. Vorbild). Und da muss ich gestehen, zieht die Uni den Kürzeren....

2. Alter/Zeit

Meine alte Chefin sagte mal zu mir: "Junge, studier nicht zu lang. Nicht, dass du dein 'jugendliches Pfund' nicht verlierst."
Alter ist mir prinzipiell egal, ich habe auch noch keine Torschlusspanik - im Gegenteil, ich bin ja schon unterwegs: Ich weiß aber, was sie meint. Je älter, desto reduzierter, nüchterner und geschmackvoller arbeite ich. Ich denke aber, für eine erfüllte Kunsterfahrung gehört auch Plumpheit und Übersteuerung, Leichtsinn und Überheblichkeit dazu. Ihr sagt jetzt sicher:" An der Uni kann man sich da ja toll austoben." Im geschützten Raum empfinde ich das als witzlos, fast so als hätte es nicht stattgefunden. Lieber raus und echte Reaktion von reellen Leuten sehen.

Zweitens: Ich habe langsam Probleme mit dem Schülerdasein. Mit meinen 27 gehe ich jetzt seit 19 Jahren in irgendeine Art von Schule.
Die Masterdozenten sind teilweise nur 10 Jahre älter als ich (also in einer Reichweite, in der man durchaus auf Augenhöhe kommunizeren kann), verlangen eine formelle Anrede und rügen, wenn man die Hausaufgaben nicht gemach hat. Das finde ich langsam auch nicht mehr alters/zeitgemäß.
Furchtbar regelrecht.

3. (Selbst)Studium

Helge Schneider hat sein Studium auch abgebrochen und ein eigenes Studium konstruiert, in dem er sich in eine Eduscho-Filiale in Mühlheim gesetzt hat und die deutschen Spießbürger beim Unterhosen kaufen und Kaffee-Trinken beobachtet hat, sich damit Material für sein Kabarett zusammengesammelt hat. Das nannte er später "Eduscho-Studium".
So ähnlich geht es mir auch denke ich: Ich weiß, was ich zu tun habe. Wo meine Schwachstellen sind und wie ich sie auszumerzen habe. Wo ich hinfahren muss, um mehr Beziehungen und Kontakte zu machen. Was ich am Klavier noch lernen muss. etc.
Es fällt mir nur sehr schwer, nach acht Stunden Uni da noch weiterzumachen und gleichzeitig noch zu arbeiten. Es ist einfach zeitlich kaum möglich.

4. Also?
Was man fühlt, ist gut für einen, oder?
Oder kann der innere Schweinehund so groß sein, um mich so differenziert zu beeinflussen und so aus mir zu sprechen?
Der einzige Grund, der mich noch zweifeln lässt, ist: Der Wisch. Das Papier. Der Bachelor.
Brauche ich das. Denn die Inhalte auf dem Weg dorthin sind es nicht wert. Ich weiß es.
Aber das Papier...brauche ich es?
 
Das nannte er später "Eduscho-Studium".
Wirklich? Der Typ ist ein einziger Witz (nicht negativ gemeint)...wer weiß schon ob diese Story wirklich stimmt.

Es fällt mir nur sehr schwer, nach acht Stunden Uni da noch weiterzumachen und gleichzeitig noch zu arbeiten. Es ist einfach zeitlich kaum möglich.
Dann musst du mehr durchbeißen. Ich habe zur Zeit eine Halbzeitstelle, schreibe meine Masterarbeit, komponiere Musik und spiele in einer Band. Finde aber immer noch Zeit für Sport, Freundin und andere Aktivitäten.
Du bist noch jung und solltest das eigentlich aushalten. Und ganz ehrlich...wenn dir das jetzt schon zu viel ist, dann könntest du im Arbeitsalltag als Freelancer Probleme bekommen. Es ist eben kein 9to5-Job.
10-12 Stunden arbeiten, um die eigenen Ziele zu erreichen, sowie die vorgegebenen Ziele zu erfüllen, muss drin sein.
Du magst jetzt vielleicht deinen Lebensunterhalt verdienen, aber wie sieht es aus, wenn du richtige Sozialabgaben, Krankenversicherung und Steuern bezahlen musst.

Der Wisch. Das Papier. Der Bachelor.
Brauche ich das.
Wenn du Freelancer bist, wahrscheinlich nicht.

Denn die Inhalte auf dem Weg dorthin sind es nicht wert. Ich weiß es.
Wenn du dir da so sicher bist, dann breche dein Studium ab. Du hast scheinbar schon deine Entscheidung gefällt und willst hier jetzt eine Bestätigung.

Dann bleib am Ball, versuche alles mitzunehmen was geht und in drei Jahren, weißt du dann ob es die richtige Entscheidung war.
 
Was man fühlt, ist gut für einen, oder?
Wie vor mir gesagt: du hast dich wohl schon entschieden.

Du machst diesbezüglich auch einen Überlegten und abgeklärten Eindruck, so dass man Dir kaum noch viel sagen kann, worüber Du nicht schon nachgedacht hast.
Handle nach meiner Lieblings-Lebensphilosophie:
Denken, Fühlen und Handeln - man sollte stehts darum bemüht sein, diese 3 Dinge in Übereinstimmung zu bringen.
 
Ich kenne genug studierte Komponisten mit Abschluss (E-Musik, Studium an einer Musikhochschule), die mit ihren Kompositionen nicht einmal ihre Miete bezahlen können. Irgend etwas läuft bei Dir also schon ganz gut, denn es scheint dir ja zu gelingen.
Es ist klar, daß man einen Kompositionsauftrag für eine Oper oder für ein Sinfonieorchester nur bekommt, wenn man als Komponist schon ein gewisses Renommee hat und da gibt es im E-Sektor wohl keinen, der nicht umfassend studiert hat, für die Stars der Filmmusik gilt das im großen und ganzen auch.

Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Inhalte deines Studiums nicht zu den von dir angestrebten Zielen passen. Das Handwerk zu lernen (Satz, Arrangement, Instrumentation etc.) lohnt sich allerdings auf jeden Fall, auch wenn es manchmal Mühe macht.
Aber auch das kann man durchaus auch gezielt außerhalb einer Hochschule lernen (z.B. in Form privat bezahlten Unterrichts), dann auch gezielt eingegrenzt auf die Anforderungen des eigenen Genres.

Wenn das Studium dich also nicht deinen Zielen näher bringt - so empfinde ich es -, dann würde ich dir auch raten, deinem Bauchgefühl zu folgen. Dazu scheinst du ja präzise Vorstellungen von dem zu haben, was dir fehlt und auch schon Quellen ausgesucht zu haben, aus denen du dieses Wissen schöpfen kannst. Hört sich für mich durchaus nach "Hand und Fuß" an. Ich denke, es kann dir gelingen, deine Ziele auch ohne einen (praktisch wertlosen) Bachelor zu erreichen. Möglicherweise sogar besser.

Gruß, Jürgen
 
Liebe Leute,

so Sachen, die ihr wie @ColdDayMemory sagt, triggern natürlich bei mir ein paar Gedankengänge, denn schließlich bin ich ja auch hier, um euren Rat zu bekommen.

Ich habe mich jetzt für einen Kompromiss entschieden: Blockseminare und 1-2 essentielle Kurse besuchen. Der Abschluss rückt dann erst einmal in utopische Ferne, aber das interessiert mich erst einmal nicht.
Die Immatrikulation bleibt als halbes Fangnetz, die Arbeit geht aber immer vor.

Der Fahrplan ist also erst einmal klar,
ich danke allen für die Ratschläge und die Zeit.

Danke!

INV
 
Hört sich nach einem Plan an. Du hast dann einfach ein nen Abschluss in Komposition vorzuweisen. Mir wurden schon zwei Möglichkeiten nicht gegeben nur weil ich keinen Abschluss als Komponist habe. Es gibt auch im kreativsektor einige Leute die auf Papier stehen.
Wünsche dir viel Erfolg und viel Durchhaltevermögen.
 

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