Stimmplatten waschen , aber wie ?

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Liebes Forum,

ich überhole gerade eine riesige Paolo Soprani aus den 50ern.
150 (!) Bässe. 46 Tasten im Diskant , geschweifte Tastatur .
Bass fünfchörig, Diskant vierchörig LMMM
Super erhalten, allerdings war das Wachs brüchig und die Ventile verhärtet.

Mein Plan :
alle Stimmen neu ventilieren und neu einwachsen,
um sie dann zum Feinstimmen wegzugeben.
Die alten Lederventile sind ab,alle Stimmzungen sind graviert worden,
dann wurden sie entfernt und von Wachs und Kleberesten gereinigt.

Gewaschen wurden sie nach und nach in Aceton in einem Ultraschallbad
(im Garten...) , partiell wurde mit einem Glasfaserpinsel Schmutz und
Ablagerungen entfernt.

Hier gibt es ein erstes Problem :
wenn man nicht mit 30 Litern Aceton arbeitet
(sondern dieses immer wieder durch einen Filter reinigt,
um den Rest einer Sondermülldeponie zu übergeben) ,
hat man zwangsläufig feine Wachs und Schmutzpartikel,
sowie die feinen Glasfaserborsten dazwischen.

Ich habe also die dann trockenen Stimmplatten
noch einmal in handwarmen Wasser (mit einem Fettlöser)
gewaschen, dabei mit einem Holzstäbchen und einem
Metallpinsel alles gereinigt und jede Stimme einzeln
im Bad hin-und herbewegt um alle Restpartikel auszuwaschen.
Wässern muß man die Stimmen auf jeden Fall,
da die Kleinpartikel sich gerne in die feinen Zwischenräume der Stimmzunge einklemmen.

Hier beginnt mein zweites Problem:
anscheinend war Wasser eine ganz schlechte Idee...
Ich habe dann alle Stimmen aufrecht in ein Gitter auf ein Backblech gestellt
und im handwarmen Backofen kurz anwärmen lassen
um sie dann mit einem Fön zu trocknen.

Ich orientierte mich an dem Leitfaden vom Akkordeon Zentrum Hoffmann.
Dieser reinigt die Stimmplatten umweltschonend nicht in Aceton,
sondern in (in 2 Wochen) in ORANEX und fönt die Stimmen dann
nach dem Wässern in einem Trockenständer mit Gebäse ( So was gibt es fürs Fotolabor ) .

Leider sind die Stimmen sofort mit einer dezenten Brauntönung belegt,
also dem ersten Vorboten von Flugrost ! Es ist auch egal, ob man die Stimme heiß trocknet oder kalt stehen lässt,
das Ergebnis ist das gleiche ... (habe ich an alten Einzelstimmen weiter getestet)

Also habe ich fix ein Rostlöser Tauchbad gekauft ( von Hammerite ),
welches mit Wasser verdünnt wird. Da dümpeln sie jetzt über Nacht,
die Braunfärbung ist verschwunden.

Doch was mache ich dann ?
Wenn ich sie aus dem Bad nehme, sind sie ja wieder naß.
Also dann alles noch einmal in Aceton ?
Das verdampft ja recht schnell rückstandslos.

Wie macht Ihr das denn ?

Dank+Gruss

Ludger
 
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Hallo Ludger,

hier meine Erfahrungen zu diesem Thema:

Also, ich habe Flüssigbehandlungen an Stimmplatten bisher immer vermieden.

Meine Befürchtung:

Kontaktkorrosions-Erscheinungen in der Trennfuge Zunge/Stimmplatte/Nietung, welche die Stimmhaltigkeit negativ beeinflusst.

Stahl und Aluminium liegen in der elektrochemischen Spannungsreihe sehr weit auseinander, d.h. mit einem flüssigen Medium korrodiert's hier fleißig. Ein mir bekannter Reparateur hat auch bereits von der Flüssigmethode wieder Abstand genommen. Aceton hin oder her, die Instrumente verstimmten sich nach ca. 6 Monaten erfahrungsgemäß. Nach Trockenreinigung verstimmte sich nichts mehr.

Hier wird auch Trockenreinigung empfohlen:

http://www.accordionrevival.com/ACCORDION_REPAIR_3.php

siehe Abschnitt "cleaning reeds". Auf diesen Seiten sind ne ganze Menge nützlicher Tips zusammengetragen.

Jetzt muss ich alledings sagen, dass die von mir behandelten Instrumente nur moderat verschmutzte Zungen, ohne Rostspuren aufwiesen. Ich habe mit Dentalbürsten, modifizierten Zahnbürsten, mit Rauhleder beklebten Blechstreifchen und moderater Druckluft gearbeitet. Das funktionierte prima, es dauert aber ein bisschen.

Viel Erfolg!

Gruß
Herbert
 
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Aceton hin oder her, die Instrumente verstimmten sich nach ca. 6 Monaten erfahrungsgemäß

da hab ich schon nach wesentlich weniger Zeit erste Verstimmungserscheinungen an frisch gestimmten Instrumenten, und das obwohl die Stimmplatten überhaupt nicht rausgenommen worden sind!

d.h. mit einem flüssigen Medium korrodiert's hier fleißig.

Aber nur, wenn die Flüssigkeit auch elektorchemische Eigenschaften aufweist! Sonst klappts nicht. Im Normalfall heißt das : Wenn Wasser oder wässrige Lösung, dann gehts fröhlich los. Aceton ist aber elektrochemisch nicht aktiv, da es kein Ionenbildner ist und drum passiert damit auch nix.

Ich treibe meist gar keinen so großen Aufwand.

Wenn das Wachs so alt ist, dass es bereits abbröselt, dann kommt die Stimmplatte schon meist sehr sauber aus dem Wachsbett raus. Und die Reste, die noch dranhängen bürste ich so gut es geht ab. Rein mechanisch!

Wenn ich der Meinung, bin, dass eventuell die Oberfläche noch gesäubert werde sollte, dann nehme ich eine Schüssel mit Aceton, ziehe mir chemikalienfeste Handschuhe über gehe ins Freie raus (wegender Acetondämpfe!!!) und bürste die Platten mit einer Zahnbürste oder kleinen Wurzelbürste durch.

Das ganze leg ich auf ein größeres Holzbrett zum ablüften, denn Aceton ist extrem leicht flüchtig und ruck zuck restlos abgetrocknet. ... Aber auch das im Freien! Aceton ist ziemlich ungesund, wenn man das einatmet!

- fertig!

Bei neuerem noch gut klebrigen Wachs , säubere ich die groben Wachspartikel, so gut es geht und den Rest leg ich in reichlich Aceton in ein (größeres Glas mit Deckel) und lass das ganze erstmal ne Woche oder so "einweichen" . Anschließend wieder bürsten, wie oben. Und abschließend das ganze nochmals in frischem Aceton spülen.

Wasser oder wässrigen Lösungen nehm ich grundsätzlich nicht, weil das in die Spalte reinsickert und kaum rauszukriegen ist und dort wunderbar mit Korrossion beginnen kann. Das gibt dann diese hübschen braunen Überzüge und dann hat mdan das Dilemma erst recht:

Radiert man den Flugrost ab, so gut es geht, verändert man die Grundstimmung der Platte. Nimmt man Rostumwandler, dann verändert man die chemische Zusammensetzung und somit die Masse und die Stimmung ... und das Zeug setzt sich wieder in die Spalte... Nee, im Ernst, wenn man mit den Mitteln rangeht, dann hat man die optimale Pflege schon versemmelt und es geht nur noch um Rettung.


Gruß, maxito
 
Zuletzt bearbeitet:
Für alle, die mit Aceton arbeiten, noch ein guter Tip:
Ich nutze zum Herausheben aus dem Acetonbad einen Magneten, lege die Stimmplatte in ein doppelt gefaltetes Tuch in meiner anderen Hand und reibe dann die Oberflächen ab. Das geht schnell, die Stimmplatte ist nachher sauber und fleckenfrei und der Hautkontakt mit Aceton ist gleich 0.

Viele Grüße

Ippenstein
 
Nur mal so in die Runde geworfen:

Ob sich da auch die Pommes-Frites-Methode eignen würde??? Einfach mit einem Sieb die Stimmplatten ins Azetonbad legen und anschliessend wieder herausheben. Am Besten noch das ganze Luftdicht verschlossen halten. Hab zwar( wie ihr sicherlich schon ahnt;)) keinen Schimmer vom "Akkordeon instand setzen", aber meine Synapsen sind auch noch nicht diesbezüglich verschaltet!:D

Grüße,
Woodshock
 
Hallo zusammen,

nachdem also das Kind in den Brunnen gefallen waren,
bzw. die Stimmplatten erst naß und dann rostig waren,
hatten sie noch einmal ein kurzes Bad im Rostlöser.

Die leichte Brauntönung war nun sofort weg ,
es war ja auch noch nicht richtig verrostet.
Alsdann gab es noch ein üppiges Bad in frischem Aceton.
Dazu habe ich einen alten Spargeltopf vom Flohmarkt benutzt.
Da ist ja auch ein Eisatz mit Sieb drin.
Schmutzteilchen waren ja keine mehr da, viel waschen musste ich nicht mehr-
ich wollte nur eine Flüssigkeit, die restlos verdampft.

Was mit Deckel ist keine schlechte Idee,
Aceton verflüchtigt sich recht fix und muß nicht mehr als nötit Atemwege und Umwelt belasten.

jetzt ist alles wieder blank-
ich bin mal gespannt wie tonrein das noch ist.
Allerdings gibt es keinen Vergleich vorher-nachher,
da das Instrument vorher nicht spielbar war.

Auf jeden Fall ist das so die sauberere Lösung,
da Wachsbrösel schon recht hartnäckig sind,
von klebrigem Wachs ganz zu schweigen !

Dank+Gruss,

Ludger
 

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