Hallo HarpRent,
nach den guten Vorschlägen der Kollegen möchte ich mal zu der genannten Schule von Lamprecht etwas sagen.
Diese Äußerungen sind
rein subjektiv und ich kenne die Methode ebensowenig wir die anderen hier und meine Meinung ist rein persönlich, vielleicht ungerecht, denn sie basiert auf den von Dir erwähnten Ausschnitten, die man als Vorschau im Internet sehen kann.
Allgemein:
Bei Wunder-Methoden bzw. allen anderen weit überlegenen Zugängen bin ich immer von Haus aus ein wenig skeptisch. Es ist immer verkaufsfördernd, wenn man behauptet, "mit meiner Methode ist alles viel müheloser und
alle anderen (!!!) haben im Grunde keine Ahnung."
Diesen Eindruck habe ich ein wenig von der genannten Schule. Das mag ungerechtfertigt sein, denn ich besitze sie nicht.
Ich möchte deshalb auf die genannte Schule bzw. das, was man darüber in Erfahrung bringen kann, eingehen:
Da viele keine Noten lesen können/wollen/Angst davor haben, ist das eine werbeträchtige Aussage.
Aber: Irgendwie muß man doch schriftlich vermitteln, "welche Knöppe" man wann drücken muß!?
Der Sonderfall "Steirische Harmonika" ist natürlich unbestritten dahingehend ein Problem, daß auf Zug und Druck unterschiedliche Töne kommen und diese Töne auch noch "seltsam", d. h. nicht wie auf dem Klavier der Reihe nach angeordnet sind.
Bei Gitarren gibt es ja eine entsprechende Problematik: ein Ton läßt sich auf verschiedene Weisen an unterschiedlichen Orten auf dem Griffbrett spielen, diese Information geben "normale Noten" ohne Zusatzinformationen nicht her.
Konsequenz: Instrumentenspezifische Sonder-Notationsformen
Viele Gitarristen können auch keine Noten lesen bzw. spielen viel lieber nach Tabulatur.
Die Entsprechung der Tabulatur bei der Steirischen ist die "Griffschrift", die sich mittlerweile etabliert hat.
Alternativen zu "normalen" Noten
Die Griffschrift sieht zwar aus wie Noten, aber im Grunde ist das eher eine
Landkarte, auf der ganz einfach und systematisch die Orte der Knöpfe gekennzeichnet sind, die man drücken muß. Entspricht also vom Wesen her der Gitarren-Tabulatur.
Peter Lamprecht nennt auf seiner Homepage selbst folgende Punkte, von denen ich die beiden auf die Methode bezogenen herausgegriffen habe und diejenigen die sich nur auf den versprochenen Erfolg, die Geld- und Zeitersparnis beziehen, ignoriert:
- KEINE NOTEN also für Jedermann, ob jung, ob alt, zu erlernen
- Immer Aktuelle Musikstücke über Homepage erlernbar
Aufgrund dieser beiden Aussagen und auch anhand des Vorwortes, das man bei
Stretta-Music einsehen kann, leite ich folgende Behauptung ab (ohne das Buch gelesen zu haben!)
Lerninhalt bei Lamprecht
Lehrbücher gibt es viele und der Unterschied zwischen den üblichen Methoden und Lamprechts Erfindung ist, daß bei
keine Noten verwendet werden, oder besser gesagt: nichts, das nach Noten aussieht.
Lehrbücher, die Griffschrift benutzen, enthalten ja streng genommen auch keine Noten, es sieht nur danach aus, weil eben die entsprechenden Zeichen und grafischen Elemente genutzt werden. Das hat auch ganz einfache historische und technischen Gründe: Bei Druck in vergagenen Tagen hatte man einfach auf die bestehenden Möglichkeiten zurückgegriffen (eben Text oder "mißbrauchteStandardnoten"), während heute mit modernen Grafikprogrammen und Farbdruck viel mehr Möglichkeiten hat.
Ich hatte anfangs noch die Hoffnung, daß er eine Methode vermittelt, die einem ermöglicht, frei und nach Gehör zu spielen. Das wäre ja toll.
Dies ist aber wahrscheinlich nicht der Fall, denn:
- Zum erlernen "aktueller Musikstücke" wird die Homepage benötigt, d. h. man kann eben nicht die erlernte Methode nutzen, selbständig ein Stück nach Gehör erarbeiten zu können, sondern man braucht die Geheimschrift-Vorlage des Meisters.
- Auch im Vorwort steht, man bauche für sein Lernsystem nur "bis FÜNF zählen können, sowie die Farben ROT, GRÜN und SCHWARZ kennen".
- Also: Nix mit notenloser Wundermethode, man kommt nicht ohne vorgegebene Literatur aus, es gibt also einen Ersatz für Noten, sie fallen nicht völlig weg.
- Es ist schon schwierig genug, die vergleichsweise sehr verbreitete Griffschrift aufzutreiben, bei einer ganz speziellen, an eine einzige Person gebundene Insellösung ist nicht gerade besser, oder?
Wie kommt er ohne Noten aus?
Um Musik in schriftlicher Form (das ist nun mal so bei Büchern, auch bei Lamprecht) darzustellen, müssen in jedem Fall folgende Informationen vorhanden sein - egal, mit welcher Methode:
- Die zu spielende Tonhöhe bzw. der zu drückende Knopf nebst Balgrichtung
- Die Dauer des zu spielenden Tones oder eventueller Pausen
- Evenutell Rhythmus/Takt
All diese Informationen muß auch Lamprecht geben, egal, wie er's auch nennen mag. Prinzipell ist das nur eine andere Schreibweise für ein und dieselbe Sache.
Takte
Bei Lamprecht ist ein Takt ein Kreis um die zu spielenden Töne.
Bei Noten oder Griffschrift werden die Takte durch Taktstriche voneinander abgegrenzt.
Aha. Wo ist jetzt die Revolution/der Vorteil? Kringel drum oder Striche - was soll's. Aber die Kringel nehmen mehr Platz weg.
Zug oder Druck
Lamprecht unterscheidet Zug und Druck durch die Farbe (rot: Zug, grün: Druck).
Bei Griffschrift werden Zug und Druck durch einen Balken gekennzeichnet.
Na und? Wo ist der Vorteil? Ich sehe nur den Nachteil, daß viele Menschen Rot-Grün-blind sind und daß man einen Farbdrucker bräuchte, wenn man neue Lieder von seiner Homepage ausdrucken will.
Welcher Knopf
Das ist für mich der wesentliche Unterschied zwischen Griffschrift und der Lamprecht-Methode:
Die Griffschrift zeigt nur die Reihe und den zu drückenden Knopf an. Der Fingersatz (also, welche Finger man benutzt), steht dabei oder man muß es sich selber aussuchen.
Lamprecht geht (wie auf der Schreibmaschine
) von einer Grundstellung aus: Das Zentrum ist der Mittelfinger auf dem Gleichton. Übrigens genau wie bei der Griffschrift: der Gleichton liegt auf der mittleren Linie, genau im Zentrum.
Die Knöpfe werden also offensichtlich nie direkt, sondern nur relativ über die Fingernummer bezeichnet und Verrückungen von der aktuellen Position mit Hilfe von Pfeilen angedeutet.
Haltebögen
Wenn eine Note über einen Takt hinweg ausgehalten werden soll, benutzt man in Noten- und Griffschrift einen Haltebogen zwischen den betroffenen Notenköpfen.
Bei Lamprecht sind es ebensolche Bögen zwischen den Taktkringeln. Welch Erleichterung!
Tondauer
O je, das habe ich nicht ganz verstanden und es wird aus den Beispielseiten auch nicht ersichtlich. Zählen muß man jedenfalls wie bei "normalen Noten" auch, da ist kein Unterschied und keine Erleichterung, die Tondauern sind aber nicht einfach wie üblich an den Notenköpfen/Hälsen/Fahnen (die hat man ja nich) zu erkennen, sondern irgendwie durch Anzahl der durch Kommata getrennten Töne im Kringel oder durch nicht quantifizierbare Verschiebungen zu erraten.
Ist das einfacher?
Pausen
Für Pausen benutzt er althergebrachte Pausenzeichen aus der verteufelten Notenschrift.
Wiederholungszeichen usw.
Die Wiederholungszeichen und auch die Schreibweise mit Voltenklammern bei alternativem Ende sind 1:1 aus der Notenschrift übernommen, wenn auch grafisch anspruchsloser.
Baßnotation
Wie bei Griffschrift auch wird der Baß unter dem Takt durch Symbole dargestellt. Bei der üblichen Griffschrift für Steirische sind das Buchstaben, bei Club-Harmonika und Lamprecht Zahlen.
Unterschied zum üblichen Verfahren ist, daß nicht die konkreten Knöpfe, sondern nur die Finger bezeichnet werden plus allfällige Verschiebungen der Fingerposition.
Na ja, wem's hilft...
Allgemein
Ein Takt auf Zug ist also mitsamt Kringel rot. Was passiert, wenn mitten im Takt die Balgrichtung wechselt, würde mich mal interessieren.
Wie immer bei solchen Schreibweisen ist rhythmische Klarheit/Eindeutigkeit das größte Problem, für einfachste Anwendungen bzw. Anfängerliteratur mag das reichen.
Ich sehe da (subjektiv) keine Vereinfachung gegenüber Griffschrift, einfach nur eine andere Form der Aufzeichnung.
Das ist, übertrieben gesagt, als ob man das Lesenlernen erleichtern wollte, indem man für jeden lateinischen Buchstaben ein neues, anderes Zeichen erfindet und dann behauptet: Lesen Lernen ohne Buchstaben!
Hauptnachteil:
Vielleicht finden einige diese Methode ansprechend/weniger einschüchternd als Noten oder Griffschrift, aber:
Man macht sich durch so eine Insellösung von einer speziellen Person und deren Publikationen abhängig, die ohnehin schwierige Situation, Stücke in der allgemein etablierten Griffschrift zu finden, wird so noch stärker verschärft. Der Schuß geht nach hinten los.
Das einzige Argument für die Lamprecht-Mehtode, das ich gelten lassen würde, wäre, wenn man mit der Methode frei und nach Gehör spielen lernte, um so von schriftlichen Vorlagen weitgehend befreit zu sein.
Aber das scheint ja nicht der Fall. Man "muß" eben nur keine Noten lesen, aber dafür die Lamprecht-Aufschriebe.
Wenn Du aus verständlichen Gründen keine Noten lernen willst, würde ich Dir trotzdem zur
Griffschrift raten.
Das sind auch keine Noten! Und wenn man das System verstanden hat ("Note" auf der mittleren Linie ist der Gleichton, der eine Linie drüber/drunter ist der Knopf drüber/drunter usw.) ist es auch kein Hexenwerk.
Viele Grüße
Torsten