Pride and Joy oder Texas Flood würde ich dir raten, sind beide gut für den Einstieg...
Musste diesen alten Thread mal ausgraben, da es sicher einige gibt, die SRV lernen wollen. Texas Flood als Einstieg zu empfehlen ist schon ein starkes Stück, da der Song unter den langsamen Nummern von Stevie schon herausragt und zu den schwierigsten Bluessongs überhaupt gehört: die schnellen Läufe sind schon anspruchsvoll, aber immer noch das geringste von den vielen Übeln. Die Bendings am Anfang der Studio-Version (eigentlich das "Hauptthema" von Stevies Improvisation) sind übel, da sie relativ weit unten am Griffbrett gespielt werden (6.,7. und 8.) und deshalb sehr viel Kraft benötigen, besonders dann, wenn Du die amtlichen SRV-Saitensätze verwendest. Außerdem werden sie sich wie Müll anhören, wenn Du nicht äußerst präzise ziehst. Stevie spielte zwr auch häufig Vierteltonzieher, allerdings war dies immer bewusst, um dem Lick so mehr dramatik zu verleihen, keineswegs erfolgte es aus Nachlässigkeit. Im mittleren Solo spielte Stevie darüber hinaus fast immer Bendings mit 2 oder sogar 3 Saiten gleichzeitig und sprang häufig bei schnelleren Läufen abrupt zwischen den verschiedenen Lagen auf dem Griffbrett hin und her. Ich würde jemandem, der da Stück lernen will, dazu raten, sich als Vorübung einige Soli von Albert King und dann die Studio-Version von "Ain't gone 'n' give up on love" herauszuhören, da man sich hiernach zumindest hinsichtlich der Bendings etwas weniger verloren fühlt. So ein Stück jemandem zu empfehlen, der mit SRV anfangen will, halte ich für grob fahrlässig.
Rude Mood ist auch ein Thema für sich: das Stück ist eigentlich der Gipfel von SRV. Hier greift Steive ganz tief in seine Trickkiste und zieht fast alles von dem, was er technisch kann. Viele der kurzen Parts, die er spielt, sind mehr oder weniger "Zitate" aus anderen Songs, die er live oder im Studio oft gespielt hat. Die Progression kurz vor den Ende in der Studio-Version beinhaltet sehr ähnliche Akkorde, wie "Love Struck Baby", die schnellen Läufe in der offenen E-Position erinnern an Testify oder Pride & Joy, und auch den berühmten Hideaway-Akkord von Freddie King spielte SRV in fast allen Versionen einige Male.
Mal ein Tipp von mir: Rude Mood ist aus einem alten Lightnin Hopkins-Stück namens "Hopkins Sky Hop" entstanden. Neben den o. g. Songs solltest Du - wenn Du Rude Mood tatsächlich lernen willst - zuerst mit diesem anfangen, da es den Schlüssel für viele Ideen von Stevie beinhaltet. Auch auf dem unveröffentlichten 1978-er Album mit Lou Ann Barton (sehr schwer erhältlich) findest Du einen Song, der zwr "Rude Mood" genannt wird, aber meiner Meinung nach eher ein Bindeglied zwichen Sky Hop und Rude Mood darstellt. Es wird ein wenig langsamer gespielt, als die Version auf Texas Flood, ist aber nicht weniger Cool und deshalb in der Tat neben dem originalen Sky Hop die beste Einführung, wenn Du Dich mit dem Song vertraum machen willst. Kleine Warnung: SRV spielte hier noch in E, nich - wie später - auf Eb gestimmt.
Lenny ist übrigens auch kein leichter Brocken. Ich habe schon in einem anderen Thread geschrieben, dass es dieser Song ist, der mich zur Verzweiflung treibt, da er einfach hammerschwer ist. Stevie verwendet hier zwar kein komplexes Tonmaterial, aber sein Phrasing ist so kompliziert, dass es eigentlich fast unmöglich ist, den Song originalgetreu zu spielen.
Noch ein Wort zum Schluss: die meisten wissen einfach nicht, worauf sie sich einlassen, wenn sie versuchen, Stücke von Stevie nachzuspielen. Sein Stil war für mich immer so etwas, wie die Königsdisziplin der E-Gitarre, und es gibt eigentlich kein Stück, dass nicht schwierig ist, da bei Stevie der Teufel schlicht und einfach im Detail steckt. Das mag auch der Grund dafür sein, dass die meisten Cover-Versionen auf Youtube so beschissen sind, dass man sich darüber aufregen könnte. Jeder Song von Stevie hat etwas, was Dich zur Verzweiflung treiben kann. Auch die scheinbar einfachen Shuffles wie Pride & Joy oder sogar das simpel anmutende Cold Shot erfordern wiel Arbeit, da es sehr schwer ist, an Stevies oft etwas "faulen" Shuffle heranzukommen: sein Rhythmus ist gleichzeitig sehr präzise und sehr locker und laid back zu spielen. Auch die funkigen Riffs von Mary had a little lamb oder Superstition müssen sehr präzise gespielt werden. Testify, Wham und Scuttle Buttin' beinhalten wiederum alle sehr abrupte, ständige Wechsel zwischen Lead- und Rhythmusspiel. Bei Little Wing musst Du die Hendrix-Voicings perfekt beherrschen und sehr differenziert mit Dynamiken arbeiten können, die Slow Blues-Nummern erfordern ultra-genaues Bending, bei Love Struck Baby muss das Tempo stimmen, etc. (ich höre jetzt auf, da ich sonst praktisch alle Songs aufzählen müsste.
Hier noch ein erschreckendes Beispiel:
http://www.youtube.com/watch?v=tsYxPZ7wj2s
Der arme Tor drischt dermaßen auf die wunderschöne Gitarre ein, dass es an Sachbeschädigung grenzt. Außerdem grenzt so eine Rendition eines Texas Shuffles an Majestätsbeleidigung. So sollte man es nicht machen.