-Tony Hajjar- schrieb:
wie ist das eigentlich bei den Leuten die schon länger spielen (>5 Jahre oder so)? braucht ihr das Metronom nur noch zum überprüfen, oder müsst ihr, um genau in Time zu bleiben, euch auch noch genau auf das klick konzentrieren? brauch ihr überhaupt noch ein Metronom?
okay, jetzt überhäuft mich mal mit euren Erfahrungsberichten!
Erfahrungsbericht?
O.K. du hast es so gewollt.
*Higgins-Modus anschalt*
Das erinnert mich an einen Vorfall 1944 in Burma während ich mit dem 3. West Highland Regiment von den Japanern umzingelt war........:screwy:
...äh Quatsch......
Ich bin ein spätberufener Metronombenutzer. Spiele zwar bereits seit über 25 Jahren Schlagzeug, jedoch erst seit knapp 2 Jahren mit Klick.
Vor 8 Jahren wollte ich es im Rahmen einer CD-Produktion zwar schon mal probieren, machte jedoch ähnlich niederschmetternde Erfahrungen wie du.
Endeffekt des Ganzen war: Das Metronom flog gegen die Studiowand und wir haben die gesamte Produktion, mit ausnahme einer einzigen Nummer, komplett ohne Klick eingespielt. War halt zum Glück eine reine old fashioned Heavy-Rock Geschichte und im Nachhinein waren wir sogar froh, es ohne Klick eingespielt zu haben. Das Album klingt sehr organisch und die wenigen leichten Schwankungen im Tempo sind entweder kaum wahrnehmbar, oder zum Teil sogar songdienlich. Erst viel später hat es mich dann in die Pop und Cover-Richtung verschlagen, da war der Klick dann durchaus wieder ein Thema und ich habe mich da mühselig eingearbeitet.
Dabei durchlief ich mehrere Phasen.
Phase 1. Der Klick konnte mir garnicht laut genug sein. Ich wollte ihn förmlich bis in das Rückenmark spüren und hätte mir damit beinahe das Gehör ruiniert. War der Klick nicht fast physisch für mich spürbar, begann ich in lauten Abschnitten eines Stückes, oder bei bestimmten Fills automatisch zu Schwimmen, weil ich den Klick nicht überdeutlich hören konnte. Diese Phase war zum Glück nur von recht kurzer Dauer und ich konnte die Klicklautstärke drastisch reduzieren. Heute reicht mir das normale Ausgangssignal eines Tama Rhythm-Watch in Verbindung mit einem Walkman-Ohrstöpselhörer, d.h ich benötige noch nicht mal ein geschlossenes und angepasstes In-Ear System.
Die Walkman-"Stöpsel" haben für mich sogar den Vorteil, dass ich den Natursound meiner Drums und den restlichen Monitor und Bühnensound ausreichend hören kann.
Je nach Gesamtlautstärke auf der Bühne (abhängig vom jeweiligen Veranstaltungsort) kann ich sogar die Klicklautstärke deutlich herunterregeln, was allerdings wieder mit der Art von Musik zu tun hat, die ich zur Zeit hauptsächlich mache.
Phase 2. Man hat sich einigermassen mit dem Klick arrangiert und "hört" ihn auch wenn man ihn eigentlich nicht hört. Allerdings hängt man in dieser Phase derartig sklavisch am Klick, dass streckenweise von Groove keine Rede sein kann. Obendrein blafft man ständig seine Bandkollegen an, weil sie es einem mit ihrem oftmals richtig beschissenen Timing noch schwerer machen, als man es ohnehin hat. Auch keine wirklich schöne Phase. Spielt man einen Track ganz alleine zum Klick ein, dann marschiert es schon ganz gut, aber sobald man mit bzw. "gegen" seine nichtverklickten Bandkollegen live spielen muss wird es schmutzig. Der Basser zieht an, man lässt sich mitreissen und zack ist der Klick obsolet, man stellt ihn aus, geht lieber mit dem Flow der Band um die Nummer zu retten, anstatt die anderen völlig ungroovig wieder IN TIME zu zwingen.
Im Proberaum kostet es einiges an Arbeit die Mitmusiker darauf zu konditionieren, dass sie nun mit einem lebenden Metronom mitzuspielen haben und nicht bereits im ersten Takt nach dem Anzähler anziehen dürfen, geschweige denn überhaupt.
Manchmal helfen etwas längere Anzähler, damit sich die anderen auch eingrooven können, schliesslich haben sie ja i.d.R. keinen Klick.
"Achtet auf das Hörnchen des Meisters!" ist immer ein gern genommener Spruch zu solchen Anlässen.
Vereinzelte cholerische Ausbrüche des Drummers sind an der Tagesordnung, damit müssen die anderen halt leben, oder du verkaufst das Metronom und im Gegenzug unterschreiben alle eine notariell beglaubigte Verzichtserklärung bezüglich künftiger Mäkeleien an deinem Timing.
Phase 3. Das Metronom/der Klick sind deine besten Freunde. Du erkennst Timingschwankungen der Blinkrelais von vor dir an der Ampel stehenden Autos bereits nach 2 Takten.
Du kannst problemlos auf, vor, und hinter dem Klick spielen, kannst ihn quasi umschmeicheln um deine Band notfalls wieder einzufangen, sofern sie dir davon zu eilen droht UND du hast trotz Klick wieder deinen Groove. Es macht zwischenzeitlich sogar Spass zum Klick zu spielen und man meisselt gestochen scharfe Fill-Ins in die Gegend und kommt exakt in Time wieder in den Groove rein. Absolut geiles Gefühl! (Eine Band die zu "laid back" spielt anzutreiben ist nicht das Problem, aber einen davoneilenden Hühnerhaufen zu bremsen, das ist die grosse Kunst! Aber das sei nur am Rande bemerkt.)
Phase 4. Man ist Klick-Abhängig und kann nicht mehr ohne! Sehr gefährliche Phase.
Ich habe schon einige Drummer gesehen, die mit Klick meisterlich zu klöppeln pflegen, aber total aufgeschmissen sind, sobald sie ausnahmsweise mal ohne ihre "Krücke" auskommen müssen. Sofern man dieses Phänomen bei sich feststellt, sollte man unbedingt öfter mal wieder ohne klick zu spielen "üben".
Noch ein paar generelle Anmerkungen, die lediglich meine persönliche Erfahrung und Vorgehensweise wiederspiegeln:
Das Tama-Rhythmwatch halte ich z.Zt. immer noch für das mit Abstand beste Metronom, wenn man sich ernsthaft und intensiv der Sache annehmen möchte.
Nicht umsonst das am Weitesten verbreitete Metronom unter den sogenannten Working Drummern. (Nein, ich bekomme kein Geld von Tama!)
Die Einarbeitungsphase mag speziell für Leute die langjährig ohne Klick gespielt haben frustrierend sein, beim einen gehts schneller, beim anderen langsamer, wichtig ist jedoch DRANBLEIBEN und nicht von heute auf morgen erzwingen wollen.
Wer glaubt ohne diesbezügliche Erfahrung mal eben schnell nach Klick spielen zu können ist gewaltig auf dem Holzweg, dazu braucht es Übung, Praxis und Praxis...und latürnich Praxis.
Ich benutze zwei verschiedene Standardeinstellungen, je nach Geschwindigkeit.
Für Lieder über 140 BPM gebe ich mir lediglich die Viertel als Klick, wobei ich auf eine besondere klangliche Markierung der Eins bewusst verzichte, und bei langsameren Tempi ab 140 abwärts bevorzuge ich durchgehende Achtel Klicks, wobei 1,2,3 und 4 betont, also lauter, und mit einem anderen Ton versehen sind als die Offbeats.
Man kann zunächst wunderbar auf dem Übungspad zum Klick üben und sollte vor Allem in allen Geschwindigkeitsbereichen zwischen Normal-, Double- und Halftime wechseln können, ohne aus dem Timing zu geraten.
Zwischendurch auch mal triolisch dabei denken und die eine oder andere grosse Triole einschieben. Spielt einfach sämtliche Rudiments auf Klick und latürnich alle bereits beherrschten Grooves und Fills, AUCH UND GERADE in langsameren Tempi. (auch wenn es schwer fällt!)
Die Umsetzung am Set ist dann der nächste Kulturschock, weil einem unter Garantie der klick anfangs immer vieeeeel zu leise vorkommen wird.
Zähne hoch und Kopf zusammen!
Früher oder später sollte es bei euch "Klick" machen.
Ach ja, bevor ich es vergesse.
Sofern man ein souveränes Timing hat, ist ein Klick live keinesfalls ein MUSS. (und selbst im Studio nicht, je nach Art des jeweiligen Titels. Bestimmte Swing, Jazz, Blues oder gar Balladen-Titel funzen schlichtweg nicht mit Klick, das wäre sogar eher kontraproduktiv in vielen Fällen.)
Bei vielen Stücken benutze ich live den Klick lediglich als Einzählhilfe, um unabhängig von Aufregung, Hektik, Stimmungs- und sonstigen Schwankungen stets die akurate Geschwindigkeit vorgeben zu können.
Klickauf äh Glückauf!
WayneSchlegel