Sorry, habe bei einem Umzug geholfen und bin jetzt erst wieder zurück.
-Ich hatte mir gerade ( auf eine PM von ColdDayMemory bezogen ) noch den Wikipediaeintrag zu Kirchentonleitern angeschaut. Ich kannte bisher nur die moderne Betrachtungsweise als Tonleiter aber nicht ihre ursprüngliche Anwendungsweise. Wie ist das eigentlich mit der Akkordbildung in der modernen Anwendungsweise als Skala? Kann ich die Churchmods diesbezüglich als Dur und Moll Skalen behandeln?
Ja. Du nimmst einfach Äolisch und erhöhst den 6. Skalenton, dann bekommst du die dorische Sexte. Dann kannst du einfach wie gewohnt Akkorde und Melodien daraus bilden.
In unserem Fall geschieht die entscheidende Veränderung auf der IV. Stufe: Sie wird verdurt. In a-moll wird also aus d-moll D-Dur. Schon hast du die dorische Subdominante, die so charakteristisch für diese Musik ist. Gleiches gilt für Melodien. Triffst du in a-moll auf ein f, so ersetzt du es durch ein fis.
Achja, die für Moll typischen Anpassungen im 6. und 7. Skalenton sind zu unterlassen. Die Musik von der ich gerade rede ist modal.
Das ist übrigens die heutige Anwendungsweise. Die alte war ganz anders gedacht und spielt für Gamingmusik keine Rolle.
- Was eine Alteration ist , weiß ich ja jetzt aber mit dem Beispiel kann ich leider nichts anfangen. =/
Wenn du in a-moll irgendwo ein F-Dur hast, dann spiele mal ein fis-moll in naher Umgebung.
Den Effekt gibt's ausgeschmückt im Intro zu Record of Lodoss War ganz deutlich zu hören:
http://www.youtube.com/watch?v=-M04j0j37rI (0.26). Entscheidend ist der Querstand zwischen den 6. Skalentönen (wieder als dorisches Phänomen zu deuten) Typisches Einsatzgebiet davon sind ruhige, emotionale Höhepunkte oder beiläufig in Naturszenen.
Vielleicht kennst du ja, dass man in Dur IV. Stufen oft vermollt: C, F, f-, G, C. Das o.g. ist gewissermaßen das Gegenteil davon.
- Der Begriff Mixturharmonik sagt mir jetzt nichts, mit den Chromatische verschobenen Septakkorden kann ich was anfangen. Kann es sein das im Kirby Thema (gourmet race) sowas schon passiert? Klingt für mich teilweise dissonant.
Du hast fixe Intervalle, die 1:1 parallel mitgeführt werden, unabhängig von den Anpassungen, die sich durch die Tonart ergeben. Beim Gourmet Race wüsste ich nicht, wo das sein soll. Welche Stelle meinst du konkret? Recht typisch ist, wenn du (wie du schon sagtest) maj7-Akkorde chromatisch abwärts schiebst.
- Da drängt sich mir die Frage auf: Wie würde man denn einen Quartenstapel harmonieren oder auflösen?
Ab drei Quarten (= vier Töne. Wir reden hier von Stapeln mit ca. sieben Quarten) wird das etwas komplizierter, weil es a) viele Möglichkeiten gibt und b) hörpsychologische Phänomene ins Spiel kommen, über die wir hier besser nicht reden. Als Faustregel würde ich folgendes vorschlagen:
1. Den obersten Ton abwärts lösen.
2. Hören, ob der oberste Ton Grundton, Terz oder Quinte eines Akkordes ist (etwa durch Ausprobieren).
3. Andere Töne regulär auflösen.
Tendentiell verlieren die tiefen Töne an Bedeutung, je mehr Quarten du sukzessiv stapelst.
Alternativ dazu also einfach den obersten Ton abwärts lösen und nur die beiden Töne darunter normal lösen. Oder nur den oberen lösen und den Rest verschwinden lassen.
Hier (
http://www.youtube.com/watch?v=BlpQk-3SOSQ) wird der Quartenstapel (elf Quarten) erst um einen Halbton (in die falsche Richtung) nach oben gerückt (das ist eher ungewöhnlich und als "Schmankerl" zu werten) und dann nach unten gedropped. Letzteres zeigt, dass der Stapel eher einfach so verschwinden soll, als dass er normal aufgelöst wird. Es gibt aber einen Überrest von tonaler Klarheit, nämlich ist der letzte Spitzenton gleichzeitig Quinte vom nächsten Grundton. Damit gibt es eher ein Dominant- als ein Subdominantverhältnis. Auch das ist eher ungewöhnlich.
- Von Kikuta sagt man ja das er eine sehr ungewöhnliche Akkordprogression hat. Für mich ist der Mana Soundtrack aber mit FF VI der Liebste und mit Uematsu und Kikuta möchte ich mich hauptsächlich beschäftigen. Vielleicht können wir von den beiden mal jeweils uns einen Song anschauen?
Sagt man das? Hast du ein paar Beispiele mit sehr ungewöhnlichen Progressionen? Aber klar, gib her.
- Wenn du schreibst: "Eine beliebige Stufe wird zum moll7 und somit zur II. Stufe einer II.-V.-I.-Kadenz." heißt das das aus der Ausgangstonleiter eine Modulation stattfindet in eine II.V.I. Kadenz? Zumindest kann ich mittlerweile Quintfälle raushören. Das ist übrigens auch eines meiner größten Probleme beim hören von Songs: Wann wird moduliert und wann werden lediglich Quart - Sextvorhalte oder Zwischendominanten eingesetzt.
Ja, genau. Es ist meistens nur eine kurze Ausweichung mit anschließender Rückkehr. Zumal die Stücke ja eher kurz sind und wegen ihrer Loopbarkeit die Anfangstonart schnell wieder erreicht werden muss. Deshalb ist die Unterscheidung zwischen Ausweichung und Modulation hier auch nicht so wichtig.
Ich poste dann einfach mal zwei Songs die recht beliebt sind von Uematsu und Kikuta. Von Kikuta habe ich mal versucht Danger und Leaving time for Love zu analysieren. Das war noch vor meinem Harmonielehre-Websiten besuch und ich habe mich irritiert abgewandt. ( Hatte das mit einem SPC to Midi program in Cubase 6 geladen aber die Bezüge nicht entdecken können ). Was mir wohl auffiel ist das Danger sehr chromatisch ist an einigen Stellen.
Ja, Danger ist am Anfang und in den Bridges ziemlich chromatisch und mixturig (s.o.). Sonst ist der Song ziemlich normal.
Übrigens kommt der starke Drive (mit Ausnahme des Refrains, der ja melodisch und harmonisch sehr abgeht) fast ausschließlich durch die Snare, die im ganzen SoM-Soundtrack ja fast immer auf sehr unbetonte 16tel kommt.
Leaving Time for Love von Kikuta
Erstmal einige Sachen, die mir auffallen:
- Der Thread heißt "Spannungen in Battle Themes". Der Anfang aber ist extrem flegmatisch:
- Die kurzen Notenwerte im Auftakt suggerieren eigentlich mehr Bewegung, aber alles ist dermaßen konventionell, dass da m.E. null Drive ist: Die Melodie besteht oft aus Liegetönen, die punktierten tiefen Flöten spielen die sehr konventionelle 4. 4. 8-Begleitung, das Klavier hat auch keine tragende, sondern eine rein konformistische Rolle.
- Ganz entscheidend ist die Snare, denn Schläge auf 2 und 4 sind für SoM-Kenner extrem ungewöhnlich gleichförmig.
- Außerdem ist die Akkordfolge (i, III, bVII, IV#. Konkret: a-, C, G, D) problematisch: Die ersten beiden Akkorde stehen im aufsteigenden Terzverhältnis (für Spannkraft unbedingt vermeiden!). Akkorde 2 und 3 stehen im plagalen Verhältnis (ebenfalls eher wenig "Zug", aber immerhin mehr als eben). Akkorde 3 und 4 ebenfalls. Zudem spielt der Bass die Quinte des 4. Akkords. Diese ist gleichzeitig der Grundton des 1. Akkords. Normalerweise müsste es die Quinte des 1. Akkords sein. Am Ende von Loops steht nämlich meistens eine Dominante o.ä., um wieder neuen Schwung zu bringen. Die fehlt hier nicht nur, sie wird quasi peinlich genau vermieden, als wollte man das Gegenteil davon haben. Weniger Spannung geht kaum.
- Der vierte Akkord ist eine Art von Trugschluss (der Begriff ist hier etwas problematisch, also besser vorsichtig verwenden). Du kannst ihn also gut nach einem Dominantakkord bringen (so kommt er auch häufig vor). Der 6. Skalenton wird erhöht, er ist also ein dorisches Phänomen. Er ist aber eher etwas besonderes, daher nicht inflationär verwenden, sonst nervt er schnell oder verliert seine Wirkung.
Später kommen einige Ausweichungen, die nicht ganz trivial sind, aber wenig aussagekräftig zum Thema Spannung sind. Auf Wunsch kann ich sie gerne aufdröseln.
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Merke: Steigende Quinten und Terzen verbrauchen Energie, die anderswo wieder eingeholt werden muss. Sekunden und fallende Quinten schaffen Energie. Ernst Kurth beschreibt dieses Phänomen in seinem "Grundlagen des linearen Kontrapunkts" sehr ausführlich. Übrigens: Wenn ein Laie sagt, dass ihm eine Melodie nicht gefällt, sind diese Energieverhältnisse erfahrungsgemäß vorrangig schuld.
Du willst Spannung erzeugen. Einfach so platzierte Dissonanzen erzeugen übrigens keine Spannung, sondern erzielen eher den gegenteiligen Effekt. Entscheidend ist bei loopbasierter, kurzer Musik wie der Videospielmucke ein Perpetuum Mobile aus Energieerzeugen und -verbrauchern. Außerdem ist Ausgewogenheit sehr wichtig. Theoriekenntnisse geben Dir die Hilfsmittel dazu. Also geht es eben um all die "klassischen" Dinge, die von Laien und Nichtklassikern so oft verschmäht werden. Um Spannung zu erzeugen, solltest du also erstmal ein ausbalanciertes Stück schreiben können. Das Ohr dazu bekommst du durch die Musik des Barock und der Wiener Klassik. Die Theorie bekommst du u.a. hier. An deiner Stelle würde ich mir eine Sammlung anlegen. Am besten getrennt nach Anime-/Gamingelementen und Spannung. Ich rede in dem Thread bisher eher von ersterem, nur in der Analyse kam auch letzteres zur Sprache.
Decisive Battle - Final Fantasy 6 (Nach Danger mein zweitliebstes Videogame Bossthema. Platz 3 wäre von Terranigma "Dark Gaia")
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