Hehe, so ein Mutmachthread hat meienr bescheidenen Meinung nach schon seine Berechtigung. Vor allem, weil ich ja auch erst vor Kurzem auch nach Beistand gebettelt habe und ganz ehrlich, mir hat es sehr geholfen, aufmunternde Worte zu hören. Das ist vielleicht nicht ganz so männlich, wie man sich das bei einem unerschrockenen Guitarhero vorstellt. Aber meine Mum sagt schon immer: "Helf, was helfen mag."
Solche Tiefs hab ich auch schon oft erlebt. Da kann sehr viel dahinter stecken.
Ein paar Gedanken dazu:
1. Ist mit Deiner Gitarre alles in Ordnung? Ich habe mich wegen kleinen Nebengeräuschen verrückt gemacht. Dabei hatte ich ein Problem mit der Inputbuchse der Gitarre. Als die repariert war und der "Grundsound" wieder in Ordnung war, klangen die Nebengeräusche plötzlich wieder ganz normal. (Obwohl sie noch genauso da waren wie vorher) Also waren mir plötzlich Nebengeräusche egal, wegen denen ich total panisch einen Thread eröffnet hatte.
Naja, das kann ja alles Mögliche außer der Inputbuchse sein. Ich weiß nicht, wie gut Dein Lehrer ist. Der könnte sich die Gitarre mal vornehmen. Oktavreinheit, Saitenlage, Halskrümmung, Sattelkerben, Bundstäbchen... Da gibt es wirklich viele Dinge, die einem den Spaß ziemlich verderben können, die man aber nicht gleich auf die Gitarre schiebt, sondern den Fehler bei sich sucht. ("Greife ich nicht sauber?").
Das kann sehr demotivierend sein.
2. Stimmt Du die Gitarre immer brav vor dem Üben? Es ist oft so, wenn jemand traurig ist, weil er nicht weiterkommt und er oder sie postet ein Soundfile, dann hört man, dass die Gitarre nicht sauber gestimmt ist. Also keine Ahnung, ob Du das schon beherzigst, aber die Gitarre sollte man vor jeder Übungs- und Spieleinheit ordentlich stimmen. Und die Stimmung auch immer wieder überprüfen. Eine ungestimmte Gitarre ist einer der größten Demotivierungsfaktoren überhaupt.
3. Wie Whiteout ja schon schrieb: Du arbeitest gerade Grundlagen nach.
Dass Du Grundlagen mit dem Lehrer nacharbeitest ist absolut super. Ich kann Dir aber aus meiner Erfahrung sagen, dass IMMER, wenn man irgendetwas umstellt, man erstmal "schlechter" spielt als vorher. Das kann alles Mögliche sein. Bei mir war das: Haltung der linken Hand statt am Hals festgeklammert in eine saubere Haltung bringen, rechtes Handgelenk bei der klassischen Gitarre nicht abbiegen, nach geschriebenem Rhythmus spielen und nicht nur nach Gehör, linken Ellbogen nicht zum Körper reinfallen lassen, sondern je nach Position rausschieben, so dass das Handgelenk immer gerade bleiben kann, total dämliche Plektrumhaltung komplett umstellen, Finger vom Griffbrett lösen, indem man sie entspannt, statt sie wegzuziehen.
Tja, das waren jetzt mal ein paar Sachen. Und glaub mir, bei wirklich ALLEN diesen Themen hatte ich eine RIESIGE Anfangsverschlechterung. Ich konnte manche Sachen auch nicht mehr spielen, die vorher problemlos gingen. Das war immer etwas frustrierend. Aber es hat sich alles bezahlt gemacht.
Ich kann mir ziemlich genau vorstellen, wie frustrierend das gerade für Dich ist. Du arbeitest Grundlagen nach und fühlst Dich, als wärst Du schlechter als früher. Das ist aber ganz normal. Wenn Du bis jetzt den Rhythmus eines Riffs rein nach Gehör gemacht hast, dann fällt es Dir nunmal schwer, ein Riff sauber auszuzählen. Und Du spielst es dann auch erstmal holpriger. Das bildest Du Dir dann auch nicht nur ein. Es wird sich erstmal richtig holprig und gekrampft anhören.
Aber ich verspreche Dir, sobald Du das Rhythmuslesen und fühlen einmal raushast und das Rhythmusgitter mit allen Unterteilungen wie Achteln, Sechzehnteln und Triolen FÜHLEN kannst, dann wird sich Dein Gitarrenspiel auf einen komplett neuen Level heben.
Bei mir ist es mittlerweile so, weil ich das Umlern- und Neulernphänomen schon so oft erlebt habe, dass ich die Anfangsverschlechterung ohne Murren hinnehme und mich tatsächlich sogar freue, weil ich weiß, dass ich einen Fehler ausmerze und ich bald besser und lockerer und vor allem mit mehr Spaß spiele.
Gerade das Rhythmuslesen (ich spreche das vor allem an, weil ich ja nicht weiß, wo es bei dir genau hakt, aber zumindest das weiß ich ja, dass Du es nacharbeitest) wird Deinen Lernfortschritt expotential steigern. Klar ist es super, wenn man nach Gehör spielen kann. Daran soll natürlich jeder Gitarrist arbeiten. Aber wenn Du mal sauber Rhythmik lesen kannst, dann kannst Du Dir irgendeine Gitarrenzeitschrift nehmen und die Beispiele und Songs drinnen komplett nachspielen, ohne jedes einzelne Soundfile erstmal auf der beiliegenden CD anhören zu müssen, bis Du es verinnerlicht hast.
Du kannst so in kürzerer Zeit einiges mehr Neues üben.
Rhythmik lesen wird Dir auch wahnsinnig helfen, wenn Du mal einen schwierigen Song heraushören willst. Selbst Songs, die noch über Deiner jetzigen Fähigkeit liegen. Ich z.B. kann manche schnellen Metalsongs noch nicht nachspielen, aber kann sie heraushören und in Guitar Pro als Tabulatur eingeben, weil ich den Song in Gedanken verlangsamen kann und mir den Anschlagsrhythmus genau vorstellen kann. das hätte ich früher als ich mich beharrlich geweigert habe, Rhythmik zu lesen nicht hinbekommen. Weder das Raushören der Anschlagsrhythmik noch das Umsetzen in Tabulatur.
Also hier mein Tip, sei nicht frustriert, weil Dir das noch schwer fällt, sondern sei Dir der unglaublichen Möglichkeit bewusst, die es Dir in Zukunft eröffnet.
4. Spiele einfache Songs. So einfach wie möglich. Genau DIE Songs, von denen Du sagen würdest: "Ach, das lohnt sich nicht, diesen Song zu lernen, der bringt mich technisch nicht weiter."
Das wäre der aus meiner Sicht wichtigste Tipp. Ich hatte nämlich früher viele genau solcher Tiefs, wie Du sie beschreibst. Die traten über viele Jahre immer wieder auf. Dabei habe ich damals immer viel geübt. Extrem viele Fingerübungen gemacht, an schwierigen Songs gearbeitet usw. Der Blödsinn war, dass ich eigentlich gar nicht mehr geSPIELT habe.
Mein Gitarrenspiel hat sich komplett verändert, als ich mit Freunden nur zum Spaß eine Punkrockband gegründet habe. Davor wollte ich immer ein typischer Metal-Flitzefinger werden.
Auf einmal musste ich nur noch total simple Powerchordsachen lernen, über die ich früher gelacht hätte. Und siehe da: Die hatte ihre ganz eigenen Schwierigkeiten und Ansprüche. Man will sie ja nicht nur runterspielen, sondern sie sollen auch nach was klingen. Das war das erste Mal nach vielen JAhren Gitarrespielen, dass ich sowas wie eine musikalische "Identität" entwickelt habe.
Ok, das ist jetzt aber nicht das Wichtige daran. Wichtig ist, dass ich einfache Sachen spielte, und das nach einer Weile richtig locker und nebenher (neben dem Singen/Schreien) von der Hand ging.
Das machte soviel Spaß, dass ich keinerlei Fingerübungen mehr machte und null Soloambitionen mehr hatte.
Lustigerweise nach mehreren Jahren dachte ich, "mach doch mal wieder ein paar Flitzefinger-Übungen". Tja und die liefen tausendmal besser als früher. Ich war völlig baff. Weil früher hatte ich die viele Stunden geübt und konnte sie trotzdem viel schlechter spielen.
Und der einzige Unterschied war der, dass ich eine komplett neue Lockerheit an der Gitarre entwickelt hatte.
Also das würde ich Dir ganz arg ans Herz legen, Dir mega einfache Songs rauszupicken und diese einfach nur spielen.
So wie es jetzt gerade läuft, setzt Du Dich wahrscheinlich hin, nimmst die Gitarre, hast mental im Hinterkopf schon eine Verkrampfung wie anstrengend das Üben wird, das Metronom tickt vor sich hin und wird zu einem Hämmern wie bei der legendären indianischen Wasserfoltertechnik, die Noten in Deinem Buch verzerren sich zu Fratzen, die Dich verspotten "Haha, Du kannst uns nicht flüssig lesen!" und statt einfach zu spielen, bist Du die ganze Zeit damit beschäftigt, deine Haltung zu korrigieren und ärgerst Dich jedesmal, wenn Du wieder in alte Gewohnheiten verfällst. Und Du ärgerst Dich, ärgerst Dich, ärgerst Dich....
Vielleicht etwas überzogen dargestellt, aber Du weißt, worauf ich hinauswill.
Und das ist nichts, was Du nicht mit ein paar wirklich EINFACHEN Songs aus Deinem Kleinhirn bekommen kannst.
5. Was mir selber sehr hilft, aber jemand anderes auch total lächerlich finden könnte:
Ich hab einen billigen Werbekalender meiner örtlichen Apotheke an der Wand hängen. Ich hab dazu noch nen Küchentimer, der immer von 30 Minuten herunterzählt auf null und dann piepst. Wenn ich anfange zu spielen/üben, dann lasse ich den laufen. Wenn er dann piept, mache ich ein Kreuzchen in den Kalender.
Das ist weniger Aufwand als einen komplizierten Übungsplan zu entwerfen und alle Ergebnisse akribisch aufzuschreiben, aber hat zwei Effekte:
- Riesenmotivation, wenn Du mal den Kalender anschaust und alles voller Kreuzchen ist.
- Ich habe eine realistische Vorstellung, ob ich wirklich so viel geübt habe, oder ob mir nur der Frust signalisiert: "Du wirst vor lauter Üben nicht besser."
- Es hilft gegen G.A.S Anfälle oder unterstützt einen bei der Entscheidung, ob man sich guten Gewissens z.B eine neue Gitarre kauft.
So, das wärs jetzt mal von mir. Ich kann Deinen Frust sehr gut verstehen und wünsche Dir das Beste bei der Überwindung der Hindernisse. Und denk dran, dass Emptypockets auch Recht hat. Ein Problem ist, dass man sich einfach zu sehr hineinsteigert und das beeinflusst nicht nur den Fortschritt, sondern auch den Spaß, den man mit seinem Instrument hat.