Das eigene Urteil ist besonders am Anfang nichts wert. Ob man einen Song gefühlvoll singt, kann man kaum selbst beurteilen. Denn auch die Selbstwahrnehmung ist eben stimmungsabhängig.
Ich merke das doch während dem Singen, ob ich und welche Gefühle ich im Moment spüre. Du meinst nur "gefühlvoll", gefühlvoll kann alles sein. Traurig, Fröhlich etc. ob ich überhaupt ein Gefühl während dem Singen hab, sollte ich doch spüren können, oder etwa nicht?
Oder ich glaube, du hast dich falsch ausgedrückt
Und klar ist Selbstwahrnehmung stimmungsabhängig, aber sollte man da nicht auch versuchen, das soweit zu lernen, dass man jederzeit z.B beim Nachhören der Aufnahme objektiv nachfühlen/spüren kann?
Gefühle sind natürlich subjektiv, wenn allerdings jemand traurig ist und man einigermaßen an Empathie besitzt, sollte man das auch wahrnehmen/fühlen können.
Das ist vielleicht ein wesentlicher Kern der Professionalität, sei es bei Musikern oder Schauspielern: Die Gefühle, die gerade im Stück im Zentrum stehen, angemessen und überzeugend ausrücken zu können, ihnen also Ausdruck zu geben. Eben nicht, in diesem Moment selber diese Gefühle zu haben.
Alles andere wäre auch hinderlich, zum einen, weil man in Gefühlsduselei abrutschen könnte, weil man zu viel Energie verbraucht, und weil man schlimmstenfalls den oft schnell wechselnden Gefühls-Ausdrücken in einem Stück nicht flexibel folgen kann. Ein langsamer Satz kann traurig sein bzw. klingen, der nächste Satz kann aber in einem extremen Kontrast dazu überschwänglich fröhlich sein. Von den wechselnden Gefühls-Momenten einer Opern-Rolle ganz zu schweigen. "Rolle" ist hier zudem ein gutes Stichwort: wir spielen auf der Bühne eine "Rolle", nicht unbedingt uns selber (wobei das natürlich auch der Fall sein kann, vor allem, wenn man z.B. eigene Sachen spielt).
Um eine möglichst große Bandbreite an Gefühlen darstellen zu können, ist ein eigenes intensives Gefühls-Erleben, das Erfahren von Gefühlen am eigenen Leib auf jeden Fall eine wichtige Voraussetzung.
Wer den Ausdruck von Trauer darstellen können will, muss wissen, wie sich Trauer anfühlt. Das muss allerdings immer noch nicht heißen, dass man alles auch wirklich selber erlebt haben muss, um den angemessen Ausdruck zu finden. Man muss es nur wissen. Als Beispiel dafür möchte ich den Krimi-Autor nennen, der auch die Figur des Mörders entwerfen muss und den Schauspieler, der einen Mörder spielt. Beide müssen aber auf gar keinen Fall selber schon mal einen Mord begangen haben, um den Text angemessen zu schreiben bzw. die Rolle angemessen darstellen zu können.
Empathie ist hier das Stichwort.
Du weißt aber schon, was Empathie bedeutet?
Die Spiegelneuronen im Gehirn sorgen dafür, dass man etwas, was ein anderer erlebt, tatsächlich auch selber FÜHLT, also nachempfindet in dem Moment. Wenn jemand traurig ist und grad weint, dass man es FÜHLT..
"wir spielen auf der Bühne eine "Rolle", nicht unbedingt uns selber"
-ich habe oben folgendes geschrieben: "Ich meine, nur weil ich ein Gefühl von Trauer produziere, muss ich ja nicht gleich wirklich traurig sein.. Ich kann ja nachher in meinen normalen, eigentlichen Zustand wechseln, aber ich sollte doch als wahrhafter "Künstler" in der Lage sein, diese Emotionen tatsächlich zu spüren, sonst macht es doch nichts zur Sache."
Und klar, sollte man deswegen nicht auf der Bühne das Kotzen anfangen. Aber ich erlebe, dass es sehr möglich ist, gewisse Emotionen einfach nur so zu produzieren, obwohl ich sie nicht wirklich in dem Moment habe. Ich muss mich z.B nur auf Traurigkeit konzentrieren und schon spüre ich sie. Ich kann sie durch Konzentration intensivieren oder abklingen lassen. Dass sollte mich doch davon abhalten und auch andere Sänger davon abhalten auf der Bühne zu kotzen bzw. das ist doch die Professionalität an der Sache?
Du meinst, man muss nur wissen, wie sich Gefühle anfühlen, dass man diese aber nicht in dem Moment z.B während dem Singen tatsächlich fühlt, sondern nur RÜBERBRINGT durch die Stimme, eventuell auch die Mimik, Körperhaltung?
Aber wie ich oben bereits geschrieben habe, ich z.B als ein ziemlich sensibler Mensch und als ein Empath spüre das SOFORT, wenn gewisse Gefühle nicht tatsächlich gespürt/gefühlt werden vom Sänger/Schauspieler.
Schön zusammengefasst @LoboMix
Ich ergänze: profanerweise ist es oft fast wichtiger, die Klischees von Gefühlen zu kennen als die Gefühle selbst. Und dafür reicht Beobachten. Auch sich selbst.
-Aber wie ich oben bereits geschrieben habe, ich z.B als ein ziemlich sensibler Mensch und als ein Empath spüre das SOFORT, wenn gewisse Gefühle nicht tatsächlich gespürt/gefühlt werden vom Sänger/Schauspieler.
@maimai2894573289hf Die Kollegen hab im Prinzip alles Wichtige und Richtige dazu gesagt, nur würde ich gerne noch ein Missverständnis zwischen uns beiden ausräumen
Ja klar, Gefühle zu transportieren gehört natürlich zum Singen dazu, sogar bei mir ;-) . Aber
meine Gefühle welche ich noch 10 Sekunden vor dem Song hatte, spielen keine Rolle weil ich
das Gefühl des Songs 'rüber bringen muss und nicht das welches ich zufällig gerade habe. Wie
@antipasti so treffend schrieb ist das natürlich eine "Simulation" bei der man sich der Klischees bedient.
Ich versuche mein (Musical-) Repertoire von ca 1,5h wenigstens einmal die Woche am Stück durchzusingen. Dabei sind die unterschiedlichsten Emotionen zu transportieren: zarte Liebesduette, überhebliche Prahlerei, Nachdenklichkeit, Verzweiflung, tosende Wut ... bis hin zu Suizidgedanken, Wahnsinn und Schizophrenie. Also alle paar Minuten eine neue Gefühlswelt, manchmal 2-3 Emotionen wechselnd im gleichen Song. Diese Gefühle kann man unmöglich "in Echt" innerhalb einer so kurzen Zeitspanne haben
Ich unterstütze diese simulierten Gefühlswelten dann nicht nur stimmlich, sondern auch mit entsprechender Gestik und Mimik - obwohl mir keiner zusieht. Das hilft tatsächlich ... aber letzten Endes ist das alles nicht echt
EDIT: ich bin auch ganz froh darüber, dass es nicht echt ist - insbesondere im Zusammenhang mit Suizid und Schizophrenie
LG Robert
-Ich meine, nur weil ich ein Gefühl von Trauer produziere, muss ich ja nicht gleich wirklich traurig sein.. Ich kann ja nachher in meinen normalen, eigentlichen Zustand wechseln, aber ich sollte doch als wahrhafter "Künstler" in der Lage sein, diese Emotionen tatsächlich zu spüren, sonst macht es doch nichts zur Sache.
-Aber wie ich oben bereits geschrieben habe, ich z.B als ein ziemlich sensibler Mensch und als ein Empath spüre das SOFORT, wenn gewisse Gefühle nicht tatsächlich gespürt/gefühlt werden vom Sänger/Schauspieler.
"Also alle paar Minuten eine neue Gefühlswelt, manchmal 2-3 Emotionen wechselnd im gleichen Song. Diese Gefühle kann man unmöglich "in Echt" innerhalb einer so kurzen Zeitspanne haben"
Nicht wirklich selber haben, aber produzieren?
Zitat von oben -> (Sorry, bin zu faul, zum Schreiben) Und klar, sollte man deswegen nicht auf der Bühne das Kotzen anfangen. Aber ich erlebe, dass es sehr möglich ist, gewisse Emotionen einfach nur so zu produzieren, obwohl ich sie nicht wirklich in dem Moment habe. Ich muss mich z.B nur auf Traurigkeit konzentrieren und schon spüre ich sie. Ich kann sie durch Konzentration intensivieren oder abklingen lassen. Dass sollte mich doch davon abhalten und auch andere Sänger davon abhalten auf der Bühne zu kotzen bzw. das ist doch die Professionalität an der Sache?
Wie gesagt, vielleicht ist es bei anderen Menschen nicht so und es juckt niemanden, ob jemand etwas nur rüberbringt oder wirklich produziert, fühlt, rüberbringt, abklingen lässt und in seinen normalen Zustand wechselt. Bzw. vielleicht merkt niemand den Unterschied.
Aber ich werde mir noch einige Interviews anschauen von Sängern/Schauspielern/Künstlern, weil es mich wirklich interessieren würde, was andere dazu meinen, vor allem Leute, die Millionen von Menschen berühren. Ich wollte das eigentlich die ganze Zeit machen, aber ich bin ein Profi der Prokrastination.