Setup für Jam/Onlineunterricht am iPad

Anfängerfehler!
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Hallo zusammen,

bei dem Versuch mit meinem iPad ein Setup aufzubauen, das sich für Onlineunterricht via z.B. Skype/Jitsi/Discord oder Online-Jams eignet, bin ich auf einige Probleme gestoßen. Deshalb habe ich meine (Teil-)Erfolge mal verschriftlicht, falls jemand vor ähnlichen Problemen stand oder steht.

Was will ich haben?
Eine Lösung mit folgenden Vorgaben:
- Ich möchte mein Instrument (in meinem Fall E-Gitarre) über ein Audiointerface in den Videochat streamen
- das Instrument soll von mir und dem Lehrer gehört werden
- einen Backingtrack will ich mit einspielen, der vom Lehrer und mir gehört wird
- gleichzeitig soll normaler Videochat möglich sein, d.h. der Lehrer soll mich hören und ich ihn
- meine Stimme wiederum soll nicht gemonitort werden, damit ich beim Sprechen nicht ständig mich selbst höre

Die Probleme dabei:
- nicht alle Software erlaubt auf dem iPad die Nutzung von per USB angeschlossenen AudioInterfaces (Zoom z.B. kann das, Skype oder Discord nicht)
- softwareseitige Umgehungen wie z.B. die App Audiobus haben keine Unterstützung für gängige Videoapps (wie Skype oder Discord)
- ein am Audiointerface angeschlossenes Mikrofon würde zwar der Lehrer/Mitspieler hören, ich allerdings auch

Wieso gibt es das Poblem überhaupt?
Letztlich durch den reduzierten Funktionsumfang der iOS-Version am iPad. Der Zugriff auf externe Audiointerfaces ist nicht über iOS wählbar, sondern muss softwareseitig vom Appentwickler implementiert werden. Bis auf z.B. Zoom oder eben "musikerspezifischere" Apps wird das kaum gemacht. Ein angeschlossenes Audiointerface bringt mir also nichts. Softwaretechnisch wäre das alles überhaupt kein Problem, wäre da nichts Apples restriktive Politik, die es Entwicklern nicht erlaubt "tiefere" Systemeinstellungen zu verändern. Auf Android-Geräten gibt es solche Apps.

Mit dem Support von Skype und Discord habe ich geschrieben und bei beiden Programmen ist absehbar keine Auswahl der Audioquelle auf dem iPad/iPhone geplant. Skype sagt es sei seit 2014 "to be considered", seitdem ist nichts passiert. In einem Thread zu dem Thema haben wir verschiedene Varianten überlegt und dabei auch verschiedene Hardware diskutiert.
Man steht also vor der Aufgabe eine Hardware-Lösung für ein eigentlich simples Softwareproblem zu finden.

Technische Vorgaben von Apple-Geräten und kurze Erklärung:
Wer sich mit Kabelarten etc. bestens auskennt, wird sich hier langweilen. Ansonsten eine kurze Erklärung für diejenigen, die da nicht ganz so firm sind.

In älteren iPads ist eine TRRS-Buchse (Tip-Ring-Ring-Sleeve) verbaut, die in einem Port sowohl Mikrofon als auch Audioausgabe führt. Der TRRS-Standard hat vier Leitungen (Mikro, Stereo links, Stereo rechts und Erdung). Man erkennt TRRS-Stecker an drei Ringen bzw. vier Segmenten des Steckers.
Neuere iPads oder iPhones verwenden entweder Apples hauseigenen Lightnint-Adapter oder USB-C als einzige Schnittstelle.
Um überhaupt eine hardwareseitige Konnektivität für Audiolösungen zu erreichen, brauche ich also eine Überstzung auf 3,5 mm Klinke im TRRS-Format. Die passenden Adapter dafür gibt es sowohl für USB-C als auch Lightning.

IMG_6487.jpg
TRRS-auf-2x-TRS-Splitterkabel


Das Kernproblem:
Die meisten Apps (Skype, Discord) sind wie bereits erwähnt so programmiert, dass sie ausschließlich die interne Hardware ansprechen. Das Audio Interface ist angeschlossen und funktioniert in DAWs problemlos, trotzdem wird von z.B. Skype die interne Hardware angesprochen. Dank Apples restriktiver Softwarepolitik lässt sich das auch nicht umgehen.
Wenn ich dann einfach den Kanal aufsplitte, wofür es entsprechende Kabel oder Dongles gibt (Y-Splitter TRRS, siehe Foto oben), dann habe ich wieder "nur" einen Mikrofoneingang und Kopfhörerausgang. Ich kann also entweder mein Mikro, oder mein Instrument oder einen Backing-Track von beliebiger Audioquelle einspeisen, wenn ich sie an den Klinkeneingang hänge. Auf meinem Kopfhörer würde ich meinen Mitspieler/Lehrer hören, mich selbst aber weder mit dem Backingtrack noch dem Instrument.

Die theoretische Lösung:
Was ich brauche ist einen etwas aufwendigeren Einschleifweg, der die Vorgaben von oben umsetzt.
Ich suche also folgendes:

Auf den Kopfhörern will ich den Backingtrack, meinen Lehrer und mein Instrument hören. Dafür muss ich das Audiosignal vom Lehrer auf die Kopfhörer schalten aber aus dem Kanal herausnehmen, der zurück in den Stream geht, weil der Lehrer sonst bei seinem Spielen/Reden ein ständiges Echo hören würde.
Mein Mikrofon muss so eingespeist sein, dass ich es nicht höre, der Lehrer aber schon. Ich darf es also erst nach dem Monitoring in den Stream einspeisen.

Es gibt verschiedene Hardwarelösungen, da das Problem scheinbar nicht nur ich hatte. Leider fallen alle Optionen raus, die vom iPad als Audio-Interface erkannt werden, wie eigentlich fast alle kleinen smarten Audiointerfaces wie z.B. die iRigs mit USB-Anschluss. Es muss also hardwareseitig wie oben erwähnt als Basis ein USB/Lightning-auf-TRRS-Klinke-Adapter sein.

IMG_6488.jpg
USB-C-auf-TRRS-Adapter

Deswegen fallen folgende Optionen wieder raus, auch wenn sie scheinbar ganz gut passen sollten:

IK iRig2: Ein simples und günstiges (33 Euro) Dongle mit einer 3,5 mm Klinke (TRS), Kopfhörerausgang in 3,5 mm Klinke und einem 6,3 mm Klinkeneingang. Erfüllt alle Kriterien, mit Ausnahme der Tatsache, dass der Kopfhöreranschluss ein TRS-Stecker ist und ich das Mikro über das Audiointerface schalten müsste, womit ich mich wieder hören würde.

Saramonic SmartRig+: Die Reviews klingen sehr gut und man kann sogar zwei Kanäle einzeln verstärken sowie mit dem Kopfhörer abhören. Der Kopfhöreranschluss ist aber leider ein reiner Monitor für den Input, d.h. man hört weder den Lehrer noch kann man darüber sprechen und würde sich (siehe oben) wieder selbst hören, weil das Mikro am Audiointerface hängt.

iRig Stream: Die bisher einzige Lösung für das Problem schien das iRig Stream zu sein, das über einen TRRS-Anschluss (um ein Headset anzuschließen) verfügt und außerdem über zwei Cinch-Anschlüsse für einen Stereo-Eingang von beliebigen Streams. Das Input-Signal kann hardwareseitig verstärkt werden. Und außerdem ist das Headset für Ein- und Ausgabe mit einzelnen Reglern justierbar und wird nach dem Monitoring erst eingeschleift. Dem iRig Stream liegen übrigens gleich drei Kabel bei, nämlich USB-C, Lightning und USB-B. Damit dürfte jede Generation von iPad (und Android) abgedeckt sein. Aber nachdem ich es in Betrieb genommen hatte und es gut funktionierte, kam das Software-Update auf iOS 14.4 und seitdem wird auch das iRig Stream als Audiointerface erkannt und – zum Glück – konnte ich es noch an Thomann zurückschicken. Danke Schicksal, ich finde alleine raus.

Rode SC-6: Ein kleiner und sehr güngstiger (ca. 12 Euro) Adapter, der TRRS auf einen TRS-Audioausgang und zwei TRS-Audioeingänge splittet. Zumindest eine sehr günstige Teillösung, bei der ich meinen Lehrer höre, mein Instrument einstreamen kann und noch ein Port für mein Mikro zur Verfügung steht. Für Akustikgitarren mit Tonabnehmern wohl geeignet, weil ich mich dabei ja sowieso höre. Für die E-Gitarre ungeeignet, weil ich keine Chance habe mein verstärktes Signal auf die Kopfhörer zu bekommen.

Die Lösung:
Nachdem ich im Segment von Audiointerfaces -adaptern nichts gefunden habe, was der Lösung nahe kommt, bin ich bei Mini-Mischpulten fündig geworden. Von Behringer gibt es die XENYX-Reihe bzw. das Behringer XENYX 302USB, das für aktuell 44 Euro zu haben ist. Es verfügt über Kopfhörer- und Mikroanschluss (entweder über 3,5mm Klinke oder XLR), zwei Stereokanäle mit Cinch-Buchsen und einen USB-Eingang. Da sonst der Irrsinn von vorne losgeht, nutze ich den USB-Eingang aber natürlich nur für die Stromversorgung und schließe es nicht am iPad an.

Das Behringer XENYX 302 USB erlaubt über Knopfdruck die Eingangskanäle und das Mikro entweder auf die Kopfhörer oder auf den Signalsausgang (in Richtung iPad) zu legen und das ist endlich genau das, was ich gesucht habe. Ich kann also sehr simpel entscheiden, was wann und wo beigemischt wird.

Vielleicht habe ich als nicht-Audiotechniker bei dem ganzen einige Verständnisprobleme gehabt, und für euch ist es alles total logisch. Falls nicht erkläre ich noch mal Schritt für Schritt wie man das ganze verkabelt, damit es funktioniert.

Schritt 1:
Der iPad-Anschluss wird gesplittet und muss am Ende zwei TRS-Anschlüsse aufweisen. Ältere iPads/iPhones mit TRRS-Buchse brauchen dafür nur ein TRRS-Splitter-Kabel (siehe Foto). Bei neueren Geräten kommt zuerst ein USB-C- oder Lightning-auf-TRRS-Adapter dran, dann dahinter das TRRS-Splitter-Kabel.
Vom TRS-Ausgang am iPad geht ihr über ein Kabel 3,5mm-Klinke-auf-2xCinch in den Kanal "2-Track" des XENYX 302USB. Mit einem exakt gleichen Kabel geht ihr wiederum aus dem Ausgang des XENYX 302 USB "Main Mix" zurück in den TRS-Eingang des iPads.

Schritt 2:
Eure bisherige Signalkette (Instrument/Verstärker/Pedalorgien) wird über eine passende Adapterlösung (bei mir 3,5 mm Klinke auf Cinch) in den Kanal "Line" vom XENYX 302USB eingespeist. Und damit seid ihr grundsätzlich fertig und habt sogar noch die Möglichkeit während des Spiels die Kanäle am Mixpult etwas nachzujustieren.

Schritt 3:
Einzig die Frage des Backingtracks bleibt noch offen. Den könnt ihr natürlich nicht über das iPad abspielen, denn der käme ja aus gleicher Quelle wie die Stimme von Mitspielern oder Lehrer und wird in dem Setup absichtlich nicht zurückgeleitet. Ihr könnt also ein Audio-Interface davorschalten und es über USB mit dem Handy ansteuern und den Track einspielen. Oder – wie in meinem Fall – kann es euer Verstärker per Kabel/Bluetooth, den Backingtrack direkt mit in die Signalkette des Instruments packen.

IMG_6486.jpg

Ich hänge mal noch ein paar Fotos an und hoffe es ist für den ein oder andern nützlich. Mir ist SEHR bewusst, dass das keine elegante Lösung ist. Wer einen PC/Notebook oder ein MacBook hat, kann sich über diesen Kabelsalat nur totlachen. Wenn man das aber nicht hat und auch nicht einsieht, sich für so einen Blödsinn einen neuen Rechner zu kaufen, ist das hier die einzige Lösung, die ich nach echt langem Basteln und Probieren finden konnte. Kostenpunkt mit Mixpult und Adaptern/Kabeln waren bei mir ca. 80 Euro.

Falls ihr andere und bessere Ideen oder günstigere Lösungen kennt, immer her damit. Vielleicht mache ich den ein oder anderen Denkfehler. Aber nach Diskussion im Forum, diversen Mails mit Microsoft Skype und den Discord-Entwicklern, ist mir nichts besseres eingefallen. Über Anregungen oder Ideen würde ich mich freuen und sie gerne ausprobieren!

Viele Grüße
Anfängerfehler!
 
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softwareseitige Umgehungen wie z.B. die App Audiobus haben keine Unterstützung für gängige Videoapps (wie Skype oder Discord)
nur der Korrektheit halber:
die Situation ist genau umgekehrt: gängige Video-Apps haben keine Unterstützung für Audiobus.
Audiobus stellt die SDK Bibliothek mit Audio-Funktionen zur Verfügung. Skype oder Discord könnten problemlos (und kostenfrei) darauf zugreifen... ;)
 
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die Situation ist genau umgekehrt: gängige Video-Apps haben keine Unterstützung für Audiobus.
Audiobus stellt die SDK Bibliothek mit Audio-Funktionen zur Verfügung. Skype oder Discord könnten problemlos (und kostenfrei) darauf zugreifen...

Danke für den Hinweis! Ich warte mal, ob noch anderes Feedback kommt und pflege es dann ein. Dann muss ich die Mods nicht mehrfach um Änderung bitten.

Interessant wäre ja, ob es nur "Mehraufwand ist", oder ob das auch sicherheitsrelevant für die Entwickler ist. Wenn ich im Hintergrund mit Audiobus das Signal abzweigen könnte, bzw. andere Quellen in Skype einschleusen könnte, wäre das ja aus Entwicklersicht nicht ganz unproblematisch. Aber das ist natürlich Spekulation.
 
Audiobus (und ähnliche Apps) sind Software Module auf Anwender-Ebene (im üblichen Sandkasten) und haben weder intern noch extern System- oder Hardware Zugriff.
Für die grossen Anbieter rechnet sich der Aufwand für (geschätzt) maximal 1% der Kundschaft nicht.
 
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Ich kann es derzeit leider nicht testen, da ich das Gerät nur kurz da hatte. Aber wenn ich es wieder mal ausleihen kann, dann werde das Szenario testen.
Und zwar spreche ich vom Behringer Flow 8. Ja, das ist deutlich teurer....

Out of the Box müsste dein Szenario funktionieren, nur die eigene Stimme wirst auf dem Main Out / Headphone Out mit drauf haben. Das funktioniert in den typischen Meeting Anwendungen, weil USB1+2 den Mix beinhaltet, aber halt Post Fader. (USB3 ist dann der erste Mikro Kanal...)
Leider lassen sich Monitor 1/2 nicht zu einem Stereo Out linken (ich hoffe auf ein Firmware Update). Dann könnte man für sich selbst Monitor 1+2 verwenden ohne die eigene Stimme. Man könnte da wahrscheinlich etwas tricksen, indem man Eingang 1,3,4, 5 und 8 oder Bluetooth/USB Play verwendet (1 Mikro, 3,4 Instrument, 5/8 oder USB für Backingtrack) und die Stereoquellen links auf Monitor 1, rechts auf Monitor 2 ausgibt. Ob man bei den Kanälen ab 5 irgendwie wirklich ein Stereo Signal Pannen kann (z.B. in dem man Kanal 5 und 8 verwendet, wenn das überhaupt möglich ist) ist mir nicht ganz klar, in jedem Fall kann mal alles nach Monitor 1 und alles nach Monitor 2 schicken. Falls man einen Kopfhörer verwenden will brauchts dann leider einen kleinen Verstärker /Behringer Powerplay P2 oder so + passendes Kabel).
Ich hoffe hier aber auf Updates von Behringer, wenn das technisch möglich ist.
Ansonsten gibts in einem anderen Preissegment noch ein Behringer XR18, damit sind die Anforderungen natürlich erfüllbar.
 
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Out of the Box müsste dein Szenario funktionieren, nur die eigene Stimme wirst auf dem Main Out / Headphone Out mit drauf haben.

Ich wollte es nicht glauben, aber das stimmt. Habe gerade den Vergleich gemacht, aber mit sehr erfreulichem Ergebnis. Wenn ich ein "richtiges" Mikrofon (Superlux E205) über XLR anschließe, höre ich mich deutlich auch auf den Kopfhörern. Mit dem kleinen Headsetmikrofon über den 3,5-mm-Klinke-Anschluss ist es nicht hörbar, d.h. so leise, dass ich mich selbst nicht höre. Im Stream allerdings habe ich völlig normale Lautstärke und bin gut zu verstehen. Also sachlich hast Du vollkommen recht, aber praktisch spielts für die Lösung keine Rolle. Habe es jetzt schon mehrere Tage im Test und funktioniert super.
 
Du sprichst wahrscheinlich vom Xenyx? Ich war beim Flow8. Aber wenn es mit dem Xenyx umsetzbar ist, ist das natürlich noch besser und günstiger.
 
Du sprichst wahrscheinlich vom Xenyx? Ich war beim Flow8. Aber wenn es mit dem Xenyx umsetzbar ist, ist das natürlich noch besser und günstiger.

So ist es, da hab ich Dich falsch verstanden.
 

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