Hallo Enforcer,
was genau hat denn Dein Mentor mit "Schüchtern beim Spielen" gemeint? Die musikalische Darbietung oder die Bühnenpräsenz?
Zur Darbietung: Bei Leuten, die das Zusammenspiel mit anderen noch nicht gewohnt sind, fällt immer wieder auf, dass sie sich dem Song von "unten" anschließen. Sie fangen zart und zurückhaltend an und brauchen die erste Strophe, bis sie sich eingrooven und auf "Nennlautstärke" laufen. So kommt das natürlich nicht gut. Die Darbietung beginnt mit dem ersten Ton und "nur ein bisschen anfangen" gilt nicht. Natürlich braucht es zunächst Überwindung, nach dem Einzählen wirklich voll reinzulangen, im Vertrauen darauf, dass die anderen auch anfangen und vor allem auch das gleiche Lied spielen werden. Das ist wie ins trübe Wasser köpfen, auch wenn man weiß, dass die Stelle tief genug ist. Mache Dir das vor jedem Einzähler nochmal bewusst: Eingrooven musst Du schon vor/auf den Einzähler und "nur ein bisschen anfangen gilt nicht" und dann lege los! Ja, man wird immer wieder mal den Einsatz verhauen. Aber mit zaghaftem Anfang versaut man _jeden_ Einsatz.
Zur Bühnenpräsenz: Ich spiele nicht oft vor Puplikum und muss auch selbst noch daran arbeiten. Aber so sehe ich das:
Man steht steif wie ein Stock da und spielt halt sein Zeug, was sich dann auch genau so steif anhört, wie es aussieht. Musik bezieht den gesamten Körper des Musikers ein. Mit dem Fuß tappen ist schon mal ein guter Anfang. Dann noch mit dem Kopf nicken und irgendwann kommt Hüfte und Oberkörper dazu. Ich meine da nicht Herumkaspern, nein, Dein Körper soll zumindes in Teilen als Metronom mitschwingen. Ganz wichtig: Das kommt nicht einfach so während des Auftritts, das muss man üben! Zwinge Dich bei Proben zum körperlichen Einsatz: Hinstellen, leicht in die Knie gehen und wackeln! Und das coole ist: Wenn du endlich mit dem ganzen Körper Musik machst, dann wird auch dein Rhythmusgefühl besser.
Weiter gehts: Zwinge Dich, vom Instrument weg zu sehen. Du spielst für das Puplikum und für deine Mitmusiker, du kommunizierst mit ihnen. Schaue also auch in Richtung Puplikum oder Mitmusiker. Da bin ich auch noch ziemlich schlecht. Ich muss mich auch pro Song etwa drölfzehnmal zum Aufblicken zwingen, aber es wird besser. Und wieder: In der Probe üben! In Ermangelung eines Puplikums spiele deine Mitmusiker an.
Edit: Fast vergessen. Was mich immer wieder erstaunt, mit was für Böcken man oft durchkommt, wenn man sich bloß nichts anmerken lässt. Fehler passieren. Wichtig ist dann, zu retten was zu retten ist und nicht die Augen verdrehen. Die Chancen sind dann gut, dass es dem Großteil der anwesenden nicht auffallen wird oder zumindest gleich wieder vergessen wird. Anders, wenn beim kleinsten Fehler gleich mehrere Bandmitglieder durch Arme-hochreissen, Augen-verdrehen und vom Puplikum-wegdrehen das Vorkommniss auch noch optisch untermalen. Wir scherzen immer: Wenn es ganz schlimm wird und wir aufhören müssen, schauen wir alle gemeinsam vorwurfsvoll zum Basser ;-)