Ich habe mir deine Aufnahme nun mehrmals angehört und würde dir folgende Tipps/Hinweise geben wollen:
1) Erstmal vorweg: Das ist wirklich schön gespielt. Flüssig, die Bassläufe gehen die ganze Zeit schön durch etc. Man kann schon sagen, dass man dir anmerkt, dass du da Zeit investiert hast und das Ergebnis ist auf jeden Fall so präsentierbar.
Wenn man im Konzert säße und du würdest das so spielen, wären sicher die Zuschauer vollkommen zufrieden.
Von daher verstehe bitte den kommenden Teil nicht als "Kritik", sondern als "das könnte man noch verbessern, aber die meisten Leute würden es wohl eher unterschwellig merken und die Hälfte vermutlich gar nicht"
2) Zur Aufnahme: Ich hab keine Ahnung was es ist, aber du hast da auf deiner Aufnahme irgendein Fiepen bei ziemlich genau 8000Hz (und ein paar leisere noch höher). Mag sein, dass ich da empfindlich bin, aber nervt mich tatsächlich deutlich. Das beginnt schon am Anfang, bevor du los spielst. Ich denke, dass das irgendetwas Elektronisches ist. Netzteil oder sowas. Hör da vielleicht noch einmal rein. Sowas kann man mit eigentlich jedem Aufnahmeprogramm gut bereinigen, indem man die Frequenz mit nem vernünftigen EQ ganz schmalbandig rauszieht. Am besten aber natürlich das Gerät, dass da reinfiept eliminieren. Hätte für mich die Qualität der Aufnahme noch deutlich gesteigert.
3) Was deine Version noch auf ein ganz anderes Niveau heben würde, wäre es, wenn du die inhärenten Betonungen des Stückes herausarbeiten könntest.
Was meine ich damit? Dir ist vermutlich klar, dass jeder Takt bestimmte Betonungen hat. (Hinweis: ich weiß nicht genau, wie das Stück notiert ist, aber ich nehme an, dass es in Achteln aufgeschrieben ist, möglicherweise auch 16teln. Ich schreibe im folgenden Text von Achteln und du wirst verstehen worauf ich hinauswill, aber evtl sind halt immer 16tel gemeint, falls das Stück nicht 4/4 notiert ist)
Wenn du dir einmal im Vergleich diese Aufnahme von Qualey selbst anhörst, wirst du feststellen, dass er oft so betont: 1 + 2 + 3 + 4 +, also quasi zwei Dreiereinheiten (1 + 2 sowie + 3 +) und eine Zweiereinheit (4 +): Durch diese Ungleichheit entsteht ein treibender Effekt, weil die Zweiereinheit immer zu kurz wirkt.
Du kannst einfach mal das ganze Video durchhören und versuchen dabei die Betonungen mit zu klopfen, dann weißt du was ich meine:
Es mag sogar sein, dass das in deinen Noten auch entsprechend notiert ist, etwa als Synkopen.
Das Ganze gibt dem Stück eine inhaltliche Struktur, die deiner Version ein wenig fehlt. Deine Version ist sehr "laid back" und schunkelt so vor sich hin, wohingegen Qualeys Version verschiedene Höhepunkte hat, die angesteuert werden.
Dir fehlen diese Betonungen, die klarmachen wo genau die 1 ist und dem ganzen Stück eine Art Skelett geben.
4) Quasi damit einhergehend kannst du dir überlegen, was du mit dem Akzent bei dem Barré-Griff machen willst. (der der Ständig auftaucht) Qualey spielt den extrem kurz, wirklich absolut staccato und als kurzen aber eigentlich fast "überflüssig" wirkenden Akzent, während du ihn länger spielst, dadurch mehr "Wert" zuschreibst, aber für mich wirkt das verwaschen und ein wenig fade. Ich sag nicht, dass es falsch ist, aber es bringt irgendwie eine gewisse Eintönigkeit.
Das als kurze Betonung zu spielen, hebt wieder die rhythmische Struktur hervor und sorgt für ein gewisses "Feuer", das als Kontrast zu dem sonst sehr gefälligen, entspannten Stück wirkt und es meiner Meinung nach bereichert.
5) Im vorherigen Punkt fiel schon der Begriff "Eintönig". So nach 2 Minuten in deinem Stück hatte ich dieses Gefühl "ist schön, aber kommt da noch was?".
Deine Version ist quasi permanent auf einem Spannungslevel: Die Töne sind gleich laut, alles klingt gleich, es plätschert vor sich hin. Das ist total gut für so Background-Musik, die mich nicht ablenken soll. ich hab so ne Sammlung mit 10 Einaudi-CDs, da ist egal welche ich reinlege, das klingt eh alles gleich und ich kann dir hinterher nicht sagen, ob das nun Nummer 5 oder Nummer 8 war. Sowas hör ich gerne abends nach nem langen Tag und les nebenher nen Buch oder spiel was auf meinem Tablet.
Aber so ist ja dein Stück nicht gedacht. Du willst ja unterhalten und dass die Leute dir zuhören und konzentriert sind. Wie kann man das erreichen, dass trotz der ganzen Wiederholungen, die das Stück mitbringt, da irgendwie eine Spannung drinbleibt?
Die Antwort ist: Sound.
Folgende Aufgabe für dich, bevor du weiterliest: Schaue dir einmal dein eigenes Video an und dann das von Qualey und schaue wirklich permanent und ausschließlich auf die rechte Hand. Jetzt!
Okay, was dir aufgefallen sein sollte: Deine rechte Hand bewegt sich kein Stück, während die von Qualey permanent arbeitet.
Er nutzt wirklich die ganze Bandbreite vom Steg bis zum Griffbrett aus, um verschiedene Sounds zu erzeugen. Man hört das auf der Aufnahme nicht sooo toll, aber man kriegt es schon mit: Von weichen Tönen, bis hin zu spitzen, harten Tönen.
Dadurch erhält das Stück eine weitere Strukturebene: soundliche Beschaffenheit. Und auch dadurch entstehen "Höhepunkte" und "Betonungen".
Zugleich arbeitet er auch noch mit der Dynamik (laut-leise) und schafft so noch eine weitere Ebene.
Das sind so die Sachen, die dir noch fehlen: Das was nicht in den Noten steht. Du spielst alle richtigen Töne und spielst sie in der richtigen Länge, aber Sound, Dynamik und rhythmische Betonungen wäre die Punkte wo du noch dran arbeiten kannst. Da muss man oft einfach ausprobieren, andere Versionen hören und manchmal auch einfach nachdenken.
Um dir einen Ansatz zu geben, was Qualey hier so gut macht und was du eventuell aufgreifen kannst, schaue dir folgenden Abschnitt noch ein paarmal an:
Aus der Qualey Aufnahme von 1:52 bis 2:00.
Was hier passiert ist folgendes: Ein Abschnitt des Liedes geht zu Ende und ein Neuer beginnt:
Wir sehen seine rechte Hand anfangs in "Normalstellung", leicht rechts (also aus seiner Sichtweise!) vom Schalloch, Richtung Steg.
Dann ab 1:55 wandert die Hand Richtung Griffbrett und man merkt, dass ein anderer Teil beginnt. Die Töne werden weicher, leiser, zarter, wärmer.
Ab 1:57 wechselt die Stimmung hin zu einem beinahe aggressivem Sound und die rechte Hand wandert bis zum Steg runter.
Wenn du das jetzt noch einmal anhörst, achte bitte nur auf das A, dass er auf der hohen E-Saite spielt. Das wird ja unglaublich oft wiederholt (10x) und ist ja in dem Moment quasi die Melodie.
Bei Qualey klingt kaum ein A wie das vorhergehende: entweder sind sie unterschiedlich laut aufgrund der rhythmischen Betonungen oder sie unterscheiden sich vom Sound her. Man merkt hier, dass es ein Ziel gibt, auf das diese Sequenz zuläuft.
Es gibt eine Steigerung hin zur Erlösung, wenn endlich wieder ein anderer Melodieton als das A kommt.
Jetzt hör die die gleiche Sequenz bei dir an: Ab 1:42. Und du merkt den Unterschied selber. Deine As haben quasi immer dieselbe Intensität, fast alle klingen gleich, das Ziel fehlt. Und wenn es dann kommt, klingt der "Abgesang" irgendwie weich und wirkt beihnahe "unrhythmisch". Es fehlt etwas das "Knackige".
Zweites Beispiel direkt im Anschluss: Bei Qualey ab 2:00: Es folgt ein Abschnitt (bis 2:05) wo im Anschluss der erste Teil des Abschnitts noch einmal wiederholt wird (2:05 bis 2:07).
Hör einfach hin und achte auf seine rechte Hand: Erster Durchgang ab 2:00 weich, leise, entspannt. Dann die Wiederholung ab 2:05: härter, aggressiver, hell.
Dieses Prinzip von soundlichen Kontrasten zieht sich bei Qualey durch das ganze Stück und strukturiert so die Abschnitte zum einen in Großformen, aber auch im kleinen, etwas bei solchen Miniaturwiederholungen.
Das hilft der Zuhörer zum einen das Stück besser zu verstehen und zum anderen sorgt es für Spannung und wirkt der Langeweile entgegen.
In diesem Fall ist es sogar ein wenig witzig, weil es dem üblichen Vorgehen (erster Durchgang laut und hell und klar und dann die Wiederholung leise, weich, wie ein Echo) genau entgegensteht und er das quasi umdreht.
Soweit meine Tipps: mehr mit der rechten Hand arbeiten und mehr über die Sachen nachdenken, die nicht in den Noten stehen.