Hallo zusammen,
dann mache ich mal den Anfang: Ich nehme gerade an einem kostenlosen englischsprachigen
Kurs zum Thema Songwriting auf
coursera teil, den ich nur wärmstens empfehlen kann.
Angeboten wird der Kurs vom Berklee College of Music, Kursleiter ist Pat Pattison, der dort Professer für Songwriting ist. Die Teilnahme ist komplett kostenlos, man kann allerdings auch ca. 40 US$ für den "Signature Track" bezahlen und erhält dafür - falls man besteht, dazu unten mehr - ein sogenanntes "verified certificate", das von Berklee ausgestellt ist. Nimmt man am kostenlosen Kurs teil, erhält man lediglich eine Teilnahmebestätigung von coursera, die sich als PDF herunterladen läßt. Mir persönlich hat sich der Sinn des Signature Track nicht erschlossen, inhaltlich bekommt man exakt den selben Kurs und wird auch sonst nicht bevorzugt oder anders behandelt.
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Technischen: Der Kurs erstreckt sich über 6 Wochen. In jeder Woche gibt es ca. 60-80 Minuten Videomaterial, aufgeteilt in Lektionen von ca. 2 bis ca. 22 Minuten Länge, die meisten Lektionen liegen so bei 10 bis 15 Minuten. Ausnahme ist die 5. Woche, die insgesamt die umfangreichste ist, hier gibt es 14 Lektionen mit insgesamt fast 3 Stunden Laufzeit. Die Lektionen sind immer ab Montag spät abends deutscher Zeit verfügbar.
Zusätzlich zu den Lektionen gibt es sogenannte "Quizzes", das sind multiple choice Fragebögen, die Inhalte der jeweiligen Woche abfragen. Dabei beziehen sie sich zum Teil auch auf Songs, die man auf die angesprochenen Aspekte hin analysieren soll. Die Songs habe ich alle auf Youtube gefunden, teilweise musste ich etwas suchen, bis ich eine in Deutschland zugängliche Version entdeckt hatte. Für die Fragebögen hat man beliebig viele (genau genommen: 100) Versuche, es handelt sich also weniger um eine Prüfung als um ein Instrument zur Selbstüberprüfung, ob man die angesprochenen Aspekte verstanden hat. Abgabescgluß für die Fragebögen ist jeweils der Sonntag abend deutscher Zeit nach dem Erscheinen der jeweiligen Lektion, man hat dafür also 6 Tage Zeit.
Als drittes Element gibt es die sogenannten "peer review assignments". Hier muß man eine Art Hausaufgabe einreichen, die dann von den Mitschülern bewertet wird. Dementsprechend muß (bzw. sollte) man natürlich auch die Aufgaben der Mitschüler bewerten und Feedback dazu abgeben. Dafür bekommt man fünf Mitschüler zugelost, die man bewerten muß - wenn man möchte, kann man auch mehr bewerten, wenn man weniger (oder gar keine) Bewertungen abgibt, bekommt man 20% Abzug auf seine eigene Note. Die peer review assignments sind aus meiner Sicht - neben den Videos - der interessanteste Teil des Kurses. Die Aufgaben sind sehr gut gewählt, ich habe aus der Bearbeitung jeder einzelnen Aufgabe eine Menge gelernt und auch das Korrigieren und Kommentieren der Arbeiten von anderen ist sehr lehrreich. Gleichzeitig muß man aber auch sagen, daß es sich um ein gewisses Lotteriespiel handelt: Der Kurs hat sehr viele Teilnehmer (genaue Zahl weiß ich nicht, aber sicherlich einige tausend oder zehntausend) aus allen Ecken der Welt mit den unterschiedlichsten Niveaus, was sowohl englische Sprachkenntnisse als auch Verständnis, Engagement und Motivation angeht. Es kann einem also durchaus passieren, daß man wenig, kein oder wenig hilfreiches Feedback oder eine nach dem eigenen Verständnis zu niedrige Note erhält. Das scheint viele Teilnehmer enorm zu frustrieren, zumindest finden sich im Kursforum relativ viele Beschwerden dazu. Mich selbst hat das weniger gestört, die "Note" ist für mich nicht wichtig und einen Lerneffekt hat eigentlich jeder Kommentar gehabt - und wenn es nur war, daß ich darüber und über meine Arbeit nachgedacht und beschlossen habe, daß ich dem Kommentar nicht zustimme. Der Umfang der Aufgaben ist unterschiedlich, man muß immer etwas schreiben und in den späteren Wochen auch eine Aufnahme abliefern (per SoundCloud link). Ich schreibe im inhaltlichen Teil noch mehr dazu. Abgabeschluß für die eigenen Aufgaben ist Donnerstag abend, 10 Tage nach Veröffentlichung der Lektion, für die Abgabe der Bewertungen hat man dann nur bis zum darauffolgenden Sonntag, also lediglich drei Tage Zeit. Das ist teilweise etwas knapp, aber da die Alternative wäre, weniger Zeit für die eigenen Aufgaben zur Verfügung zu haben, m.E. in Ordnung.
Letztes Element des Kurses ist das bereits erwähnte Forum, in dem sich die Teilnehmer austauschen können. Das empfinde ich als sehr hilfreich, die Atmosphäre ist größtenteils freundlich und hilfsbereit und ich habe dort teilweise gutes Feedback zu meinen Arbeiten bekommen, während die noch im Entstehen waren.
Zum Abschluß des technischen Teils noch ein paar Worte zur "Benotung": 40% der Punkte bekommt man für die Fragebögen, die restlichen 60% ergeben sich aus der durchschnittlichen Note für die peer review assignments, wobei die schlechteste Note nicht berücksichtigt wird. Wenn man insgesamt mindestens 70% der Punkte erreicht hat, bekommt man die oben erwähnte Teilnahmebestätigung ("statement of accomplishment") bzw., falls man sich fürs Bezahlen entschieden hatte, das "verified certificate".
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Inhaltlichen: Der Kurs präsentiert nach Pats eigenen Worten weniger Regeln als vielmehr Werkzeuge, die man dann nach Belieben anwenden kann - oder eben nicht. In der ersten Woche wird mit den sogenannten "three boxes" eine Methode vorgestellt, wie man aus einer Songidee ein Songkonzept machen kann - indem man sich Gedanken über die Entwicklung der Idee macht und sich selbst ein paar Fragen zum Song beantwortet. Außerdem wird auf die Wahl der Erzählperspektive für den Song eingegangen und die Schüler ermutigt, damit zu experimentieren und unterschiedliche Perspektiven für eine Idee auszuprobieren. Hausaufgabe dieser Woche ist die Entwicklung einer eigenen Songidee (oder eines von vier vorgegebenen Titeln) nach der Methode der "three boxes".
In der zweiten Woche wird dann Pats zentrales Konzept der "prosody" eingeführt. Damit ist das harmonische Zusammenspiel aller Elemente eines Songs gemeint, grob gesagt also die Idee, daß die Form zum Inhalt passen muß. Pat unterteilt Ideen hier grob in zwei Kategorien - "stable", also harmonisch, in sich ruhend, abgeschlossen, und "unstable", also instabil, nach Auflösung verlangend, weiterdrängend, fragend - und untersucht, wie sich diese beiden Stimmungen durch technisch-formale Aspekte des Textes unterstützen lassen. In der zweiten Woche werden hierfür die Aspekte Zeilenanzahl und Länge der Zeilen eines Abschnitts untersucht. Hausaufgabe ist es, eine "unstable" Strophe und einen "stable" Refrain zu schreiben. Ab dieser Woche kann man seinen Aufgaben auch eine optionale Aufnahme beifügen, wenn man möchte.
In der dritten Woche werden Reimschemata und Reimtypen vorgestellt, untersucht und in die Skala "stable" - "unstable" eingeordnet. Das Spektrum der Reimtypen reicht hier vom perfekten Reim bis zum lediglich schwachen phonetischen Anklang, der immer noch gerade so eine Verbindung herstellt. Hausaufgabe dieser Woche ist es, einen "stable" Vers und einen "unstable" Refrain zu schreiben.
In der vierten Woche kommt dann der Aspekt der Rhythmik dazu. Es wird über betonte und unbetonte Silben gesprochen und darüber, wie man diese einem Rhythmus zuordnen und dabei die natürliche Struktur der Sprache erhalten kann. In dieser Woche gibt es auch vier Videos aus einer von Pats "master classes", in denen er mit einer Songwriterin live an deren Text arbeitet und durch gezielte kleine Änderungen in der Tat erstaunliche Verbesserungen erzielt. Faszinierend anzusehen. Hausaufgabe dieser Woche ist, in der Aufgabe der Vorwoche betonte und unbetonte Silben zu identifizieren und den Text dann zu einem Rhythmus zu setzen. Hier ist das Abgeben einer Aufnahme zu ersten Mal Pflicht.
In der fünften Woche wird dann eine Technik vorgestellt, sich für eine Songidee ein Arbeitsblatt mit phonetisch und inhaltlich passenden Worten zusammenzustellen, bevor man mit dem Schreiben des eigentlichen Textes beginnt. Anschließend wird dann in den Lektionen ein kompletter Song entwickelt - ausgehend vom Titel über die Entwicklung, das Arbeitsblatt, das Schreiben des Textes und die Rhythmisierung bis zur Vertonung. Hausaufgabe dieser Woche ist es, das mit einer eigenen Songidee ebenfalls zu machen. Diese Woche ist sehr umfangreich, aber am Ende steht man mit einem kompletten eigenen Song da.
Die sechste Woche beginnt erst morgen, dementsprechend kann ich dazu noch nichts sagen. Laut Übersicht geht es um Aspekte des Vortrags und den Feinschliff am Song der fünften Woche - den Bericht hierzu reiche ich nach.
Ich bin mit wenig Erwartungen in den Kurs gegangen - aus reiner Neugier und weil ich eine Songidee im Hinterkopf habe, die ich gerne verwirklichen möchte. Vor dem Kurs hatte ich noch nie einen Song geschrieben. Der Kurs hat mich dann überrascht und extrem begeistert - keines der vorgestellten Konzepte ist revolutionär, teilweise fallen sie in die Kategorie "stimmt, hätte ich auch selber draufkommen können", aber sie werden extrem gut, sympathisch, humorvoll und vor allem auch systematisch präsentiert, wodurch das Ganze nach meinem Empfinden deutlich mehr als die Summe der Teile ist. Ich kann also jedem nur empfehlen, sich den Kurs anzuschauen.
Der nächste Durchgang des Kurses beginnt im Oktober, man kann sich jetzt schon registrieren. Wenn man möchte, kann man sich auch noch für die laufende Session registrieren, für die peer review assignments kommt man dann zwar zu spät, aber man kann sich zumindest die Lektionen schon mal anschauen (lassen sich auch runterladen). Ich würde aber auf jeden Fall empfehlen, an einer aktiven Session von Anfang an teilzunehmen.
Um das ganze noch etwas zu illustrieren, hier mein Songtext für Woche 5:
Sail at Dawn
the scent of tar and seaweed on the salty western breeze
the shouts of men and the seagulls' longing caw
busy feet and hauling hands
as decks are scrubbed and holds are loaded
dusk is closing in
she'll sail at dawn
I wonder where good fortune and the ever changing wind
will let them set their feet on foreign shores
unknown lands, uncharted straits
whole new worlds that might be waiting
dusk is closing in
they'll sail at dawn
bridge/chorus
stow your gear and batten down the hatches
have another drink and watch the sunset
tomorrow night will find us
many miles away
get your seaboots on we'll sail at dawn
life is just a journey on an endless open sea
you never know which way the wind may blow you
golden beaches, bitter gales
trim your sheets and feel the spray
take the helm
and sail at dawn
bridge/chorus
stow your gear and batten down the hatches
have another drink and watch the sunset
tomorrow night will find us
many miles away
get your seaboots on we'll sail at dawn
take the helm
we'll sail at dawn
Abgabetermin ist erst Donnerstag, es handelt sich also um eine Arbeitsfassung, die sich noch ändern kann, aber ich denke, als Textbeispiel taugt es schon mal. Ich habe eine
Aufnahme davon auf SoundCloud, unter dem account sind auch meine Aufnahmen für die vorangegangenen assignments zu finden, die Texte stehen jeweils in den Kommentarfeldern der tracks. Ich gehe davon aus, daß ich bei der Oktobersession noch mal dabei sein werde, vielleicht treffe ich ja ein paar von Euch dort wieder.