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Salto rückwärts - oder wie ich meine Seele an den Teufel verlor
Samstag der 12.6.2010 - Charity-Veranstaltung im alten Rathaussaal in der schönen Stadt Passau, Ehrung der Vorsitzenden einer Elterninitiative für 25 Jahre gemeinnütziger und wohltätiger Arbeit. Eigentlich wollte ich bei dieser Gelegenheit dem Konzert eines befreundeten Jazz- und Swing-Sängers namens Jürgen Stephan nur als Zuhörer beiwohnen (denn der Typ ist einfach gut). Zwei Tage vor dem Event klingelt das Telefon. Ich hätte es wissen müssen ... Es ist ein Notfall eingetreten, und ob ich die Show als Tontechniker betreuen könnte? Es wäre alles da, ich bräuchte nichts mitbringen ausser einem Adapterkoffer (das hätte mich eigentlich misstrauisch machen müssen - hat es aber nicht, weil der Anruf kam, als ich gedanklich und physisch gerade mit einer leckeren Pizza beschäftigt war). Ich sagte also zu, ohne großartig weitere Fragen zu stellen. Soviel vorweg - das passiert mir garantiert nicht mehr, egal, wie lecker die Pizza ist!
Samstag, der Tag der Tage. Ich packe neben meiner sog. "Mixerbox" (mit allem, was man am Pult so brauchen kann, Gaffa, Batterien, Stiften, Patchkabeln und auch einem Kistchen mit Adaptern) noch meine Sennheiser Handfunke mit dem 945er Kopf mit Supernieren-Charakteristik ein (zum Glück) und eine Kiste mit XLR-Kabeln. Letztere hätte es eigentlich nicht gebraucht, aber das kann man ja vorher nie wissen.
15:50 Uhr, ich komme an. Entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten mal überpünktlich. Brütende Hitze in Passau, selbst das Tragen meines leichten Gepäcks in den ersten Stock verursacht Schweissausbrüche. Drinnen aber ist es einigermassen angenehm, was die Temperaturen angeht. Dann der große Saal im historischen Rathaus von Passau - ca. 20 * 25 Meter bei rund 6 Metern Höhe. Optisch wunderschön, aber akustisch ... sagen wir mal so: Der Architekt hat eine Reverb-Unit eingebaut, den Regler fix auf "11" eingestellt und den Zugang vermauert ... Es ist jedenfalls der einzige Saal, den ich kenne, wo man in der Mitte in die Hände klatschen, dann in aller Ruhe in eine Ecke spazieren und sich den Nachhall dort noch zuende anhören kann ... Das zu lesen, mag sich nun lustig anhören, aber wenn man in der Situation drin steckt, vergeht einem das Lachen gehörig. Zumal schon überall bestuhlt war, und zwar Stühle mit einem schwerem Samtbezug, also bereits einigermassen guter Dämpfung! Soll heissen, die Anwesenheit von Publikum wird voraussichtlich nicht mehr so stark zu einer weiteren Dämpfung beitragen.
Raumakustische Betrachtungen
Nur mal zur Rekapitulation - ein leerer, unbedämpfter Raum hat natürlich die "lebhafteste" Akustik mit den meisten Reflexionen und Hallanteilen. Ein teilbedämpfter Raum, mit den oben genannten Stühlen mit schwerer Samtpolsterung von Sitzfläche und der kleinen Rückenlehne, dämpft schonmal einen Teil davon (und dann ist die Akustik immer noch so lebendig!?!). Mit Publikum - ca. 100 bis 150 Personen werden erwartet - dürfte es dann nochmal geringfügig stärker bedämpft sein. Nur, in einem so hohen Raum kommt ein Großteil des Halls ja von den Reflexionen "von oben", so dass der Fußboden gar nicht so stark zum Hall beiträgt, seine Bedämpfung mit Sitzen und Publikum als gar nicht so stark zur Verringerung des Halls beiträgt. Zumal die Decke aufgrund ihrer Konstruktion den Schall echt gebündelt zurück nach unten wirft. Oberdoppelriesenmist.
Was kann man tun? Eigentlich muss man "nur" versuchen, sowenig Schallenergie wie möglich in den oberen Teil des Raumes gelangen zu lassen. Mit einer geeigneten Anlage (zumindest gerichtete Hochtonhörner) würde man leicht nach unten auf das Publikum zielen. Ansonsten ist es günstig, einfach leiser zu spielen und so den Raum nicht allzustark anzuregen. Nur - so eine Bigband von rund 18 Leuten hat nunmal einen gewissen Pegel. Da noch einen Sänger akustisch vorne dran zu setzen, ist dann schon ein gewagtes Unterfangen.
Das Equipment - Salto rückwärts für mich
An Equipment waren vorhanden ein kleiner Phonic-Mixer mit 4 Mono- und genauso vielen Stereokanälen. Da wir neben etwas Playback nur zwei Gesangsmikros und vielleicht noch ein Stützmikro für ein Solo-Saxophon zu verwalten haben, ist das mehr als ausreichend. Mit Entsetzen jedoch bemerkte ich die Klangregelung - das letzte Mal, dass ich vor einem 2-Band-EQ (tatsächlich nur mit Höhen- und Bässereglern!) gestanden habe, muss über 20 Jahre her sein!
Naja, wenn die gestellte Anlage einen ausgewogenen Mitteltonbereich hat, ist ein fehlender Mittenregler am Pult vielleicht einigermassen zu verschmerzen. Doch auch hier Fehlanzeige. Das 2.1 Satellitensystem von Mivoc besteht aus einem Subwoofer (der Größe nach mit 15-Zöller) und zwei Tops in Schuhkartongröße mit ungefähr einem 8-Zöller und einem Tweeter ohne Horn (goodbye, gerichtete Abstrahlung im Mitteltonbereich). Meine Hoffnung auf eine gute Abstimmung der Anlage in sich zerbirst beim ersten Probehören: Der Sub viel zu dominant, die Tops deutlich unterbelichtet. Das massive Mittenloch ist quasi fest eingebaut. Aha, eine Anlage für die moderne Konservenbeschallung, uff-tschick, uff-tschick kann sie sicher super. Aber Übertragung von Livemusik stellt nunmal gaaaaanz andere Anforderungen ...
Zur Beschallung der Seiten des Raumes (er ist fast so breit wie tief) wird eine Yamaha Stagepas benutzt, die wir aus dem Line-Out des Subwoofers füttern. Klingt wegen des deutlich schwächer ausgepräten Mittenloches besser als die Anlage von Mivoc, bietet aber leider keinen Hochständerflansch. Also ist die Stagepas überhaupt nicht zur Beschallung der Raumtiefe geeignet.
Erwähnen wir an dieser Stelle noch schnell ein Alesis Midiverb III, welches als Hallgerät gedacht war und das ich zwar bereits mit dem Pult verkabelt hatte, aber nach einem ersten Test der Raumakustik gar nicht erst angeschaltet habe. Eher hätte ich mir eine De-Verber gewünscht. So ungefähr ein Viertel Quadratkilometer an schwerem Bespannstoff, strategisch günstig im Raum verteilt. Okay, wer liefert mir das Samstag gegen 17:00 Uhr noch? Wie ich aber erfahren muss, ist es in dem historischen Saal verboten, irgend etwas aufhängen zu wollen. Hmpf.
Dann gibt es noch einen Kompressor mir unbekannter (no-namiger) Herkunft, der aber, abgesehen von der gewöhnungsbedürftigen Beschriftung und dem etwas komplizierten Layout, nicht wirklich zu beanstanden ist. Je einen Kanal davon schleife ich in die Mischerkanäle der beiden Sennheiser Handfunken ein und lasse sie nur dezent die Pegelspitzen einbremsen, 3 oder maximal 4 dB.
Monitoring in dem Sinne gibt es nicht, ich habe halt die Tops der Mivoc innen über Kreuz schiessen lassen, so dass man damit ein minimales Monitoring hätte antäuschen können. Hat aber nicht ausgereicht, dazu gleich mehr.
Die Künstler und ihr Soundcheck
Drei Gruppierungen traten neben den Festrednern an. Eine Schlagersängerin namens Vivian Lindt mit Halbplayback. Ich bin bestimmt kein Schlagerfan und werde auch jetzt keiner werden, aber die Dame kann singen und hat ein professionelles Auftreten mit einer Bühnenshow, die in keiner Weise peinlich rüberkommt, sondern stimmig und professionell. Und sein wir ehrlich, auch wir Rocker singen meistens vom Herzschmerz, nur klingt das auf Englisch einfach cooler.
Die Dame wollte zum Glück so leise spielen, dass der Raum kaum zum Schwingen angeregt wurde. Also da ging es noch mit der Akustik. Es machte auch nicht wirklich Probleme, ihre Stimme pegeltechnisch über das Playback zu bekommen, da es einerseits leise und andererseits gut auf ihre Stimme angepasst war. Auch ein Duett meines Sängerkumpels mit der Dame (ebenfalls zu Playback) lief ordentlich und stressfrei ab. Jedoch hat sie sich nicht gut genug gehört, so dass wir eine der beiden Stagepas-Boxen als Monitor zweckentfremdet haben. Klappte dann ganz gut für sie. Der Sänger hatte eh ein ältere IEM-System von Sennheiser, das ich ihm vom Pult aus in mono fütterte. Klappte gut für ihn.
Zu den Mikros: Vivian sang über ein altes Sennheiser ew100 (noch aus der G1-Serie) mit Nierencharakteristik. Dass dieses Mikro mehr vom umgebenden Raum aufnimmt, glich sie dadurch aus, dass sie immer sehr nah an das Mikro ranging, obwohl es das von der Lautstärke eigentlich nicht gebraucht hätte. Jürgen dagegen hat eine Mikrofontechnik, die eher ins Studio und Räume mit guter Akustik passt - arbeiten mit dem Mikrofonabstand, Dynamikausgleich, etc. Leider war jedesmal, wenn er das Mikro auch nur ein wenig weg hielt, die Textverständlichkeit komplett zum Teufel. Also bat ich ihn, das Mikro immer knapp vor dem Mund zu halten. Da hat er sich auch weitestgehend dran gehalten.
Um an dieser Stelle nochmal kurz auf die Abstimmung der PA zurückzukommen: So drastisch musste ich an dem spärlich vorhandenen EQ noch nie kurbeln, um etwas zum Klingen zu bringen! Der Bassregler stand zu diesem Zeitpunkt in beiden Vocalkanälen auf ca. -12 dB (es fehlte nicht mehr viel bis zum Linksanschlag), der Höhenregler leicht aufgedreht. Vielleicht +3 dB. So klang das dann einigermassen ansprechend, und beim Playback funktionierte das auch gut.
Dann die Bigband mit Drums, Bass, E-Gitarre, Piano und einem Dutzend Bläsern - das war dann gleich eine ganz andere Kategorie an Pegel! Doch war auch das noch zu verschmerzen, denn erstens spielten sie rein akustisch und zweitens machte es da nichts, dass der Klangkörper der Band durch den Raumhall quasi verschmolz. Für das Set der Bigband machte ich mir also auch keine großen Sorgen, höchstens, dass es empfindlichen Zeitgenossen zu laut sein könnte. Wie wir wissen, setzen sich gerade die lautstärkeempfindlichsten Gäste, meist schon im fortgeschrittenen Alter, immer direkt vor die Bühne oder vor die Boxen und beschweren sich dann die ganze Zeit über den Lärm. Der freundliche Hinweis, dass es hinten leiser ist, wird meist stoisch ignoriert.
Danach kam der Soundcheck der Bigband mit Sänger - erster Versuch, und mir entglitten gleich mal gepflegt die Gesichtszüge. Obwohl die Bigband ihre Dynamik wirklich im Griff hatte und in den Gesangspassagen deutlich den Pegel reduzierte, war der Gesang kaum noch zu hören, geschweige denn zu verstehen. Einfach viel zu leise und in den Mitten zu schwach. Wenn ich die Vocals laut genug hochzog, dröhnte es im ganzen Raum (die Stimme war dann zwar zu hören, aber es klang insgesamt einfach nach einem verheerenden Klangbrei). Ausserdem pfiff es dann, wenn der Sänger nur bis auf drei Meter an die Tops herantrat. Irgendwie habe ich die Vocals so einigermassen in den hörbaren Bereich bekommen, und so haben wir dann den Soundcheck zuende gebracht. Der war nämlich zugleich die Probe für einige Songs, welche der Sänger und die Bigband so noch nie zusammen gespielt hatten, wir standen also unter dem Zwang, dass es irgendwie laufen musste. Mit der Betonung auf "irgendwie".
Beim Gang in ihre Pause machte Vivian mir dann noch etwas Mut: "Also, wenn ich heute Abend einen NICHT beneide, dann bist das Du." Die stammt nämlich aus Passau und hat schon einige Aufführungen in der Hütte mitbekommen. Na, da geht einem doch gleich hoffnungsfroh das Herz auf. Brrrrr.
Überlegungen nach dem Soundcheck
und wie meine Seele zum Teufel ging
So konnte das also nicht laufen:
- Ich habe den Sänger nicht wohlklingend laut genug bekommen
- Es waren keine Mitten da, die den Gesang besser hörbar gemacht hätten
- Es hallte zudem wie die Seuche
Ich sag's nochmal: Oberdoppelriesenmist.
In dieser Situation tiefster Verzweiflung habe ich dann mal die Götter der Tontechnik - den Heiligen Dezibelius und die Heilige Phonetia - um Hilfe und Inspiration zur Problemlösung angefleht. Aber irgendwie waren die an dem Tag wohl taub oder hatten gerade bei anderen Gigs alle Hände voll zu tun. Nur ohne eine zündende Idee hätte ich den Karren nicht aus dem Dreck ziehen und eine Katastrophe verhindern können. Also wand ich mich an die Konkurrenz - wenn die Heiligen nicht spuren, probier es bei der anderen Seite. Und siehe da, mein Angebot "Meine Seele für eine Idee, wie ich es hinbekomme" wurde angenommen. Anscheinend hatte der Fürst der Finsternis gerade Sonderangebotswochen in der Hölle: "Eine Seele für ZWEI Ideen!" Jedenfalls kam nach dem Deal die Inspiration.
Die Ideen erscheinen simpel. Aber wenn man fast schon in Panik ist - fürchterliche Akustik, vollkommen ungenügendes Werkzeug - dann fallen einem selbst die einfachsten Dinge nicht mehr ein. Also, gut hergehörcht, ich hab hierfür meine Seele verzockt, Ihr bekommt die Inspiration umsonst!
Idee 1:
Wie baue ich mir einen Mittenregler, wenn eigentlich keiner da ist? Nun, er ist da, soviel sei an dieser Stelle schonmal gesagt. Er ist sogar der größte Regler im ganzen Kanal. Die einfache Idee lautet hier: Wenn Dir Mitten fehlen, dann leiere einfach den Fader (oder Gain) auf - dadurch werden die Mitten lauter. Leider nur auch alles andere, aber das kann ich ja mit den anderen beiden EQ-Potis wieder ausgleichen. So einigermassen zumindest, und fragt mich nicht nach dem Phasengang, aber der kümmert hier schon längst keinen mehr - um so Feinheiten kann man sich einen Kopf machen, wenn die Basics stehen. Also Gain hoch, Treble etwas zurück und das Basspoti auf Linksanschlag - viel Regelweg hatte ich bis dahin ja nicht mehr, wenn Ihr Euch an die obige Aussage zur Stellung der EQ-Regler erinnert. Aber immerhin, 3 oder 4 dB habe ich aus dem Mitteltonbereich noch herausbekommen, und das hat dann die Hörbarkeit sichergestellt und so gerade für ein Minimum an Textverständlichkeit gesorgt. Für sich alleine klangen die Vocals dann zwar nicht mehr so "elegant" wie vorher noch, aber mein Plan war ja schon lange kein Spitzensound mehr, sondern nur noch die Rettung der Situation.
Idee 2:
Den Raum weniger anregen, mehr Schallenergie auf das Publikum, das kommen soll, und weniger in den Raum rein. Aber wie macht man das ohne Horn, ohne Neigungsmöglichkeit der Box oder der Stative? Nun, selbst wenn die Tops wie Schuhkartons mit eingebautem Wooferchen und einem Tweeter aussehen, zumindest die Höhen gehen da einigermassen gerichtet raus. Also musste ich mit den Boxen ein wenig nach unten zielen. Dazu habe ich unter jeweils eins der drei Stativbeine einen flachen Casedeckel geschoben, so dass das Stativ ein wenig nach vorne geneigt war und die Box ganz leicht nach unten gezeigt hat. Natürlich stand das nun nicht mehr so stabil wie vorher. Ich habe das ganze dann mit Zurrgurten an je einem daneben fest montierten Stativ befestigt. Das allerdings konnte ich nicht mehr ausprobieren, denn ich brauchte ja das Publikum zur Erzielung der tatsächlichen Wirkung bei dieser letzten Aktion. Jetzt hiess es ausserdem, den Mischerplatz ein wenig aufzuräumen, nochmal für kleine Tontechniker, und dann war auch schon Einlass.
Ja, und so ist meine Seele eben zum Teufel gegangen.
Die Show
Wie gesagt, es ging um eine Ehrung mit Festakt. Und wie das häufig so ist bei Initiativen "von unten" - erst werden sie ignoriert, dann eventuell sogar sabotiert, und falls sie sich doch halten und entfalten, wird sie Jahre später in einer Ehrung gewürdigt, und jeder will einen Teil vom Ruhm und Glanz abhaben. Zuerst also zwei Politiker, die beide "keine Rede halten wollten". Diese beiden Nicht-Reden dauerten dann auch keine Viertelstunde. Da hatten wir ja gerade nochmal Glück gehabt, ich habe schon längere Nicht-Reden erlebt. Wer an dieser Stelle verborgenen Sarkasmus gefunden zu haben meint, möge diesen doch bitte umweltgerecht entsorgen.
Dritter Festredner war dann in Personalunion der Sohn der Geehrten, langjähriger Mitarbeiter und gleichzeitig mein Sänger-Kompagnon in Personalunion. Der einzige jedenfalls mit echtem Einblick. Er sagte dann auch ganz ehrlich, dass er in der Tat eine Rede halten will. Und das tat er dann auch. Es war bewegend. Kein abgebrühter Politprofi, der routiniert mit Worthülsen um sich wirft. Abschliessend ein paar Dankesworte der Geehrten. Kurz und knapp, schön. Dann die Auftritte der Künstler.
Erst der Gig von Vivian Lindt, 30 Minuten routiniert und professionell. Erst ruhigere Nummern, zum Schluss was zum Mitmachen, gerade das kam gut an. Danach eine gemeinsame Nummer mit Jürgen, und anschliessend die Bigband, ebenfalls Passauer Local Heroes. Da ging es ganz schön ab, sowohl auf der Bühne als auch im Publikum. Es wurde deutlich lauter, klang aber nicht mehr ganz so suppig wie beim Soundcheck.
Nach minimaler Umbaupause dann der Auftritt von Jürgen Stephan mit der Bigband - lauter alte Swing-Klassiker von Dean Martin und Frank Sinatra, The Rat Pack eben. Sehr geiles Zeug. Tontechnisch war dazu zu sagen, dass die Stimmer meist gut zu gören war - und da Jürgen nur bekannte Nummern sang, konnte das Erinnerungevermögen seinen Teil zum Verständnis der Texte beitragen. Es gibt da interessante hörpsychologische Untersuchungen drüber, an einem Experiment habe ich auch selbst als Proband teilgenommen. Psychologie hin oder her, jedenfalls stand die Stimme jetzt deutlich besser vorne dran als noch beim Soundcheck. Und solange Jürgen das Mikro nah dran hielt, war auch die Textverständlichkeit ausreichend.
Nach dem Gig dann Abbau, die ganzen verbauten Adapter auseinander klambüsern (was halt so anfällt, wenn fremde Anlagen mit unprofesionellen (sprich nicht-XLR und nicht-Speakon) Anschlüssen gemischt betrieben werden. Zusammenpacken, einräumen, feiern gehen. Die Künstler jedenfalls waren sehr zufrieden, und auch anwesendes fachkundiges Publikum
Mein Fazit
Bei dieser Aktion ging es mal nicht darum, irgend etwas ganz großartig hinzukriegen oder neues Spielzeug auszuprobieren. Stattdessen ging es um die Rettung einer Situation von "völlig inakzeptabel" hin zu "ausreichend gut". Absolut betrachtet, habe ich da auch nichts Tolles hinbekommen, jeder Durchschnittsgig (der keiner großen Erwähnung wert ist), klingt bei Euch und auch bei mir besser und kommt mit wesentlich höherer Textverständlichkeit rüber. Relativ betrachtet, im Vergleich zu dem, was das Publikum sonst im Historischen Passauer Rathaussaal zu hören bekommt, war es wohl nicht der vollkommene Absturz, sondern ganz okay.
Kritikpunkte an meinem Vorgehen gibt es in großer Zahl - angefangen bei der ungenügenden Vorab-Information bis hin zu den schräg gestellten Boxenständern. Was ich mit der kleinen Story hoffentlich unterhaltsam herübergebracht habe, ist, dass man auch bei techischen und organisatorischen Widrigkeiten mit etwas Überlegung noch etwas reissen kann.
Dabei habe ich natürlich auch gegen eine ganze Reihe von meinen eigenen Grundsätzen verstossen müssen, z.B. dass im Gesangskanal nicht wie blöd am EQ gekurbelt wird, weil man sonst den Phasengang verdreht (also tiefe Frequenzanteile kommen dann z.B. minimal vor den Höhen ode rumgekehrt - und eigentlich soll alles gleichzeitig das Ohr des Hörers erreichen). Nur, wie oben schonmal gesagt, um sowas kann man sich sorgen, wenn der Rest einigermassen stimmig ist. Also, wenn man nicht gegen Raum und PA "ankämpfen" muss. Das musste ich aber in dieser Situation eindeutig. Also gelten die ganzen anderen Weisheiten hier nur noch eingeschränkt, und man verfährt einfach nach Gehör.
Viele Grüße
Jo
Samstag der 12.6.2010 - Charity-Veranstaltung im alten Rathaussaal in der schönen Stadt Passau, Ehrung der Vorsitzenden einer Elterninitiative für 25 Jahre gemeinnütziger und wohltätiger Arbeit. Eigentlich wollte ich bei dieser Gelegenheit dem Konzert eines befreundeten Jazz- und Swing-Sängers namens Jürgen Stephan nur als Zuhörer beiwohnen (denn der Typ ist einfach gut). Zwei Tage vor dem Event klingelt das Telefon. Ich hätte es wissen müssen ... Es ist ein Notfall eingetreten, und ob ich die Show als Tontechniker betreuen könnte? Es wäre alles da, ich bräuchte nichts mitbringen ausser einem Adapterkoffer (das hätte mich eigentlich misstrauisch machen müssen - hat es aber nicht, weil der Anruf kam, als ich gedanklich und physisch gerade mit einer leckeren Pizza beschäftigt war). Ich sagte also zu, ohne großartig weitere Fragen zu stellen. Soviel vorweg - das passiert mir garantiert nicht mehr, egal, wie lecker die Pizza ist!
Samstag, der Tag der Tage. Ich packe neben meiner sog. "Mixerbox" (mit allem, was man am Pult so brauchen kann, Gaffa, Batterien, Stiften, Patchkabeln und auch einem Kistchen mit Adaptern) noch meine Sennheiser Handfunke mit dem 945er Kopf mit Supernieren-Charakteristik ein (zum Glück) und eine Kiste mit XLR-Kabeln. Letztere hätte es eigentlich nicht gebraucht, aber das kann man ja vorher nie wissen.
15:50 Uhr, ich komme an. Entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten mal überpünktlich. Brütende Hitze in Passau, selbst das Tragen meines leichten Gepäcks in den ersten Stock verursacht Schweissausbrüche. Drinnen aber ist es einigermassen angenehm, was die Temperaturen angeht. Dann der große Saal im historischen Rathaus von Passau - ca. 20 * 25 Meter bei rund 6 Metern Höhe. Optisch wunderschön, aber akustisch ... sagen wir mal so: Der Architekt hat eine Reverb-Unit eingebaut, den Regler fix auf "11" eingestellt und den Zugang vermauert ... Es ist jedenfalls der einzige Saal, den ich kenne, wo man in der Mitte in die Hände klatschen, dann in aller Ruhe in eine Ecke spazieren und sich den Nachhall dort noch zuende anhören kann ... Das zu lesen, mag sich nun lustig anhören, aber wenn man in der Situation drin steckt, vergeht einem das Lachen gehörig. Zumal schon überall bestuhlt war, und zwar Stühle mit einem schwerem Samtbezug, also bereits einigermassen guter Dämpfung! Soll heissen, die Anwesenheit von Publikum wird voraussichtlich nicht mehr so stark zu einer weiteren Dämpfung beitragen.
Raumakustische Betrachtungen
Nur mal zur Rekapitulation - ein leerer, unbedämpfter Raum hat natürlich die "lebhafteste" Akustik mit den meisten Reflexionen und Hallanteilen. Ein teilbedämpfter Raum, mit den oben genannten Stühlen mit schwerer Samtpolsterung von Sitzfläche und der kleinen Rückenlehne, dämpft schonmal einen Teil davon (und dann ist die Akustik immer noch so lebendig!?!). Mit Publikum - ca. 100 bis 150 Personen werden erwartet - dürfte es dann nochmal geringfügig stärker bedämpft sein. Nur, in einem so hohen Raum kommt ein Großteil des Halls ja von den Reflexionen "von oben", so dass der Fußboden gar nicht so stark zum Hall beiträgt, seine Bedämpfung mit Sitzen und Publikum als gar nicht so stark zur Verringerung des Halls beiträgt. Zumal die Decke aufgrund ihrer Konstruktion den Schall echt gebündelt zurück nach unten wirft. Oberdoppelriesenmist.
Was kann man tun? Eigentlich muss man "nur" versuchen, sowenig Schallenergie wie möglich in den oberen Teil des Raumes gelangen zu lassen. Mit einer geeigneten Anlage (zumindest gerichtete Hochtonhörner) würde man leicht nach unten auf das Publikum zielen. Ansonsten ist es günstig, einfach leiser zu spielen und so den Raum nicht allzustark anzuregen. Nur - so eine Bigband von rund 18 Leuten hat nunmal einen gewissen Pegel. Da noch einen Sänger akustisch vorne dran zu setzen, ist dann schon ein gewagtes Unterfangen.
Das Equipment - Salto rückwärts für mich
An Equipment waren vorhanden ein kleiner Phonic-Mixer mit 4 Mono- und genauso vielen Stereokanälen. Da wir neben etwas Playback nur zwei Gesangsmikros und vielleicht noch ein Stützmikro für ein Solo-Saxophon zu verwalten haben, ist das mehr als ausreichend. Mit Entsetzen jedoch bemerkte ich die Klangregelung - das letzte Mal, dass ich vor einem 2-Band-EQ (tatsächlich nur mit Höhen- und Bässereglern!) gestanden habe, muss über 20 Jahre her sein!
Naja, wenn die gestellte Anlage einen ausgewogenen Mitteltonbereich hat, ist ein fehlender Mittenregler am Pult vielleicht einigermassen zu verschmerzen. Doch auch hier Fehlanzeige. Das 2.1 Satellitensystem von Mivoc besteht aus einem Subwoofer (der Größe nach mit 15-Zöller) und zwei Tops in Schuhkartongröße mit ungefähr einem 8-Zöller und einem Tweeter ohne Horn (goodbye, gerichtete Abstrahlung im Mitteltonbereich). Meine Hoffnung auf eine gute Abstimmung der Anlage in sich zerbirst beim ersten Probehören: Der Sub viel zu dominant, die Tops deutlich unterbelichtet. Das massive Mittenloch ist quasi fest eingebaut. Aha, eine Anlage für die moderne Konservenbeschallung, uff-tschick, uff-tschick kann sie sicher super. Aber Übertragung von Livemusik stellt nunmal gaaaaanz andere Anforderungen ...
Zur Beschallung der Seiten des Raumes (er ist fast so breit wie tief) wird eine Yamaha Stagepas benutzt, die wir aus dem Line-Out des Subwoofers füttern. Klingt wegen des deutlich schwächer ausgepräten Mittenloches besser als die Anlage von Mivoc, bietet aber leider keinen Hochständerflansch. Also ist die Stagepas überhaupt nicht zur Beschallung der Raumtiefe geeignet.
Erwähnen wir an dieser Stelle noch schnell ein Alesis Midiverb III, welches als Hallgerät gedacht war und das ich zwar bereits mit dem Pult verkabelt hatte, aber nach einem ersten Test der Raumakustik gar nicht erst angeschaltet habe. Eher hätte ich mir eine De-Verber gewünscht. So ungefähr ein Viertel Quadratkilometer an schwerem Bespannstoff, strategisch günstig im Raum verteilt. Okay, wer liefert mir das Samstag gegen 17:00 Uhr noch? Wie ich aber erfahren muss, ist es in dem historischen Saal verboten, irgend etwas aufhängen zu wollen. Hmpf.
Dann gibt es noch einen Kompressor mir unbekannter (no-namiger) Herkunft, der aber, abgesehen von der gewöhnungsbedürftigen Beschriftung und dem etwas komplizierten Layout, nicht wirklich zu beanstanden ist. Je einen Kanal davon schleife ich in die Mischerkanäle der beiden Sennheiser Handfunken ein und lasse sie nur dezent die Pegelspitzen einbremsen, 3 oder maximal 4 dB.
Monitoring in dem Sinne gibt es nicht, ich habe halt die Tops der Mivoc innen über Kreuz schiessen lassen, so dass man damit ein minimales Monitoring hätte antäuschen können. Hat aber nicht ausgereicht, dazu gleich mehr.
Die Künstler und ihr Soundcheck
Drei Gruppierungen traten neben den Festrednern an. Eine Schlagersängerin namens Vivian Lindt mit Halbplayback. Ich bin bestimmt kein Schlagerfan und werde auch jetzt keiner werden, aber die Dame kann singen und hat ein professionelles Auftreten mit einer Bühnenshow, die in keiner Weise peinlich rüberkommt, sondern stimmig und professionell. Und sein wir ehrlich, auch wir Rocker singen meistens vom Herzschmerz, nur klingt das auf Englisch einfach cooler.
Die Dame wollte zum Glück so leise spielen, dass der Raum kaum zum Schwingen angeregt wurde. Also da ging es noch mit der Akustik. Es machte auch nicht wirklich Probleme, ihre Stimme pegeltechnisch über das Playback zu bekommen, da es einerseits leise und andererseits gut auf ihre Stimme angepasst war. Auch ein Duett meines Sängerkumpels mit der Dame (ebenfalls zu Playback) lief ordentlich und stressfrei ab. Jedoch hat sie sich nicht gut genug gehört, so dass wir eine der beiden Stagepas-Boxen als Monitor zweckentfremdet haben. Klappte dann ganz gut für sie. Der Sänger hatte eh ein ältere IEM-System von Sennheiser, das ich ihm vom Pult aus in mono fütterte. Klappte gut für ihn.
Zu den Mikros: Vivian sang über ein altes Sennheiser ew100 (noch aus der G1-Serie) mit Nierencharakteristik. Dass dieses Mikro mehr vom umgebenden Raum aufnimmt, glich sie dadurch aus, dass sie immer sehr nah an das Mikro ranging, obwohl es das von der Lautstärke eigentlich nicht gebraucht hätte. Jürgen dagegen hat eine Mikrofontechnik, die eher ins Studio und Räume mit guter Akustik passt - arbeiten mit dem Mikrofonabstand, Dynamikausgleich, etc. Leider war jedesmal, wenn er das Mikro auch nur ein wenig weg hielt, die Textverständlichkeit komplett zum Teufel. Also bat ich ihn, das Mikro immer knapp vor dem Mund zu halten. Da hat er sich auch weitestgehend dran gehalten.
Um an dieser Stelle nochmal kurz auf die Abstimmung der PA zurückzukommen: So drastisch musste ich an dem spärlich vorhandenen EQ noch nie kurbeln, um etwas zum Klingen zu bringen! Der Bassregler stand zu diesem Zeitpunkt in beiden Vocalkanälen auf ca. -12 dB (es fehlte nicht mehr viel bis zum Linksanschlag), der Höhenregler leicht aufgedreht. Vielleicht +3 dB. So klang das dann einigermassen ansprechend, und beim Playback funktionierte das auch gut.
Dann die Bigband mit Drums, Bass, E-Gitarre, Piano und einem Dutzend Bläsern - das war dann gleich eine ganz andere Kategorie an Pegel! Doch war auch das noch zu verschmerzen, denn erstens spielten sie rein akustisch und zweitens machte es da nichts, dass der Klangkörper der Band durch den Raumhall quasi verschmolz. Für das Set der Bigband machte ich mir also auch keine großen Sorgen, höchstens, dass es empfindlichen Zeitgenossen zu laut sein könnte. Wie wir wissen, setzen sich gerade die lautstärkeempfindlichsten Gäste, meist schon im fortgeschrittenen Alter, immer direkt vor die Bühne oder vor die Boxen und beschweren sich dann die ganze Zeit über den Lärm. Der freundliche Hinweis, dass es hinten leiser ist, wird meist stoisch ignoriert.
Danach kam der Soundcheck der Bigband mit Sänger - erster Versuch, und mir entglitten gleich mal gepflegt die Gesichtszüge. Obwohl die Bigband ihre Dynamik wirklich im Griff hatte und in den Gesangspassagen deutlich den Pegel reduzierte, war der Gesang kaum noch zu hören, geschweige denn zu verstehen. Einfach viel zu leise und in den Mitten zu schwach. Wenn ich die Vocals laut genug hochzog, dröhnte es im ganzen Raum (die Stimme war dann zwar zu hören, aber es klang insgesamt einfach nach einem verheerenden Klangbrei). Ausserdem pfiff es dann, wenn der Sänger nur bis auf drei Meter an die Tops herantrat. Irgendwie habe ich die Vocals so einigermassen in den hörbaren Bereich bekommen, und so haben wir dann den Soundcheck zuende gebracht. Der war nämlich zugleich die Probe für einige Songs, welche der Sänger und die Bigband so noch nie zusammen gespielt hatten, wir standen also unter dem Zwang, dass es irgendwie laufen musste. Mit der Betonung auf "irgendwie".
Beim Gang in ihre Pause machte Vivian mir dann noch etwas Mut: "Also, wenn ich heute Abend einen NICHT beneide, dann bist das Du." Die stammt nämlich aus Passau und hat schon einige Aufführungen in der Hütte mitbekommen. Na, da geht einem doch gleich hoffnungsfroh das Herz auf. Brrrrr.
Überlegungen nach dem Soundcheck
und wie meine Seele zum Teufel ging
So konnte das also nicht laufen:
- Ich habe den Sänger nicht wohlklingend laut genug bekommen
- Es waren keine Mitten da, die den Gesang besser hörbar gemacht hätten
- Es hallte zudem wie die Seuche
Ich sag's nochmal: Oberdoppelriesenmist.
In dieser Situation tiefster Verzweiflung habe ich dann mal die Götter der Tontechnik - den Heiligen Dezibelius und die Heilige Phonetia - um Hilfe und Inspiration zur Problemlösung angefleht. Aber irgendwie waren die an dem Tag wohl taub oder hatten gerade bei anderen Gigs alle Hände voll zu tun. Nur ohne eine zündende Idee hätte ich den Karren nicht aus dem Dreck ziehen und eine Katastrophe verhindern können. Also wand ich mich an die Konkurrenz - wenn die Heiligen nicht spuren, probier es bei der anderen Seite. Und siehe da, mein Angebot "Meine Seele für eine Idee, wie ich es hinbekomme" wurde angenommen. Anscheinend hatte der Fürst der Finsternis gerade Sonderangebotswochen in der Hölle: "Eine Seele für ZWEI Ideen!" Jedenfalls kam nach dem Deal die Inspiration.
Die Ideen erscheinen simpel. Aber wenn man fast schon in Panik ist - fürchterliche Akustik, vollkommen ungenügendes Werkzeug - dann fallen einem selbst die einfachsten Dinge nicht mehr ein. Also, gut hergehörcht, ich hab hierfür meine Seele verzockt, Ihr bekommt die Inspiration umsonst!
Idee 1:
Wie baue ich mir einen Mittenregler, wenn eigentlich keiner da ist? Nun, er ist da, soviel sei an dieser Stelle schonmal gesagt. Er ist sogar der größte Regler im ganzen Kanal. Die einfache Idee lautet hier: Wenn Dir Mitten fehlen, dann leiere einfach den Fader (oder Gain) auf - dadurch werden die Mitten lauter. Leider nur auch alles andere, aber das kann ich ja mit den anderen beiden EQ-Potis wieder ausgleichen. So einigermassen zumindest, und fragt mich nicht nach dem Phasengang, aber der kümmert hier schon längst keinen mehr - um so Feinheiten kann man sich einen Kopf machen, wenn die Basics stehen. Also Gain hoch, Treble etwas zurück und das Basspoti auf Linksanschlag - viel Regelweg hatte ich bis dahin ja nicht mehr, wenn Ihr Euch an die obige Aussage zur Stellung der EQ-Regler erinnert. Aber immerhin, 3 oder 4 dB habe ich aus dem Mitteltonbereich noch herausbekommen, und das hat dann die Hörbarkeit sichergestellt und so gerade für ein Minimum an Textverständlichkeit gesorgt. Für sich alleine klangen die Vocals dann zwar nicht mehr so "elegant" wie vorher noch, aber mein Plan war ja schon lange kein Spitzensound mehr, sondern nur noch die Rettung der Situation.
Idee 2:
Den Raum weniger anregen, mehr Schallenergie auf das Publikum, das kommen soll, und weniger in den Raum rein. Aber wie macht man das ohne Horn, ohne Neigungsmöglichkeit der Box oder der Stative? Nun, selbst wenn die Tops wie Schuhkartons mit eingebautem Wooferchen und einem Tweeter aussehen, zumindest die Höhen gehen da einigermassen gerichtet raus. Also musste ich mit den Boxen ein wenig nach unten zielen. Dazu habe ich unter jeweils eins der drei Stativbeine einen flachen Casedeckel geschoben, so dass das Stativ ein wenig nach vorne geneigt war und die Box ganz leicht nach unten gezeigt hat. Natürlich stand das nun nicht mehr so stabil wie vorher. Ich habe das ganze dann mit Zurrgurten an je einem daneben fest montierten Stativ befestigt. Das allerdings konnte ich nicht mehr ausprobieren, denn ich brauchte ja das Publikum zur Erzielung der tatsächlichen Wirkung bei dieser letzten Aktion. Jetzt hiess es ausserdem, den Mischerplatz ein wenig aufzuräumen, nochmal für kleine Tontechniker, und dann war auch schon Einlass.
Ja, und so ist meine Seele eben zum Teufel gegangen.
Die Show
Wie gesagt, es ging um eine Ehrung mit Festakt. Und wie das häufig so ist bei Initiativen "von unten" - erst werden sie ignoriert, dann eventuell sogar sabotiert, und falls sie sich doch halten und entfalten, wird sie Jahre später in einer Ehrung gewürdigt, und jeder will einen Teil vom Ruhm und Glanz abhaben. Zuerst also zwei Politiker, die beide "keine Rede halten wollten". Diese beiden Nicht-Reden dauerten dann auch keine Viertelstunde. Da hatten wir ja gerade nochmal Glück gehabt, ich habe schon längere Nicht-Reden erlebt. Wer an dieser Stelle verborgenen Sarkasmus gefunden zu haben meint, möge diesen doch bitte umweltgerecht entsorgen.
Dritter Festredner war dann in Personalunion der Sohn der Geehrten, langjähriger Mitarbeiter und gleichzeitig mein Sänger-Kompagnon in Personalunion. Der einzige jedenfalls mit echtem Einblick. Er sagte dann auch ganz ehrlich, dass er in der Tat eine Rede halten will. Und das tat er dann auch. Es war bewegend. Kein abgebrühter Politprofi, der routiniert mit Worthülsen um sich wirft. Abschliessend ein paar Dankesworte der Geehrten. Kurz und knapp, schön. Dann die Auftritte der Künstler.
Erst der Gig von Vivian Lindt, 30 Minuten routiniert und professionell. Erst ruhigere Nummern, zum Schluss was zum Mitmachen, gerade das kam gut an. Danach eine gemeinsame Nummer mit Jürgen, und anschliessend die Bigband, ebenfalls Passauer Local Heroes. Da ging es ganz schön ab, sowohl auf der Bühne als auch im Publikum. Es wurde deutlich lauter, klang aber nicht mehr ganz so suppig wie beim Soundcheck.
Nach minimaler Umbaupause dann der Auftritt von Jürgen Stephan mit der Bigband - lauter alte Swing-Klassiker von Dean Martin und Frank Sinatra, The Rat Pack eben. Sehr geiles Zeug. Tontechnisch war dazu zu sagen, dass die Stimmer meist gut zu gören war - und da Jürgen nur bekannte Nummern sang, konnte das Erinnerungevermögen seinen Teil zum Verständnis der Texte beitragen. Es gibt da interessante hörpsychologische Untersuchungen drüber, an einem Experiment habe ich auch selbst als Proband teilgenommen. Psychologie hin oder her, jedenfalls stand die Stimme jetzt deutlich besser vorne dran als noch beim Soundcheck. Und solange Jürgen das Mikro nah dran hielt, war auch die Textverständlichkeit ausreichend.
Nach dem Gig dann Abbau, die ganzen verbauten Adapter auseinander klambüsern (was halt so anfällt, wenn fremde Anlagen mit unprofesionellen (sprich nicht-XLR und nicht-Speakon) Anschlüssen gemischt betrieben werden. Zusammenpacken, einräumen, feiern gehen. Die Künstler jedenfalls waren sehr zufrieden, und auch anwesendes fachkundiges Publikum
Mein Fazit
Bei dieser Aktion ging es mal nicht darum, irgend etwas ganz großartig hinzukriegen oder neues Spielzeug auszuprobieren. Stattdessen ging es um die Rettung einer Situation von "völlig inakzeptabel" hin zu "ausreichend gut". Absolut betrachtet, habe ich da auch nichts Tolles hinbekommen, jeder Durchschnittsgig (der keiner großen Erwähnung wert ist), klingt bei Euch und auch bei mir besser und kommt mit wesentlich höherer Textverständlichkeit rüber. Relativ betrachtet, im Vergleich zu dem, was das Publikum sonst im Historischen Passauer Rathaussaal zu hören bekommt, war es wohl nicht der vollkommene Absturz, sondern ganz okay.
Kritikpunkte an meinem Vorgehen gibt es in großer Zahl - angefangen bei der ungenügenden Vorab-Information bis hin zu den schräg gestellten Boxenständern. Was ich mit der kleinen Story hoffentlich unterhaltsam herübergebracht habe, ist, dass man auch bei techischen und organisatorischen Widrigkeiten mit etwas Überlegung noch etwas reissen kann.
Dabei habe ich natürlich auch gegen eine ganze Reihe von meinen eigenen Grundsätzen verstossen müssen, z.B. dass im Gesangskanal nicht wie blöd am EQ gekurbelt wird, weil man sonst den Phasengang verdreht (also tiefe Frequenzanteile kommen dann z.B. minimal vor den Höhen ode rumgekehrt - und eigentlich soll alles gleichzeitig das Ohr des Hörers erreichen). Nur, wie oben schonmal gesagt, um sowas kann man sich sorgen, wenn der Rest einigermassen stimmig ist. Also, wenn man nicht gegen Raum und PA "ankämpfen" muss. Das musste ich aber in dieser Situation eindeutig. Also gelten die ganzen anderen Weisheiten hier nur noch eingeschränkt, und man verfährt einfach nach Gehör.
Viele Grüße
Jo
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