Roland RD-700SX

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Roland RD-700SX (1950 €, Oberklasse)

1) Klang
a) akustischer Flügelklang: sehr gut
Mein lieber Scholli. Was Roland uns da serviert, zählt zu dem besten, was es in Stagepiano-Form zu kaufen gibt. Der absolute Knaller ist das "Superior Grand", ein sehr weiches und edles Steinway-Sample. Das hat mich richtig vom Hocker gehauen: Sehr hochauflösend, dazu vom Klang warm und präsent. Für Jazz ist es die Erleuchtung und sogar für Klassik verwendbar. Von der Voreinstellung ist es natürlich für den Bühnenbetrieb abgemischt und recht mittenbetont, wenn man aber am EQ ein wenig herumschraubt, erhält man auch ein solistisch tolles Piano mit satten Bässen. Besonders toll gefällt mir das Steinway-typische "Klingeln" in den oberen Lagen. Klasse. :great:
Der andere nennenswerte Pianopatch "Ultimate X", der aus dem Fantom-X stammt, ist zwar nicht ganz so gut und realistisch wie sein großer Bruder aber trotzdem angenehm und schön.
Integriert sind noch ältere Patches vom alten RD700, die ich aber synthetisch finde.
b) Vintage-Krams: befriedigend
Hier fällt das Roland leider etwas ab. Es gibt zigtausend Rhodes-Sounds, die aber alle nicht überzeugen können. Sie sind entweder zu dunkel und glockig und klingen wie "Blubb" oder zu knatschig und gepreßt. Das wirklich ideale Rhodes ist nicht darunter. Die Wurlis können auch nicht so recht überzeugen. Ein recht funkiges Clav ist darunter, die DX7-Sounds sind auch ganz ordentlich.
Relativ gut ist die Orgel, wenngleich sie nicht mit ambitionierten Clones wie Nord Electro und XK-3 mithalten kann. Aber für ein Stagepiano ist sie doch schon recht beachtlich. Der Leslie-Effekt ist nicht ganz realistisch (der Bass-Rotor sollte eigentlich langsamer beschleunigen als der Treble-Rotor), aber brauchbar. Leider vermisse ich Scanner-Vibrato und -Chorus.
c) Synths:
Kenne ich mich nicht mit aus. Mein Eindruck ist aber ganz gut...
d) Natursounds: sehr gut
Auch hier hat Roland feine Arbeit geleistet. Pfeifenorgel, Gitarre, Bässe etc. sind hochauflösend und toll, auch wenn man sie in der Regel nicht wirklich braucht. Legendär ist der zwar nicht ganz realistische, aber witzige Scat-Vocal-Sound.

2) Tastatur: Sehr gut.
Die Tastatur des RD700SX ist sehr solide und toll spielbar. Die Gewichtung ist mittelschwer und für mich die ideale Balance. Insgesamt ist sie problemlos spielbar, auch schwierigere Stücke gehen recht problemlos vonstatten. Das Gefühl ist insgesamt sehr klavierig (erinnert mich sehr stark an die butterweiche Mechanik eines Grotrian Steinweg-Klaviers bei uns in der Musikschule), ich habe den begründeten Verdacht, daß das RD700SX eine freischwingende Hammermechanik besitzt. Auch die Abstimmung von Tastatur und Klang klappt makellos. Einzig das Kawai MP8 ist noch eine Ecke besser. Saubere Arbeit!

3) Technisches
a) Effekte: sehr gut
Hier findet man alles, was man braucht - von gängigen Klassikern wie Tremolo und Chorus bis zu spacigen Sachen wie Step Phaser und einer phätten Vinyl-Simulation. Leider gibt es keine zwei separaten Potis für Rate und Amount, aber das soll den hochwertigen COSM-Effekten keinen Abbruch tun.
b) Soundschrauberei:
Ich enthalte mich des Urteils, da ich kein Synth-Freak bin, aber die Einstellmöglichkeiten machen doch einen relativ großzügigen Eindruck für mich. Toll finde ich die Klangparameter beim Piano: Öffnung der Klappe, Mikrophon-Typ, Mikrophon-Distanz, Saitenresonanz etc. So kann sich jeder sein "Lieblings-Piano" zusammenstellen.
c) Bedinung: sehr gut
Äußerst komfortabel und praktisch. Das Roland ist ein sehr komplexes Gerät und man braucht recht lange, bis man alle Funktionen komplett erfaßt hat. Für den Live-Einsatz kann man sich alles abspeichern und zurechtlegen. Praktisch sind auch die One-Touch-Piano und -E Piano-Knöpfe, mit denen man sofort auf Knopfdruck zu je zwei verschiedenen Presets gelangt.
d) MIDI:
Wie gesagt, kenn ich mich nicht mit aus.
e) Sonstiges:
Alles was das Herz begehrt. 4-Band-EQ, Kompressor auf Knopfdruck, Arpeggien, Rhythmen. Reichhaltig ausgestattet in der Beziehung.

4) Sonstiges
Gewicht: mit 25 kg ein dicker Brocken. Aber nicht ganz so schwer und monströs wie MP8 und P250, also immer noch transportabel. Nur für die allwöchentliche Probe würde ich's nicht jedesmal mitschleppen wollen bzw. gleich im Proberaum lassen.
Optisch ist es in dezentem Schwarz gehalten und wenngleich von der Oberfläche recht protzig, trotzdem edel und professionell anmutend.

5) Fazit
a) Bühnentauglichkeit: Sehr gut
Das Roland hat eigentlich alles, was der Bühnenmusiker begehrt. Nur die recht mickrige Vintage-Sektion trübt den Spielspaß etwas. Für jemanden, der auf der Bühne nur einen tollen Piano-Klang braucht, ist es aber die göttliche Offenbarung.
b) Wohnzimmertauglichkeit: Gut
Optisch paßt es nicht so ganz, allerdings ist ein Stagepiano in schlichtem Anthrazit für mich immer noch ehrlicher als visuelle Klavier-Attrappen. Der Klavierklang und die Tastatur eignen sich zum Üben für alle möglichen Geschichten und Stile ganz gut, wenngleich natürlich nicht die volle Wärme und Spielgefühl eines Klaviers erreicht werden. Daher "nur" gut. Was höheres schafft für mich aber kein Digitalpiano.
c) Preis-Leistungs-Verhältnis: Sehr gut
Mit 1950 € ein typischer Oberklassen-Preis und für das, was man da bekommt ist das sehr fair! Das Roland ist ja tatsächlich schon fast eine kleine Workstation. Ich war auch kurz davor, mir eines zu holen, bin aber davon abgewichen, weil mir persönlich 2000 € für einen Clone generell zu viel sind. Wäre ich aber professioneller Bühnenmusiker, würde ich ohne zu zögern wieder zum RD700SX greifen - und am besten noch gleich ein Nord Electro Rack dazu, um die eher mittelmäßigen Vintage-Sounds auszugleichen. ;)

Gesamtwertung: sehr gut (-)
 
Eigenschaft
 
Hier noch eine kleine Ergänzung zu Lucs Review des RD-700SX, welcher ich in allen Punkten voll zustimmen kann.

ad 1 d) Natursounds:
Hier sollte man unbedingt noch das Tenorsax erwähnen. Der Sound stellt alles in den Schatten, was ich bislang an gesampelten Saxophonen gehört habe. Der Hammer schlechthin!

ad 3 d) MIDI:
Das RD-700SX hat 2 MIDI Outs (mit USB sogar 3) und bietet sehr umfangreiche und gut bedienbare Masterkeyboardfunktionen. Es hat 4 Zonenfader, mit denen man per Knopfdruck schnell mal ein Streicherpad zum Klaviersound dazumischen kann. Diese Fader lassen sich zwischen Intern und Extern umschalten, und machen so auch externe Klangerzeuger für Layers nutzbar. Wählt man die externe Zone an, erhält man eine Seite, auf der sich für jeden Fader MIDI Out 1, 2, USB oder All, sowie die Kanäle festlegen lassen. Blättert man weiter, kann man auf 8 weiteren Seiten so ziemlich jeden Parameter einstellen, den man braucht. Das ist für ein Stagepiano vorbildlich. :great:
Fazit: auch hier eine glatte Eins.
 
Vielleicht ein paar kleine Hinweise auf das RD-700 SX, die man auch hier genauer lesen kann.

- Der Superior Grand, der beste Flügelsound, ist von Haus aus relativ dumpf, d.h. es braucht einen ziemlich linearen Monitor, um hier einen ausgeglichenen, brillianten Ton heraus zu holen (was für mich mit dem HK-Audio Monitor für 800€ nicht möglich war, mit dem sehr linearen Kopfhörer AKG 271S aber schon).
Ganz Nett: Man kann den Flügeldeckel in 6 Stufen öffnen.
Irgendwie doof: Wenn man den ganzen Flügel als Setup speichert, ist die "String Resonance", also das Mitschwingen anderer Töne aufgrund der Obertonreihe, deaktiviert und nicht möglich zu aktivieren. Um allerdings das Haltepedal und die Lesliekontrolle auf ein Pedal zu legen, muss man das Setup speichern, d.h. auf die String Resonance verzichten.

- Der IMHO einzig gute Clavinetsound, "Funky D", der auch als einziger einen richtigen Releasesound hat, bleibt stehen, wenn man die Tasten liegen lässt, was beim echten Clavinet nicht so ist (beim Original sterben die Töne von selbst bald ab)

- Keiner der Rhodes-Sounds hat ein Releasesample. Insgesamt sind die Rhodessounds ziemlich dick und dumpf, ab er auch warm, was sicherlich seine Vor- und Nachteile hat. Brilliante und "glänzende" Sounds sind nicht zu finden, dreht man am EQ dementsprechend, kommen viele, unpassend und synthetisch wirkende Obertöne rein.

- Die Wurlitzersounds gefallen mir gut, es "rollt" schön, die Attacks sind knackig, wirken aber nicht synthetisch, und mit der richtigen Tremolo-Einstellung bekommt man schon richtig schöne Sachen aus dem Ding. Allerdings habe ich auch noch nie ein echtes Wurlitzer gespielt, was meine Ansicht vielleicht ändern würde.

- Ganz Nett: Als letzter "E.Piano"-Sound ist ein "E.Grand", also ein Yamaha CP-80, vorhanden. Wenn man hier ein wenig mit EQ und Chorus rumspielt, bekommt man durchaus brauchbare Sounds des kurzsaitigen Miniflügels raus.

- Die verschiedenen Zerr-Effekte sind alle extreme Verzerrungen, wodurch man den eigentlichen Klang kaum noch erkennen kann. "Crunchy"-Einstellungen sind nicht möglich.

- Die Orgelsounds sind ganz okay, aber eher Platzhalter und sollten nicht Kaufgrund sein.
Gut: Man kann 4 der Zugriegel (man kann frei auswählen, welche) in Echtzeit mit den Fadern Regeln, und das Leslie über den Modulation-Bender auf schnell und langsam stellen, was ein gewisses B3-Feeling bringt.
Schlecht: Man hat neben den Drawbars nur geringe Kontrolle über den Ton, ausser der Percussion (C2,C3, aus) und einigen Leslie-Einstellungen ist nichts möglich.

- Insgesamt hätte ich mir noch gewünscht, das mehr als 2 Splitzones möglich wären. Da allerdings auf jede der 2 Hälften 2 Sounds belegbar sind, von denen man auch - wenn man will - einen Leisedrehen oder ausmachen kann, sind immerhin sehr schnelle Soundwechsel möglich.

Auch wenn dieses Review vielleicht jetzt ziemlich negativ klingen mag, ist das Roland trotzdem ein ganz gutes Keyboard, und wenn man weiß, wo man soundlich hinwill, ist viel möglich. Zur Vintage-Sound Problematik kommt eventuell bald die Lösung in Form eines Expansion Boards auf den Markt. Das Ding heißt Roland SRX-12 und wird wohl zwischen 250 und 350 € kosten, und ein aufwendig gesampeltes Rhodes und ein Clavinet beeinhalten. Bleibt noch die Frage, ob sich dort auch die Sustain- und Releaseprobleme gelöst werden...
 

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