Richtungstendenz, was ist das?

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Rangotz
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Ich habe gestern eine ziemlich interessante Seite über die Harmonielehre gelesen. Nun, ich bin ein totaler Neuling auf diesem Gebiet und gleich im zweiten Absatz stellte sich die Frage: "Was ist die Richtungstendenz und warum kann sie nach unten oder nach oben sein?" Klärt mich bitte auf, ich habe früher noch nie davon gehört...

"Die Lage der Halbtonschritte am Ende jedes Tetrachordes ergibt eine sehr starke Richtungstendenz nach oben. Die fünfte Stufe (Quint), also der Beginn des zweiten Tetrachordes, ist im melodischen Spannungsbogen der Höhepunkt. Die stärkste melodische Richtungstendenz hat die Septim (nach oben), gefolgt von Sext, Quart (nach unten) und Sekund (nach unten, je nach Melodieverlauf auch nach oben). Die Dreiklangstöne Grundton, Terz, Quint und Oktav haben keine festgelegte melodische Tendenz."

Quelle: http://www.matthies-koehn.de/harmonielehre/html/dur.html

Ich danke im Voraus!
 
Eigenschaft
 
Nabend,

entscheidend ist hier der letzte Satz:
"Die Dreiklangstöne Grundton, Terz, Quint und Oktav haben keine festgelegte melodische Tendenz."

Nimmt man z.B. die C-Dur-Tonleiter, so sind c, e, g und c Grundton, Terz, Quinte und Oktave. Diese Töne ergeben zusammen den C-Dur-Dreiklang, dessen Töne eine stabilisierende Funktion in C-Dur haben, weshalb von ihnen für gewöhnlich keine Strebewirkung ausgeht (-> "keine festgelegte melodische Tendenz"). Töne, die nicht zu diesem Dreiklang gehören haben eine gewisse Strebewirkung zu diesen. Besonders stark ist die Strebewirkung bei Tönen, die nur einen Halbton von einem Dreiklangston entfernt liegen, also die Septim (h) und die Quarte (f). Man spricht bei diesen Tönen deshalb auch von Leittönen. Insbesondere die Septim ist wichtig, da sie leittönig zum Grundton (bzw. zur Oktave) führt: h -> c. Die Quarte müsste demnach eigentlich abwärts zur Terz streben. Je nach Situation kann die Strebewirkung hier allerdings auch in umgekehrter Richtung erfolgen. Das spiegelt sich auch im Text wieder, da einmal behauptet wird, bei den Halbtonschritten am Ende der Tetrachorde läge eine starke Richtungstendenz nach oben vor (e -> f), während unten (widersprüchlicher Weise) das Gegenteil behauptet wird (von Terz geht keine melodische Tendenz aus, Quarte strebt nach unten, also f -> e). Tatsächlich kann aber - wie gesagt - beides der Fall sein. Die anderen Töne, die weiter als einen Halbton von den Dreiklangstönen entfernt sind besitzen auch eine gewisse Strebewirkung, welche aber nicht so stark ist.

Letztendlich sollte man mit solchen Modellen allerdings vorsichtig sein. Insbesonder die Septime als Leitton zum Grundton (h -> c) ist zwar eine recht grundlegende Sichtweise, allerdings gilt z.B. der Akkord Cmaj7 = c e g h im Jazz als stabil, obwohl er die Septime enthält, also aufgepasst: Ausnahmen gibt's immer. ;)
 
Was ist die Richtungstendenz und warum kann sie nach unten oder nach oben sein?

Das ist die Erwartung eines Hörers, wie eine Melodie wohl fortgesetzt wird. Komponisten und Musiker kennen oft die Prägungen und Vorerfahrungen ihrer Hörer und spielen mit den Erwartungen. Wesentlich für das Funktionieren dieser Umgangsweise mit Erwartungen ist die gemeinsame Prägung von Komponist/Musiker und Hörer durch gemeinsame Hörerfahrungen auf der Basis einer gemeinsamen Musikkultur. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen werden unterschiedliche Hörerfahrungen und -erwartungen haben und haben daher keine gemeinsame Erwartungen an die melodische Fortführung.

Hier im Forum wird die Prägung durch die westlich-abendländische Musikkultur meist unausgesprochen vorausgesetzt. Sie umfasst z.B. die klassisch-romantische Musik sowie die Popularmusik. Innerhalb dieser Stile gibt es zwar manchmal sehr unterschiedliche Formen der Erwartung der melodischen Fortführung, aber es gibt eine recht große gemeinsame Basis, wie Melodien einfachstmöglich und naheliegend fortgeführt werden. Auch harmonische Hörerwartung wirkt sich auf die melodische Fortführung aus.

Harald
 
Vielen vielen Dank! So, wie ich es aus euren Beiträgen verstanden habe, ist die Richtungstendenz kein genau definierbares Thema... Ich frage mich, wieso es auf dieser Seite gleich am Anfang steht :gruebel: Naja, ich ihr habt mir immerhin einen groben (das liegt daran, dass ich nicht viel verstanden habe) Überblick darüber gegeben. Ich glaube, ich lese mir das alles noch mal durch, wenn ich soweit bin. Nochmals danke.
 
Entschuldige, ich habe die Angewohnheit Dinge schon mal unnötig kompliziert auszudrücken. :rolleyes:

Ich denke was du dir merken solltest ist folgendes:
  • Der wichtigste Akkord in einem Dur-Stück ist der Dreiklang auf dem Grundton der Tonart, in C-Dur also der C-Dur-Dreiklang = c e g. Dieser Akkord wird Tonika (T) genannt, und auf ihm endet das Stück in so gut wie allen Fällen.
  • Den Ton, der einen Halbton unter dem Grundton der Dur-Tonleiter liegt nennt man Leitton, in C-Dur wäre das das h. Der Name kommt daher, dass man ihn oft einsetzt um Spannung zu erzeugen, die dadurch aufgelöst wird dass der Leitton zum Grundton hin aufgelöst wird (h -> c). Der Ton leitet also quasi zum Grundton zurück, man könnte beim Leitton von einer Richtungstendenz zum Grundton sprechen.
  • Die Leittonspannung wird i.d.R. dadurch aufgebaut, dass der Leitton als Terz der Dominante verwendet wird. Die Dominante (D) ist der Dreiklang auf der V. Stufe der Dur-Tonleiter, in C-Dur also der G-Dur-Dreiklang = g h d. Typisch sind Akkordfolgen wie D - T oder D7 - T, bei letzterer wird auch oft der Grundton der Dominante weggelassen.
  • Das heißt nicht dass der Ton h in C-Dur immer eine Richtungstendenz zum c aufweißt (also zu ihm hinleitet), allerdings ist es meistens so wenn er als Terz der Dominante verwendet wird.

...ok, soweit die Theorie. Was die Richtungstendenz der anderen Töne anbelangt würde ich das erst mal beiseite lassen, das dürfte abgesehen von der Quarte der Dur-Leiter eh nicht so wichtig sein, und ist im Moment denke ich eher unnötig verwirrend.
 
Rangotz, um die Sache mit dem Leitton nochmal zu ergänzen, guck dir mal folgendes Beispiel an (das ist der "authentische Schluss"):

dp8r4o.jpg


Wie du siehst wandert da der sogenannte Leitton wieder nach oben (aus Cis wird D), würde er nach unten wandern würde der Schluss komplett anders (und eben nicht nach dem klassischem "Schluss") klingen. Also eine klare Richtungstendenz nach oben.
 

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