Synthesizer-Review: Zynthian Kit v4
Ich habe schon vor einiger Zeit über https://zynthian.org/ ein v4 Kit bestellt und zusammengebaut. Nun versuche ich endlich mal ein kleines Review zu erstellen. Da ich nicht so sehr der Producer bin, eher aus der Live Performer Sicht.Einsatzzweck ist für mich:
1. Im Proberaum an das dort vorhandene Masterkeyboard anschließen und etwas Jammen
2. Evtl Live als Ergänzung zu einem Stage Piano, wenn ich bestimmte Sounds brauche, die ich auf dem Stage Piano (Yamaha CP4) nicht oder nicht in mir geeigneter Soundqualität vorfinde.
Hätte ich im Stagepiano ein Audiointerface, bin ich mir nicht sicher, ob ich mir so ein Gerät zugelegt hätte oder nicht eher mit dem IPad als Sounderzeuger experimentiert hätte.
Hier ein paar Bilder, auf denen man neben der Oberfläche mit Screen und Encoder die typischen Raspberry Pi Anschlüsse, aber auch die Anschlüsse des Audio Interfaces sehen kann.
Für einen ersten Eindruck habe ich ein kleines Video abgefilmt, ich wollte eigentlich noch mehr zeigen, aber das habe ich dann beim Spielen vergessen, z.B. ist auch die schnelle Midi CC Zuweisung interessant. Verwendet wurden ein Yamaha CP4 Stagepiano und mein Nord Stage für die Orgel Emulation (SetBFree)
Ja ich weiß, das ist nicht sonderlich professionel und ich habe auch nur ein paar einfache Akkorde gespielt, aber immerhin nichts geschnitten
Bestellung/Zusammenbau
Hier gab es keine wirklichen Probleme. Es gibt ein sehr gutes Wiki mit ausführlicher Anleitung. Bei dem v4 Kit muss nichts gelötet werden, also ideal für Leute wie michIch hatte ein Problem mit einem Encoder. Der Hauptentwickler hat mir dann sogar 2 Ersatzencoder zugeschickt, ohne groß nachzufragen, das fand ich wirklich Top. Bei mir handelt es sich noch um das Kit 4.0. Mittlerweile gibt es ein Kit 4.1, bei dem glaube es beim Audio Interface ein Update gab. Macht für mich aber keinen großen Unterschied. Der Preis inklusive Raspberry Pi mit 4GB Arbeitsspeicher liegt bei ca. 300€, was meines erachtens Fair ist, wenn man sich die Einzelpreise der Komponenten so anschaut. Das OS läuft derzeit noch mit 32 Bit, insofern sind selbst die 4 GB sehr üppig.
Man muss nicht das komplette Kit kaufen. Screen Soundkarte, Ersatzteile oder Raspberry Pi kann man auch getrennt voneiander kaufen oder man baut sich ganz andere Hardware zusammen und verwendet nur Zynthian.
Für Zynthian selber muss man eine SD Karte vorbereiten und das fertige Image aufspielen, aber auch hier gibt es gute Anweisungen.
Ausstattung
Herz ist ein Raspberry PI in Version 4 mit USB/DIN Midi, Netzwerk, Audio IN/Audio Out, 4 Encoder, 4 Buttons, Touch Screen und mehr, einen guten Überblick findet man in folgendem Blog Beitrag:https://blog.zynthian.org/2020/07/new-zynthian-kit-v4/
Zynthian Open Synth Platform
Kurz beschrieben handelt es sich um einen multitimbralen Synthesizer und Audio/Midi Processor. Die Platform bietet viele Instrumente/Synthesizer und auch Effekte. Weitere Features/Stichworte in diesem Zusammenhang:Midi Filter/Tools, Soundfont Support, MOD UI (Pedalboards zusammenstellen), Audio/Midi Recorder/Player, Step Sequencer. Auf einige der Features versuche ich im folgenden auch noch etwas näher einzugehen.
Zynthian ist eine "Community Driven" Platform. Es gibt es sehr gutes Forum, sehr kompetente Entwickler, außerdem passiert Entwicklungsseitig sehr viel. Auch wenn ich in manchen Bereichen gerne noch etwas mehr Funktionalität in Bezug auf Live Performance hätte (z.B. Looping und Sequencing), passiert da gerade einiges und es ist da in Zukunft noch einiges zu erwarten.
Zynthian funktioniert ohne das Kit, allerdings hat man bei dem Kit eine sinnvolle Zusammenstellung von Teilen, die schon Out of the Box sehr gut funktioniert und für die man sich nicht in Linux untiefen begeben muss...
Sounds/Engines
Pianoteq
Ich habe mir eine Pianoteq Lizenz besorgt, da diese Engine in Zynthian integriert ist. Ich finde die Pianos aber auch andere Module wie die Epianos sehr gut. Aktivieren lässt sich die Engine in der Weboberfläche (s.u.). Ich habe es noch nicht gewagt, auf Pianoteq 7 upzudaten, da da im Forum noch von Problemen die Rede war. Auf dem PC habe ich diese Version schon laufen.MOD UI
Es gibt die Möglichkeit, sich ein Pedalboard zusammenzustellen und dieses einzubinden. Leider habe ich das nur sehr kurz ausprobiert und kann dazu nicht so viel sagen. Das Konzept ist aber sehr interessant. Es gibt auch eine Weboberfläche, über die die einzelnen LV2 Module zusammengestellt werden können, ich verweise hier mal auf die Wiki Seite. Dort kann man ein Bild sehen:https://wiki.zynthian.org/index.php/MOD_Users_Guide
Weitere Plugins
Es gibt noch viele andere Plugins. Bekannt und ziemlich gut klingend sind z.B. auch Dexed und OBXD. Wer keine Pianoteq Lizenz hat, findet auch ganz ordentlich Epianos mitgeliefert. Minimoog Plugin, ein recht mächtiger Synthesizer, SetBFree, Aolus Pipeorgan und vieles mehr, auch sehr viele LV2 Plugins, die ich mir nicht alle im Detail angeschaut habe. Außerdem lassen sich sehr viele Effekte einbinden, die teils eine ganz ordentliche Qualität haben. Außerdem gibt es auch noch Audio/Midi Tools, die eingebunden werden können.Plugin Frontends
Bei einigen Plugins ist es möglich, das Engine UI auf einem Computer zu sehen und auch Einstellungen vorzunehmen. Das geschieht über X-Forwarding, unter Linux ist das recht gängig.Bei meinem Windows System musste ich mir XMing installieren, sozusagen ein XServer für Windows. Dann kann man mit z.B. Putty eine X Verbindung aufbauen.
Für Pianoteq sieht das z.B. so aus:
Weiteres Beispiel: die Aolus Pfeifenorgel:
Das Engine UI wird automatisch geöffnet, wenn auf dem Zynthian Gerät ein Layer mit der Sound Engine erzeugt wurde.
Das ist bei mir recht träge, z.T. sicherlich auch, da ich per WLAN auf meinen Zynthian zugreife. Das ginge natürlich auf über ein LAN Kabel.
Midi/Audiorecording
Es gibt einen Audio und Midi Recorder. Dabei lässt sich auf SD-Karte aber auch auf USB Speicher schreiben. Recordings können auch auf der Weboberfläche heruntergeladen werden. Sehr viel kann ich dazu nicht sagen. Den Audiorecorder habe ich getestet und das hat gut funktioniert, um mal schnell was aufzunehmen.Step Sequencer
Ich habe mit dem Step Sequencer etwas rumgespielt, aber bin nicht so richtig damit warm geworden, kann daher auch nicht soviel dazu sagen. Ich fand die Bedienung ziemlich umständlich und über das Touch Display war es mir auch zu fummelig. Ich beobachte allerdings die Diskussionen im Forum und weiß, dass hier einiges passiert.Handling/Spielbarkeit
Unter der Oberfläche werkelt ein Jack Audio Server. Die Audio Einstellungen sind bei mir wie folgt gesetzt (Default nach Installation):Das führt wohl zu einer ungefähren Latenz von 11ms. Für mich ist das gerade noch Ok, ein paar Sekungen spielen und ich kann damit leben. Sicherlich wäre es optimal, wenn man den Puffer auf 128 setzen könnte, aber das habe ich ausprobiert und funktioniert zumindest mit den hungrigeren Plugins nicht.
Ich hatte Zynthian schon länger unter Beobachtung, aber erst mit dem Raspberry Pi 4 habe ich zugeschlagen, mit einem Raspberry 3 würde ich das nicht betreiben wollen.
Ich will ehrlich sein. Auch der Raspberry Pi 4 ist kein Hardware Monster. Wenn man Pianoteq startet, dass Sustainpedal drückt und es übertreibt, kann man schonmal einen Knackser provozieren (oder XRuns, wie es hier bezeichnet wird). Ich bin aber gut damit zurecht gekommen. Muss man einfach im Hinterkopf haben.
Das Controlling ist auch sehr gut. Neben den 4 Encodern, die sich sehr einfach anlernen lassen. gibt es noch 4 Buttons, die man mit Aktionen belegen kann.
Sounds werden sogenannten Layers zugewiesen und ein solches Soundsetup lässt sich in einem Snapshot abspeichern und später wieder aufrufen.
Konfiguration/Update
Neben Major Updates, die dann in einem neuen Image kommen, gibt es auch einen Update Funktion, bei der dann kleinere Dinge behoben/verbessert werden, insbesondere auch im Hinblick auf die Soundengines/Plugins. Es ist sinnvoll, diese Update Funktion immer mal wieder auszuführen. Das geht entweder am Gerät selbst oder aber auch über die Weboberfläche.Es gibt eine Weboberfläche, auf der sich einiges Konfigurieren lässt, man kann Snapshots verwalten, Aufnahmen runterladen, Hardware Einstellungen aber auch Softwareeinstellungen vornehmen, Einstellungen fürs Netzwerk vornehmen usw...
Fazit
Insgesamt bin ich zufrieden mit dem Gerät. Ich hatte es eine Weile im Proberaum zusammen mit einem Masterkeyboard stehen und immer mal wieder ein wenig gejammt, hauptsächlich mit den Pianoteq Sounds. Es ist sehr viel machbar, allerdings habe ich das ganze Potential sicherlich noch nicht ausgereizt. Die Audio Ins habe ich z.B. noch gar nicht verwendet. Da könnte man sicherlich auch einiges mit anstellen. Wenn man etwas tiefer einsteigt, kann man sicherlich noch mehr machen, z.B. auf dem Gerät selber. Dort läuft ein Debian Linux basiertes Betriebssystem.Ich würde mir ein kleines bisschen mehr Power wünschen. Gerade wenn hungrige Plugins wie z.B. Pianoteq zum Einsatz kommen, muss man schon etwas vorsichtig sein. Bei anderen weniger hingrigen Plugins spielt das kaum eine Rolle.
Die Latenz ist für mich persönlich noch Ok, das ist sicherlich eine individuelle Sache, es fühlt sich etwas träger an, als wenn ich z.B. mit meinem RME Interface einen Softsynth spiele, aber wie gesagt, für mich geht das in Ordnung.
Mit dem Touchscreen werde ich nicht so richtig warm, es ist Zuhause ganz nett. Allerdings passieren bei mir dann auch immer mal wieder Falscheingaben. Eventuell muss ich mal schauen, ob ich die Displaykalibrierung ein wenig anpasse. Jedenfalls wäre mir das Live zu gefährlich.
Ich würde z.B. auch einen guten Live Looper wünschen. Es gibt Looper Plugins und so, aber so richtig fündig bin ich noch nicht geworden, eventuell war ich aber auch nur blind oder es kommt aber bald noch was nach.
Das mal fürs erste. Ich habe sicherlich noch viel vergessen und ausgelassen. Ich kann aber gerne auf Fragen eingehen.
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