rusher
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Das MOTU M64 wurde mir im Rahmen einer Aktion des Musiker-Boards und Klemm Music zur Erstellung eines Testberichtes bereitgestellt. Meine Erfahrungen mit dem Interface möchte ich hier schildern und Hinweise geben, für wen das Interface interessant sein könnte. Ich bin selbst RME Nutzer (Fireface UFX, UC und Madiface Pro) und sehr gespannt, in welchen Punkten sich insbesondere Madiface Pro und MOTU M64 ähneln und wo welches der beiden Boden gut machen kann.
Lieferumfang:
MOTU M64
Netzteil
Rackohren und Gummifüße
USB2 Kabel
Treiber-CD
Produktheft mit dem MOTU Interface Sortiment
MOTU M64
Das MOTU M64 ist ein MADI/AVB Interface und damit in der Lage, viele Kanäle zu händeln. MADI dürfte hinreichend bekannt sein. Die Abkürzung steht für Multichannel Audio Digital Interface und bezeichnet eine digitale Audioschnittstelle MADI kann in Form von koaxialer und optischer Leitung bereitgestellt werden. Auf der Rückseite finden sich je ein optischer und ein koaxialer MADI-Input, worüber bei 44,1kHz/48kHz Sample Rate jeweils 64 Kanäle eingespeist werden können; entsprechend halbieren/vierteln sich die möglichen Kanäle bei doppelter/vierfacher Sample Rate. Für die Ausgabe wird ein Ausgang für den optischen und zwei für den koaxialen Weg bereitgestellt, wobei der zweite koaxiale Output eine Spiegelung des ersten darstellt. Eine feine Sache, so lassen sich die auf den koaxialen MADI-Out gerouteten Signale direkt und ohne weiteren Splitter an zwei Ziele senden. Insgesamt stehen hier also jeweils 128 unabhängige digitale Ein- und Ausgänge zur Verfügung. AVB steht für Audio Video Bridging und wird per Ethernet bereitgestellt. Die entsprechende Buchse findet sich ebenfalls auf der Rückseite. Über Ethernet können hier zwei AVB-fähige MOTU Interfaces direkt miteinander verbunden werden. Audio kann dann über Ethernet von einem zum andern Interface geschickt werden. Es sind aber auch größere Netzwerkrealisierungen möglich. Über den MOTU AVB-Switch lassen sich bis zu fünf Interfaces miteinander verbinden, wobei auch wieder mehrere AVB-Switches zusammengeschaltet werden können. Es sind also wirklich große Zusammenschlüsse möglich. So kann beispielsweise ein Interface mit vielen Eingängen (z.B. MOTU Stage-B16 mit 16 Mic Preamps und 8 Line Outputs) im Aufnahmeraum liegen, während sich die eigentliche Schnittstelle zum Computer in der Regie befindet.
Ein zusätzlicher analoger Stereoausgang findet sich auf der Vorderseite des Interfaces in Form einer 6,3mm Kopfhörerbuchse samt Volumepoti. Ansonsten sind auf der Rückseite noch Anschlüsse für Wordclock In/Out (wahlweise auch Thru). Zur Verbindung mit dem Mac/PC steht ein USB2 Port zur Verfügung. Strom erhält das Gerät über ein externes Netzteil.
Auf der Vorderseite des Gerätes finden sich außerdem Menütasten zur Steuerung der wichtigsten Funktionen und ein dedizierter On/Off Schalter. Ein kleines LCD Display zeigt neben der Sample Rate auch die Pegel der per MADI anliegenden und ausgegebenen Signale, die Quelle des Clocksignals und AVB Aktivitäten an. Leider ist das Display nicht durch eine separate Plastikabdeckung geschützt, wodurch für mich der Rucksacktransport entfällt. Zu groß wäre die Angst, das Display zu beschädigen. Ähnliche Bedenken habe ich auch beim Poti für die Kopfhörerlautstärke. Während die ohnehin robusten koaxialen MADI-Anschlüsse auf der Rückseite von außen mit dem Gehäuse verschraubt sind, wurde auf eine entsprechende Maßnahme beim Kopfhörerpoti verzichtet. Schade. Etwas fummelig finde ich auch die Anbringung des Volumepotis. Der Klinkenstecker ist gefühlt immer im Weg. Das wurde beim MOTU UltraLitemk4 meiner Meinung nach etwas besser gelöst. Da ist der Poti oberhalb der Klinkenbuchse und damit meiner Meinung nach besser zugänglich. Schön ist wiederum die Möglichkeit per Doppelklick auf den Poti die Kopfhörerausgabe (ent)muten zu können und bei längerem Drücken die Kopfhörerverstärkung dauerhaft im Display sichtbar zu machen. Für den Rackeinbau legt MOTU Rackohren bereit. Schön ist hierbei, dass sich zwei MOTU-Interfaces nebeneinander auf eine 19“ Höheneinheit bringen lassen. Toll finde ich aber auch, dass auch der 9,5“ Aufbau möglich ist. Für mein Fireface UC habe ich mir vor Jahren ein 9,5“ anfertigen lassen und schätze die kompakten Maße sehr!
MOTU Web UI
Nach der Installation der Treiber und dem Neustart des Rechners lässt sich das Interface vom Computer aus fernsteuern. Das ist nichts neues, viele andere Hersteller lösen das ähnlich (RME z.B. via die Totalmix Software). Super finde ich hier, dass die Bedienung über den Browser realisiert wurde. Das hat mehrere Vorteile:
Die Fernsteuerung des Interfaces ist über Mac/PC/Tablet/Smartphone gleichermaßen möglich. Alle Devices, die sich im selben Netzwerk befinden wie das Interface können dieses auch fernsteuern. Sehr gut! Das Interface muss hierbei nicht separat mit dem Netzwerk verbunden werden. Ist es per USB mit einem netzwerkfähigen Rechner verbunden, wird es auch von anderen Geräten gefunden. Das eröffnet zugleich zahllose Möglichkeiten. Grundsätzlich ist der Aufbau der Browser-App gut und schlüssig.
Der erste Menüpunkt „Device“ listet grundsätzliche Settings auf. Hier lassen sich neben der Sample Rate auch Clock Settings, Buffer Size und AVB Streams einstellen. Ein kleiner Wermutstropfen zeigt sich beim Clockmodus. Dass im digitalen Verbund ein Device als Master deklariert werden muss ist hinreichend bekannt. Meine RME Interfaces wechseln automatisch auf die interne Clock, sollte trotz eingestelltem Slavemodus kein externes Clocksignal anliegen. Ich nutze das Madiface im Livebetrieb, wo mein Mischpult als Master und das Madiface als Slave (Clock per MADI In) gesetzt ist. Hänge ich das Madiface nun ohne Verbindung zum Mischpult an meinen Rechner, dann schaltet es auf die interne Clock um. Beim M64 muss dazu der Modus auf „Internal“ umgeschaltet werden, sonst gibt es keinen Mucks von sich. Das ist kein Beinbruch, aber ein kleiner verpasster Komfortpunkt. Die weiteren Möglichkeiten im Device Setup sind vielfältig. Einzelne Streams lassen sich komplett (de)aktivieren und damit beispielsweise die Ausgabe über den koaxialen MADI Output temporär stilllegen, ohne das Routing zu verlieren.
Das „Routing“menü eröffnet die extrem vielseitigen Routingmöglichkeiten des Interfaces. Hier lässt sich jeder Eingang auf jeden Ausgang schicken. Die einzelnen Kanäle sind hier optisch gruppiert und lassen sich entsprechen auf- und zuklappen. So verliert man nie die Übersicht und sieht auch bei zugeklappter Matrix dennoch, in welchen Kanalgruppen bereits Routings vorgenommen wurden. Außerdem lassen sich alle Kanäle beschriften. Fein! Leider habe ich kein Setting gefunden, das die ursprünglichen Kanalbezeichnungen wieder einblendet. Diese werden erst nach dem Löschen des Eigennamens wieder sichtbar. Schön ist wiederum, dass sich die Matrix sich lässt und versehentliche Änderungen damit vermieden werden können. Toll ist auch, dass Matrix-presets erstellt und abgespeichert werden können. Durch die Standalonefähigkeit des M64 und die enormen Routingmöglichkeiten lässt es sich so durchaus als MADI-AVB-Format-Wandler (Coax auf Optisch, MADI auf AVB usw.) nutzen. Die Presets sind nämlich auch über das Gerät selbst aufrufbar, wenn auch detaillierte Änderungen Standalone nicht möglich sind. Das würde aber auch alleine wegen der kleinen Displaygröße wenig Sinn machen.
Im „Mixing“ Menü lassen sich die einzelnen Signale bearbeiten. Pro Interface stehen 48 Kanäle zur Verfügung. Werden mehrere Interfaces per AVB zusammengeschaltet erhöht sich also die effektive Mixer-Kanalanzahl. Für jeden der 48 Kanäle stehen folgende Bearbeitungsparameter zur Verfügung:
Highpassfilter (20Hz-20kHz), Gate (Threshold, Attack, Release), 4Band vollparametrischer EQ, Compressor (Threshold, Attack, Release, Ratio, Gain, RMS/Peak). Außerdem ist es möglich insgesamt 16 Auxmischungen zu erstellen, wobei die letzten beiden Auxe fix auf den internen Reverb geroutet sind. Es lassen sich also beispielsweise 14 verschiedene Mono- bzw. 7 Stereokopfhörermischungen für die Musiker im Studio anlegen. Auch diese Auxmischungen können natürlich über das AVB-Netzwerk übertragen werden. Die internen Bearbeitungen greifen gut und effektiv. Der Reverb fällt qualitativ leider sehr ab. Er klingt sehr körnig und lässt stört gerade bei Gesangspassagen mit härteren Konsonanten, da die einzelnen Reflexionen und Echos gut wahrnehmbar sind und sich erst sehr spät in der Hallfahne mischen. Für EQ und Compressor stehen neben der parametrischen Ansicht auch eine graphische Ansicht zur Verfügung. Leider können die üblichen Mousemodifier (Strg/Alt/Shift) nicht genutzt werden, um beispielsweise beim Ziehen einem EQ-Filter die Bandbreite desselben zu verstellen. Auch das resetten der Einstellungen muss händisch erfolgen (üblicherweise in DAWs mit Strg+Klick oder Alt+Klick möglich). Eine Inkonsequenz findet sich auch in der Bedienung per Tablet. Lassen sich die Fader im Mixer am Rechner per Doppelklick auf –unendlich und 0dBFS setzen, ist dies per Fingerdoppelklick auf dem Tablet nicht möglich. Gerade über das Smartphone rutschen die Menüpunkte so dicht zusammen, dass sie teilweise nicht gut oder gar nicht bedienbar sind. Es ist mir beispielsweise nicht gelungen, mit meinem Galaxy Note 4 im Mixermenü in das HPF/Gate/EQ/Comp Fenster vorzudringen. Hier gäbe es Optimierungsbedarf. Schön ist auf der anderen Seite, dass im Menüpunkt „Aux Mixing“ per Klick auf „View Personal Mix“ nur der gerade ausgewählte Mix angezeigt werden lassen kann. So ist es möglich, dass jeder Musiker auch während der Show/Aufnahme an seiner eigener Kopfhörermischung schrauben kann, ohne Zugriff auf das ganze System zu haben. Der „Personal Mix“ erscheint nämlich in einem neuen Browserfenster, worauf sich das Fenster mit dem Vollzugriff einfach schließen lässt.
Praxis
Hier gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Alles – von der Installation bis zur Aufnahme – läuft ohne Probleme und wie man das erwartet und erwarten darf. In das Handbuch habe ich erst nach einiger Zeit einen Blick geworfen. Ich finde, dass man beim selbstständigen Erkunden von neuen Produkten gut einschätzen kann, wie intuitiv sich das Produkt nutzen lässt. Hier gibt es definitiv keine größeren Probleme. Kleinere Inkonsequenzen wurden oben benannt, aber auch daran wird man sich gewöhnen. Ich nehme an, dass eine Firma wie MOTU das grundsätzlich gute Handling auch weiterhin mit Updates verbessern wird. Grundsätzlich wünsche ich mir an einem Interface wenigstens einen analogen Input, um beispielsweise ein Talkbacksignal den Stream schicken zu können. Auch auf separate analoge Line Outs für eine Abhöre muss verzichtet werden. Aufgrund des geringen Anschaffungspreises und der Vielfalt der angebotenen MOTU-Interfaces geht das im Zweifel noch klar. Die Latenzen sind extrem gering. Die Buffer Size lässt sich bis auf 16 Samples reduzieren (!). Ein entsprechend schneller Computer vorausgesetzt lassen sich damit livetaugliche Latenzen erzielen. Ein separater Controller wäre natürlich ein Traum, gerade weil sich damit ein FOHmix auf Interfaceebene erzeugen ließe und damit auch eine rechnerunabhängige Stabilität vorausgesetzt wäre *winkmitdemZaunpfahl*.
Achja, weil das auch immer ein Thema ist: Der Kopfhörerausgang ist sehr laut. Lauter, als ich es meinen Ohren zumuten möchte. Einen noch angenehmen Pegel erreiche ich mit meinen DT1990 und Youtubevideos bei -25 bis -20dB am Kopfhörertrimpoti.
Madiface Pro
Zu guter letzt noch einige Punkte zum Madiface Pro. Ich möchte hier gar nicht zu stark wertend vergleichen. Die Interfaces werden zu einem ganz anderen Kurs gehandelt (M64 = 777€ vs Madiface Pro = 1199€) und sind für unterschiedliche Einsätze designed. Ein paar Gedanken helfen dem Leser vielleicht dennoch bei der weiteren Entscheidung. Die Routingsoftware bei RME heißt Totalmix. Die Routingmöglichkeiten sind noch einmal größer als bei MOTU, weil für jeden Hardwareoutput die Möglichkeit eines Submixes bereitgestellt wird. An jeden Hardwareoutput kann also ein Mix aller möglichen Signale gesendet werden. MOTU bietet neben den o.g. 14 Mono-Auxmischungen nur die Möglichkeit, jedes Signal einzeln an einen separaten Output zu senden. MOTU bietet dafür in der Signalbearbeitung den größeren Umfang. RME Totalmix bietet einen 3band-EQ zzgl HPF und Compressor+Gate. MOTU bietet einen 4band-EQ. Die Ansicht ist außerdem etwas intuitiver als bei RME, wenngleich RME in meinen Augen noch etwas performanter ist, weil einfach der Seitenwechsel zwischen den einzelnen Menüpunkten in der Browserapp entfällt. Ich verstehe auch nicht ganz, warum MOTU im Mixer nicht für alle Ein/Ausgänge entsprechende Kanalzüge bereitstellt und hier auf 48 pro Interface begrenzt. Dafür bietet MOTU alleine im MADI-Bereich die doppelte Anzahl an Ein- und Ausgängen, weil hier neben der optischen auch die koaxiale Anbindung möglich ist. Das RME Madiface Pro ist auf optisches MADI beschränkt und bietet außerdem keine separate Wordclock. Was das Madiface für mich trotzdem interessanter macht, sind die zwei internen Mikrofonpreamps, zwei Lineeingänge und die analogen Monitoroutputs. Bisher reichen mir die 64 Ein- und Ausgänge Stünde ich erneut vor dem Kauf, fiele mir die Entscheidung für das ein- oder andere Format durchaus schwerer.
Für wen ist das Interface interessant?
Ich denke, das MOTU M64 spielt seine Vorteile vor Allem in AVB-Verbänden aus und als MADI-Konverter aus. Die AVB-Möglichkeiten sind grundsätzlich großartig. Jedes Device von jedem Gerät im Netzwerk aus ansteuern zu können ist eine feine Sache.
Als Hauptinterface im Studio sehe ich das M64 nicht. Dafür fehlen analoge Outputs für die Abhöre und zumindest ein Mikrofoneingang für ein Talkback. Das will das M64 aber auch gar nicht sein. MOTU hat zahlreiche andere Produkte im Sortiment, die der Aufgabe gerecht werden. Mit dem M64 lässt sich bestehendes MADI-equipment in das AVB Netzwerk integrieren. Damit wird die Technologie auch für den Livebetrieb interessant. Die gängigen digitalen Livekonsolen bieten MADI-karten und lassen sich so in das Netzwerk einbinden. Spannend wird wohl in Zukunft sein, welches der unzähligen Netzwerkformate sich durchsetzen wird. Mit Dante und Ravenna existieren zwei ernsthafte Konkurrenten, die ähnliche Vorteile netzwerkbasierter Audiotechnik bieten. Mit einer Investition in die eine oder andere Richtung legt man sich ein gutes Stück weit für die Zukunft fest. Der Investitionsschritt sollte deshalb gut überlegt sein. MOTU bietet jedenfalls einen interessanten Weg mit umfassendem Sortiment. Im Verbund mit anderen AVB-fähigen Geräten werden die kleinen Interfaces zu mächtigen Tools mit unglaublichen Kanalzahlen und großen Routingmöglichkeiten.
Nachtrag
@exoslime schreibt in seinem Review zum UltraLitemk4 von Performanceeinbrüchen und Abstürzen der Browserapp. Ähnliche Probleme traten bei mir nur bei wildem Hin- und Herschalten zwischen den Menüpunkten auf, woraufhin ich den Browser für den weiteren Zugriff neustarten musste. Abstürze gab es bei mir nicht.
Ich hoffe, das Review hat etwas Licht ins Dunkel gebracht und hilft dem ein oder anderen bei der Kaufentscheidung. MOTU ist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg und bietet viele Funktionen für vergleichsweise kleines Geld. Viele Grüße!
Lieferumfang:
MOTU M64
Netzteil
Rackohren und Gummifüße
USB2 Kabel
Treiber-CD
Produktheft mit dem MOTU Interface Sortiment
MOTU M64
Das MOTU M64 ist ein MADI/AVB Interface und damit in der Lage, viele Kanäle zu händeln. MADI dürfte hinreichend bekannt sein. Die Abkürzung steht für Multichannel Audio Digital Interface und bezeichnet eine digitale Audioschnittstelle MADI kann in Form von koaxialer und optischer Leitung bereitgestellt werden. Auf der Rückseite finden sich je ein optischer und ein koaxialer MADI-Input, worüber bei 44,1kHz/48kHz Sample Rate jeweils 64 Kanäle eingespeist werden können; entsprechend halbieren/vierteln sich die möglichen Kanäle bei doppelter/vierfacher Sample Rate. Für die Ausgabe wird ein Ausgang für den optischen und zwei für den koaxialen Weg bereitgestellt, wobei der zweite koaxiale Output eine Spiegelung des ersten darstellt. Eine feine Sache, so lassen sich die auf den koaxialen MADI-Out gerouteten Signale direkt und ohne weiteren Splitter an zwei Ziele senden. Insgesamt stehen hier also jeweils 128 unabhängige digitale Ein- und Ausgänge zur Verfügung. AVB steht für Audio Video Bridging und wird per Ethernet bereitgestellt. Die entsprechende Buchse findet sich ebenfalls auf der Rückseite. Über Ethernet können hier zwei AVB-fähige MOTU Interfaces direkt miteinander verbunden werden. Audio kann dann über Ethernet von einem zum andern Interface geschickt werden. Es sind aber auch größere Netzwerkrealisierungen möglich. Über den MOTU AVB-Switch lassen sich bis zu fünf Interfaces miteinander verbinden, wobei auch wieder mehrere AVB-Switches zusammengeschaltet werden können. Es sind also wirklich große Zusammenschlüsse möglich. So kann beispielsweise ein Interface mit vielen Eingängen (z.B. MOTU Stage-B16 mit 16 Mic Preamps und 8 Line Outputs) im Aufnahmeraum liegen, während sich die eigentliche Schnittstelle zum Computer in der Regie befindet.
Ein zusätzlicher analoger Stereoausgang findet sich auf der Vorderseite des Interfaces in Form einer 6,3mm Kopfhörerbuchse samt Volumepoti. Ansonsten sind auf der Rückseite noch Anschlüsse für Wordclock In/Out (wahlweise auch Thru). Zur Verbindung mit dem Mac/PC steht ein USB2 Port zur Verfügung. Strom erhält das Gerät über ein externes Netzteil.
Auf der Vorderseite des Gerätes finden sich außerdem Menütasten zur Steuerung der wichtigsten Funktionen und ein dedizierter On/Off Schalter. Ein kleines LCD Display zeigt neben der Sample Rate auch die Pegel der per MADI anliegenden und ausgegebenen Signale, die Quelle des Clocksignals und AVB Aktivitäten an. Leider ist das Display nicht durch eine separate Plastikabdeckung geschützt, wodurch für mich der Rucksacktransport entfällt. Zu groß wäre die Angst, das Display zu beschädigen. Ähnliche Bedenken habe ich auch beim Poti für die Kopfhörerlautstärke. Während die ohnehin robusten koaxialen MADI-Anschlüsse auf der Rückseite von außen mit dem Gehäuse verschraubt sind, wurde auf eine entsprechende Maßnahme beim Kopfhörerpoti verzichtet. Schade. Etwas fummelig finde ich auch die Anbringung des Volumepotis. Der Klinkenstecker ist gefühlt immer im Weg. Das wurde beim MOTU UltraLitemk4 meiner Meinung nach etwas besser gelöst. Da ist der Poti oberhalb der Klinkenbuchse und damit meiner Meinung nach besser zugänglich. Schön ist wiederum die Möglichkeit per Doppelklick auf den Poti die Kopfhörerausgabe (ent)muten zu können und bei längerem Drücken die Kopfhörerverstärkung dauerhaft im Display sichtbar zu machen. Für den Rackeinbau legt MOTU Rackohren bereit. Schön ist hierbei, dass sich zwei MOTU-Interfaces nebeneinander auf eine 19“ Höheneinheit bringen lassen. Toll finde ich aber auch, dass auch der 9,5“ Aufbau möglich ist. Für mein Fireface UC habe ich mir vor Jahren ein 9,5“ anfertigen lassen und schätze die kompakten Maße sehr!
MOTU Web UI
Nach der Installation der Treiber und dem Neustart des Rechners lässt sich das Interface vom Computer aus fernsteuern. Das ist nichts neues, viele andere Hersteller lösen das ähnlich (RME z.B. via die Totalmix Software). Super finde ich hier, dass die Bedienung über den Browser realisiert wurde. Das hat mehrere Vorteile:
Die Fernsteuerung des Interfaces ist über Mac/PC/Tablet/Smartphone gleichermaßen möglich. Alle Devices, die sich im selben Netzwerk befinden wie das Interface können dieses auch fernsteuern. Sehr gut! Das Interface muss hierbei nicht separat mit dem Netzwerk verbunden werden. Ist es per USB mit einem netzwerkfähigen Rechner verbunden, wird es auch von anderen Geräten gefunden. Das eröffnet zugleich zahllose Möglichkeiten. Grundsätzlich ist der Aufbau der Browser-App gut und schlüssig.
Der erste Menüpunkt „Device“ listet grundsätzliche Settings auf. Hier lassen sich neben der Sample Rate auch Clock Settings, Buffer Size und AVB Streams einstellen. Ein kleiner Wermutstropfen zeigt sich beim Clockmodus. Dass im digitalen Verbund ein Device als Master deklariert werden muss ist hinreichend bekannt. Meine RME Interfaces wechseln automatisch auf die interne Clock, sollte trotz eingestelltem Slavemodus kein externes Clocksignal anliegen. Ich nutze das Madiface im Livebetrieb, wo mein Mischpult als Master und das Madiface als Slave (Clock per MADI In) gesetzt ist. Hänge ich das Madiface nun ohne Verbindung zum Mischpult an meinen Rechner, dann schaltet es auf die interne Clock um. Beim M64 muss dazu der Modus auf „Internal“ umgeschaltet werden, sonst gibt es keinen Mucks von sich. Das ist kein Beinbruch, aber ein kleiner verpasster Komfortpunkt. Die weiteren Möglichkeiten im Device Setup sind vielfältig. Einzelne Streams lassen sich komplett (de)aktivieren und damit beispielsweise die Ausgabe über den koaxialen MADI Output temporär stilllegen, ohne das Routing zu verlieren.
Das „Routing“menü eröffnet die extrem vielseitigen Routingmöglichkeiten des Interfaces. Hier lässt sich jeder Eingang auf jeden Ausgang schicken. Die einzelnen Kanäle sind hier optisch gruppiert und lassen sich entsprechen auf- und zuklappen. So verliert man nie die Übersicht und sieht auch bei zugeklappter Matrix dennoch, in welchen Kanalgruppen bereits Routings vorgenommen wurden. Außerdem lassen sich alle Kanäle beschriften. Fein! Leider habe ich kein Setting gefunden, das die ursprünglichen Kanalbezeichnungen wieder einblendet. Diese werden erst nach dem Löschen des Eigennamens wieder sichtbar. Schön ist wiederum, dass sich die Matrix sich lässt und versehentliche Änderungen damit vermieden werden können. Toll ist auch, dass Matrix-presets erstellt und abgespeichert werden können. Durch die Standalonefähigkeit des M64 und die enormen Routingmöglichkeiten lässt es sich so durchaus als MADI-AVB-Format-Wandler (Coax auf Optisch, MADI auf AVB usw.) nutzen. Die Presets sind nämlich auch über das Gerät selbst aufrufbar, wenn auch detaillierte Änderungen Standalone nicht möglich sind. Das würde aber auch alleine wegen der kleinen Displaygröße wenig Sinn machen.
Im „Mixing“ Menü lassen sich die einzelnen Signale bearbeiten. Pro Interface stehen 48 Kanäle zur Verfügung. Werden mehrere Interfaces per AVB zusammengeschaltet erhöht sich also die effektive Mixer-Kanalanzahl. Für jeden der 48 Kanäle stehen folgende Bearbeitungsparameter zur Verfügung:
Highpassfilter (20Hz-20kHz), Gate (Threshold, Attack, Release), 4Band vollparametrischer EQ, Compressor (Threshold, Attack, Release, Ratio, Gain, RMS/Peak). Außerdem ist es möglich insgesamt 16 Auxmischungen zu erstellen, wobei die letzten beiden Auxe fix auf den internen Reverb geroutet sind. Es lassen sich also beispielsweise 14 verschiedene Mono- bzw. 7 Stereokopfhörermischungen für die Musiker im Studio anlegen. Auch diese Auxmischungen können natürlich über das AVB-Netzwerk übertragen werden. Die internen Bearbeitungen greifen gut und effektiv. Der Reverb fällt qualitativ leider sehr ab. Er klingt sehr körnig und lässt stört gerade bei Gesangspassagen mit härteren Konsonanten, da die einzelnen Reflexionen und Echos gut wahrnehmbar sind und sich erst sehr spät in der Hallfahne mischen. Für EQ und Compressor stehen neben der parametrischen Ansicht auch eine graphische Ansicht zur Verfügung. Leider können die üblichen Mousemodifier (Strg/Alt/Shift) nicht genutzt werden, um beispielsweise beim Ziehen einem EQ-Filter die Bandbreite desselben zu verstellen. Auch das resetten der Einstellungen muss händisch erfolgen (üblicherweise in DAWs mit Strg+Klick oder Alt+Klick möglich). Eine Inkonsequenz findet sich auch in der Bedienung per Tablet. Lassen sich die Fader im Mixer am Rechner per Doppelklick auf –unendlich und 0dBFS setzen, ist dies per Fingerdoppelklick auf dem Tablet nicht möglich. Gerade über das Smartphone rutschen die Menüpunkte so dicht zusammen, dass sie teilweise nicht gut oder gar nicht bedienbar sind. Es ist mir beispielsweise nicht gelungen, mit meinem Galaxy Note 4 im Mixermenü in das HPF/Gate/EQ/Comp Fenster vorzudringen. Hier gäbe es Optimierungsbedarf. Schön ist auf der anderen Seite, dass im Menüpunkt „Aux Mixing“ per Klick auf „View Personal Mix“ nur der gerade ausgewählte Mix angezeigt werden lassen kann. So ist es möglich, dass jeder Musiker auch während der Show/Aufnahme an seiner eigener Kopfhörermischung schrauben kann, ohne Zugriff auf das ganze System zu haben. Der „Personal Mix“ erscheint nämlich in einem neuen Browserfenster, worauf sich das Fenster mit dem Vollzugriff einfach schließen lässt.
Praxis
Hier gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Alles – von der Installation bis zur Aufnahme – läuft ohne Probleme und wie man das erwartet und erwarten darf. In das Handbuch habe ich erst nach einiger Zeit einen Blick geworfen. Ich finde, dass man beim selbstständigen Erkunden von neuen Produkten gut einschätzen kann, wie intuitiv sich das Produkt nutzen lässt. Hier gibt es definitiv keine größeren Probleme. Kleinere Inkonsequenzen wurden oben benannt, aber auch daran wird man sich gewöhnen. Ich nehme an, dass eine Firma wie MOTU das grundsätzlich gute Handling auch weiterhin mit Updates verbessern wird. Grundsätzlich wünsche ich mir an einem Interface wenigstens einen analogen Input, um beispielsweise ein Talkbacksignal den Stream schicken zu können. Auch auf separate analoge Line Outs für eine Abhöre muss verzichtet werden. Aufgrund des geringen Anschaffungspreises und der Vielfalt der angebotenen MOTU-Interfaces geht das im Zweifel noch klar. Die Latenzen sind extrem gering. Die Buffer Size lässt sich bis auf 16 Samples reduzieren (!). Ein entsprechend schneller Computer vorausgesetzt lassen sich damit livetaugliche Latenzen erzielen. Ein separater Controller wäre natürlich ein Traum, gerade weil sich damit ein FOHmix auf Interfaceebene erzeugen ließe und damit auch eine rechnerunabhängige Stabilität vorausgesetzt wäre *winkmitdemZaunpfahl*.
Achja, weil das auch immer ein Thema ist: Der Kopfhörerausgang ist sehr laut. Lauter, als ich es meinen Ohren zumuten möchte. Einen noch angenehmen Pegel erreiche ich mit meinen DT1990 und Youtubevideos bei -25 bis -20dB am Kopfhörertrimpoti.
Madiface Pro
Zu guter letzt noch einige Punkte zum Madiface Pro. Ich möchte hier gar nicht zu stark wertend vergleichen. Die Interfaces werden zu einem ganz anderen Kurs gehandelt (M64 = 777€ vs Madiface Pro = 1199€) und sind für unterschiedliche Einsätze designed. Ein paar Gedanken helfen dem Leser vielleicht dennoch bei der weiteren Entscheidung. Die Routingsoftware bei RME heißt Totalmix. Die Routingmöglichkeiten sind noch einmal größer als bei MOTU, weil für jeden Hardwareoutput die Möglichkeit eines Submixes bereitgestellt wird. An jeden Hardwareoutput kann also ein Mix aller möglichen Signale gesendet werden. MOTU bietet neben den o.g. 14 Mono-Auxmischungen nur die Möglichkeit, jedes Signal einzeln an einen separaten Output zu senden. MOTU bietet dafür in der Signalbearbeitung den größeren Umfang. RME Totalmix bietet einen 3band-EQ zzgl HPF und Compressor+Gate. MOTU bietet einen 4band-EQ. Die Ansicht ist außerdem etwas intuitiver als bei RME, wenngleich RME in meinen Augen noch etwas performanter ist, weil einfach der Seitenwechsel zwischen den einzelnen Menüpunkten in der Browserapp entfällt. Ich verstehe auch nicht ganz, warum MOTU im Mixer nicht für alle Ein/Ausgänge entsprechende Kanalzüge bereitstellt und hier auf 48 pro Interface begrenzt. Dafür bietet MOTU alleine im MADI-Bereich die doppelte Anzahl an Ein- und Ausgängen, weil hier neben der optischen auch die koaxiale Anbindung möglich ist. Das RME Madiface Pro ist auf optisches MADI beschränkt und bietet außerdem keine separate Wordclock. Was das Madiface für mich trotzdem interessanter macht, sind die zwei internen Mikrofonpreamps, zwei Lineeingänge und die analogen Monitoroutputs. Bisher reichen mir die 64 Ein- und Ausgänge Stünde ich erneut vor dem Kauf, fiele mir die Entscheidung für das ein- oder andere Format durchaus schwerer.
Für wen ist das Interface interessant?
Ich denke, das MOTU M64 spielt seine Vorteile vor Allem in AVB-Verbänden aus und als MADI-Konverter aus. Die AVB-Möglichkeiten sind grundsätzlich großartig. Jedes Device von jedem Gerät im Netzwerk aus ansteuern zu können ist eine feine Sache.
Als Hauptinterface im Studio sehe ich das M64 nicht. Dafür fehlen analoge Outputs für die Abhöre und zumindest ein Mikrofoneingang für ein Talkback. Das will das M64 aber auch gar nicht sein. MOTU hat zahlreiche andere Produkte im Sortiment, die der Aufgabe gerecht werden. Mit dem M64 lässt sich bestehendes MADI-equipment in das AVB Netzwerk integrieren. Damit wird die Technologie auch für den Livebetrieb interessant. Die gängigen digitalen Livekonsolen bieten MADI-karten und lassen sich so in das Netzwerk einbinden. Spannend wird wohl in Zukunft sein, welches der unzähligen Netzwerkformate sich durchsetzen wird. Mit Dante und Ravenna existieren zwei ernsthafte Konkurrenten, die ähnliche Vorteile netzwerkbasierter Audiotechnik bieten. Mit einer Investition in die eine oder andere Richtung legt man sich ein gutes Stück weit für die Zukunft fest. Der Investitionsschritt sollte deshalb gut überlegt sein. MOTU bietet jedenfalls einen interessanten Weg mit umfassendem Sortiment. Im Verbund mit anderen AVB-fähigen Geräten werden die kleinen Interfaces zu mächtigen Tools mit unglaublichen Kanalzahlen und großen Routingmöglichkeiten.
Nachtrag
@exoslime schreibt in seinem Review zum UltraLitemk4 von Performanceeinbrüchen und Abstürzen der Browserapp. Ähnliche Probleme traten bei mir nur bei wildem Hin- und Herschalten zwischen den Menüpunkten auf, woraufhin ich den Browser für den weiteren Zugriff neustarten musste. Abstürze gab es bei mir nicht.
Ich hoffe, das Review hat etwas Licht ins Dunkel gebracht und hilft dem ein oder anderen bei der Kaufentscheidung. MOTU ist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg und bietet viele Funktionen für vergleichsweise kleines Geld. Viele Grüße!
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