Review: Jellinghaus Romantica (?) Prototyp

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Nachdem im "Wie viele A-Gitarren habt ihr"-Thread aufgefallen ist, dass ich noch kein Review zu meiner Jellinghaus Gitarre geschrieben hab, hole ich dies hier nach.

Die Geschichte ist tatsächlich ein wenig außergewöhnlich und ich muss ein bisschen ausholen.
Wen nur die Bilder und Specs interessieren, der kann gerne den (langen) Text hier überspringen.

Vorgeschichte:

Es war einmal vor langer langer Zeit (10+ Jahre)..
.. da habe ich neben meinem Studium in einer Musikschule als Gitarrenlehrer gearbeitet.
Diese Musikschule wurde irgendwann Kooperationspartner für JeKi (Jedem Kind ein Instrument), was bedeutete, dass Lehrer aus der Musikschule in einer Grundschule in der Nähe gegangen sind, um dort den Kindern Musik und verschiedene Instrumente näher zu bringen.
In Dortmund lief das in zwei Stufen ab:
In der 1. Klasse gab es ein Instrumentenkarussell (alle 3-4 Wochen gab es Kisten mit Instrumenten, die unter den Schulen dann getauscht wurden, so dass über den Verlauf eines Jahres die Kids alle Instrumentengruppen kennen lernen konnten), wo alle möglichen Instrumente vorgestellt wurden und die Kids ein wenig ausprobieren konnten, was ihnen denn so gefällt.
Ab der 2. Klasse konnten die Kinder dann bei Interesse aus verschiedenen Instrumenten (bei uns: Klavier, Gitarre, Geige, Blockflöte) eins auswählen und bekamen dann in Gruppen Instrumentalunterricht, obendrein gab es ein kleines "Orchester", wo dann alle mitgespielt haben.

Ich habe damals das Instrumentenkarussell gemacht, was bedeutete, dass ich jede Woche einen ganzen Vormittag an der Grundschule war und da nach und nach alle 1. Klassen unterrichtet habe. Das Ganze galt wirklich als normales Unterrichtsfach und ersetzte quasi den Musikunterricht in der 1. Klasse.
Eine übliche Stunde lief dann beispielsweise so ab, dass wir zur Begrüßung ein Lied gesungen haben, und dann die Instrumente angeguckt haben, die diese Woche neu angeliefert wurden, dann wurde beispielsweise ein einfaches Stück musiziert oder eine Klanggeschichte erzählt in der die Instrumente benutzt wurden, dann gab es kleine Spiele zwischendurch oder am Ende, wo ich z.B. Zettel mit verschiedenen Instrumenten in die Ecken des Raumes gehängt habe und dann Hörbeispiele abgespielt habe und die Kinder mussten in die richtige Ecke laufen. Zum Abschluss wurde dann auch gesungen. Es gab eine Reihe an "vorgegebenen" Liedern, die alle Schulen gelernt haben, denn am Ende des Jahres gab es ein großes "Konzert" mit den Kindern von allen Schulen, wo dann eben diese Lieder gemeinsam gesungen wurden. Außerdem natürlich noch jede Menge jahreszeitliche Lieder, etwa zu Weihnachten etc.

Damit das ganze Gesinge nicht so langweilig ist, habe ich die Kinder natürlich begleitet und da wir meist im Sitzkreis im Musikraum (mit Teppich, ohne Stühle und Tische etc) saßen, war natürlich die Gitarre das Instrument der Wahl.
Anfangs hab ich meine Hanika mitgenommen, aber das hatte zwei Nachteile: Es ist eine 4/4 Gitarre und entsprechend groß. Wenn dann also Kinder neben mir gesessen haben, sind die schnell angeeckt oder konnten gar nicht über die Gitarre hinweg gucken, weil sie noch so klein waren. Außerdem war die Gitarre recht teuer und jeder Lehrer weiß, dass man da gerade bei kleinen Kindern immer damit rechnen muss, dass jemand blöd ausrutscht oder nicht auf die Umgebung achtet.
Also habe ich mich nach einer kleineren, günstigeren Gitarre umgeguckt.
Das Problem ist, dass die eben oft auch... mäßig klingen. 99% der 1/2 oder 3/4 Gitarren, die so verkauft werden sind eben Einsteiger-Kinder-Gitarren mit Verfallsdatum, die nur dafür gedacht sind 2-3 Jahre zu überbrücken, bis die Kinder etwas gewachsen sind, um dann ein vernünftiges 4/4 Instrument zu kaufen.
Ich bin also in verschiedenen Gitarrenläden gewesen, aber nicht so recht fündig geworden.

Bis...

Ich eines Tages bei Just Music in Dortmund (in der City) war und auch mal in den hinteren Ecken gestöbert habe.
Just Music hatte kurz vorher die Filiale von Jellinghaus übernommen, weil Wolfgang Jellinghaus in Rente gegangen ist und entsprechend wurde da ein wenig umsortiert, was den Bestand anging, die Abteilungen etwas verändert etc.
Und da sah ich dann eine kleine Gitarre, optisch so Richtung 18./19. Jahrhundert, die hing an der Rückseite von einem Stützpfeiler in der Ecke, kein Label, kein Preisschild, nix.
Ich hab sie dann angespielt, festgestellt, dass sie schon ein paar Dings und Dongs hatte, die Mechaniken liefen auch teilweise zu weich, aber sie hatte auffallend hochwertige Hölzer (Bearclaw-Decke, Ebenholzgriffbrett) und klang total gut und ließ sich gut bespielen.

Kurzum: Genau das, was ich gesucht hab:

Eine Gitarre, wo auch ne Macke nichts macht, die super klein ist und trotzdem vernünftig klingt.
Nur der Preis war noch unklar und was es überhaupt für eine Gitarre ist.
Also hab ich den Mann am Tresen gefragt und der hatte auch Probleme:
Denn: durch die Übernahme durch Just Music wurde auch deren Warensystem dort genutzt. Das System kann aber nur die Gitarren ausgeben, die es offiziell zu kaufen gibt, aber diese Gitarre hatte eben kein Label und keine Kennzeichnung oder ähnliches.

Also wurde herumgefragt, bis dann ein Mitarbeiter kam, der schon vorher bei Jellinghaus gearbeitet hat und die Geschichte erzählte:
Wolfgang Jellinghaus hatte schon immer ein riesiges Lager an Holz. Es gab auch z.B. Kooperationen mit Lakewood, wo er die Hölzer gestiftet hat und die Gitarren dann etwas günstiger als üblich verkaufen konnte, ebenso gab es Gitarren, die in Übersee (ich glaube in China) für Jellinghaus produziert wurden, quasi als Eigenmarke.
Und ab und zu hat er eben auch Ideen/Prototypen bauen lassen, die er dort (China?) umsetzen lassen hat, einfach Testweise.

Meine Gitarre ist einer dieser Prototypen, es gibt keine offizielle Bezeichnung, ich weiß nicht, ob die Gitarre ursprünglich für den Verkauf gedacht war oder einfach irgendwo im Lager bei Just Music herumstand, bis sie jemand in den Laden gehängt hat.
Jedenfalls war total unklar was sie kosten soll, ich hab noch einmal auf die kleinen Macken hingewiesen und die Mechaniken und die Verkäufer wollten das Ding einfach loswerden, weil sie es im System eh nicht buchen konnten.
Ich hab dann eine handgeschriebene Rechnung bekommen und (ich meine) 350€ bezahlt. Was absurd wenig ist. Ich suche die Tage die Rechnung raus, wenn ich sie finde. Habe sie dann aber natürlich direkt mitgenommen.

Nachdem Jellinghaus den Laden den Laden verkauft hat, hat er noch mehr Gitarren gebaut / bauen lassen, die in eine ähnliche Richtung gehen.
Beispielsweise hier diese bei Siccas:
https://www.siccasguitars.de/shop/guitar/wolfgang-jellinghaus-romantica/
https://www.siccasguitars.de/shop/guitar/wolfgang-jellinghaus-romantica-3/

Meine Gitarre weicht aber von diesen beiden ein wenig ab, beispielsweise bei den Hölzern und beim Steg.
Im Internet finden sich Preise von 800-3500€, aber teilweise sind sie dann Schellack-lackiert. Es ist schwierig einen realistischen Preis zu machen.
Zur damaligen Zeit hätte ich die Gitarre aber bei über 1000€ gesehen, minus die Beschädigungen. Ich hätte sie auch für den doppelten Preis gekauft, den ich bezahlt hab.

Es ist unklar, ob Wolfgang Jellinghaus selbst an der Gitarre mitgebaut hat oder diese komplett selbstgebaut hat oder nur den Auftrag gegeben hat. Da er Anfang des Jahres verstorben ist, kann man ihn auch nicht mehr fragen.
Vieles bleibt hier also im Dunklen.



Specs und Bilder:

Modell: Jellinghaus (Auftraggeber?) Romantische Gitarre
Decke: Bearclaw Fichte
Boden & Zargen: Palisander (ostindisch?)
Griffbrett: Ebenholz
Sattel: 50mm
Tuner: Gotoh 35G1800-EN Classic Tuners G
Kopfplatte: Ahorn
Rosette: Sehr dunkles Holz. Es könnte sowas wie Ebenholz oder Ziricote sein
Lack: Bin ich mir nicht sicher. Ich tippe auf Nitro.


Besonderheit sind definitiv auch die Stegpins. Es ist die einzige klassische Gitarre mit Pins, die ich besitze und es gibt tatsächlich nur extrem wenige Saiten für klassische Gitarre mit Ballends.
Die Fotos hier hab ich schon vor Jahren gemacht (das Licht ist nicht so optimal gewesen, alles ein bisschen rötlich ;-), wahrscheinlich, weil ich ein Review schreiben wollte, aber ich hab es offenbar nie gemacht... oder ich finde es nicht wieder.. ;-)

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Mittlerweile wäre sie mir deutlich zu schade, um sie mit in die Schule zu nehmen und ich bin auch von der Grundschule aufs Gymnasium/Gesamtschule gewechselt, so dass es nicht mehr nötig ist, da meine eigenen Sachen anzuschleppen.
Es ist definitiv eine meiner außergewöhnlichsten Gitarren, die ich besitze und vermutlich sogar diejenige, die am schwierigsten zu ersetzen ist.
Ich hab grad vor wenigen Wochen bei TFOA einige originale Gitarren aus dem 19. Jahrhundert angespielt und auch über die Jahre hinweg immer wieder nach kleinen aber qualitativ hochwertigen kleinen Gitarren geguckt und musste feststellen, dass der Markt dafür extrem klein ist und die meisten kleinen Gitarren sehr boxy klingen oder gar keine Bässe haben. Wenn dann sind es Gitarren von Gitarrenbauern, die dann aber deutlich teurer sind, als meine.

Wenn ich irgendwann Zeit finde, versuche ich ein paar kurze Aufnahmen zu machen und dann hier zu editieren, aber die Klangbeispiele von den beiden Gitarren bei Siccas kommen schon recht nahe.
 
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Schöne Geschichte. Du brauchst übrigens keine Saiten mit Ballends, ein schlichter Knoten genügt. Im Diskant vielleicht zwei. Bei den Gitarren früher war das so üblich.

Die China-Gitarren von Jellinghaus erfreuen sich durchaus einiger Beliebtheit.
 
Tolle Geschichte!
Jellinghaus gegenüber der Rückseite der Rheinoldikirche war der Laden, den ich in meiner frühen Jugend immer besucht habe, um eine Fender Strat wenigstens mal kurz anzufassen (wenn gerade keiner guckte).
Und dann gab es noch das Musikhaus Schlüter in der Hansastrasse.
 
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