[REVIEW] Ibanez - AZ24S1F-VLS "Violin Sunburst" Part II

Anfängerfehler!
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Ibanez Testrun - AZ24S1F-VLS - Part II

Nachdem hier im Forum der Aufruf kam „Give them something to talk about“ nachdem die neue Gitarrenlinie von Ibanez erschienen war, hab ich mich als Tester „beworben“ und wurde tatsächlich gewählt. Soweit so spannend, hatte ich mit Ibanez im E-Bereich bisher nichts am Hut, obwohl ich an vielen Stellen gelesen habe, dass das hervorragende Gitarren sein sollen.
In der Woche vor meinem Urlaub kam dann die angekündigte Gitarre bei mir an. Wohlgemerkt nicht mehr im originalen Zustand sondern an vielen Punkte schon optimiert von @GeiGit . Er hat die Saitenlage angepasst und den Sattel nachgekerbt. Insofern kann ich über den Werkszustand nicht mehr viel sagen. So wie sie hier ankam war sie perfekt eingestellt! Das Review von ihm findet ihr hier.

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Vorweg eine kurze Einleitung zu mir und meiner Einstellung zu Gitarren. Ich bin kein Sammler, auch wenn schon so einige Gitarren gekommen und wieder gegangen sind. Am Ende behalte ich nur die, die mir (frei nach Marie Kondo) ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, wenn ich sie in die Hand nehme. Meine absolute Lieblingsgitarre, die momentan auch 90% der Zeit gespielt wird ist eine Fender American Prof. II mit Kinman Blues Pickups und einigen anderen Umbauten. Ein wenig unfair also: An dieser mit Umbauten sicher ca. 2500 bis 3000 Euro teuren Gitarre muss sich die Testkandidatin messen. Allerdings hatte ich auch schon z.B. eine in der Preisregion direkte Konkurrentin, die Sire-Strat für ca. 550 Euro. Die hat mich damals ziemlich begeistert und ist nur gegangen, weil eine andere noch mehr gefallen hat.

Ich war gespannt und habe mir vorher schon einiges dazu durchgelesen. Die eher moderne Form der Gitarre spricht mich nicht besonders an und auch der Farbton ist nicht so meiner. Aber was soll ich sagen? Meine Lieblingsstrat ist metallic-gold und bis heute find ich die optisch mies. Daran wird es nicht scheitern.

Erster Eindruck und Verarbeitung bzw. Specs:
Also ran ans Werk und ausgepackt. Die Form des Erlekorpus ist sehr angenehm und ergonomisch, auch ins Gewicht geht sie nicht zu arg. Wenn ich 2-3 Stunden sitzend damit gespielt habe, fühle ich mich nicht besser oder schlechter als mit meiner Strat. Aber wesentlich besser als mit einer Tele oder LP. Fühlt sich gut an und auch die Verarbeitung ist tadellos. Die Bünde sind sauber abgerundet, der Lack ist sauber aufgetragen und alles in allem wirkt es extrem hochwertig angesichts der Preisklasse in der sich die Gitarre bewegt. Die Lockingtuner halten auch bei exzessivem Einsatz des Vibratos die Stimmung. Die Verschraubung am Hals ist super gemacht und fühlt sich in hohen Lagen so mit als beste Lösung an, "unauffälliger" unter meinen Finger als die Fender-Variante jedenfalls.

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Das Halsgefühl finde ich persönlich immer etwas schwierig zu beurteilen. Einerseits ist es totale Geschmacksfrage, andererseits fühlt sich neu für mich immer erst einmal falsch an. Nun nach etlichen Spielstunden habe ich mich dran gewöhnt und würde sagen, mehr Fleisch gefällt mir besser. Haptisch ist der Hals top, schöne abgerundete Kanten und auch die Bundstäbchen sind nicht spürbar beim Spiel. Gerösteter Ahorn, samtig matte Oberfläche, die auch Schwitzen gut verzeiht und nicht klebrig daher kommt nach längerem Spiel. Der Hals ist irgendwo im gefühlten mittleren Bereich von der Dicke her aber von der Rundung eher flach. Das lädt zu Barrée-Griffen ein und unterstützt bei Geschwindigkeit. Als Blueser mit dem Daumen in stoischer Position auf der tiefen E-Saite sofern irgend möglich, hätte ich gerne mehr Holz in der Hand. Dann geht das leichter von der Hand. Aber ist das ein Kritikpunkt? Sicherlich nicht, wieder nur eine Geschmacksfrage. Einzige minimale Kritik: Das Griffbrett aus Jatoba (eine Art der Johannisbrotbäume) fühlt sich etwas rau an. Wäre es keine Testgitarre, hätte ich den fein angeschliffen und das „Problem“ (Hust) wäre schnell gelöst. So war es gerade bei langen Vibratos manchmal etwas irritierend. Vielleicht ist das Griffbrett auch einfach sehr trocken. Das werde ich in den nächsten Tagen als erstes versuchen und das mal pflegen. Sollte es besser werden, berichte ich natürlich.

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Pickups und Schaltung:
In der Gitarre sind laut Specs zwei Ibanez Modern Custom Humbucker verbaut, die beide splitbar sind. Vom Output her war ich überrascht, denn ich hatte bei einer Ibanez (Klischee: METAL!) irre hohen Output erwartet. Die liegen etwas unter meiner 80er-Jahre Epiphone Sheraton und sind somit keine One-Trick-Ponys. Sie klingen leise gut und sehr warm am Hals. Nimmt man den Toneregler leicht zurück wird es aber schnell sehr dumpf-jazzy. So richtig perlende Höhen, die sich in brechenden Obertönen durchsetzen bekomme ich damit nicht hin. Aber das ist ja nun auch nicht die Stärke eines Humbuckers und ich spiele (wieder Geschmackssache) einfach lieber Singlecoils. Beeindruckend allerdings ist das Sustain für eine Strat. Die klingt und klingt und klingt und wenn man die Saite gefühlvoll bearbeitet, kann man Töne gefühlte Ewigkeiten stehen lassen. Das macht Spaß. An der Brücke ist es dann bei aufgedrehter Tone-Blende aber vorbei mit warm und voll, da ist man schnell in rockigeren bzw. metallischeren Gefilden unterwegs. Klingt gut und mit Tone-Blende kann man hier viel variieren.

Nun aber zum Alleinstellungsmerkmal der Gitarre: Das dyna-Mix10-Switchsystem ist ein kleiner metallischer Pin zwischen Volume und Tone. Damit kann man die Coils splitten bzw. „tappen“. Was das konkret bedeutet habe ich glaube ich nur in Grundzügen verstanden. Es soll die eine Spule des Humbuckers nutzen, die andere parallel verschalten und damit höhenbetont und bassreich gleichzeitig klingen. Soweit zur Therorie. Wie klingt das? Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. So habe ich mich also eher etwas widerwillig durch die ganzen Schaltungsoptionen durchgespielt und da ist manches schönes dabei. Aber so richtig begeistert hat es mich nicht. Ich wäre mit zwei Tone- und zwei Vol.-Potis zufriedener gewesen. So war es eine ziemliche Bastelei mit Tabelle auf dem Tisch den Sound zu bekommen. Denn den Switch kann man nicht „auschalten“ sondern nur von rechts nach links bewegen. Die Zwischenpositionen in der Rechtsschaltung sind dann jeweils als Singlecoils angesteuerte Humbucker. Das klingt allerdings nicht wie ein Singlecoil, für meine Ohren nichtmal ansatzweise. Es klingt gut, aber anders. In der Linksschaltung wird dann der Tap-Mode aktiviert und in Position 1, 3 und 5 wird Hals, beide bzw. Brücke getappt. Nach mehreren Stunden Herumspielen damit habe ich es gelassen. Ich brauche kein schweizer Taschenmesser für meine Zwecke, sondern eigentlich nur gute Zwischenpositionen wo es obertonreich blubbert und einen warmen Hals. Zweiteres liefert die Gitarre, ersteres in meinen Händen nicht überzeugend.

Hierbei muss man aber sicherlich erwähnen, dass ich der Gitarre unrecht tue. Wer in anderen Musikgenres unterwegs ist, wird da vielleicht einige tolle Sounds rausholen. Und wer in Coverbands spielt, viel verschiedene Sachen spielen möchte und gerne experimentiert ist mit dem gut funktionierenden System bestimmt gut bedient. Aber einen Anwendungsfall für eine so variable Schaltung sollte man schon haben, wenn das ein Kaufkriterium für die Gitarre sein soll.

Spielgefühl und Gesamteindruck:
Was soll ich sagen? In der Preisregion eine rundherum überzeugende Gitarre. Wo bekommt man Lockingtuner, einen gerösteten Ahornhals und so hochwertige Verarbeitung inkl. solcher Boni wie dem dyna-Mix10-Switchsystem für ca. 550 Euro geboten? Die Verarbeitung ist auf sehr hohem Niveau für die Preisregion und objektiv ist das ein hervorragendes Angebot. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man auch deutlich mehr Geld ausgegeben kann für schlechtere Hardware.

Hat mich das überzeugt? Wie man vermutlich herausliest, leider nicht. Und dabei tue ich mich schwer meinen Eindruck zu schildern, wurde mir die Gitarre doch aus Testzwecken zur Verfügung gestellt. Ich sollte also doch, wo alles mit der Gitarre stimmt, hier die absolute Kaufempfehlung abgeben können. Grundsätzlich tue ich das auch, weil meine Kritik (kommt unten) hochgradig subjektiv ist.
Hatte ich Spaß mit der Gitarre? Eher weniger muss ich leider sagen. Sie ist in allem gut, in der Ausstattung optimiert und bietet sehr viele sehr solide Soundoptionen. Aber für meine Ohren hat sie leider nirgendwo wirklich begeistern können. Alles klingt gut, aber nichts fantastisch. Und das ist leider das Kriterium, nach denen ich meine Gitarren behalten habe. Auch Gitarren in der Preisregion haben manchmal diesen Glitzer auf dem Sound, der sie besonders macht. Natürlich muss man der Gitarre hier zu Gute halten, dass sie ein geschicktes Testexemplar ist. Vielleicht gäbe es in der Serie andere, wo dieses „besondere etwas“ vorhanden wäre. So ist der Sound aber für alles nutzbar, glänzen tut er an keiner Stelle.

Die ganze Gitarre wirkt auf mich wie der Versuch alles was irgendwie möglich ist unter dem Preisschild von 550 Euro zu verbauen. Das ist gelungen. Aber was macht die Gitarre eigentlich aus? Sie klingt nicht stratig, „beißen, spucken, kratzen“ tut sie nicht. Sondern in der Kombination und der Schaltung bleibt sie für mich ein sehr vielseitiges Arbeitstier mit dem man alles spielen kann. Die letzten 10% an individuellem Klang bleiben aber in jeder Position unerreicht. Insgesamt ist die Verarbeitung so gut gemacht, dass ich mal ein Bild aus dem KFZ-Bereich bemühe. Es ist ein nagelneuer Skoda vom Band, super solide verarbeitet und trotz verhältnismäßig geringem Preis ist mehr drin als in vielen anderen Autos. Aber mir persönlich fällt es schwer einen neuen Skoda vom Band zu lieben. Der Skoda ist etwas generisch, ein „vernünftiges“ Auto ohne echte Mängel. Charakter, Ecken und Kanten sucht man da vergebens. So ist es auch bei der Testgitarre.

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Zielgruppe und Fazit:
Wem würde ich zum Kauf der Gitarre raten? Wer eine total solide Gitarre sucht im niedrigen bis mittleren Preissegment, der wird hier fündig. Auch fortgeschrittene Anfänger, die gerade ihr zweites Instrument anschaffen wollen oder direkt in der Mittelklasse einsteigen wollen, sind hier bestens beraten. Als Bühnengitarre für Covermusiker usw. ist sie ideal. Einzige wirkliche Konkurrenz (in meinen Augen) sind hier die Strats von Sire, die ganz ähnliche Hardware fürs Geld mitbringen, von dem Switchsystem mal abgesehen. Die sind vielleicht etwas schlechter verarbeitet (möglicherweise?), zumindest meine war es. Dafür haben sie aber ohne das greifen zu können, etwas mehr Eigenarten. Was hier positiv gemeint ist. Und bestimmt wäre die Gitarre auch was für Flitzefinger im Metalbereich, die mit der wirklich guten Bespielbarkeit voll auf ihre Kosten kommen. Für Tone-Junkies, die das Gras wachsen hören, könnte die Gitarre aber eine ähnliche Ernüchterung wie bei mir hinterlassen. Ich habe leider noch keine der großen Schwestern in der Hand gehabt um zu beurteilen, ob ich nach oben raus mehr auf meine Kosten käme. Am Ende bin ich vielleicht nicht die Zielgruppe von Ibanez.

Insofern schicke ich die Gitarre dann bald wieder auf die Reise und werde sie im Testzeitraum auch sicher noch das eine oder andere mal spielen. Ich hätte es mir wirklich gewünscht der Funke wäre übergesprungen. Aber manchmal begegnet man sich, alles scheint zu passen, aber eine Liebe wird einfach nicht draus. Dafür fehlt es manchmal einfach an den angenehmen und ungemein bereichernden Reibungspunkten. Die sind am Ende das, was irgendwie ja einen Teil der Leidenschaft ausmacht. Aber gewollt hätte ich. Es liegt nicht an Dir, ganz ehrlich Ibanez!

Soviel zu meinem Review nach einer Woche mit der Gitarre und dem ersten Gesamteindruck. Ich werde hier noch weiter schreiben, wenn ich noch zu anderen Erkenntnissen komme. Ansonsten fragt gerne nach, wenn ihr fragen habt. Ich hoffe das Review liefert einen Eindruck der Gitarre.

Viele Grüße
Der Anfängerfehler!
 
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Schönes Review und ich find's auch total super, dass du beschreibst, warum dich die Gitarre nicht richtig abholt. Auf jeden Fall viel hilfreicher, als so viele YT-"Tests", die immer alles über den grünen Klee loben, was sie geschickt bekommen. Hast Kekse, lass sie dir schmecken :keks:
 
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